Deutscher Bundestag Drucksache 18/2578 18. Wahlperiode 22.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Martina Renner, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2479 – Auswirkungen der US-no-fly-list und US-Terrorliste auf deutsche Staatsangehörige Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut einer Veröffentlichung der mit Bürgerrechtsthematiken befassten publizistischen Website „The Intercept“ in den USA (https://firstlook.org/theintercept/) wird von den US-Geheimdiensten ein „terrorist screening database“ (TSDB), auch als „watchlist“ bezeichnet, geführt. Zugriff hätten demnach auch das Militär , lokale Strafverfolgungsbehörden, ausländische Regierungen und Privatunternehmen . Im deutschen Sprachgebrauch hat sich für diese und weitere ähnliche Listen verschiedener US-Regierungsstellen der Begriff „US-Terrorliste“ eingebürgert (vgl. Bundestagsdrucksache 17/1337). Die „watchlist“ enthält nach Angaben von „Intercept“ derzeit die Namen von 680 000 Personen, bei denen für 280 000 keine Verbindungen zu terroristischen Gruppen zugeordnet werden. Die restlichen Datensätze werden zu einem großen Teil den einschlägigen Gruppierungen wie Al Quaida, den Taliban oder Al Quaida in Irak zugerechnet . Für die Aufnahme in die Liste sei allenfalls ein vager Standard eines „begründeten Verdachts“ Voraussetzung. Noch weitergehender ist die Datenbank „Terrorist Identities Datamart Environment“ (TIDE), die zusätzlich etwa 300 000 Datensätze enthält. Die Voraussetzung für die Aufnahme in diese Datenbank sei noch niedriger als bei der TSDB. Alle Einträge in die TIDE werden regelmäßig auf Aufnahme in die TSDB überprüft. Auch die sogenannte no-fly-list wird auf der Basis der TSDB erstellt, sie enthält nach den Angaben des „Intercept“ mit 47 000 Datensätzen zehnmal mehr Datensätze als im Jahr 2009. Wer auf der no-fly-list genannt wird, darf sich nicht im US-Luftraum bewegen, also weder einreisen noch in den USA ein Flugzeug betreten. Hinzu kommen 16 000 Personen auf der TSDB, die auf Flughäfen und bei der Einreise einer intensiven Prüfung unterzogen werden sollen (sog. Selectee List). Die Daten der TIDE werden durch die CIA auch auf illegalem „clandestine“ Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 18. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Wege gewonnen, indem unerkannt in Datenbanken ausländischer Staaten eingedrungen wird und von dort Daten entwendet werden. Hierfür wurde laut „Intercept “ein Programm namens „Hydra“ aufgelegt. Drucksache 18/2578 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche eigenen aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Umfang und zur Art der Erstellung der in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Datenbanken? Die Bundesregierung hat die in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Veröffentlichungen zur Kenntnis genommen, die im Wesentlichen statistische Details zu Datenbanken enthalten, in denen US-Behörden Terrorverdächtige führen. Darüber hinausgehende eigene aktuelle Erkenntnisse zu Umfang und Art dieser Datenbanken hat die Bundesregierung nicht. 2. Welche US-Behörden haben nach Kenntnis der Bundesregierung im einzelnen Zugang zur TSDB? 3. Welche Privatunternehmen haben nach Kenntnis der Bundesregierung einzelnen Zugang zur TSDB, und inwieweit handelt es sich bei diesen Unternehmen um Subcontractoren von US-Geheimdiensten oder um private Sicherheitsunternehmen? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, welche Behörden im Einzelnen oder welche Privatunternehmen in den USA Zugang zur TSDB (terrorist screening database) haben. 4. Gehört die Bundesrepublik Deutschland zu den Staaten, die Zugriff auf die TSDB haben? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie häufig wurde dieser Zugriff seit dem Jahr 2010 genutzt, um eigene Erkenntnisse, wie sie in der Anti-Terror-Datei gesammelt werden, anzureichern? Durch welche deutsche Behörde erfolgte der Zugriff (bitte nach Jahren auflisten )? Deutsche Behörden haben keinen Zugriff auf die TSDB. Ein Bedarf nach einem solchen Zugriff wird nicht gesehen, da nach Kenntnis der Bundesregierung keine eigene Beurteilung zur Gefährlichkeit der dort gelisteten Personen möglich ist. 5. Wurde seit dem Jahr 2010 den Bundesbehörden ein Auszug oder eine vollständige Kopie der „no-fly-list“ durch die US-Behörden zur Verfügung gestellt, zu welchem Anlass geschah dies, und wurde die Liste nur einmalig zur Verfügung gestellt oder über einen (welchen) Zeitraum regelmäßig aktualisiert? Nein. 6. Welche regelmäßigen Kontakte oder Arbeitskontakte bestehen zwischen deutschen Behörden und den für die Führung der TSDB bzw. TIDE und die „no-fly-list“ in den USA zuständigen Behörden, und was ist Gegenstand solcher Kontakte? Das im Sinne der Fragestellung zuständige Terrorist Screening Center (TSC) ist eine dem FBI zugeordnete gemeinsame Einrichtung von den Ministerien für Heimatschutz, Justiz, Äußeres, Verteidigung und Finanzen der Vereinigten Staaten von Amerika. Zwischen diesen Behörden und Bundesbehörden bestehen umfangreiche Kontakte auf Arbeits- und politischer Ebene. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2578 7. Sind US-Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung an deutsche Behörden mit der Bitte um Übermittlung von Erkenntnissen und Daten zu bestimmten Personen oder Gruppen herangetreten, um Datensätze in TSDB oder TIDE anzureichern oder bereits erlangte Informationen zu überprüfen ? Entsprechende Anfragen von US-Behörden wurden nach Kenntnis der Bundesregierung nicht gestellt. 8. Übermitteln Behörden des Bundes (oder der Länder nach Kenntnis der Bundesregierung) auch eigeninitiativ Informationen zu eigenen und fremden Staatsangehörigen an amerikanische Behörden, die an TSDB oder TIDE beteiligt sind, und a) wie viele Personen waren von solchen Übermittlungen seit dem Jahr 2009 betroffen (bitte nach Jahren, deutsch, nichtdeutsch und Phänomenbereichen auflisten), b) über welche Stellen laufen diese Datenübermittlungen, c) welche der Personen, zu denen Daten übermittelt wurden, waren Gegenstand von G 10-Maßnahmen, d) nach welchen Kriterien erfolgen solche Übermittlungen, e) führen der Verdacht auf Beteiligung an bestimmten Staatsschutzdelikten nach einer Einzelfallprüfung oder generell zu einer Datenübermittlung , und bei welchen Staatsschutzdelikten ist das der Fall? Sicherheitsbehörden des Bundes tauschen sich im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften mit US-amerikanischen Sicherheitsbehörden aus. Es erfolgt keine statistische Erfassung dieser Zusammenarbeit . Daten werden nicht gezielt für die Datenbanken TSDB oder TIDE (Terrorist Identities Datamart Environment) übermittelt. US-amerikanischer Kooperationspartner des Bundeskriminalamts im Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes ist das FBI. Die Übermittlung von Informationen erfolgt in der Regel über die BKA-Verbindungsbeamten in Washington/ USA oder den FBI-Verbindungsbeamten in Deutschland. Sofern im Zuge der Aufgabenwahrnehmung im Bereich des Polizeilichen Staatsschutzes personenbezogene Daten übermittelt werden, erfolgt dies nach Einzelfallprüfung im Rahmen des internationalen polizeilichen Nachrichtenaustausches gemäß § 14 des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG). 9. Gehört die Bundesregierung nach eigener Kenntnis zur Zielgruppe des Programms „Hydra“, mit dem die CIA auch auf heimlichen Wegen Informationen zu Personen in der TIDE besorgt („clandestinely acquired foreign government information“)? 10. Hat die Bundesregierung Hinweise, dass sich US-Behörden bereits in der Vergangenheit heimlich bzw. im Verborgenen Informationen über Deutsche oder dauerhaft rechtmäßig in Deutschland lebende Personen beschafft hat, wie ist sie diesen Hinweisen nachgegangen, und welche Konsequenzen hinsichtlich des Schutzes dieser Daten ergaben sich daraus? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine Hinweise oder Erkenntnisse im Sinne der Fragestellungen vor. Drucksache 18/2578 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob die in Visa-Verfahren oder im ESTA (Electronic System for Travel Authorization) erhobenen Daten vor einer Einreise in die USA nicht nur mit der „no-fly-list“ abgeglichen werden, sondern auch mit anderen Datenbanken, und wenn ja, mit welchen? 12. Welche US-amerikanischen Behörden haben Zugriff auf die in Visa-Verfahren bzw. im ESTA erhobenen Daten? Die Fragen 11 und 12 werden gemeinsam beantwortet. Gemäß einem auf der ESTA-Website (https://esta.cbp.dhs.gov/esta/application. html?execution=e1s1) vorhandenen Hinweis nimmt das elektronische Reisegenehmigungssystem einen Abgleich der Daten mit den relevanten Datenbanken der Strafverfolgungsbehörden vor. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Informationen darüber vor, ob und ggf. mit welchen Datenbanken die im US-Visa- bzw. ESTA-Verfahren erhobenen Daten abgeglichen werden bzw. welche US-Behörden Zugriff haben. 13. Auf welchem Weg erhalten Bundesbehörden Kenntnis über eine Zurückweisung von deutschen Staatsangehörigen oder dauerhaft in Deutschland lebenden Personen? Bundesbehörden werden im Allgemeinen nicht über Zurückweisungen von deutschen Staatsangehörigen oder dauerhaft in Deutschland lebenden Personen in Kenntnis gesetzt, es sei denn, die Betroffenen wenden sich im Einzelfall selbst an deutsche Behörden. 14. Hat die Bundesregierung neuere Erkenntnisse über die Zahl der Einreiseverweigerungen gegenüber deutschen Staatsangehörigen als denen, die sie in der Antwort auf die Kleine Anfrage zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 18/238 gegeben hat, und wenn ja, welche? Der Bundesregierung liegen keine neueren Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. 15. Wie viele der 115 deutschen Staatsangehörigen, denen im Jahr 2008 nach Angaben der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/238 die Einreise verweigert wurde (und den weiteren auf die vorhergehende Frage genannten ), wurde wegen krimineller Hintergründe, wie viele wegen staatsschutzrelevanter Hintergründe zurückgewiesen? Der Bundesregierung liegt kein Zahlenmaterial vor, das eine Aufschlüsselung nach Zurückweisungsgrund und Deliktsbereich ermöglichen würde. 16. In welchen Fallkonstellationen teilen US-amerikanische Stellen deutschen Behörden die Zurückweisung von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit oder mit dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland bei der versuchten Einreise in die USA mit, welche deutschen Behörden erhalten davon Kenntnis, und was sind ggf. die Folgemaßnahmen in Deutschland? Derartige Sachverhalte werden deutschen Behörden von US-Stellen nicht mitgeteilt . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333