Deutscher Bundestag Drucksache 18/2673 18. Wahlperiode 26.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Azize Tank, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2501 – Die sogenannte 1 000-Dollar-Pille Sovaldi® Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit Sovaldi® (Wirkstoff Sofosbuvir) kam im Februar 2014 ein neues Arzneimittel gegen Hepatitis C (HCV) auf den Markt. Wie gesetzlich vorgesehen, wurde am 1. Februar 2014 im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ein Verfahren zur Feststellung des Nutzens von Sovaldi® eingeleitet. Der Beschluss des G-BA am 17. Juli 2014 beruht auf einer Empfehlung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sowie auf einem schriftlichen Stellungnahmeverfahren und einer mündlichen Anhörung vom 10. Juni 2014. Nicht nur der herstellende Konzern Gilead Sciences, sondern auch ärztliche Berufsverbände , die Arzneimittelkommission der Ärzteschaft, medizinische Fachgesellschaften sowie andere Pharmahersteller und -verbände waren anwesend und konnten sich zu Wort melden (www.g-ba.de/downloads/91-1031-102/2014-06- 10_Wortprotokoll_end_ Sofosbuvir.pdf). Wie durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) nach dem Beschluss über die Nutzenbewertung des G-BA vorgesehen, laufen momentan die Preisverhandlungen zwischen dem Hersteller Gilead Sciences und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband). Wie wenige neue Arzneimittel zuvor hat Sovaldi® schon vor und während des Marktzugangs eine enorme mediale und politische Aufmerksamkeit hervorgerufen (beispielhaft: www.aerzteblatt.de/nachrichten/56929/Hepatitis-C-TeureHeilung -in-Sicht). Das lag sowohl daran, dass große therapeutische Hoffnungen mit dem neuartigen Mittel verbunden wurden (www.aidshilfe.de/de/aktuelles/ meldungen/neues-hepatitis-c-medikament-sovaldi-sofosbuvir-europazugelassen , www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/Archiv/201406-Sovaldi.pdf), als auch an dem hohen Preis, den Gilead Sciences in den USA und danach weltweit forderte und der Sovaldi® bald den Beinamen der „1 000-Dollar-Pille“ eintrug (www.forbes.com/sites/matthewherper/2013/12/19/can-gileads-1000-pilleradicate -hepatitis-c/, www.cnbc.com/id/101700435). Die Europäische Arzneimittel -Agentur EMA hatte sogar schon, bevor eine offizielle Zulassung vorlag, Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 24. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. den Einsatz von Sovaldi® bei bestimmten Patientengruppen im sogenannten Compassionate Use empfohlen (www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/ news/2013/10/28/ema-empfiehlt-sofosbuvir-fuer-compassionate-use/11326. html). Drucksache 18/2673 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode In Deutschland kostet eine Tablette Sovaldi® momentan etwa 700 Euro. Eine Packung Sovaldi® für eine zwölfwöchige Therapie kostet 60 000 Euro. Ein Vertreter der Krankenkassen schätzte die Herstellungskosten auf etwa 100 Euro (www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/sovaldi-warum-eine-pille-700-euro-kostendarf -a-984738.html). Laut G-BA-Vorsitzendem Josef Hecken habe ein teures, überzeugendes Mittel wie Sofosbuvir seine Forschungskosten schon wieder hereingespielt, bis die Verhandlungen über den späteren Preis abgeschlossen seien (www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2014/07/18/ sofosbuvir-hat-betraechtlichen-zusatznutzen/13373.html). Der herstellende Konzern Gilead Sciences hatte zuvor die Arzneimittelentwicklungsfirma Pharmasset gekauft und damit die Rechte für den aussichtsreichen und in der Erforschung befindlichen Wirkstoff Sofosbuvir erworben. Der Kauf der kleinen Firma mit weniger als 1 Mio. US-Dollar Jahresumsatz und 82 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. Juli 2014) für ca. 11,2 Mrd. US-Dollar (www.pharma-zeitung.de/abschluss-derubernahme -von-pharmasset-inc-durch- g.3831.php) war lohnend. Gilead Sciences nahm im ersten Halbjahr 2014 allein mit Sovaldi® 5,8 Mrd. US-Dollar ein und übertraf alle Analystenschätzungen (www. spiegel.de/wirtschaft/soziales/ sovaldi-warum-eine-pille-700-euro-kosten-darf-a-984738.html). Gilead Sciences wurde denn auch von mehreren Pharmakonkurrenten, unter anderem F. Hoffmann-La Roche und Merck, verklagt, die ebenfalls „ein Stück vom Sovaldi-Kuchen abhaben wollten“ (www.aktiencheck.de/exklusiv/ArtikelGilead _Sciences_Aktie_Rechtsstreit_gegen_Roche_wichtiger_Sovaldi_Sieg_ Aktienanalyse-5895760). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Das deutsche Gesundheitssystem gewährleistet die Teilhabe aller Patientinnen und Patienten am medizinischen Fortschritt. Am Beispiel des neuen HepatitisC - Medikamentes Solvaldi®, das sich nach der Prüfung des G-BA im Vergleich zu bestehenden Präparaten durch einen beträchtlichen Zusatznutzen für einige Patientengruppen und beispielsweise geringere Nebenwirkungen auszeichnet, zeigt sich, dass jeder Versicherte, unabhängig vom Einkommen, Zugang zu innovativer Versorgung hat. Die aktuelle Ausgabenentwicklung von Sovaldi® ist – auch vor dem Hintergrund, dass viele Patienten und Patientinnen auf das neue Medikament gewartet haben – bislang einzigartig, bietet jedoch Anlass, die Entwicklungen auf dem Arzneimittelmarkt und insbesondere die Ausgabenentwicklung von Arzneimitteln im ersten Jahr auch weiterhin aufmerksam zu beobachten . Grundsätzlich hat sich das mit dem AMNOG eingeführte Zusammenspiel von Nutzenbewertung und anschließenden Preisverhandlungen bewährt. Damit wurde in Deutschland eine neue Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit von Arzneimitteln geschaffen. So wird sichergestellt, dass auch weiterhin allen Menschen in Deutschland diejenigen Arzneimittel zur Verfügung gestellt werden können, die sie brauchen. 1. Wie viele Menschen kommen in Deutschland nach Einschätzung der Bundesregierung für die Behandlung mit Sovaldi® infrage (diagnostizierte Patientinnen und Patienten)? Aus dem Beschluss des G-BA zur Nutzenbewertung von Sovaldi® ergibt sich, dass bis zu rund 99 900 Patientinnen und Patienten für die Behandlung mit Sovaldi® infrage kommen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2673 2. Wie viel kostet die Behandlung dieser Menschen mit Sovaldi® nach Einschätzung der Bundesregierung (den aktuellen Preis zugrunde gelegt)? Der Apothekenverkaufspreis einer Packung Sovaldi® mit 28 Tabletten beträgt 19 999,46 Euro. Je nach erforderlicher Therapiedauer kostet die Behandlung zwischen rund 60 000 und 120 000 Euro. Sovaldi® ist ausschließlich in Kombination mit anderen Arzneimitteln zugelassen. Das konkrete Therapieregime hängt vom Einzelfall ab. Die Kosten für weitere Arzneimittel sind in den Angaben nicht enthalten. 3. Welche Ausgabenentwicklung für die Finanzierung von Therapien mit Sovaldi® erwartet die Bundesregierung in den kommenden Jahren? Die Bundesregierung gibt keine Prognose über die Ausgabenentwicklung einzelner Arzneimittel ab. 4. Wie viele Menschen leben in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung mit einer unerkannten HCV-Infektion? Aufgrund von Studien kann die Zahl von Personen, die mit einer unerkannten Hepatitis-C-Infektion leben, lediglich geschätzt werden. Einer aktuellen Schätzung für verschiedene europäische Länder zufolge, die für Deutschland die Prävalenz aus der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS) von 0,3 Prozent als unteren Schätzer und andere Studien als oberen Schätzer nimmt, ermittelt unter Annahme einer mittleren Prävalenz von 0,5 Prozent (0,3 bis 0,9 Prozent) eine Zahl von 410 000 Anti-HCV-positiven Personen (246 000 bis 738 000) im Jahr 2012 (Bruggmann P, Berg T, Ovrehus AL, Moreno C, Brandao Mello CE, Roudot-Thoraval F, et al. Historical epidemiology of hepatitis C virus (HCV) in selected countries. J Viral Hepat. 2014;21 Suppl 1:5-33.). Von diesen seien etwa zwei Drittel virämisch. Der Schätzung zufolge sind insgesamt 160 000 Personen diagnostiziert und 250 000 HCV-Antikörper -positive Personen nichtdiagnostiziert, entsprechend einem Anteil von gut 60 Prozent. 5. Wie hoch ist nach Einschätzung der Bundesregierung vor diesem Hintergrund das theoretische Umsatzpotenzial von Sovaldi® in Deutschland pro Jahr unter Einbeziehung von nicht erkannten HCV-Infektionen? Die Bundesregierung gibt keine Prognose der möglichen Umsatzentwicklung einzelner Arzneimittel ab. 6. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die im ersten Halbjahr 2014 ausgabenträchtigsten Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung ? Für wie viele davon wurde ein Erstattungsbetrag gemäß AMNOG ausgehandelt ? Nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der Allgemeinen Ortskrankenkassen (WIDO) haben folgende Arzneimittel im ersten Halbjahr 2014 die höchsten Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung verursacht: Humira®, Sovaldi®, Xarelto®, Lyrica®, Enbrel®, Rebif®, Copaxone®, Spiriva®, Avonex®, Zytiga® (Quelle: WIDO GKV-Arzneimittelindex, es handelt sich um einen vor- läufigen Datenstand). Bisher gibt es für eines dieser Arzneimittel (Zytiga®) einen Erstattungsbetrag. Drucksache 18/2673 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Welche Rolle spielt in den diesbezüglichen Rückschlüssen der Bundesregierung , dass die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß Bundesverfassungsgericht ein überragend wichtigen Gemeinwohlbelang darstellt (BVerfGE 103, 172 [184 f.] unter Bezugnahme auf BVerfGE 70, 1 [30]; 82, 209 [230])? Das Bundesverfassungsgericht sieht die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung als überragend wichtigen Gemeinwohlbelang an. Die Bundesregierung trägt dem besonderen Stellenwert, den das Gericht diesem Gesichtspunkt zugewiesen hat, bei ihren Überlegungen in angemessenem Umfang Rechnung. 8. Wie viele Packungen Sovaldi® wurden bislang in Deutschland verordnet (ggf. nur die Verordnungszahlen für gesetzlich Versicherte angeben)? Nach Angaben des WIDO wurden im ersten Halbjahr 2014 rund 8 700 Packungen Sovaldi® verordnet (Quelle: WIDO GKV-Arzneimittelindex, es handelt sich um einen vorläufigen Datenstand). 9. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Verordnungsmengenund Ausgabenprognosen von Sovaldi®? Der Bundesregierung sind Verordnungsmengen- und Ausgabenprognosen Dritter aus der Presseberichterstattung bekannt. Die darin genannten Zahlen unterscheiden sich je nach Quelle und Perspektive. Die Bundesregierung selbst stellt für einzelne Arzneimittel keine solchen Prognosen an. 10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Entwicklungskosten für Sovaldi®, auch vor dem Hintergrund, dass Berichte über deutlich niedrigere Kostenpläne des ursprünglichen Entwicklers vorliegen (United States Senate, Committee on Finance: Wyden Grassley Document, vom 11. Juli 2014)? Das genannte Schreiben des United States Senate, Committee on Finance von Juli 2014 ist der Bundesregierung bekannt. Weitere Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber nicht vor. 11. Inwieweit ist gesetzlich vorgesehen, dass die Kosten für Forschung und Entwicklung bei der Preisfindung (bzw. Festlegung von Erstattungspreisen) von neuen Arzneimitteln berücksichtigt werden? 12. Inwiefern ist es nach Ansicht der Bundesregierung politisch wünschenswert , dass die Kosten für Forschung und Entwicklung bei der Preisfindung (bzw. Festlegung von Erstattungspreisen) berücksichtigt werden? Die Fragen 11 und 12 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach Ansicht der Bundesregierung ist es sinnvoll, dass der Preis eines Arzneimittels dem Nutzen folgt, den das Arzneimittel im Hinblick auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland hat. Diesem Ansatz folgend wurde mit dem AMNOG zum 1. Januar 2011 die Preisbildung für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in Deutschland neu geregelt. Dieses Prinzip sollte grundsätzlich beibehalten werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2673 13. Inwiefern hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Größe des Patientenkollektivs einen Einfluss auf die (Erstattungs-)Preisgestaltung bei neuen Arzneimitteln? 14. Inwiefern ist es nach Ansicht der Bundesregierung politisch wünschenswert , dass die Größe des Patientenkollektivs bei der Preisfindung (bzw. Festlegung von Erstattungspreisen) berücksichtigt wird? Die Fragen 13 und 14 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . In dem Beschluss des G-BA über die Nutzenbewertung nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sind auch die für die Behandlung mit dem jeweiligen Arzneimittel infrage kommende Patientenzahlen enthalten. Dieser Beschluss – und somit auch die Größe des Patientenkollektivs – ist Grundlage für die Vereinbarung des Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 11, 12 und 19 verwiesen. 15. Wie viele inhaftierte Menschen (inkl. Menschen im Maßregelvollzug) sind nach Kenntnis der Bundesregierung mit HCV infiziert? In Deutschland befanden sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zum Stichtag 31. März 2013 56 641 Personen (2012: 58 073) Personen in Strafhaft (einschließlich Sicherheitsverwahrte). Bezüglich der Prävalenz von HCV-Infektionen unter Justizvollzugsanstalts- (JVA)-Insassen liegen der Bundesregierung keine aktuellen Daten vor. Im Jahr 2013 waren insgesamt 10 471 Personen in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt untergebracht (2012: 10 276). Über die Hepatitis-C-Prävalenz im Maßregelvollzug liegen der Bundesregierung keine Angaben oder Schätzungen vor. 16. Wie viel kostet nach Kenntnis der Bundesregierung die Behandlung dieser inhaftierten Menschen mit Sovaldi®, und welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung dadurch auf die Haushalte der Länder? Dazu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. 17. Welchen Beschluss hat der G-BA über den Nutzen von Sovaldi® getroffen? a) Wie viele Menschen (relativ und absolut) können nach Kenntnis der Bundesregierung demnach mit einem erheblichen Zusatznutzen rechnen ? Der G-BA hat für keine Patientengruppe einen erheblichen Zusatznutzen für Sofosbuvir beschlossen. b) Wie viele Menschen (relativ und absolut) können nach Kenntnis der Bundesregierung demnach mit einem beträchtlichen Zusatznutzen rechnen? Der G-BA hat für die Behandlung von therapienaiven Patientinnen und Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Virus(cHCV)-Infektion Genotyp 2 einen Hinweis für einen beträchtlichen Zusatznutzen festgestellt, das sind laut G-BA-Beschluss rund 4 600 Patientinnen und Patienten (rund 5 Prozent). Drucksache 18/2673 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Wie viele Menschen (relativ und absolut) können nach Kenntnis der Bundesregierung demnach mit einem geringen Zusatznutzen rechnen? Der G-BA hat für die Behandlung von cHCV-Patientinnen und -Patienten mit cHCV-Infektion Genotyp 1 (therapienaiv), Genotyp 2 (therapieerfahren) sowie Patienten mit einer HIV-Koinfektion einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen festgestellt, das sind laut G-BA-Beschluss rund 17 300 Patientinnen und Patienten (rund 17 Prozent). Bei Patientinnen und Patienten mit cHCV-Infektion Genotyp 3 (therapienaiv und therapieerfahren, rund 26 700, rund 27 Prozent) kommt es darauf an, ob die Therapie in Kombination mit Interferon (Zusatznutzen nicht belegt) oder ohne Interferon (Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen) erfolgt. d) Für wie viele Menschen (relativ und absolut) ist kein Zusatznutzen zu erwarten? e) Für wie viele Menschen (relativ und absolut) ist der Zusatznutzen nicht belegt? Die Fragen 17d und 17e werden gemeinsam beantwortet. Der G-BA hat für die Behandlung von therapieerfahrenen Patientinnen und Patienten mit cHCV-Infektion Genotyp 1 sowie Patientinnen und Patienten mit cHCV-Infektion Genotypen 4, 5 und 6 festgestellt, dass der Zusatznutzen nicht belegt ist, das sind laut G-BA-Beschluss rund 51 300 Patientinnen und Patienten (rund 51 Prozent). Bei Patientinnen und Patienten mit cHCV-Infektion Genotyp 3 (therapienaiv und therapieerfahren, rund 26 700, rund 27 Prozent) kommt es darauf an, ob die Therapie in Kombination mit Interferon (Zusatznutzen nicht belegt) oder ohne Interferon (Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen) erfolgt. f) Was wird nach Kenntnis der Bundesregierung unternommen, um fehlende Belege für einen möglichen Zusatznutzen nachzuholen? Der G-BA hat den Beschluss nach § 35a SGB V zu Sofosbuvir bis zum 15. Juli 2016 befristet und begründet dies damit, dass weiteres wissenschaftliches Erkenntnismaterial erforderlich sei; um mit der erforderlichen Sicherheit feststellen zu können, dass ein Zusatznutzen von Sofosbuvir im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie als wissenschaftlich belegt angesehen werden könne. 18. Inwieweit weicht der Beschluss des G-BA vom Votum des IQWiG ab, und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gründe für etwaige Abweichungen? In seiner Dossierbewertung vom 29. April 2014 hat das IQWiG für therapienaive Patienten mit cHCV-Infektion Genotyp 2 einen Hinweis auf einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen für Sofosbuvir empfohlen. Zu der Entscheidung des G-BA über die Nutzenbewertung nach § 35a Absatz 3 SGB V wird auf die Antwort zu Frage 17 verwiesen. Bei seiner Entscheidung hat der G-BA zusätzlich zu der entsprechenden Bewertung des IQWiG auch die hierzu im schriftlichen und mündlichen Anhörungsverfahren vorgetragenen Stellungnahmen sowie das vom IQWIG im Auftrag des G-BA auf Grundlage der vom pharmazeutischen Unternehmer im Rahmen des Anhörungsverfahrens nachgereichten Unterlagen erstellte Addendum (A14-20) zum Auftrag A14-05 (Sofosbuvir) be- rücksichtigt. Um das Ausmaß des Zusatznutzens zu bestimmen, hat der G-BA die Daten, die die Feststellung eines Zusatznutzens rechtfertigen, nach Maßgabe Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2673 der im Kapitel 5 § 5 Absatz 7 seiner Verfahrensordnung festgelegten Kriterien im Hinblick auf ihre therapeutische Relevanz bewertet. 19. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung über den Einfluss der Patientenpopulation , für die Sovaldi® einen unsicheren Zusatznutzen hat, auf die Preisfindung bzw. Erstattungspreisfindung? Die Verhandlungen über den Erstattungsbetrag und deren Vorbereitung einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften zur Vereinbarung des Erstattungsbetrages sind vertraulich (§ 130b Absatz 1 Satz 2 SGB V). Der Bundesregierung liegen keine Informationen über die Berücksichtigung einzelner Patientenpopulationen auf die Verhandlung des Erstattungsbetrags vor. 20. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über weitere zu erwartende neue Arzneimittel zur HCV-Behandlung und deren Kosten? Im Rahmen einer zentralen Zulassung wurde am 22. August 2014 mit der Entscheidung der Europäischen Kommission das Arzneimittel Daklinza® mit dem Wirkstoff Daclatasvir zur Behandlung der chronischen Infektion mit dem Hepatitis -C-Virus bei Erwachsenen in Kombination mit anderen Arzneimitteln zugelassen . Eine Packung Daklinza® mit 28 Tabletten kostet 13 325,25 Euro (Apothekenverkaufspreis ). Darüber hinaus befinden sich bei der Europäischen Arzneimittel -Agentur (EMA) zurzeit Zulassungsanträge für folgende Arzneimittel (Stoffe), die zur Therapie der chronischen Hepatitis C eingesetzt werden sollen, in der Evaluation: ● Dasabuvir (sodium) ● die neue Kombination Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir ● die neue Kombination Sofosbuvir/Ledipasvir (Quelle: www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Report/2014/09/ WC500172818.pdf). Darüber hinaus sind Entwicklungen von monoklonalen Antikörpern bekannt, die gegen Komponenten des Hepatitis-C-Virus gerichtet sind und die entweder zur Therapie der manifesten Erkrankung, meist in Kombination mit direkt wirksamen antiviralen Substanzen, oder zur Prophylaxe gegen eine Reinfektion nach Lebertransplantation eingesetzt werden sollen. Eine zweite Klasse von monoklonalen Antikörpern wird erprobt, um die immunologische Reaktion des Organismus gegen Hepatitis-C-Virus verstärkt zu aktivieren. Weiterhin sind Entwicklungsprogramme von prophylaktischen Impfstoffen bekannt. Diese Programme befinden sich in der frühen Phase der klinischen Entwicklung. Über die Preise für diese noch nicht zugelassenen Arzneimittel liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Drucksache 18/2673 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 21. Welchen Einfluss könnten nach Einschätzung der Bundesregierung diese zu erwartenden Therapie-Alternativen auf die Preisgestaltung von Sovaldi® (gehabt) haben? 22. Inwieweit wird der demnächst ausgehandelte Erstattungspreis von Sovaldi® einen Einfluss auf die Preisgestaltung künftig zuzulassender Medikamente haben? Die Fragen 21 und 22 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, welche Einflussfaktoren im Einzelnen bei der Preisgestaltung pharmazeutischer Unternehmer für die hier angesprochenen Produkte eine Rolle gespielt haben bzw. spielen werden . Die Bundesregierung beteiligt sich auch nicht an Spekulationen darüber. 23. Inwiefern stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass durch die kurze Behandlungsdauer von einmalig zwölf bzw. 24 Wochen und der in Deutschland vollkommen unregulierten Preisbildung im ersten Vermarktungsjahr bereits ein großer Teil der infrage kommenden HCV-Infizierten zu „Mondpreisen“ (www.derwesten.de/wirtschaft/die-1000-dollar-pilleist -laengst-nicht-die-teuerste-id9682104.html) behandelt wurden? Sovaldi® wurde Anfang Februar 2014 auf den deutschen Markt gebracht. Entsprechend liegen der Bundesregierung keine Angaben dazu vor, wie viele der infrage kommenden HCV-Infizierten im ersten Vermarktungsjahr mit Sovaldi® behandelt werden. 24. Inwiefern stimmt die Bundesregierung dem gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag, Jens Spahn, zu, der noch im August 2014 ebenfalls den Hersteller Gilead Sciences vor Mondpreisen gewarnt hat (www.deutsche-apotheker-zeitung.de/politik/ news/2014/08/07/spahn-warnt-gilead-keine-mondpreise/13521.html)? Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, die Aussagen einzelner Abgeordneter des Deutschen Bundestages zu bewerten. 25. Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung von den Krankenkassen, den bei den Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Hersteller ausgehandelten Rabatt rückwirkend auch auf das erste Vermarktungsjahr anzuwenden (Deutsche Apotheker Zeitung, Ausgabe 34 vom 21. August 2014)? a) Inwieweit sieht die Bundesregierung hier (verfassungs-)rechtliche Umsetzungshemmnisse? b) Inwieweit sind sich die Mitglieder der Bundesregierung in dieser Frage einig? 26. Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die (Erstattungs -)Preise neuer Arzneimittel im ersten Jahr ihrer Zulassung gesetzlich zu regulieren? Die Fragen 25 und 26 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass sich das mit dem AMNOG zum 1. Januar 2011 eingeführte Verfahren der Nutzenbewertung mit anschließender Vereinbarung des Erstattungsbetrags für neue Arzneimittel im Grundsatz gut be- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2673 währt hat. Das Verfahren war von Anfang an als lernendes System konzipiert, das bei Bedarf weiterentwickelt und angepasst werden kann. Die aktuelle Ausgabenentwicklung von Sovaldi® ist bislang einzigartig und ein Anlass, die Ausgabenentwicklung von neuen Arzneimitteln im ersten Jahr auch weiterhin aufmerksam zu beobachten. Vorschläge, die vorsehen, dass der zwischen dem pharmazeutischen Unternehmer und dem GKV-Spitzenverband ausgehandelte Erstattungsbetrag auch für das erste Jahr nach der Markteinführung gelten soll, sind am Grundrecht der Berufsfreiheit der pharmazeutischen Unternehmer und gegebenenfalls am verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot zu messen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit hängt dabei von der konkreten Ausgestaltung der Vorschläge ab. Sollte die Bundesregierung zu dem Schluss kommen, dass gesetzliche Änderungen erforderlich sind, so wird sie dem Deutschen Bundestag einen entsprechenden Vorschlag übermitteln. 27. Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Erstattungsfähigkeit neuer Arzneimittel, analog dem Vorgehen anderer europäischer Länder, auf Patientengruppen mit festgestelltem Zusatznutzen zu beschränken? Bereits jetzt kann der G-BA die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (§ 92 Absatz 1 SGB V). Der fehlende Nachweis eines Zusatznutzens kann jedoch nicht notwendigerweise als Beleg für die Unzweckmäßigkeit oder die Unwirtschaftlichkeit des Arzneimittels in der betreffenden Indikation gewertet werden. Insbesondere hängt die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels von der Höhe des Erstattungsbetrages sowie den Kosten für die infrage kommenden Therapiealternativen ab. Würde die Erstattungsfähigkeit pauschalierend an den Nachweis eines Zusatznutzens geknüpft, wäre dies nicht sachgerecht. 28. Inwiefern sieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund hoher Kosten neuer Arzneimittel im ersten Jahr nach Inverkehrbringen die Notwendigkeit neuer Maßnahmen zur Preisregulation? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 25 und 26 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333