Deutscher Bundestag Drucksache 18/2547 18. Wahlperiode 17.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Petra Pau, Martina Renner und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2433 – Entwicklung der Zahl mit Haftbefehl gesuchter Neonazis (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/2283) Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Fraktion DIE LINKE. erkundigt sich in unregelmäßigen Abständen nach der Zahl der mit Haftbefehl gesuchten Neonazis. Seit der ersten derartigen Kleinen Anfrage im März 2012 (beantwortet auf Bundestagsdrucksache 17/ 8997) sind die Erfassungskriterien seitens der Sicherheitsbehörden verbessert worden. Damit stieg auch die Zahl der erfassten Nazis, die mit Haftbefehl gesucht wurden. Nach Angaben der Bundesregierung hat sich durch die Optimierung der Vorgehensweisen auch der Arbeitsaufwand für die Erstellung der Übersicht verringert. Das ist aus Sicht der Fragesteller ein positives Ergebnis ihrer Kleinen Anfragen. Aus der jüngsten Beantwortung ergibt sich, dass zwischen der im Oktober 2013 und der im März 2014 durchgeführten Erfassung zwar die Haftbefehle von 144 Personen erledigt wurden, dafür kamen aber 129 Personen neu hinzu. Die Gesamtzahl betrug im März 2014 253 Personen. Bedenklich ist aus Sicht der Fragesteller, dass ein beträchtlicher Anteil von 106 Fahndungsausschreibungen (nicht identisch mit der Zahl der gesuchten Personen) schon seit dem Jahr 2012 oder früher gesucht wird. Das könnte darauf hindeuten, dass ein „harter Kern“ von Neonazis kontinuierlich jeglichen Behördenkontakt meidet und möglicherweise bewusst untergetaucht ist. Um die Gefährlichkeit dieser Neonazis einzuschätzen, könnte wiederum eine Aufschlüsselung dieser schon längere Zeit offenen Haftbefehle nach dem zugrunde liegenden Delikt hilfreich sein. Das würde erlauben, zu unterscheiden, ob die betreffende Person „nur“ wegen einer vergleichsweise harmlosen Handlung wie etwa eine Beförderungserschleichung eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten soll oder ob sie wegen einer Gewalttat gesucht wird. Zu diesem Zweck hatten Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. die Fragesteller in ihrer jüngsten Kleinen Anfrage, die auf Bundestagsdrucksache 18/2283 beantwortet wurde, unter Frage 1e gefragt: „Wann sind die Haftbefehle jeweils ausgestellt worden?“ Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort Drucksache 18/2547 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode aber nur eine Grobübersicht über Fahndungsausschreibungen aus der Vergangenheit vorgestellt, aus der die jeweiligen Delikte nicht hervorgehen. 1. Wann sind die Haftbefehle gegen die 253 Neonazis, die in der Antwort auf die Kleinen Anfrage zu Frage 1 der genannten Bundestagsdrucksache aufgeführt werden, jeweils erlassen worden (bei Mehrfachhaftbefehlen bitte alle Daten aufführen)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1e der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2283 vom 5. August 2014 wird verwiesen. Zu Einzelaspekten – insbesondere zum Ausstellungszeitpunkt des jeweiligen Haftbefehls – kann sich die Bundesregierung nicht äußern. Den offenen Haftbefehlen liegen zum Teil nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren zugrunde, darüber hinaus handelt es sich um laufende Fahndungsmaßnahmen . Anhand der nachgefragten Einzelangaben wäre eine Identifizierung von Einzelsachverhalten möglich, die zu einer Gefährdung der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen bzw. der laufenden Fahndung führen könnte. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier daher – nach konkreter Abwägung der betroffenen Belange – das Informationsinteresse des Parlaments hinter die berechtigten Geheimhaltungsinteressen im laufenden Ermittlungsverfahren zurück. 2. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Alleine anhand der polizeilichen Daten aus den Verbund- bzw. Zentraldateien lassen sich keine eindeutigen Schlussfolgerungen treffen (insbesondere auch nicht, welches PMK-Personenpotenzial sich aktiv der Festnahme entzieht bzw. möglicherweise „abgetaucht“ ist). Dies ist nach wie vor im Einzelfall anhand ggf. weiterer vorliegender Erkenntnisse von den zuständigen Landespolizeibehörden zu beurteilen. 3. Auf wie viele Personen beziehen sich die 106 Haftbefehle, die zwischen den Jahren 2009 und 2012 erlassen wurden und immer noch offen sind? Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die in Rede stehenden 106 Fahndungen mit Stichtag 31. März 2014 auf einen Zeitraum von 2001 bis 2012 verteilen (im Zeitraum von 2009 bis 2012 handelt es sich um 102 Fahndungen). Alle nachfolgend genannten Zahlen gehen von 106 Haftbefehlen aus den Jahren 2001 bis 2012 aus. Diese beziehen sich auf 82 Personen (Stand: 31. März 2014). a) Bei wie vielen dieser Personen beruht der Haftbefehl auf einem Gewaltdelikt (dieses bitte für jeden Einzelfall kurz beschreiben), und wie viele Personen aus dieser Teilsumme werden von den Sicherheitsbehörden als gewaltbereit eingeschätzt? Bei 19 der 82 Personen liegt dem Haftbefehl ein Gewaltdelikt zugrunde. Zu Einzelaspekten der zugrunde liegenden Sachverhalte kann sich die Bundesregierung nicht äußern. Den offenen Haftbefehlen liegen zum Teil nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren zugrunde, darüber hinaus handelt es sich um laufende Fahndungsmaßnahmen. Anhand der nachgefragten Einzelangaben wäre eine Identifizierung von Einzelsachverhalten möglich, die zu einer Gefährdung der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen bzw. der laufenden Fahndung füh- ren könnte. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung , Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2547 tritt hier daher – nach konkreter Abwägung der betroffenen Belange – das Informationsinteresse des Parlaments hinter die berechtigten Geheimhaltungsinteressen im laufenden Ermittlungsverfahren zurück. Von den 19 genannten Personen sind acht Personen im polizeilichen Informationssystem mit dem Hinweis „gewalttätig“ gespeichert. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schätzt von den 19 Personen drei Personen als grundsätzlich gewaltbereit ein. b) Wie viele jener Personen, deren Haftbefehle zwischen den Jahren 2009 und 2012 erlassen wurden und noch offen sind, gelten insgesamt als gewaltbereit ? Von den insgesamt 82 Personen, auf die sich die 106 Fahndungsnotierungen beziehen , sind 25 Personen im polizeilichen Informationssystem mit dem Hinweis „gewalttätig“ gespeichert. Das BfV schätzt von den 82 Personen fünf Personen als grundsätzlich gewaltbereit ein. 4. Zu welchen Schlussfolgerungen gelangen die Sicherheitsbehörden zur Frage, inwiefern sich Neonazis gezielt einem Haftbefehl entziehen? Inwiefern gibt es über diese Frage einen Austausch zwischen den Behörden, und welche Zahlen kann die Bundesregierung diesbezüglich mitteilen? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu Personen mit besonderem Gefährdungspotenzial tauschen sich die jeweils betroffenen Sicherheitsbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten im Einzelfall aus. Flankierend können insoweit auch die Arbeitsgruppen des „Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus “ genutzt werden. Konkrete Zahlen liegen der Bundesregierung hierzu nicht vor. Eine abschließende Einschätzung (u. a. auch zu einem gezielten Fahndungsentzug ) trifft die jeweils sachbearbeitende (Länder-)Polizeidienststelle. Allgemeine Schlussfolgerungen im Sinne der Fragestellung kann die Bundesregierung deshalb nicht ziehen. 5. Aus welchem Grund wird gegenüber manchen gesuchten Neonazis mitunter ein temporärer Vollstreckungsverzicht ausgesprochen (wie aus einer Unterrichtung des Bundesministeriums des Innern an den Innenausschuss des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 2014 ersichtlich), und auf welche der 253 gesuchten Neonazis traf dies mit Stichtag 31. März 2014 zu? Inwiefern erwägen die zuständigen Sicherheitsbehörden diesbezüglich eine Änderung, um flüchtigen Neonazis nicht die Vollstreckung ihres Haftbefehls zu ersparen? Die Vollstreckungsbehörde kann nach § 456a der Strafprozessordnung (StPO) bei Auslieferung, Überstellung und Ausweisung des Verurteilten ganz oder teilweise von einer Vollstreckung absehen. Die Vollstreckungsbehörde kann zugleich mit dem Absehen von der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anordnen , dass der Ausgelieferte, Überstellte oder Ausgewiesene nach Deutschland zurückkehrt, und hierzu einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl erlassen, § 456a Absatz 2 Satz 3 StPO. Bei der Erhebung vom 31. März 2014 lag in vier Fällen ein solcher Haftbefehl vor. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1d (lfd. Nr. 16, 57, 138) der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2283 vom 5. August 2014 wird verwiesen. Die Voraussetzungen für ein solches Vorgehen in § 456a StPO sind normenklar geregelt und bedürfen Drucksache 18/2547 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode keiner Überarbeitung. Zu weiteren Einzelaspekten der zugrunde liegenden Sachverhalte kann sich die Bundesregierung nicht äußern. Den offenen Haftbefehlen liegen zum Teil nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren zugrunde, darüber hinaus handelt es sich um laufende Fahndungsmaßnahmen . Anhand der nachgefragten Einzelangaben wäre eine Identifizierung von Einzelsachverhalten möglich, die zu einer Gefährdung der noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen bzw. der laufenden Fahndung führen könnte. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier daher – nach konkreter Abwägung der betroffenen Belange – das Informationsinteresse des Parlaments hinter die berechtigten Geheimhaltungsinteressen im laufenden Ermittlungsverfahren zurück. In einem weiteren, in den Zuständigkeitsbereich des Bundeskriminalamts fallenden Sachverhalt hält sich die betreffende Person im Ausland auf. Eine Auslieferung kommt aus rechtlichen Gründen nicht zustande. Der gegen die Person erlassene Haftbefehl kann damit nicht vollstreckt werden. Abgesehen von den o. g. Fällen sind die Gründe, warum ein Haftbefehl im Einzelfall nicht vollstreckt wird, nur den sachbearbeitenden Strafverfolgungsbehörden bekannt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333