Deutscher Bundestag Drucksache 18/2696 18. Wahlperiode 01.10.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Frank Tempel, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2538 – Drogentests der Arbeitsagenturen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach Informationen der „BILD“ vom 3. September 2014 soll die Bundesagentur für Arbeit (BA) 88 000 Drogentests anschaffen, um Erwerbslose und Hartz-IVBeziehende auf Betäubungsmittelmissbrauch zu überprüfen. Laut dem Bericht sollen mit den Harntests unter anderem Spuren von Amphetamin, Cannabis, Kokain, Ecstasy und auch Antidepressiva nachgewiesen werden können. Nach Angaben eines BA-Sprechers können Arbeitsvermittler und Jobcentermitarbeiter bei Verdacht Drogentests veranlassen, wenn der Kunde zustimmt (vgl. FOCUS Online vom 3. September 2014). Die Tests würden vom ärztlichen Dienst der Arbeitsagenturen durchgeführt. Da der Konsum von Betäubungsmitteln in Deutschland nicht verboten ist und rechtlich als straffreie Selbstschädigung gilt, stellen sich Fragen nach der Rechtsgrundlage, den konkreten Folgen und der Verhältnismäßigkeit der Aufforderung zum Drogenscreening durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie dem weiteren Umgang mit den dabei anfallenden Daten. So ist beispielsweise gemäß § 62 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) ein Drogenscreening einer Urinprobe und/oder die Untersuchung einer Blutprobe auf Blutalkohol von Leistungsbeziehern der Grundsicherung für Arbeitssuchende auf eine Suchtmittelabhängigkeit für die Entscheidung über die Leistung nur dann erforderlich, wenn es aus dem Verhalten der Antragsteller oder sonst zugänglichen Informationen Hinweise hierauf gibt. Wenn eine solche Untersuchung ohne genügende konkrete Hinweise auf eine Suchtmittelabhängigkeit erfolgt, stellt dies einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Artikel 1 Absatz 1, Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) dar (vgl. Landgericht Heidelberg, Urteil vom 22. August 2013, 3 O 403/11). Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/2696 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Stimmen die Medienberichte, wonach die BA 88 000 Drogentests anschafft oder bereits angeschafft hat, um Erwerbslose und Hartz-IV-Beziehende auf Betäubungsmittelmissbrauch zu überprüfen? Wenn ja, a) zu welchem Zeitpunkt wurden oder werden die Drogentests angeschafft, b) um welchen Drogentest handelt es sich (bitte Hersteller und Produkt angeben ), c) welche Kosten entstehen dadurch, d) fand eine entsprechende Ausschreibung statt, e) wie hoch ist die Fehlerquote des angeschafften Drogenschnelltests, f) auf welcher Basis wurde der Bedarf für 88 000 Tests ermittelt? Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat die Beschaffung von Drogentests mit einer voraussichtlichen Abnahmemenge von 88 000 Stück (22 000 Drogentests pro Jahr für die Bereiche der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – SGB III – und der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II) für die Jahre 2015 bis 2018 öffentlich ausgeschrieben). Da die Angebotsfrist derzeit noch läuft, können noch keine Angaben zu Hersteller, Produkt, Kostenhöhe und Fehlerquote gemacht werden. Der Bedarf wurde aufgrund der Abnahmemengen der letzten Jahre ermittelt. 2. Welche Gründe führten zu der Entscheidung der BA, in den Arbeitsagenturen und Jobcentern Drogentests durchzuführen, und mit welcher Absicht sollen die Tests durchgeführt werden? a) Zu welchem Zweck sollen die Testergebnisse in den Arbeitsagenturen und Jobcentern verwendet werden? Der Ärztliche Dienst der BA, der auch für die Jobcenter tätig ist, setzt nur in ausgewählten Fällen (bei circa 4 Prozent seiner Aufträge) im SGB II und SGB III Drogentests ein, um Hinweise auf Sucht schnell zu klären. Ziel ist es, Integrationshindernisse durch passgenaue Vermittlung von Hilfen (u. a. Einleitung von Langzeitentwöhnungsmaßnahmen) zu überwinden. Drogentests werden daher u. a. eingesetzt, um Gefährdungen bei sicherheitsrelevanten Tätigkeiten zu vermeiden , ein Scheitern von Integrationsmaßnahmen zu verhindern oder rechtzeitig Therapie- bzw. Rehabilitationsmaßnahmen einleiten zu können. So kann vermieden werden, dass eine Ausbildung wegen einer Drogenproblematik abgebrochen wird oder in selbstgefährdende Tätigkeiten wie z. B. als Dachdecker oder Lkw-Fahrer vermittelt wird. b) Wie soll sichergestellt werden, dass die Untersuchungsergebnisse nur zu diesem Zweck verwendet werden? Die Untersuchungsergebnisse unterliegen den strengen Bestimmungen des Sozialdatenschutzes (siehe die Antwort zu den Fragen 11 und 12). c) Wird jeweils die komplette Bandbreite des Drogenscreenings, also ein Nachweis auf alle mit dem Test nachweisbaren Substanzen, durchgeführt , und wenn ja, warum? Die Tests wurden auf der Grundlage entsprechender klinischer Erfahrung entwickelt und enthalten die häufig nachzuweisenden Substanzen. Der Drogenschnelltest ist so konzipiert, dass durch eine einmalige Analyse die gebräuchlichen Substanzen getestet werden. Dies ist für den Anwender kostengünstig, schnell und einfach einzusetzen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2696 3. Auf welcher Rechtsgrundlage sollen die Drogentests durchgeführt werden? Der Ärztliche Dienst der BA wird auf Grundlage des Sozialgesetzbuchs (§ 62 SGB I, § 32 SGB III) im Einzelfall tätig: Es werden entsprechende ärztliche Begutachtungen durchgeführt, in deren Rahmen anlassbezogen im Einzelfall auch Drogentestungen notwendig werden können (vgl. auch Antwort zu Frage 2). Die Leistungsberechtigten haben zum Untersuchungstermin im Rahmen der Meldepflicht nach § 309 SGB III bzw. § 59 SGB II i. V. m. § 309 SGB III zu erscheinen und an der Untersuchung im Rahmen der Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen oder des Bezuges von Sozialleistungen mitzuwirken (§ 62 SGB I). 4. Gab es bereits in der Vergangenheit Fälle, in denen die Arbeitsagenturen oder die Jobcenter Drogentests von Arbeitssuchenden veranlasst haben (bitte nach Jahr, Anzahl, Bundesland, Grund, positives oder negatives Ergebnis , Kosten der Untersuchungen aufschlüsseln)? Drogentests werden im Ärztlichen Dienst der BA seit dem Jahr 2004 durchgeführt . Zuletzt hat die BA vor rund drei Jahren Drogentests in der Größenordnung der jetzt ausgeschriebenen Abnahmemenge beschafft. Der Auftragswert für die Jahre 2012 bis 2014 lag nach dem Zuschlag bei rund 135 000 Euro (netto). Weitere statistische Daten dazu liegen nicht vor. 5. In welchen Fällen sollen Arbeitsvermittler und Jobcentermitarbeiter bei Verdacht Drogentests veranlassen können, und mit wie vielen Fällen rechnet nach Informationen der Bundesregierung die BA jährlich? Die Vermittlungsfachkräfte schalten beim Verdacht auf eine Suchterkrankung den Ärztlichen Dienst der BA ein. Nur der Ärztliche Dienst der BA veranlasst in Einzelfällen Drogentests (vgl. auch Antwort zu den Fragen 2 und 3). Es wird von 22 000 Drogentests pro Jahr für die Bereiche des SGB III und SGB II ausgegangen . 6. Welche psychologische und medizinische Qualifikation befähigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA, „konkrete Hinweise auf eine Suchtmittelabhängigkeit “ zu erkennen und diese von somatischen und psychosomatischen Beschwerden abzugrenzen? a) Welche tatsächlichen Umstände gelten den Jobcentern als Anhaltspunkte dafür, die ein Drogenscreening (zur Leistungsbestimmung) erforderlich erscheinen lassen? b) Gibt es für die Bestimmung von „Verdachtsmomenten“ interne Anweisungen an die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, Verwaltungsrichtlinien oder Ähnliches? Während des Integrationsprozesses kann es verschiedene direkte oder indirekte Anhaltspunkte geben, die auf eine Suchterkrankung schließen lassen und die Anlass für eine Einschaltung des Ärztlichen Dienstes der BA sein können, zum Beispiel als direkte Hinweise Alkoholgeruch und unsicherer Gang oder als indirekte Hinweise häufige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Entzug der Fahrerlaubnis , Informationen von Arbeitgebern oder Maßnahmeträgern im Rahmen von Bewerbungen und Maßnahmen. Die BA stellt zur Einschätzung dieser Fragen aber keinen bundesweiten „Kriterienkatalog “ zur Verfügung, sondern greift diese Fragen in den zu Frage 6c geschilderten Qualifizierungsmaßnahmen (4-Phasen-Modell der Integrationsar- beit, Aufbaumodul „Handlungsfeld Sucht“, Beratungskonzeption) auf. Drucksache 18/2696 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bei Vorliegen einer oder mehrerer Anzeichen auf eine Suchterkrankung beziehungsweise einen Betäubungsmittelmissbrauch wird die Vermittlungs- und Beratungsfachkraft die Thematik mit der betroffenen Person besprechen und im weiteren Prozess in Abstimmung mit ihr den Ärztlichen Dienst der BA einschalten . Darüber hinaus haben die Fachkräfte vor der Beauftragung eines ärztlichen Gutachtens die Möglichkeit, sich bei unklaren Fallgestaltungen durch den Ärztlichen Dienst der BA vorab beraten zu lassen (sogenannte Sozialmedizinische Beratung ). Eine solche Beratung ist auch in einem gemeinsamen Gespräch mit der betreffenden Person möglich. Die Abhängigkeitserkrankung wird dabei in jedem Fall durch den beauftragten Ärztlichen Dienst der BA und nicht von der Vermittlungs- und Beratungsfachkraft festgestellt. Grundlage für die Einschaltung des Ärztlichen Dienstes der BA ist der „Praxisleitfaden zur Einschaltung des ärztlichen Dienstes im Bereich des SGB II und SGB III“, der zuletzt im Juni 2014 aktualisiert und als Weisung veröffentlicht wurde und damit für alle Vermittlungs- und Beratungsfachkräfte gilt. Dieser enthält Angaben zur optimierten Einschaltung des Ärztlichen Dienstes im Bereich des SGB II und SGB III und zeigt mögliche Ausgangssituationen für die Einschaltung desselben auf, stellt das Dienstleistungsangebot vor und beschreibt den Ablauf von der Einschaltung bis zur Nachbereitung. c) Werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter speziell geschult? Wenn ja, in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Die Vermittlungs- und Beratungsfachkräfte der gemeinsamen Einrichtungen und Agenturen für Arbeit sind gefordert, Indikatoren und Hinweise im Beratungs - und Integrationsprozess zu erkennen, die es erfordern, eine mögliche Suchtproblematik über den Ärztlichen Dienst abzuklären. Bundesweit werden diese Prozesse wie folgt unterstützt: Mit dem 4-Phasen-Modell der Integrationsarbeit steht den Vermittlungs- und Beratungsfachkräften in den gemeinsamen Einrichtungen und Agenturen für Arbeit seit dem Jahr 2009 ein Referenzrahmen/Leitfaden zur Verfügung, an dem sich das Handeln im Kernprozess von Vermittlung, Integration und Beratung orientiert. Dieses Gesamtkonzept berücksichtigt auch gesundheitsspezifische Aspekte. So steht mit der Schlüsselgruppe „Leistungsfähigkeit“ beispielsweise eine eigene Profilingdimension zur Verfügung, in der die bewerberorientierte Fachkraft gesundheitsbedingte Auswirkungen (zum Beispiel aufgrund von Suchtproblemen) auf die angestrebte Zieltätigkeit einordnet und eine entsprechend passende Auswahl von Handlungsstrategien vornimmt (z. B. „Leistungsfähigkeit feststellen“, „Leistungsfähigkeit fördern“ oder „gesundheitlich angemessene Beschäftigung realisieren“). Insbesondere in der Strategie „Leistungsfähigkeit feststellen“, können fallbezogen Fachdienste eingeschaltet werden. Mit dem Aufbaumodul „Handlungsfeld Sucht“ steht ein Qualifizierungsbaustein für Fallmanagerinnen und Fallmanager zur Verfügung, der von den gemeinsamen Einrichtungen auch für die Qualifizierung von Vermittlungs- und Beratungsfachkräften nachgefragt werden kann. Im Rahmen des Seminars werden Grundlagen von Abhängigkeitserkrankungen, Anhaltspunkte zum Erkennen einer Suchterkrankung und Umgang mit der Thematik im Beratungsgespräch vermittelt. Neben dem 4-Phasen-Modell der Integrationsarbeit steht den Fachkräften die Beratungskonzeption zur Verfügung. Sie zielt mit einem ressourcen- und lösungsorientierten Ansatz auf die Stärkung der Handlungs- und Beratungskompetenz der Vermittlungs- und Beratungsfachkräfte. Die Beratungskonzeption Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2696 kann einen Beitrag dazu leisten, dass die Vermittlungs- und Beratungsfachkräfte neben Stärken und Ressourcen auch die Handlungsbedarfe der Leistungsberechtigten besser erkennen, sich damit sicherer mit einer möglichen Suchterkrankung auseinandersetzen, diese einfühlsam thematisieren und im weiteren Prozess den Ärztlichen Dienst der BA zur Feststellung einer Suchterkrankung einschalten können. Die Module der Beratungskonzeption sind in den Agenturen für Arbeit im Rechtskreis SGB III flächendeckend eingeführt und werden bis voraussichtlich Ende des Jahres 2016 auch in nahezu allen gemeinsamen Einrichtungen des Rechtskreises SGB II zur Verfügung stehen. Den örtlichen Führungskräften in den gemeinsamen Einrichtungen und Agenturen für Arbeit obliegt es, Schulungsbedarfe zum Kompetenzaufbau der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu identifizieren und entsprechend Qualifizierungsoder anderer Maßnahmen einzuleiten (zum Beispiel regelmäßiger Erfahrungsaustausch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer Drogenberatungsstelle). d) Hält die Bundesregierung die Qualifizierungsmaßnahmen für angemessen bzw. ausreichend? Die Bundesregierung hält die Qualifizierungsmaßnahmen für angemessen und ausreichend. Der jeweilige Qualifizierungsbedarf ist immer im konkreten Einzelfall vor Ort festzustellen und abzudecken. 7. Stimmen die Medienberichte, wonach die Drogentests jeweils vom ärztlichen Dienst der Arbeitsagenturen durchgeführt werden sollen, und wenn ja, existieren in allen Arbeitsagenturen ärztliche Dienste, die in der Lage sind, die Tests durchzuführen? Wenn nein, wer soll dann die Tests durchführen? Drogentests werden im Ärztlichen Dienst der BA durchgeführt. Der Ärztliche Dienst der BA ist in allen Agenturen für Arbeit tätig. 8. Wird von den betroffenen Arbeitssuchenden jeweils vor dem Drogentest eine ärztliche Schweigepflichtentbindung verlangt? Der Ärztliche Dienst der BA lässt sich für diesen Fall eine ärztliche Schweigepflichtentbindung geben. 9. Welche Folgen hätte ein positives Ergebnis eines solchen Drogentests für den betroffenen Arbeitssuchenden? Betroffene arbeitsuchende Personen können u. a. schnell bei der Beantragung von Langzeitentwöhnungsmaßnahmen unterstützt werden, soweit dies medizinisch für sinnvoll erachtet wird. Außerdem wird nicht in selbstgefährdende Tätigkeiten wie z. B. Lkw-Fahrer oder Dachdecker (vgl. dazu auch Antwort zu Frage 2) vermittelt. 10. Welche Qualifikation befähigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA, Gesundheitsfragebögen auszuwerten? Eine Qualifikation der Vermittlungs- und Beratungsfachkräfte zur Auswertung des Gesundheitsfragebogens ist nicht erforderlich, da diese über dessen Aushändigung hinaus keinen Zugang zu dem für den Ärztlichen Dienst der BA bestimmten Gesundheitsfragebogen haben. Nur auf ausdrücklichen Wunsch der Drucksache 18/2696 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode betroffenen Person darf beim Ausfüllen des Gesundheitsfragebogens unterstützt werden. Die leistungsberechtigten Personen sind bei der Beauftragung eines ärztlichen Gutachtens darüber zu informieren, dass der Gesundheitsfragebogen zu Hause auszufüllen und im verschlossenen Umschlag wieder mitzubringen ist. Gemäß dem „Praxisleitfaden zur Einschaltung des ärztlichen Dienstes im Bereich des SGB II und SGB III“, der als Weisung für Agenturen für Arbeit und gemeinsame Einrichtungen mit Handlungsempfehlungen/Geschäftsanweisungen 06/14 – 09 veröffentlicht worden ist, ist dieser Umschlag ungeöffnet durch die Vermittlungs- und Beratungsfachkraft an den Ärztlichen Dienst der BA weiterzuleiten . Ausschließlich der Ärztliche Dienst wertet den Gesundheitsfragebogen aus. a) Wie soll die Freiwilligkeit des Tests sichergestellt und negative Folgen für den Betroffenen verhindert werden? Welche Folgen hätte eine Weigerung des Arbeitssuchenden, an dem Drogentest teilzunehmen, und sollen oder werden solche Weigerungen in den Unterlagen registriert? c) Wie werden Betroffene über die Freiwilligkeit der Teilnahme an dem Test aufgeklärt? Nach Auskunft der BA wird im persönlichen Beratungsgespräch die Notwendigkeit einer sozialmedizinischen Sachverhaltsaufklärung erläutert und dazu beraten und informiert, welche Gründe die Begutachtung erforderlich machen. Die Mitwirkung wird jedoch freigestellt und dabei wird auf eventuell nachfolgende Sanktionen bei Nichterscheinen beim Fachdienst ohne wichtigen Grund hingewiesen. Der Gesundheitsfragebogen, das Informationsblatt und die Schweigepflichtentbindungen werden ausgehändigt und im Fachverfahren VerBIS dokumentiert. Mit der Einladung zu Untersuchungsterminen ergeht ein weiterer Hinweis. Über die Freiwilligkeit der Teilnahme an amtsärztlichen Untersuchungen wird auch bereits bei der Arbeitsuchend- bzw. Arbeitslosmeldung u. a. durch die Aushändigung des Informationsblattes „Merkblatt für Arbeitslose, Ihre Rechte – Ihre Pflichten“ (im SGB III) bzw. des Merkblattes „Arbeitslosengeld II/Sozialgeld “ (im SGB II) informiert. Bei der Einschaltung des psychologischen Dienstes erhält die leistungsberechtigte Person das Merkblatt „Unser Angebot für Sie“, in dem weitere Informationen zur Freiwilligkeit stehen. Dies wird im Fachverfahren VerBIS immer dokumentiert. Die Zustimmung zur Begutachtung wird über einen Haken in einer sog. Checkbox vermerkt. Der Umstand der Freiwilligkeit bedeutet jedoch nicht den Schutz vor Sanktionen . Die Mitwirkung an der Durchführung der Untersuchung ist nach § 62 SGB I dann geboten, wenn damit die Ermittlung solcher tatsächlicher Gegebenheiten in der Person des Leistungsberechtigten verbunden ist, die grundsätzlich nur von einem fachkundigen Mediziner festgestellt werden können und die für die Entscheidung über Sozialleistungen erforderlich sind, aber nicht auf andere Weise (z. B. Beiziehung bereits vorliegender Befunde und Atteste) geklärt werden können. Bei unterbliebener Mitwirkung im Untersuchungstermin durch Verweigerung der Teilnahme am Drogentest kann bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden, soweit die Voraussetzungen der Leistungen nicht nachgewiesen sind (§ 66 Absatz 1 SGB I). Da die Entscheidung über diese Rechtsfolgen im Ermessen steht, ist Raum für die Berücksichtigung individueller Gesichtspunkte, wie z. B. eingeschränkter Einsichtsfähigkeit aufgrund von Drogenkonsum. Zudem ist eine entsprechende Belehrung über diese Rechtsfolgen mit der Einladung zur Untersuchung verbunden. Es ist anerkannt, dass zum Schutz des Leistungsberechtig- ten das Verlangen nach Ort, Zeit und dem mit der Aufforderung verfolgten Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2696 Zweck – aus Sicht eines objektiven Empfängers betrachtet – unmissverständlich sein muss, damit es die Rechtsfolge des § 66 SGB I auslösen kann. Eine Versagung der Leistungen nach § 66 i. V. m. § 62 SGB I setzt darüber hinaus voraus, dass die Untersuchungsmaßnahme – d. h. hier der Drogentest – für die Entscheidung über die Leistung erforderlich ist. Für finanzielle Leistungen zum Lebensunterhalt dürfte diese Erforderlichkeit regelmäßig jedoch nicht gegeben sein, es sei denn, die Erwerbsfähigkeit selbst wird dadurch in Zweifel gezogen . Der Eintritt einer Sperrzeit wegen Verweigerung des Drogentests wäre nicht möglich, da es sich nach der Rechtsprechung um eine höchstpersönliche Entscheidung handelt, ob man sich einer Untersuchung unterzieht oder nicht. b) Wird der Drogentest bei bestimmten Leistungen bzw. Vermittlungen des Jobcenters zur Voraussetzung gemacht? Grundsätzlich kommen alle Leistungen zur Eingliederung in Arbeit des SGB II auch für suchterkrankte Menschen in Betracht. Bei allen Eingliederungsleistungen ist unter anderem die Eignung und Leistungsfähigkeit der betroffenen Person zu berücksichtigen. Das heißt, eine Förderung zur Eingliederung in eine gesundheitlich nicht angemessene Tätigkeit ist nicht möglich. 11. Wie ist der Datenschutz bei den Drogentests geregelt? a) Wer wird über die Testergebnisse in welcher Form informiert? Über das Testergebnis wird der Arbeitsuchende durch die Ärztin bzw. den Arzt der BA informiert. Im Übrigen gilt Folgendes: Die Gutachten des Ärztlichen Dienstes der BA bestehen aus zwei deutlich voneinander abgegrenzten Teilen – unabhängig davon, ob es sich um ein Gutachten mit Untersuchung oder ein Gutachten nach Aktenlage handelt: Teil A = Medizinische Dokumentation und Erörterung Teil B = Sozialmedizinische Stellungnahme für den Auftraggeber Teil A – die „Medizinische Dokumentation und Erörterung“ – verbleibt in der Akte des Ärztlichen Dienstes der BA und unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht ; eine Übermittlung an die Auftraggeberin oder den Auftraggeber ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig. Er enthält u. a. ärztliche Anamnese , Diagnosen und Untersuchungsbefunde. Teil B – die „Sozialmedizinische Stellungnahme für den Auftraggeber – wird der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber in der Agentur für Arbeit oder im Jobcenter übermittelt. Er enthält u. a. integrationsrelevante Funktionseinschränkungen , ein negatives und positives Leistungsbild und sozialmedizinische Empfehlungen für die Vermittlungsfachkräfte. b) Wie, wie lange und wo werden die Testergebnisse gespeichert, und wer hat unter jeweils welchen Voraussetzungen Zugang zu den Daten? Die Testergebnisse werden, wie alle ärztlichen Befundunterlagen, nur im Ärztlichen Dienst der BA zehn Jahre archiviert. Drucksache 18/2696 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Wie sollen die Daten gegen unberechtigten Zugriff gesichert werden? Die Ärztlichen Unterlagen werden in geschlossenen Schränken aufbewahrt, zu denen nur der Ärztliche Dienst der BA Zugang hat. 12. Unter welchen Voraussetzungen soll eine Weitergabe der Testergebnisse an andere Behörden möglich sein, um welche Behörden handelt es sich dabei , und auf welcher Rechtsgrundlage fände eine solche Weitergabe jeweils statt? Die Untersuchungsergebnisse insgesamt unterliegen dem Sozialdatenschutz, § 35 SGB I, §§ 67 ff. SGB X. Eine Übermittlungsbefugnis besteht bei diesen besonders sensiblen Gesundheitsdaten gemäß § 76 SGB X nur bei Einverständnis des Betroffenen bzw. wenn er von seinem Widerspruchsrecht (§ 76 Absatz 2 Nummer 1 SGB X) keinen Gebrauch gemacht hat. Denkbar ist unter diesen Voraussetzungen zum Beispiel eine Weiterleitung an den ärztlichen Dienst von Einrichtungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Gesamtherstellung: H. 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