Deutscher Bundestag Drucksache 18/2599 18. Wahlperiode 23.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2467 – Ausspähung der Türkei durch den Bundesnachrichtendienst und diesbezügliche Aktivitäten in Deutschland Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ späht der Bundesnachrichtendienst (BND) die Türkei aus. Das Land werde in einem noch gültigen Auftragsprofil der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 als offizielles Aufklärungsziel geführt (www.spiegel.de/spiegel/vorab/bnd-fuehrtnato -partner-tuerkei-als-aufklaerungsziel-a-986466.html). Wie das Magazin „FOCUS“ berichtete, soll die Türkei bereits seit dem Jahr 1976 Aufklärungsziel des BND sein (www.focus.de/politik/deutschland/lauschangriff-auf-eubewerberland -mit-genehmigung-von-helmut-schmidt-bnd-hoert-tuerkei-schonseit -1976-ab_id_4079836.html). Vor rund einem Jahr hatte die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel anlässlich der Spähaffäre durch den US-Geheimdienst NSA, der nicht einmal vor ihrem Mobiltelefon Halt machte, noch erklärt, „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“ Entgegen dieser Feststellung wird offenbar der NATO-Partner Türkei systematisch ausspioniert. Die „Frankfurter Allgemeine SONNTAGSZEITUNG “ berichtete unter Berufung auf deutsche Regierungskreise, die Türkei sei nicht mit den USA oder Ländern wie Frankreich oder Großbritannien vergleichbar. Es werde auf die Aktivitäten der Arbeiterpartei Kurdistans PKK oder links- und rechtsextremistischer türkischer Gruppen in Deutschland, Drogenschmuggel und Schleuserkriminalität verwiesen (www.fr-online.de/ politik/bnd-spionage-der-bnd-ist-mit-in-der-leitung,1472596,28148424.html). Der ehemalige BND-Präsident Dr. Hans-Georg Wieck (1985 bis 1990) ist der Ansicht, die Bundesregierung habe den Auftrag zum Ausspionieren der Türkei gegeben, eine eigenmächtige Entscheidung des BND sei ausgeschlossen. Ursache der Überwachung seien „Spannungen zwischen Kurden und NichtKurden in Deutschland gewesen“; hier sieht Dr. Hans-Georg Wieck eher eine „innenpolitische Konstellation, die diese Entscheidung ausgelöst hat.“ (www. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 19. September 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. sueddeutsche.de/politik/spionage-beim-nato-partner-ex-bnd-chef-vermutetregierung -hinter-tuerkei-ueberwachung-1.2094491). Drucksache 18/2599 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die türkische Regierung teilte laut Medienbericht dem deutschen Botschafter in Ankara, Eberhard Pohl, offiziell ihre Besorgnis über die berichtete Ausspähung durch den BND mit. Während die Bundesregierung erklärte, Eberhard Pohl sei zu einem Gespräch gebeten worden, heißt es aus dem türkischen Außenministerium, der Botschafter sei „einbestellt“ worden. Die Abhöraktion sei den engen Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht angemessen und schade den gemeinsamen Anstrengungen zur Erhaltung der internationalen Sicherheit und Stabilität, erklärte das türkische Außenministerium. Der BND-Lauschangriff müsse sofort gestoppt werden. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte hierzu: „Wenn uns die Partner Fragen stellen, dann geben wir ihnen Antworten.“ (www.stern.de/politik/deutschland/bnd-lauschangrifftuerkei -liest-deutschem-botschafter-die-leviten-2131790.html; www.stern.de/ politik/deutschland/bnd-lauschangriff-auf-die-tuerkei-merkel-rechtfertigtihre -spionage-aeusserung-2131860.html). Die Außenminister Deutschlands und der Türkei verständigten sich laut einer Meldung der türkischen halbamtlichen Nachrichtenagentur Anadolu telefonisch über ein baldiges Spitzentreffen der Geheimdienste beider Seiten (www. donaukurier.de/nachrichten/topnews/Deutschland-USA-Tuerkei-GeheimdiensteAffaeren -Diplomatie-nachrichtentext-Offenbar-deutsch-tuerkisches-GeheimdienstTreffen -geplant;art154776,2950701). Offenbar wurde der BND mehrfach im Zusammenhang mit Organisationen und Parteien aus der Türkei auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland tätig . So soll der BND den rechtsextremen „Grauen Wölfen“, der türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), Ende der 70er-Jahre dabei geholfen haben, in Deutschland Fuß zu fassen. Als im Juni 1978 die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa“ (ADÜTDF, kurz: Türkische Föderation) als Auslandsabteilung der MHP in Frankfurt am Main gegründet wurde, mietete der Schwalbacher CDU-Stadtverordnete und TürkeiExperte des BND H.-E. K. die Halle an. H.-E. K. soll dem Vorsitzenden der Türkischen Föderation und Verbindungsmann zum türkischen Geheimdienst MIT L. K. sowie dessen Nachfolger M. S. Ç. durch eine angebliche Beschäftigung als „wissenschaftliche Mitarbeiter“ in einem fiktiven „Türkei Institut“ zu einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland verholfen haben. M. S. Ç. wurde später im Zusammenhang mit dem Attentat auf Papst Johannes Paul II. im Jahr 1981 in Italien inhaftiert (www.kozmopolit. com/haziran03/Dosya/islamistenmhp.html). Im Jahr 2002 übernahm der BND einen V-Mann des türkischen Geheimdienstes MIT innerhalb der sowohl in der Türkei als auch in Deutschland verbotenen und auf der EU-Terrorliste geführten Revolutionären VolksbefreiungsparteiFront (DHKP-C) als eigenen Agenten. A., der in der Türkei wegen eines Tötungsdeliktes in Untersuchungshaft saß, war vom türkischen Geheimdienst MIT mit 600 000 Euro Startkapital nach Deutschland geschickt worden. Hier wurde er vom BND empfangen und eingespannt. Bis zum Jahr 2009 stieg A. in der Hierarchie der DHKP-C bis zum Deutschlandverantwortlichen auf. Im Jahr 2010 wurde er gemeinsam mit weiteren mutmaßlichen DHKP-C-Mitgliedern festgenommen und wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129b des Strafgesetzbuches (StGB) angeklagt. Vor Gericht gab A. an, beim BND eine Verpflichtungserklärung unterzeichnet zu haben. In den Prozessunterlagen ist dokumentiert, dass sich A. zwischen Dezember 2002 und Februar 2010 134 Mal mit BND-Mitarbeitern traf. A. erhielt vom BND ein monatliches Gehalt, im August 2008 überwies ihm der BND zudem eine Sondergratifikation von 10 000 Euro. Bei seiner Verurteilung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung am 6. September 2011 wurde ihm vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf seine Agententätigkeit für den BND strafmildernd ausgelegt, während seine Mitangeklagten zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Das Urteil des OLG Düsseldorf wurde vom BND in wesentlichen Teilen als geheim eingestuft und geschwärzt (www.cicero.de/berlinerrepublik /kriminelle-v-leute-der-grauzone-der-geheimdienste/56788). In der der islamisch-konservativen AKP-Regierung der Türkei nahestehenden Zeitung „STAR Gazete“ behauptete im Mai 2014 der Journalist Aziz Üstel, unter anderem unter Verweis auf den V-Mann A., der BND habe die DHKP-C mit Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2599 V-Leuten unterwandert und für seine eigenen Zwecke auf türkischem Boden ausgenutzt (www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2014/05/502481/schwerervorwurf -der-bnd-unterstuetzt-tuerkische-terror-organisation/; http://haber. stargazete.com/yazar/almanyanin-yeni-turkiye-korkusu/yazi-887226). Die DHKP-C bekannte sich in den vergangenen Jahren zu einer Reihe von Anschlägen in der Türkei, unter anderem im Februar 2013 auf die US-Botschaft in Ankara. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Bundesregierung ist eine umfassende Beantwortung der Fragen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, da hier das Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung das Informationsinteresse des Deutschen Bundestages überwiegt. Die in den Fragen 4 bis 11 erbetenen Informationen unterliegen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Bundesregierung artikuliert ihren Informationsbedarf an den Bundesnachrichtendienst (BND) im Wege eines „Auftragsprofils der Bundesregierung“ (APB), das die Informationsinteressen der Bundesregierung, abgestimmt zwischen den Ressorts (Bundeskanzleramt, Auswärtiges Amt, Bundesministerium des Innern, Bundesministerium der Verteidigung und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), festhält. Dem APB geht ein umfangreicher Abstimmungsprozess voraus, in die aktuelle außen- und sicherheitspolitische Erkenntnisse und Bewertungen einfließen. Ein Bekanntwerden der Auftragsinhalte und der vorangegangenen Abstimmungsprozesse würde dazu führen, dass Dritte mittelbar Einfluss auf die künftige Auftragsgestaltung der Bundesregierung gegenüber dem BND haben würden, was einem „Mitregieren Dritter“ gleich käme. Auch eine nachträgliche Offenlegung dieses Auftragsprofils für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum kann nach Abwägung mit dem Informationsrecht des Deutschen Bundestages nicht erfolgen. Denn eine unbeeinflusste Entscheidung über Fortschreibung oder Veränderung des APB ist nur möglich, wenn die bisherige Entscheidung und ihre jeweiligen Umstände nicht öffentlich diskutiert werden. Andernfalls würde bekannt, welche außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen zu einem bestimmten Zeitpunkt die Einschätzung der Bundesregierung bestimmt haben. Eine öffentliche Diskussion dieser Einschätzung würde zukünftig die unbefangene und freimütige Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte, die zu einer solchen sensiblen Entscheidung führen, in Teilen unmöglich machen. Zudem bestünde die Gefahr einer gezielten Beeinflussung dieser Beauftragung von außen. Die Abstimmung der Ressorts stellt sicher, dass die Interessen der Bundesregierung gegenüber dem BND eingesetzt werden. Eine umfassende Beantwortung der Fragen 4 bis 11 ist auch deshalb nicht möglich , weil die Fragen auf geheimhaltungsbedürftige Informationen gerichtet sind, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann (Staatswohl). Die Vertraulichkeit des Auftrags an den BND ist entscheidend für den Schutz der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland . Würden die Aufklärungsinteressen der Bundesregierung sowie die Hintergründe dieser Aufklärungsinteressen gegenüber anderen Staaten öffentlich bekannt , wäre dies geeignet, die deutsche Außenpolitik nachhaltig zu beschädigen. Ungeachtet dessen, dass Staaten und auch Nachrichtendienste auf vielfältigen Themenfeldern miteinander kooperieren, ist die Bundesregierung auf eine vertraulichen Behandlung ihrer Aufträge an den BND zur Aufklärung außen- und sicherheitspolitischer Sachverhalte angewiesen. Andernfalls muss davon ausgegangen werden, dass die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit vielen Staaten in erheblicher Weise beschädigt oder eingeschränkt werden könnte. Drucksache 18/2599 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zudem könnten sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure aus der Beantwortung der Fragen Rückschlüsse sowohl auf die Erkenntnis- als auch die Bedarfslage des BND hinsichtlich außen- und sicherheitspolitischer Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt, sowie spezifische Vorgehensweisen und Fähigkeiten des BND gewinnen. Dies würde folgenschwere Einschränkungen der Informationsgewinnung bedeuten, womit letztlich der gesetzliche Auftrag des BND – die Sammlung und Auswertung von Informationen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind (§ 1 Absatz 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst – BNDG) – nicht mehr sachgerecht erfüllt werden könnte. Die Gewinnung von auslandsbezogenen Informationen ist für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und für die Aufgabenerfüllung des BND jedoch unerlässlich. Sofern solche Informationen entfallen oder wesentlich zurückgehen sollten, würden empfindliche Informationslücken auch im Hinblick auf die Sicherheitslage der Bundesrepublik Deutschland drohen. Eine VS-Einstufung und Hinterlegung der angefragten Informationen in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages kommt mit Blick auf die o. g. Gefahr einer Vorwirkung auf zukünftige Entscheidungen der Bundesregierung nicht in Betracht. Zudem führt eine Vergrößerung des Kreises der Wissensträger und die Gefahr eines öffentlichen Bekanntwerdens der erbetenen Informationen hier zu einem erheblichen potentiellen Schaden für die außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland und für die Aufgabenerfüllung des BND. Die Beantwortung der Fragen würde die Fähigkeiten und Arbeitsweisen des BND so detailliert beschreiben müssen, dass eine Bekanntgabe auch gegenüber einem begrenzten Kreis von Empfängern ihrem evidenten Schutzbedürfnis nicht Rechnung tragen kann. Bei einem Bekanntwerden der schutzbedürftigen Information wäre kein Ersatz durch andere Instrumente der Informationsgewinnung möglich. Eine Beantwortung der parlamentarischen Fragen nach Inhalt, Motivation und Hintergrund der Aufklärungsinteressen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausführung durch den BND (Fragen 4 bis 11) kann nach Abwägung des Informationsinteresses des Parlaments und dem Interesse der Bundesregierung an einer Schutzbedürftigkeit der Informationen daher nicht erfolgen. Die angefragten Sachverhalte sind von grundsätzlicher Bedeutung. Ein Bekanntwerden würde das Wohl des Bundes und den Schutz der auswärtigen Beziehungen aus den oben genannten Gründen nachhaltig gefährden und beschädigen. Insofern muss das Informationsinteresse des Parlaments hier gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen. 1. Inwieweit hat die anlässlich der NSA-Affäre getätigte Aussage der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“, für die Bundesregierung weiterhin Gültigkeit? a) Was genau versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang unter „Freunden“? b) Inwiefern betrachtet die Bundesregierung die Türkei als „Freund“ bzw. befreundetes Land? c) Gibt es nach Ansicht der Bundesregierung einen Unterschied in der Freundschaft der Bundesrepublik Deutschland zum NATO-Partner USA einerseits und zur gleichermaßen dem westlichen Militärbündnis angehörenden Türkei andererseits, und wenn ja, welchen? Die Fragen 1a bis 1c werden wegen des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2599 Wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD dargelegt, hat die Türkei für Europa strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Deutschland ist darüber hinaus mit der Türkei durch vielfältige und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Menschen in unseren beiden Ländern eng verbunden. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei weiter zu vertiefen, einschließlich einer engen strategischen Zusammenarbeit in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. 2. Wurde der deutsche Botschafter in Ankara, Eberhard Pohl, am 17. August 2014 von der türkischen Regierung förmlich einbestellt oder zu einem Gespräch geladen? a) Wer genau nahm an dem Treffen vonseiten der türkischen Regierung teil? b) Nahm außer dem deutschen Botschafter noch jemand von deutscher Seite an dem Treffen teil, und wenn ja, wer? c) Welches Anliegen genau hatte die türkische Seite, und wie reagierte der deutsche Botschafter darauf? Der Botschafter in Ankara, Eberhard Pohl, wurde am 18. August 2014 in das türkische Außenministerium gerufen und führte dort ein Gespräch mit dem stellvertretenden Staatssekretär Erdoǧan Iscan. Darin brachte dieser die Besorgnis der türkischen Regierung über Pressemeldungen zu angeblichen deutschen Geheimdienstaktivitäten in der Türkei zum Ausdruck und bat um Klarstellung. Außerdem würdigte er ausdrücklich die Qualität der bilateralen Beziehungen, einschließlich der Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Der Botschafter in Ankara, Eberhard Pohl, dankte für die Darstellung der türkischen Sicht auf die jüngsten Presseberichte und verwies auf die enge Zusammenarbeit , auch und gerade in Sicherheitsfragen. 3. Trifft ein Bericht der türkischen halbamtlichen Nachrichtenagentur Anadolu zu, wonach die Außenminister der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei ein Spitzentreffen der Geheimdienste beider Länder vereinbart hätten, und wenn ja, wann soll dieses Treffen stattfinden? Es liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Außenminister, ein solches Treffen zu vereinbaren. 4. Inwieweit treffen Pressemeldungen zu, wonach der BND die Türkei ausspäht ? a) Seit wann genau und mit welcher Begründung ist die Türkei Aufklärungsziel für den BND? b) Wer und was genau wurde bzw. wird ausgespäht? c) Inwieweit wurden oder werden geheimdienstliche bzw. konspirative Mittel bei der Tätigkeit des BND in der Türkei angewendet? d) Inwieweit richteten oder richten sich geheimdienstliche Maßnahmen des BND gegen Regierungs- oder Oppositionspolitikerinnen und -politiker in der Türkei (und gegen welche bzw. von welchen Parteien)? e) Inwieweit richteten oder richten sich geheimdienstliche Maßnahmen des BND gegen Nichtregierungsorganisationen in der Türkei (und gegen welche)? f) Inwieweit richteten oder richten sich geheimdienstliche Maßnahmen des BND in der Türkei gegen illegale Organisationen bzw. Aktive aus der- Drucksache 18/2599 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode artigen Organisationen (bitte nach kurdischen, links- und rechtsgerichteten sowie religiös motivierten Organisationen aufschlüsseln und angeben , ob die genannten Gruppierungen auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv sind)? g) Inwieweit richteten bzw. richten sich Aktivitäten des BND in der Türkei gegen Drogen- oder Schleuserkriminalität? 5. Inwiefern fanden oder finden Aktivitäten des BND in der Türkei mit Wissen der türkischen Regierung statt? a) Um welche Art von Aktivitäten mit welcher Aufgabenstellung handelt es sich? b) Inwieweit und in welchen Bereichen gibt es Kooperationen zwischen dem BND und dem MIT? c) Inwiefern hat der BND Anlass, dem MIT zu misstrauen und eigenstän- dig Informationen über mögliche Bedrohungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Türkei zu beschaffen? 6. Inwieweit trifft eine Vermutung des früheren BND-Chefs Dr. Hans-Georg Wieck zu, wonach eine eher „innenpolitische Konstellation“ vor dem Hintergrund von Spannungen zwischen kurdischen und türkisch-nationalistischen Verbänden und Personen für die Entscheidung ausschlaggebend war, die Türkei zum Aufklärungsziel zu machen? 7. Hat unter dem Eindruck des Umstandes, dass die PKK und ihr nahestehende Organisationen seit etlichen Jahren offenbar keine Bedrohung der inneren Sicherheit und öffentlichen Ordnung in Deutschland darstellen, solche Gefahren aber vor allem durch aus- und rückreisende Djihadisten bestehen, die die Türkei als Drehscheibe für Reisen nach/von Afghanistan und Syrien nutzen, eine Neugewichtung der Tätigkeit des BND in der Türkei stattgefunden ? 8. Hat der BND sich bei seinen türkeibezogenen Aktivitäten allein auf dem linksextremistischen Spektrum zugeordnete Organisationen fokussiert, oder zumindest gleichrangig auch rechtsextreme bzw. faschistische Organisationen wie die „Grauen Wölfe“ und dem islamistischen Spektrum zuzurechnende Organisationen als Aufklärungsziel definiert? Die Beantwortung der Fragen 4 bis 8 ist der Bundesregierung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 9. Inwiefern wurde oder wird der BND im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Beobachtung der Türkei auch in der Bundesrepublik Deutschland aktiv? a) Inwieweit, mit welchem Ziel und welchen Methoden und auf welcher gesetzlichen Grundlage wurden oder werden durch den BND türkische oder kurdische Migrationsverbände oder Gemeinden, türkeistämmige Exilpolitiker oder türkische Politiker auf Deutschlandbesuchen beobachtet ? b) Inwieweit, mit welchem Ziel und welchen Methoden und auf welcher gesetzlichen Grundlage wurden oder werden durch den BND V-Leute in türkischen oder kurdischen Migrationsverbänden oder Gemeinden eingesetzt ? Der BND wird bei seiner Informationsbeschaffung im Rahmen seines Auftrages aus § 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst – BNDG tätig. Im Übrigen ist der Bundesregierung die Beantwortung dieser Frage aus verfas- sungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2599 10. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt waren die rechtsextremen „Grauen Wölfe“ Aufklärungs- oder Operationsziel für den BND? a) Inwieweit wurde der BND im Zusammenhang mit den „Grauen Wölfen “ innerhalb der Bundesrepublik Deutschland aktiv? b) Treffen Informationen aus der Presse und Fachliteratur zu, wonach der BND 1978 ff. bei der Etablierung der „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa“ (kurz: Türkische Föderation ADÜTDF) als Auslandsabteilung der MHP durch die Anmietung einer Halle für die Hauptversammlung und die Anstellung ihrer Vorsitzenden bei BND-Tarnfirmen geholfen hat, und wenn ja, mit welcher Zielsetzung erfolgte diese Unterstützung, bis wann dauerte sie an, und inwieweit kooperierte der BND dabei mit dem türkischen Geheimdienst MIT? 11. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt war die Revolutionäre Volksbefreiungspartei -Front Aufklärungs- oder Operationsziel für den BND? a) Gab es bei der Aufklärung der DHKP-C durch den BND eine Kooperation mit dem türkischen Geheimdienst MIT, und wenn ja, wann und in welcher Form? b) Inwieweit wurde der BND bei der Aufklärung der DHKP-C innerhalb Deutschlands aktiv? c) Wie viele V-Leute hat der BND innerhalb der DHKP-C zu welchem Zeitpunkt angeworben oder eingeschleust? d) Waren diese V-Leute an Straftaten beteiligt, und wenn ja, welcher Art? Die Beantwortung der Fragen 10 und 11 ist der Bundesregierung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 12. Hält die Bundesregierung das Anwerben des innerhalb Deutschlands für die DHKP-C tätigen A. als V-Mann durch den BND mit dem Auslandsaufklärungsauftrag des Geheimdienstes für vereinbar, und wenn ja, auf welcher gesetzlichen Grundlage, und wie grenzt die Bundesregierung diese Inlandsaktivität des BND vom Aufgabenbereich des Bundesamtes für Verfassungsschutz ab? Der BND handelt im Rahmen seiner Befugnisse gemäß § 2 ff. BNDG. Dazu gehört auch das Anwerben von Personen, um Erkenntnisse über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, zu gewinnen. Die Abgrenzung der Tätigkeit des BND zum Bundesamt für Verfassungsschutz erfolgt nach den gesetzlichen Regelungen gemäß § 1 Absatz 2 BNDG und § 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes – BVerfSchG. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 13. Wurde in diesen und anderen Fällen das für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung gerichtete Bestrebungen zuständige Bundesamt für Verfassungsschutz in die Tätigkeit des BND gegen Organisationen in Deutschland mit Bezug zur Türkei einbezogen, wenn ja, in welcher Weise, und wenn nein, warum nicht? Erkenntnisse des BND mit Deutschlandbezug werden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz geteilt. Drucksache 18/2599 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Wurde das im Deutschen Bundestag für die Kontrolle der Geheimdienste zuständige Gremium zu irgendeinem Zeitpunkt über diese Aktivitäten des BND informiert, und wenn nein, warum nicht? Das Parlamentarische Kontrollgremium wird regelmäßig zu den Aktivitäten des BND unterrichtet. 15. Sind der Bundesregierung Vorwürfe des Journalisten Aziz Üstel in der der türkischen Regierung nahestehenden Zeitung „STAR Gazete“ bekannt, wonach der BND die Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front infiltriert und für sich nutzbar gemacht habe? a) Wie beurteilt die Bundesregierung diese Vorwürfe? b) Wurden derartige Vorwürfe bislang von türkischen Behörden oder Regierungsstellen gegenüber der Bundesregierung oder deutschen Behörden erhoben, und wenn ja, wann und von wem gegenüber welcher Behörde, und wie reagierte die Bundesregierung darauf? Die Bundesregierung nimmt zu Äußerungen in der türkischen Presse nicht Stellung . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333