Deutscher Bundestag Drucksache 18/2690 18. Wahlperiode 29.09.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Maisch, Harald Ebner, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2526 – Haltung von Wildtieren im Zirkus Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den letzten Jahren haben zahlreiche Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie Belgien, Österreich und Griechenland die Wildtierhaltung in Zirkussen verboten. Fachorganisationen wie die Bundestierärztekammer e. V. sprechen sich seit Langem für ein solches Verbot auch in Deutschland aus. Der Bundesrat hat die Bundesregierung durch Entschließungen bereits zweimal , zuletzt im November 2011, aufgefordert, die Haltung bestimmter wild lebender Tierarten wie Elefanten, Affen und Bären, im Zirkus grundsätzlich zu verbieten (Bundesratsdrucksache 565/11). Auch die Öffentlichkeit ist für dieses Thema sensibilisiert. 82 Prozent der Deutschen vertreten laut einer repräsentativen forsa-Umfrage vom Mai 2014 die Auffassung, dass Wildtiere im Zirkus nicht artgerecht gehalten werden können . Denn die meisten Tiere, die in Zirkussen, Varietés, Tierschauen oder ähnlichen mobilen Einrichtungen gehalten werden, verbringen einen großen Teil ihres Lebens in engen Transportwagen oder wenig strukturierten Gehegen. Diese bieten den Tieren meist nur stark eingeschränkte Beschäftigungs-, Bewegungsund Rückzugsmöglichkeiten. Eine tiergerechte Haltung unter den Bedingungen eines mobilen Unternehmens ist daher grundsätzlich als problematisch anzusehen. Bei vielen Tierarten ist sie unmöglich. Auch in der Begründung zur dritten Änderung des Tierschutzgesetzes (Bundesratsdrucksache 300/12) aus dem Jahr 2012 heißt es: „Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass für einige der genannten Tierarten ein Verbot oder eine Beschränkung des Zurschaustellens an wechselnden Orten aus Gründen des Tierschutzes erforderlich sein könnte. Fortgesetzte Verstöße gegen die Haltungsvorschriften für manche Tierarten sowie die Häufigkeit von Verhaltensauffälligkeiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen der betreffenden Tiere in Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 24. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. vielen Zirkusbetrieben weisen darauf hin, dass die Bestimmungen für deren tierschutzgerechte Haltung unter den Bedingungen des Zurschaustellens an wechselnden Orten nicht realisierbar sind.“ Drucksache 18/2690 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Das neue Tierschutzgesetz ist vor über einem Jahr in Kraft getreten. Eine Regelung zur Haltung von Wildtieren im Zirkus fehlt noch immer. 1. a) Wann wird die Bundesregierung einen konkreten Vorschlag für eine Rechtsverordnung zum Verbot bzw. zur Beschränkung der Haltung wildlebender Tierarten in fahrenden Zirkussen vorlegen? b) Falls kein genaues Datum genannt werden kann, warum nicht, und wie lauten die nächsten Planungs- und Beratungsschritte der Bundesregierung , bzw. welche Überlegungen wurden bereits angestellt? Im Jahr 2013 wurde eine Ermächtigung in das Tierschutzgesetz aufgenommen, durch Verordnung das Zurschaustellen von Tieren wildlebender Arten an wechselnden Orten zu beschränken oder zu verbieten. Entsprechende Regelungen sind gemäß § 11 Absatz 4 des Tierschutzgesetzes aber nur dann möglich, wenn die Tiere der jeweiligen Art an wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden gehalten oder zu den wechselnden Orten nur unter erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden befördert werden können und diesen erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden durch andere Regelungen , insbesondere solche mit Anforderungen an die Haltung oder Beförderung der Tiere, nicht wirksam begegnet werden kann. Bislang konnte nicht belegt werden, dass es Tierarten gibt, für die diese Voraussetzungen vorliegen. Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass die Haltung von Tieren bestimmter wildlebender Arten in Zirkusbetrieben aus der Sicht des Tierschutzes eine besondere Herausforderung darstellt. Sie wird die Situation daher weiter beobachten und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. 2. a) Welche Tierarten bzw. -gruppen sind nach Auffassung der Bundesregierung von der Begründung im Tierschutzgesetz betroffen, und für welche Tierarten bzw. -gruppen erwägt die Bundesregierung eine Einschränkung bzw. ein Verbot der Haltung in Zirkusunternehmen? b) Wie positioniert sich die Bundesregierung diesbezüglich insbesondere zur Haltung von Affen (Primaten), Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörnern und Flusspferden, die vom Bundesrat explizit in ihrer Aufforderung an die Bundesregierung genannt wurden, eine Rechtsverordnung zum Verbot bestimmter Wildtiere im Zirkus vorzulegen (Bundesratsdrucksache 565/11)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Auf welchen Informationen und Erfahrungen bei der Umsetzung der Zirkusregisterverordnung beruht die Bewertung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bzw. des vormaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), dass das Zirkusregister ein wertvolles Instrument zur Verbesserung der Überwachung von Zirkusbetrieben sei (siehe u. a. Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes , Bundestagsdrucksache 17/10572)? Eine Abfrage der Erfahrungen in den Bundesländern in den Jahren 2010 und 2011 ergab, dass die Bundesländer die Einrichtung des Zirkusregisters einhellig begrüßten und seine Nutzung weit überwiegend positiv bewerteten. Es wurde insbesondere die verbesserte Kommunikation der Kontrollbehörden und die verbesserte Vorbereitung von Kontrollen hervorgehoben. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2690 4. a) Hat das Register nach Kenntnis der Bundesregierung zu belegbaren Verbesserungen der Tierschutzsituation von Tieren in Zirkussen geführt? b) Welche konkreten Verbesserungen sind der Bundesregierung hier bekannt , und welche Belege untermauern diese? c) Falls der Bundesregierung keine konkreten Informationen und Belege vorliegen, inwiefern und wann plant sie, diese Kenntnislücke zu schließen ? Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 3 wird verwiesen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine umfassend auswertbaren Informationen seitens der Bundesländer darüber vor, inwieweit das Register zu einer tatsächlichen Verbesserung der Tierschutzsituation in Zirkusbetrieben beigetragen hat. 5. Wie viele mobile Zirkusbetriebe, Tierschauen, Varietés oder ähnliche Einrichtungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland als Gewerbe angemeldet, und wie viele dieser Einrichtungen wurden bereits im Zirkusregister erfasst? Das von den Ländern eingerichtete elektronische Register, in dem die Daten der zuständigen Behörden zentral verwaltet werden, hat seinen vollständigen Betrieb mit Zugang aller Länder und Dateneingabe durch die zuständigen Behörden im Jahr 2011 aufgenommen. Auf Grundlage der im ersten Quartal des Jahres 2012 zur Verfügung gestellten Informationen der Bundesländer waren knapp 330 Betriebe mit der Erlaubnis zur Zurschaustellung nach § 11 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe d im Zirkusregister registriert und etwa 100 Betriebe zu diesem Zeitpunkt noch nicht registriert. Darunter wurde die Anzahl registrierter Zirkusbetriebe , die Wildtiere halten, mit 141 angegeben. 6. Wie viele Tiere sind nach Kenntnis der Bundesregierung im aktuellen Register erfasst (Aufstellung nach Arten und Anzahl der Tiere)? Auf Grundlage der von den Bundesländern im ersten Quartal 2012 zur Verfügung gestellten Informationen waren über 1 400 Tiere, davon mehr als 900 Wildtiere (ohne Kameliden) erfasst. Die registrierten Wildtiere umfassten 374 Säugetiere , ca. 100 Vögel und ca. 450 Reptilien, Amphibien und Nicht-Wirbeltiere. Unter den registrierten Säugetieren befanden sich unter anderen 148 Großkatzen, 82 Elefanten, 29 Affen, 15 Robben, neun Großbären, vier Giraffen, vier Nashörner und drei Flusspferde. 7. Wie viele der im Register erfassten Zirkusunternehmen verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über ein festes Winterquartier? Nach den von den Bundesländern im ersten Quartal 2012 zur Verfügung gestellten Informationen waren zu diesem Zeitpunkt 135 Zirkusbetriebe mit Winterbzw . Stammquartieren erfasst. 8. Wie viele Veterinärämter nutzen nach Erkenntnis der Bundesregierung das Register regelmäßig (monatlich)? Nach Angaben der Bundesländer wird das Register in der Regel durch die Vete- rinärämter genutzt, wenn in deren Zuständigkeitsbereich ein Zirkusbetrieb gastiert oder sein Winter- bzw. Stammquartier bezogen hat. Angaben über die An- Drucksache 18/2690 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode zahl der Veterinärämter, die das Register monatlich nutzen, liegen der Bundesregierung nicht vor. 9. Welche Konsequenzen hat es für einen Amtstierarzt bzw. für eine Veterinärbehörde , wenn das Register nicht ordnungsgemäß angewendet wird und beispielsweise Beanstandungen nicht eingetragen werden? Gemäß § 4 Absatz 1 der Zirkusregisterverordnung speichert die zuständige Behörde bestimmte Daten in einem automatisierten Verfahren, das die Übermittlung der Daten durch Abruf ermöglicht. Die Durchführung des Tierschutzgesetzes und der auf Grund des Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen obliegt den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese im Rahmen ihrer pflichtgemäßen Aufgabenwahrnehmung für eine ordnungsgemäße Anwendung des Zirkusregisters Sorge tragen. 10. Wie viele Beanstandungen bei der Tierhaltung wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in Zirkussen zwischen den Jahren 2008 und 2013 durch Amtstierärzte festgestellt (bitte nach Jahren, Tierarten und Art der Verstöße auflisten)? Nach den von den Bundesländern im ersten Quartal 2012 zur Verfügung gestellten Informationen wurden im Jahr 2011 bei 895 Kontrollen 409 Verstöße gegen Haltungsanforderungen für Tiere festgestellt. Differenziertere Angaben nach Tierarten und Art der Verstöße liegen der Bundesregierung nicht vor. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333