Deutscher Bundestag Drucksache 18/2704 18. Wahlperiode 02.10.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2480 – Patchworkfamilien in Deutschland Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Stief- und Patchworkfamilien sind Familien, die überwiegend aus einer Trennung oder Scheidung oder aus einer alleinerziehenden Elternschaft hervorgehen ; in heute selteneren Fällen aufgrund des Todes eines Elternteils. Da der Begriff „Stieffamilie“ heute häufig negativ besetzt ist und von den Familienmitgliedern selbst nicht bevorzugt benutzt wird, dominiert die Bezeichnung „Patchworkfamilie“. Sie ist gekennzeichnet durch ihre Pluralität, die sich aus den verschiedenen biologischen und sozialen Elternschaftskonstellationen ergibt . Auch in Patchworkfamilien sind die Partnerschaften zumeist auf eine dauerhafte wechselseitige Verantwortung angelegt und die sozialen Elternteile übernehmen Verantwortung für die Kinder, die aus der früheren Beziehung der Partnerin bzw. des Partners stammen. Laut sozialwissenschaftlicher Literatur wären dem Familienreport 2012 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) nach etwa zwischen 10 und 14 Prozent aller Familien Patchworkfamilien. Etwa 10,9 Prozent der Kinder unter 18 Jahren hätten demnach im Jahr 2005 in Patchworkfamilien gelebt. In knapp der Hälfte der Patchworkfamilien gebe es einen sozialen Vater („Stiefvater“), knapp ein Drittel habe eine soziale Mutter („Stiefmutter “) und in etwa einem Viertel dieser Familien haben beide Partner sowohl gemeinsame Kinder als auch jeweils Kinder aus vorherigen Partnerschaften. Drei Viertel der Partner in Patchworkfamilien sind verheiratet. Im Familienreport 2012 des BMFSFJ wird allerdings festgestellt, dass Patchworkfamilien in der amtlichen Statistik nur unzureichend erfasst werden. Neuere Hochrechnungen zur Häufigkeit von Stiefkindern in Deutschland sind nicht verfügbar (siehe: „Stief- und Patchworkfamilien in Deutschland, Monitor Familienforschung , Beiträge aus Forschung, Statistik und Familienpolitik, Ausgabe 31“, herausgegeben vom BMFSFJ, November 2013). Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 30. September 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Patchworkfamilien sehen sich aufgrund der häufig mit dieser Familienform einhergehenden Mehrelternkonstellation oft mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, sei es im Alltag, sei es mit Blick auf rechtliche Rahmenbedingungen u. a. im Sorge-, Unterhalts- und Umgangsrecht. Drucksache 18/2704 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Rechtliche Regelungen, die Patchworkfamilien betreffen, gibt es kaum. Lediglich auf das sog. kleine Sorgerecht wird häufiger verwiesen. Demnach hat der Ehegatte eines allein sorgeberechtigten Elternteils, der nicht Elternteil des Kindes ist, im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes (§ 1687b Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB). 1. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die unzureichende Erfassung von Patchworkfamilien in der amtlichen Statistik und das Wissen um Patchworkfamilien zu verbessern, und wenn keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht? Mit dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A)“ des Deutschen Jugendinstituts (DJI) und dem multidisziplinären „Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics“ (pairfam) der Universitäten Bremen, Jena, Köln und München sowie der Technischen Universität Chemnitz, gibt es mittlerweile geeignete Datengrundlagen, um Aussagen zu Patchworkfamilien zu treffen. Die Bundesregierung prüft, ob weitere Erhebungen geeignet sind, um das Wissen über Stief- und Patchworkfamilien zu verbessern . 2. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung hinsichtlich der quantitativen Entwicklung von Patchworkfamilien in Deutschland? Zur Entwicklung von Zahlen zu Patchworkfamilien liegen keine Angaben der amtlichen Statistik vor (vgl. Monitor Familienforschung Nr. 31, 2013 des BMFSFJ). Es ist davon auszugehen, dass bei zunehmenden Scheidungs- und Trennungstendenzen von Eltern und einer weiterhin bestehenden hohen Familienorientierung auch die Zahl der Folgepartnerschaften mit Kindern steigt. Damit würde auch die Zahl der Stief- und Patchworkfamilien zunehmen. 3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung hinsichtlich des Wohlergehens von Kindern in Patchworkfamilien? 19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Bedeutung, die die soziale und personale Verbundenheit zwischen sozialen Eltern und Kind in Patchworkfamilien für das Kindeswohl haben? Die Fragen 3 und 19 werden aufgrund des gleichen Sachverhalts gemeinsam beantwortet . Wohlergehen ist mehrdimensional und abhängig von materiellen und nichtmateriellen Faktoren – nicht allein von der Familienform. Es liegen keine ausreichenden und konsistenten Erkenntnisse darüber vor, dass für das Kindeswohl in Patchworkfamilien ungünstigere Faktoren bestehen. Bekannt ist, dass das Zusammenwachsen in der Stieffamilie oft nicht konfliktund belastungsfrei ist. Zeitliche Ressourcen des leiblichen Elternteils müssen neu verteilt werden, da auch die neue Partnerschaft Zeit braucht; Entscheidungshierarchien sowie Zuständigkeiten für die Kindererziehung müssen ausgehandelt werden (vgl. Monitor Familienforschung Nr. 31, 2013 des BMFSFJ). Eltern wollen in der Regel jedoch gute Eltern sein. Dabei ist eine gute Beziehung zwischen Eltern und Kindern in allen Familien bedeutsam für ein gutes Aufwachsen von Kindern. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2704 4. Liegen der Bundesregierung wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vor, ob sich das gemeinsame elterliche Sorgerecht für ein Kind bzw. die partnerschaftlich wahrgenommene Elternverantwortung nach einer Trennung positiv für sein Wohlergehen auswirkt, und hat dies Konsequenzen für das Wohlergehen in einer Patchworkfamilie? Wie das Bundesverfassungsgericht schon in seiner Entscheidung in Band 107, S. 150 ff. festgestellt hat, bestätigen neuere sozialwissenschaftliche Untersuchungen , „ dass die gemeinsame elterliche Sorge grundsätzlich den Bedürfnissen des Kindes nach Beziehungen zu beiden Elternteilen entspricht und ihm verdeutlicht , dass beide Eltern gleichermaßen bereit sind, für das Kind Verantwortung zu tragen“ (a. a. O., S. 155). Auf die dort genannten Quellen wird hiermit verwiesen. Insbesondere die im Jahr 2002 erschienene „Rechtstatsächliche Untersuchung zur Reform des Kindschaftsrechts“ hat festgestellt, dass getrennt lebende Eltern bei gemeinsamer Sorge mehr und besser kooperieren und kommunizieren als Eltern, von denen ein Elternteil die Alleinsorge innehat, und dass das Risiko des Kontaktabbruchs zum umgangsberechtigten Elternteil bei gemeinsamer Sorge geringer ist. Gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nehmen in signifikant geringerem Ausmaß die Gerichte zur Streitregelung in Anspruch. Allerdings braucht die gemeinsame Sorge auch unter dem Blickwinkel des Kindeswohls die Fähigkeit und den Willen zur Kooperation und Kommunikation (a. a. O., S. 402 ff.), da sonst eine Erhöhung des Konfliktpotenzials droht. Das Deutsche Jugendinstitut kam zusammen mit der Ludwig-Maximilians-Universität im Rahmen des vom damaligen Bundesministerium der Justiz beauftragten Forschungsprojekts „Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“ zu dem Ergebnis, dass die gewählte Sorgerechtsregelung für das Leben als Nachtrennungsfamilie weniger wichtig ist als das Konfliktniveau zwischen den Eltern (vgl. den auf der Homepage des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) abrufbaren vorgezogenen Endbericht zum Projekt „ Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern“, S. 223 ff.) Wichtiger als die Sorgerechtslage ist demnach die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und das Coparenting der Eltern. Auch für das Wohlergehen des Kindes in einer Patchworkfamilie ist mithin von entscheidender Bedeutung, ob die Elternverantwortung partnerschaftlich und konfliktfrei wahrgenommen wird. 5. Wer ist bzw. wird mit dem Praxisprojekt „Partnerschaftliche Elternverantwortung nach Trennung und Scheidung“ betraut, und inwieweit werden bei dem Projekt Patchworkfamilien und soziale Eltern berücksichtigt? Die Überlegungen innerhalb der Bundesregierung sind hierzu noch nicht abgeschlossen . 6. Welchen Unterstützungsbedarf sieht die Bundesregierung bei Patchworkfamilien , und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Unterstützung von Patchworkfamilien? In Deutschland besteht ein differenziertes System staatlicher Förderung und Unterstützung . Die Familienleistungen nehmen dabei regelmäßig Bezug auf das Kind. Die Leistungen stehen daher bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen auch Patchworkfamilien zu. Drucksache 18/2704 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Welchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung angesichts der Pluralisierung des Elternschaftsbegriffs und mit Blick auf die Mehrelternkonstellationen? Die „Pluralisierung des Elternschaftsbegriffs“ im Sinne eines Auseinanderfallens von rechtlicher, sozialer und leiblicher Elternschaft wirft Fragen auf. So stellt sich im Abstammungsrecht etwa die Frage, ob es mit Blick auf „Mehrelternkonstellationen “ gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt. Die Erörterung dieser Frage wird deshalb zu den Themen gehören, denen sich der vom BMJV geplante Arbeitskreis „Abstammungsrecht“ widmen soll. 8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über rechtliche Probleme von sozialen Elternteilen, die nicht mit dem biologischen Elternteil des Kindes verheiratet sind, bei der Wahrnehmung elternähnlicher Verantwortung gegenüber dem Kind? Der soziale Vater bzw. die soziale Mutter hat nicht die gleiche Rechtsposition wie der mitsorgeberechtigte rechtliche Elternteil inne. Ohne ein eheliches Verhältnis mit dem Kindesvater bzw. der Kindesmutter kommt auch ein kleines Sorgerecht nicht in Betracht. 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie häufig in Patchworkfamilien von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, dem sozialen Elternteil Sorgebefugnisse mit Hilfe einer Vollmacht des Alleinsorgeberechtigten zu übertragen? Da die Vollmachtserteilung durch den Alleinsorgeberechtigten formlos möglich ist und keiner Registrierung unterliegt, gibt es hierüber keine statistischen Daten . 10. Wie schätzt die Bundesregierung die Praktikabilität der Möglichkeit der Übertragung von Sorgebefugnissen auf soziale Elternteile mit Hilfe von Vollmachten ein? Die Praktikabilität der Möglichkeit der Übertragung von Sorgebefugnissen auf soziale Elternteile mittels Vollmachten wird von der Bundesregierung als gut eingeschätzt . Solche Vollmachten unterliegen keinen Formvorschriften. Der Umfang der Vollmacht kann variabel gestaltet und den jeweiligen Umständen angepasst werden. 11. In wie vielen Fällen entsteht nach Einschätzung der Bundesregierung das sog. kleine Sorgerecht (§ 1687b BGB) kraft Gesetzes? Wie häufig das „kleine Sorgerecht“ kraft Gesetzes entsteht, wird statistisch nicht erfasst. 12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit die Regelungen des § 1687b BGB bei den rechtlichen und sozialen Elternteilen bekannt sind? 15. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit die Regelungen des § 1687b BGB bzw. die sorgerechtlichen Befugnisse von so- zialen Elternteilen, die nicht mit dem Elternteil des Kindes verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, den Fachkräften Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2704 der Kindertagesbetreuung, den Lehrerinnen und Lehrern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Behörden und Ämtern oder den Fachkräften im Gesundheitsbereich bekannt sind? Die Fragen 12 und 15 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Die Regelungen werden in allen einschlägigen Beratungsführern aufgegriffen und vertieft – so zuletzt in „Regenbogenfamilien – alltäglich und doch anders. Beratungsführer für lesbische Mütter, schwule Väter und familienbezogene Fachkräfte“, aktualisierte Neuauflage 2014, herausgegeben vom Familien- und Sozialverein des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) e. V. oder im Beratungsführer „Alleinerziehend – Tipps und Informationen“, überarbeitete Auflage 2014, des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) e. V. Umfangreiche Ausführungen hierzu sind auch im Familien-Wegweiser .de des BMFSFJ abrufbar. Alle, die dazu Beratung brauchen und anfordern , haben die Möglichkeit sich angemessen zu informieren. 13. Wie schätzt die Bundesregierung angesichts dessen, dass das gemeinsame elterliche Sorgerecht nach Trennung oder Scheidung der Eltern zum Regelfall geworden ist die Entwicklung zum Entstehen des kleinen Sorgerechts ein, und wie wird sich dies für die sozialen Elternteile auswirken? Die Entstehung des kleinen Sorgerechts zugunsten des sozialen Elternteils setzt voraus, dass sein Ehe- bzw. Lebenspartner alleinsorgeberechtigter Elternteil ist. Seit der Kindschaftsrechtsreform im Jahr 1998 ist die Fortdauer der gemeinsamen elterlichen Sorge für Kinder auch nach einer Scheidung der Regelfall. Insoweit kann kein „kleines Sorgerecht“ des neuen Ehegatten oder Lebenspartners entstehen. Bleibt es nach Trennung oder Scheidung der rechtlichen Eltern bei der gemeinsamen Sorge, so ist eine Bevollmächtigung das geeignete Mittel, um bei Beachtung des Wohls des Kindes Sorgerechtsbefugnisse auf den sozialen Elternteil zu übertragen und ihn so mit den erforderlichen Befugnissen auszustatten. So können mithin durch eine gemeinsame Erklärung etwa dem neuen Partner eines Elternteils einzelne konkrete sorgerechtliche Befugnisse übertragen werden. Die einem Ehegatten bei gemeinsamer Sorge allein zustehenden sorgerechtlichen Befugnisse kann dieser bei Beachtung des Kindeswohls allein auf einen Dritten übertragen. Nach § 1687 Absatz 1 Satz 2 BGB hat bei gemeinsamer elterlicher Sorge nach Trennung oder Scheidung der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Nach § 1687 Absatz 1 Satz 3 BGB sind Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Diese Sorgerechtsbefugnisse kann der betreuende Elternteil auf einen Dritten und somit auch auf einen Stiefelternteil übertragen. Damit ist sichergestellt, dass der soziale Elternteil auch bei fortbestehender gemeinsamer elterlicher Sorge sorgerechtliche Befugnisse für das Kind ausüben kann. 14. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, wie häufig Eltern mit gemeinsamem elterlichen Sorgerecht für ihr gemeinsames Kind von der Möglichkeit Gebrauch machen, einem Dritten – beispielsweise einem Drucksache 18/2704 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sozialen Elternteil – durch eine gemeinsame Erklärung einzelne konkrete sorgerechtliche Befugnisse übertragen zu lassen? Da solche Bevollmächtigungen im privaten Bereich erfolgen, sind sie nicht Gegenstand einer amtlichen Statistik. 16. Welche Möglichkeiten haben soziale Elternteile, Dritten gegenüber ihre Befugnisse darzulegen? Sie können die ihnen erteilte Vollmacht vorlegen und/oder auf die gesetzliche Regelung verweisen. 17. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Ausweitung des sog. kleinen Sorgerechts auf soziale Elternteile, die nicht mit dem rechtlichen Elternteil des Kindes verheiratet sind bzw. eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind oder erwägt die Bundesregierung eine anderweitige rechtliche Stärkung dieser sozialen Elternteile bzw. eine Förderung der sozial -familiären Beziehungen zwischen Kind und sozialem Elternteil, und wenn nicht, warum nicht? Eine Ausweitung des sog. kleinen Sorgerechts auf soziale Elternteile, die nicht mit dem rechtlichen Elternteil des Kindes verheiratet sind bzw. keine eingetragene Lebenspartnerschaft miteinander eingegangen sind, ist derzeit nicht geplant . Es ergäben sich erhebliche Nachweisprobleme. In solchen Fällen ist keine Ehe- oder Lebenspartnerschaftsurkunde vorhanden, aus der sich zusammen mit der familiengerichtlichen Entscheidung betreffend die Alleinsorge des anderen Elternteils oder dem entsprechenden Negativattest die Legitimation des Betreffenden ergäbe. Die Bundesregierung hält die bestehenden Möglichkeiten für ausreichend. 18. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf im Bereich des Unterhaltsrechts mit Blick auf Mehrelternkonstellationen, und wenn ja, welche? Die Bundesregierung sieht im Bereich des Unterhaltsrechts mit Blick auf sogenannte Mehrelternkonstellationen keinen Handlungsbedarf. Das Unterhaltsrecht hält die Zahl in Betracht kommender Anspruchsverhältnisse von jeher begrenzt. Es gewährleistet so, dass die primär Verantwortlichen vor der Allgemeinheit für den Unterhaltsbedürftigen einzustehen haben, die wechselseitigen Unterhaltsbelastungen für die Beteiligten aber überschaubar und kalkulierbar bleiben. 20. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse sind der Bundesregierung bekannt , wie Kinder aus Patchworkfamilien mit der „Doppelbesetzung“ einer Elternrolle umgehen, und welche Konsequenzen zieht sie daraus? In Stief- und Patchworkfamilien werden neue Familienbeziehungen eingegangen , die zwischen den erwachsenen Partnern und zwischen den Kindern und Erwachsenen gestaltet werden müssen. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass Kinder Zeit brauchen, um sich in der neuen Lebens- und Familiensituation zurechtzufinden. Dazu brauchen sie vor allem die Orientierung und Zuwendung der Erwachsenen. Die in der Wissenschaft lange Zeit verfochtene Konkurrenzhypothese zur Erklärung, wie Kinder mit der „Doppelbesetzung“ einer Elternrolle umgehen, lässt sich nicht generell halten. Wissenschaftliche Befunde wei- sen eher darauf hin, dass dem Aufbau einer positiven Beziehung zum Stiefvater Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2704 eine enge Beziehung zum leiblichen Vater nicht entgegensteht, sondern diese Beziehungen weitgehend unabhängig voneinander sind. Das eigene Verhalten der Elternteile (auch untereinander) ist dafür ausschlaggebend, wie sehr sich Kinder dem jeweiligen Elternteil zuwenden. Das unterstützende Erziehungsverhalten der Elternteile spielt demnach die entscheidende Rolle, weniger die Familienform. Die Bundesregierung prüft derzeit, ob auch zu diesem Punkt weitere wissenschaftliche Erhebungen erforderlich sind. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333