Deutscher Bundestag Drucksache 18/2561 18. Wahlperiode 16.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2422 – Umsetzung der Listen terroristischer Organisationen und Personen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 haben die Vereinten Nationen (UN) eine sogenannte Terrorliste eingeführt. Gelder, finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftlichen Ressource der in der Liste aufgeführten Personen, Vereinigungen und Körperschaften sind einzufrieren, ihnen dürfen weder direkt noch indirekt Gelder, andere finanzielle Vermögenswerte und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die gelisteten Personen unterliegen zudem einem Ein- und Durchreiseverbot in oder durch die Mitgliedstaaten . Auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27. Dezember 2001 „über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus“ hat der Rat der Europäische Union neben der UN-Terrorliste eine eigene darüber hinausgehende Terrorliste beschlossen. Der EU-Ministerrat muss nach dem in der Regel auf Geheimdienstinformationen beruhenden Antrag des Innenministers eines Mitgliedstaates einstimmig entscheiden, wer auf diese Liste kommt. Bis auf die Beschränkung der Reisefreiheit gelten für die darauf Gelisteten dann dieselben Sanktionen wie bei der UN-Liste. Mit der EU-Terrorliste werden – wie die Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/9076 einräumte – „nach dem Gemeinsamen Standpunkt 931 ausschließlich Finanzsanktionen“ gefordert. Dennoch wird nach Kenntnis der Fragesteller eine Listung von deutschen Behörden auch im Asyl- und Ausländerrecht sowie bei der Begründung von Haftbefehlen nach § 129b des Strafgesetzbuchs (StGB) herangezogen. Der Sonderermittler des Europarates, Dick Marty, beklagte im November 2007 bei Vorstellung seines Berichts, dass auch gänzlich unschuldige Menschen, die aufgrund „vager Verdachtsmomente“ in das Visier des US-Geheimdienstes CIA geraten sind, durch die Terrorlisten von UN und EU mit einer „zivilen Todesstrafe“ belegt werden. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 11. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/2561 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. In wie vielen und welchen Fällen wurden – nach Kenntnis der Bundesregierung – seit dem Jahr 2012 in der Bundesrepublik Deutschland Gelder oder sonstige Vermögenswerte der auf den EU- und UN-Terrorlisten genannten Organisationen, Körperschaften oder Einzelpersonen eingefroren (bitte einzeln nach Jahren und betroffenen Körperschaften/Organisationen/Einzelpersonen aufzählen)? a) Welche und wie viele Körperschaften, Organisationen oder Einzelpersonen waren davon reell betroffen (die Frage bezieht sich darauf, inwieweit tatsächlich Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren wurden und Betroffene nicht bloß gelistet wurden, wie von der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/9786 angenommen)? b) Wie hoch waren die eingefrorenen Gelder oder Vermögenswerte jeweils ? Die Fragen 1a und 1b werden wegen des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. – Vom Sanktionsregime gemäß Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus) ist eine Einzelperson betroffen. Die eingefrorenen Gelder auf zwei Konten belaufen sich aktuell auf insgesamt 203,97 Euro. – Vom Sanktionsregime gemäß Verordnung (EG) Nr. 881/2002 (Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen) sind 21 Einzelpersonen mit insgesamt 30 Konten betroffen. Die eingefrorenen Gelder belaufen sich aktuell auf insgesamt 11 360,57 Euro. – Im Rahmen des Sanktionsregimes gemäß Verordnung (EU) Nr. 753/2011 (Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Gruppen, Unternehmen und Einrichtungen angesichts der Lage in Afghanistan) gibt es derzeit keine Betroffenen . c) Wo wurden diese Gelder oder Vermögenswerte aufgefunden? Bei den Geldern handelt es sich um Guthaben bei diversen Kreditinstituten, Justizvollzugsanstalten und einer Bausparkasse. d) Wie und durch welche Stelle oder Behörde wurden diese Gelder oder Vermögenswerte festgestellt und einer gelisteten Person, Organisation oder Körperschaft zugeschrieben? Die Erkenntnisse beruhen auf Auskunftsersuchen der Deutschen Bundesbank und eigenen Mitteilungen der Kreditinstitute bzw. Justizvollzugsanstalten, die einer Auskunftspflicht aufgrund der Sanktionsverordnungen unterliegen. Es wird auf die Antwort zu Frage 1c verwiesen. Das Einfrieren von Geldern und Vermögenswerten erfolgt dabei unmittelbar durch die jeweilige Verordnung selbst, ohne dass es eines weiteren Rechtsaktes einer Behörde bedarf. e) In wie vielen und welchen Fällen wurden eingefrorene Gelder oder Vermögenswerte wieder freigegeben? Seit dem Jahr 2012 erfolgten insgesamt 50 Freigaben eingefrorener Gelder für Grundausgaben (einschließlich Leistungen nach Sozialgesetzbuch, Asylbewerberleistungsgesetz etc.), Rechtsanwalts-/Gerichtskosten, Kontoführungsgebühren und Semestergebühren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2561 2. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Einleitung von Ermittlungs - und Strafverfahren gegen in Deutschland ansässige Firmen, Institutionen oder Personen wegen geschäftlicher Beziehungen mit auf den EUund UN-Terrorlisten genannten Organisationen, Personen oder Körperschaften seit einschließlich dem Jahr 2012? Soweit die Zuständigkeit der Länder berührt ist, liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof führt ein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche einer deutschen Firma wegen gewerbsmäßigen Verstößen gegen § 18 Absatz 1 und 7 des Außenwirtschaftsgesetzes in Zusammenhang mit dem militärischen Flügel der Hisbollah-Organisation. Diese ist in der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 714/2013 des Rates vom 25. Juli 2013) gelistet. Das Ermittlungsverfahren dauert an. 3. Welche und wie viele Verstöße gegen § 34 des Außenwirtschaftsgesetzes im Zusammenhang mit auf den EU- und UN-Terrorlisten genannten Organisationen oder Personen innerhalb des Bundesgebietes sind der Bundesregierung seit einschließlich des Jahres 2012 bekannt (bitte angeben, ob es zur Anklageerhebung, Verurteilung, zum Freispruch oder zur Einstellung kam, und in welchen Fällen zugleich eine Anklage bzw. Verurteilung nach § 129b StGB erfolgte und um welche gelisteten Organisationen/Körperschaften/ Personen es sich handelte)? In der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamts werden Fälle nicht gesondert erfasst, in denen eine Verurteilung nach dem Außenwirtschaftsgesetz im Zusammenhang steht mit restriktiven Maßnahmen, die gegen bestimmte Personen , Gruppen, Unternehmen, Einrichtungen oder Organisationen gerichtet sind. Eine Erhebung beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat im Übrigen ergeben, dass es dort neben dem unter Antwort zu Frage 2 aufgeführten Ermittlungsverfahren seit dem Jahr 2012 keine weiteren Verfahren im Sinne der Fragestellung gab. 4. In welchen und wie vielen Fällen haben seit einschließlich des Jahres 2012 Einzelpersonen oder Organisationen gegen Maßnahmen deutscher Behörden im Zusammenhang mit der EU-Terrorliste geklagt, und mit welchem Ergebnis? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu entsprechenden Klageverfahren vor. 5. In welchen und wie vielen Fällen wurde mit welchem Ergebnis vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Kenntnis der Bundesregierung gegen eine Nennung auf der EU-Terrorliste geklagt? Mitteilungen über vor den Gerichten der Europäischen Union eingereichte Klagen gegen EU-Sanktionsverordnungen, die die Resolutionen des VN-Sicherheitsrats umsetzen oder sie autonom erweitern oder ergänzen, werden im Amtsblatt der EU und auf der Homepage des Europäischen Gerichtshofs veröffentlicht . Dort werden auch alle verkündeten Entscheidungen der Unionsgerichte zugänglich gemacht. Der Bundesregierung liegt keine Auswertung darüber vor, Drucksache 18/2561 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode in wie vielen dieser Rechtssachen es sich um Klagen von Einzelpersonen oder Organisationen gegen ihre Listung in einer der in der Antwort zu Frage 1 genannten EU-Verordnungen handelt, und in welchen Verfahren entsprechende Klagen erfolgreich waren. 6. In welchen und wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zu Unrecht auf der EU-Terrorliste genannte Personen , Organisationen oder Körperschaften nach ihrer Delistung gemäß Artikel 340 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union für die finanziellen Einbußen und Demoralisierungen entschädigt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 7. Inwieweit hält die Bundesregierung die Möglichkeit, vor dem EuGH gegen eine Aufnahme auf der EU-Terrorliste zu klagen, für ausreichend? Gegen die individuelle Listung und gegen das Einfrieren von Konten und Vermögenswerten auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 und der folgenden Durchführungsverordnungen (zuletzt 790/2014 vom 22. Juli 2014) steht der Rechtsweg im Wege der Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 263 AEUV vor dem EuGH grundsätzlich offen. Insofern hält die Bundesregierung die bestehenden Möglichkeiten für ausreichend. 8. In wie vielen und welchen Fällen führte eine Listung auf der EU- oder UNTerrorliste auch zur Einleitung statusrechtlicher Maßnahmen im Rahmen des Asyl- und Aufenthaltsrechts (bitte nach Ausweisungsverfügungen, Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung von Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnissen , abgelehnten Asylanträgen, Asylwiderrufsentscheidungen , politische Betätigungsverbote nach dem Aufenthaltsgesetz, Maßnahmen zur Überwachung von Ausländern nach § 54a des Aufenthaltsgesetzes, Ablehnung von Einbürgerungsanträgen aufschlüsseln)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/9786 vom 22. Mai 2012 wird verwiesen. 9. Inwieweit wirkt die Listung auf einer der genannten Listen ermessensleitend oder -einschränkend bei Entscheidungen von Behörden in asyl-, aufenthalts - und staatsangehörigkeitsrechtlichen Angelegenheiten (bitte soweit bekannt spezifizierende untergesetzliche Maßnahmen und gerichtliche Entscheidungen nennen)? Zur grundgesetzlich festgelegten Ausführung des Ausländer-, Staatsangehörigkeits - und Asylrechts wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/9786 vom 22. Mai 2012 verwiesen. Soweit den ausführenden Behörden Ermessen eingeräumt ist, wird dieses unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls ausgeübt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2561 10. Welche der auf der EU- oder UN-Terrorliste genannten Organisationen und Körperschaften sind nach Erkenntnis der Bundesregierung im Bundesgebiet aktiv, verfügen hier über Anhängerinnen und Anhänger oder legale Frontorganisationen, und welche der auf diesen Listen genannten Personen sind im Bundesgebiet aufhältig (bitte Organisationen einzeln und Art der Aktivität benennen sowie angeben, ob die aufhältigen Personen sich in Haft befinden)? Strukturen gelisteter Organisationen oder Körperschaften in Deutschland müssen mit Strafverfolgung nach §§ 129 a und b StGB rechnen. Die Bundesregierung geht deshalb davon aus, dass gelistete Organisationen oder Körperschaften bewusst im öffentlichen Raum des Bundesgebiets nicht als solche aktiv werden. Hinweise auf Aktivitäten hat die Bundesregierung bezüglich der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der „Revolutionären VolksbefreiungsparteiFront “ (DHKP-C), Babbar Khalsa, der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), der Hamas und der Hisbollah. Ferner sind Aktivitäten einzelner Anhänger oder Sympathisanten anderer Organisationen auch in Deutschland nicht ausgeschlossen. Derzeit halten sich 15 gelistete Personen im Bundesgebiet auf. Von diesen sind gegenwärtig drei Personen inhaftiert. 11. In wie vielen und welchen Fällen wurde aufgrund einer Nennung in der UN-Terrorlisten ein Einreiseverbot nach Deutschland verhängt bzw. eine Einreiseerlaubnis verwehrt bzw. Personen ausländischer Herkunft des Bundesgebietes verwiesen? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/9786 vom 22. Mai 2012 wird verwiesen. 12. Welche Modifikationen an der EU-Terrorliste und der Verfahren ihrer Erstellung wurden seit der vom Sonderermittler des Europarates Dick Marty geäußerten Kritik Ende des Jahres 2007 nach Kenntnis der Bundesregierung bislang vorgenommen? Das Listungsverfahren wurde im ersten Halbjahr 2007 aufgrund von Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus einem Gerichtsurteil zugunsten der damals gelisteten Iranischen Volksmujahedin (MKO) komplett neu gestaltet. Seither sind keine weiteren Veränderungen am Listungsverfahren vorgenommen worden. 13. Welche Erfahrungen liegen der Bundesregierung vor, inwieweit mithilfe der UN- oder der EU-Terrorlisten die Unterstützung djihadistischer Gruppierungen im Nahen und Mittleren Osten aus der Bundesrepublik Deutschland heraus (jedenfalls mutmaßlich) wirksam behindert oder unterbunden werden konnte, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie daraus? Auf Listungen beruhende Sanktionsregime der Vereinten Nationen (VN) oder der Europäischen Union zur Bekämpfung des Terrorismus dienen dem Zweck, gezielt, aber ohne Anwendung von Gewalt, den betroffenen Organisationen und Personen Lasten aufzuerlegen und die Vorbereitung und Durchführung terroristischer Aktivitäten zu erschweren. Wie bei vielen präventiven Maßnahmen der Kriminalitätsbekämpfung lassen sich auch hier die Wirkungen schwer quantifizieren . Drucksache 18/2561 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Vereinten Nationen sind das zentrale Forum für die weltweiten Anstrengungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Die einschlägigen Resolutionen des VN-Sicherheitsrates unter Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, die in den EU-Mitgliedstaaten mittels Verordnungen umgesetzt werden , legen den VN-Mitgliedstaaten konkrete Verpflichtungen zur Bekämpfung des Terrorismus auf. Dazu zählt auch die Umsetzung der VN-Sanktionsregime, die neben Vermögenseinfrierungen auch Reiseverbote und ein Waffenembargo vorsehen. Die Bundesregierung setzt diese Verpflichtungen konsequent um. 14. Wie viele und welche der auf den Terrorlisten von EU und UN namentlich aufgeführten Einzelpersonen wurden bislang nach Kenntnis der Bundesregierung Opfer von gezielten Tötungen oder Tötungsversuchen durch die USA? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die über die pressebekannten Informationen hinausgehen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333