Deutscher Bundestag Drucksache 18/2759 18. Wahlperiode 08.10.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katharina Dröge, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2476 – Auswirkungen des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada (CETA) Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 8. August 2014 wurde dem Deutschen Bundestag der Vertragstext für ein Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) übermittelt. Mit den Verhandlungen gehen wachsende Befürchtungen in den Parlamenten und der Zivilgesellschaft einher, dass in aller Stille wichtige Umwelt-, Verbraucher-, Sozial- und Datenschutzstandards abgesenkt werden sollen. Zudem drohen die Einführung von Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren und damit die Gefahr, dass künftig durch Klagen von Unternehmen nationale Rechtssysteme unterlaufen werden. 1. Wie bewertet die Bundesregierung das vorliegende Verhandlungsergebnis (CETA consolidated text sowie EU-Dok. 132/2014 – 139/2014, Stand vom 5. August 2014)? Nach erster Prüfung ist das Verhandlungsergebnis aus deutscher Sicht im Grundsatz positiv zu bewerten. CETA wird für europäische Unternehmen viele Erleichterungen bringen. Sie werden von einem weitgehenden Zollabbau genauso profitieren wie von der sehr weitgehenden Öffnung der kanadischen Beschaffungsmärkte auch auf Ebene der Provinzen und der Kommunen sowie von der vorgesehenen Arbeitskräftemobilität. Als positiv bewertet die Bundesregierung auch die Vereinbarungen im Nachhaltigkeitskapitel und die Absicherung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums sowie bestehender Schutzstandards . Das Kapitel zu Investitionsschutzbestimmungen bedarf weiterer Prüfung . Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 1. Oktober 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/2759 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der weitere Zeitplan für den Abschluss des Abkommens auf EU-Ebene und ggf. für die Ratifikation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union? Derzeit prüfen die Mitgliedstaaten die Anfang August vorgelegten Texte. Nach Abschluss der Rechtsförmlichkeitsprüfung und Übersetzung der Texte in alle 24 Amtssprachen muss der Rat einen Beschluss zur förmlichen Unterzeichnung von CETA fassen. Mit der Unterzeichnung des Abkommens ist nicht vor Mitte nächsten Jahres zu rechnen. Anschließend folgt dann die Befassung des Europäischen Parlaments, die nicht vor Ende 2015 zu erwarten ist. Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei CETA um ein gemischtes Abkommen. Auch Kommissar Karel de Gucht hat in einem Briefing für die Mitgliedstaaten am 26. September 2014, an dem u. a. auch kanadische Verbandsvertreter teilnahmen , CETA als „gemischtes Abkommen“ bezeichnet. Nach Zustimmung des Europäischen Parlaments müssen deshalb auch alle 28 EU-Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften das Abkommen ratifizieren, was erfahrungsgemäß mindestens zwei Jahre dauert. Abschließend muss das Abkommen dann durch einen Beschluss des Rates formal für die EU ratifiziert werden. 3. Wann wird in welchen Gremien auf europäischer Ebene der Vertragstext diskutiert und abgestimmt? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Zu welchem Zeitpunkt werden nach Kenntnis der Bundesregierung welche Teile des Abkommens in Kraft treten? Das Freihandelsabkommen wird erst dann endgültig in Kraft treten, wenn es durch die EU und alle Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist. 5. Wird die Bundesregierung einem vorläufigen Inkrafttreten des Abkommens zustimmen, bevor die Ratifikation durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt ist? Wenn ja, welche Konsequenzen würden sich für das Abkommen im Falle einer Nichtratifikation durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergeben? Würde der Vertrag dann ganz oder teilweise ausgesetzt, und wenn nein, warum nicht? Eine vorläufige Anwendung der Teile eines Handelsabkommens, die in EU-Zuständigkeit liegen, ist gängige Praxis. Wenn ein oder mehrere Mitgliedstaaten das Abkommen sodann im nationalen Ratifizierungsprozess endgültig ablehnen, würde es allerdings insgesamt nicht in Kraft treten. 6. Wird die Bundesregierung dem Abkommen in der jetzigen Form im Europäischen Rat zustimmen? Ob die Bundesregierung dem Beschluss zur Unterzeichnung des Abkommens im Rat zustimmen kann, lässt sich erst sagen, wenn der endgültige Vertragstext feststeht und von der Bundesregierung abschließend geprüft wurde. Zum Kapitel zum Investitionsschutz sieht die Bundesregierung noch Klärungsbedarf. Die Bundesregierung steht hierzu mit der Europäischen Kommission in Kontakt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2759 7. Sollten Änderungsbedarfe aus der Einschätzung der Bundesregierung bzw. der Bundesländer des CETA-Textes erwachsen, wie würde ein entsprechender Nachverhandlungsprozess prozedural erwirkt, und wie würde er ablaufen? Die Bundesregierung bringt ihre Anliegen wie üblich in den Brüsseler Ratsgremien ein und steht dazu im Austausch mit der Europäischen Kommission. 8. Welche Artikel und Vertragstexte müssten aus Sicht der Bundesregierung geändert bzw. nachverhandelt werden? Die Bundesregierung hat ihre Prüfung des Entwurfstexts des Abkommens noch nicht abgeschlossen. 9. Welche mitgliedstaatlichen Kompetenzen sind nach Auffassung der Bundesregierung von welchen Teilen des jetzigen Entwurfstextes des Abkommens berührt, und ergäbe sich hieraus nach Auffassung der Bundesregierung ein Zustimmungserfordernis durch den Deutschen Bundestag und Bundesrat, wenn es hier nicht mehr zu wesentlichen Änderungen kommt? Nach Auffassung der Bundesregierung betrifft der jetzige Entwurfstext des Abkommens mitgliedstaatliche Zuständigkeiten insbesondere im Bereich des Investitionsschutzes (insbesondere Portfolioinvestitionen, Regelungen zur Kündigung mitgliedstaatlicher Investitionsschutzabkommen, zur Enteignung und zum Eigentumsschutz). Daneben sprechen die Regelungen zum Verkehr, zur Berufsqualifikation und zum Arbeitsschutz für den Abschluss eines gemischten Abkommens. Im Rahmen der erforderlichen Ratifizierung des Abkommens durch die Mitgliedstaaten bedarf es in Deutschland eines Vertragsgesetzes nach Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) und damit jedenfalls der Zustimmung des Bundestages. Ob auch die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist, bedarf noch eingehenderer verfassungsrechtlicher Prüfung. 10. Wann wird bzw. wurde der CETA-Vertragstext zur Prüfung der Zustimmungsbedürftigkeit durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) geleitet? 11. Plant die Bundesregierung gegebenenfalls, selbst ein Gutachten des EuGH nach Artikel 218 (11) AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) zur Überprüfung der vom CETA berührten Kompetenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einzuholen? 12. Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Einschätzung durch den EuGH und sieht sie für den Fall, dass das Gutachten des EuGH zu einem von der Auffassung der Bundesregierung abweichenden Ergebnis kommt, danach noch eine rechtliche Möglichkeit (z. B. Nichtigkeitsklage gegen den Ratsbeschluss zur Ratifikation des Abkommens nach Artikel 263 AEUV) oder politischen Spielraum, auf ihrer Rechtsauffassung (gemischtes Abkommen) zu bestehen und diese durchzusetzen? Die Fragen 10 bis 12 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Artikel 218 Absatz 11 AEUV eröffnet jedem Mitgliedstaat, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission die Möglichkeit, ein Gutachten des EuGH über die Vereinbarkeit von CETA mit den EU-Verträgen einzuholen. Die Drucksache 18/2759 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bundesregierung plant derzeit nicht, einen entsprechenden Gutachtenantrag beim EuGH zu stellen. Ob einer der sonstigen Antragsberechtigten beabsichtigt, einen Gutachtenantrag beim Gerichtshof einzureichen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Derzeit ist beim Gerichtshof nach Kenntnis der Bundesregierung kein Gutachtenantrag zu CETA anhängig. Regulatorische Kooperation 13. Wie bewertet die Bundesregierung die Bestimmungen im CETA, dass im Rahmen der regulatorischen Kooperation bei künftigen Regulierungsvorhaben die kanadische Regierung bereits in der Planungsphase bzw. so früh wie möglich eingebunden werden soll und insbesondere nicht öffentliche Informationen geteilt werden sollen (vgl. S. 402 ff. CETA-Vertragstext ), und welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung durch diese Vereinbarungen für die bisherige Praxis der Regulierung in der Europäischen Union? Die Bundesregierung begrüßt die Vereinbarungen zur regulatorischen Kooperation , die – wie auch aus dem Abkommenstext ersichtlich – auf den multilateralen Vereinbarungen im Abkommen über technische Handelshemmnisse, im SPSAbkommen und im GATT und GATS aufbauen. Die Bundesregierung erwartet, dass die von der EU seit vielen Jahren durchgeführte regulatorische Zusammenarbeit in internationalen Gremien und mit Drittstaaten dadurch mit Blick auf Kanada weiter verbessert wird. 14. Wie bewertet die Bundesregierung die Bestimmungen im CETA, dass im Rahmen der regulatorischen Kooperation bei künftigen Regulierungsvorhaben im Bereich gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen die kanadische Regierung so früh wie möglich eingebunden werden soll, um Kommentare und Änderungsvorschläge einbringen zu können, und welche Auswirkungen bzw. Veränderungen erwartet die Bundesregierung durch diese Vereinbarungen für die bisherige Praxis der Regulierung in der Europäischen Union? Die Bundesregierung begrüßt einen frühzeitigen Austausch zwischen den Regulierungsbehörden , weil dies dazu beiträgt, Probleme bei der Auslegung und Interpretation der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften möglichst zu vermeiden und damit letztlich auch Streitverfahren in der WTO vorzubeugen. 15. Welche neuen, konkreten Verpflichtungen erwachsen für die einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bzw. für Deutschland durch die Bestimmungen zur regulatorischen Kooperation im CETA im Rahmen nationaler Regulierungsaktivitäten? Da die Kooperation in Bezug auf Regulierungsfragen innerhalb der EU detailliert geregelt ist und in handelspolitisch relevanten Fragen diese Kooperation mit Drittstaaten durch die Kommission erfolgt, sind keine zusätzlichen Belastungen für die Mitgliedstaaten zu erwarten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2759 16. Inwieweit würde nach Kenntnis der Bundesregierung die im Vertragstext vorgesehene Pflicht zur frühzeitigen gegenseitigen Information über neue Regulierungsvorhaben oder geplante Änderungen an bestehenden Regulierungen z. B. im Biotechnologiebereich (S. 449) bedeuten, dass die kanadische Seite über Regulierungsvorhaben noch vor den Parlamenten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder dem Europäischen Parlament informiert wird? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist nicht zu erwarten, dass die kanadische Seite frühzeitiger informiert wird. 17. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass das Ziel der regulatorischen Kooperation bei gentechnisch veränderten Organismen (GVO) mit Kanada nicht die Sicherung eines hohen Schutzniveaus für Verbraucher und Umwelt sein soll, sondern die Minimierung von Handelshemmnissen („to minimize adverse trade impacts of regulatory practices“)? Die regulatorische Kooperation verfolgt im Grundsatz keine materiell-rechtliche Zielsetzung; sie kann und soll nicht die politische Entscheidung über die Höhe von Schutzstandards ersetzen. Ziel ist lediglich, möglichst neue Handelshemmnisse zu vermeiden, indem insbesondere größere Transparenz über Regulierungsvorhaben hergestellt wird. 18. Inwiefern wäre eine neue Umweltgesetzgebung durch das „Right to regulate “ vor Investorenklagen geschützt? Unter welchen Umständen könnten Investoren trotz dieses Rechtes bei neuen Umweltgesetzen auf Schadensersatz klagen? Aus dem Abkommen selbst und insbesondere aus Annex X.11 zum Investitionskapitel ergibt sich, dass die Verfolgung legitimer Politikziele wie zum Beispiel im Umweltschutz von den Vertragsparteien grundsätzlich nicht als (indirekte) Enteignung angesehen werden kann, es sei denn, die Auswirkung der Maßnahme oder einer Reihe von Maßnahmen wird als „offenkundig unverhältnismäßig “ („manifestly excessive“) eingestuft. 19. Inwiefern sieht die Bundesregierung das „Right to regulate“ beziehungsweise die Möglichkeit verbindlicher Standardsetzung geschwächt durch die Formulierung, es sollten „voluntary schemes relating tot he sustainable production of goods and services“ (S. 378) vorangebracht werden? Die Orientierung auf freiwillige Standards kann und soll lediglich ergänzend zu regulatorischen Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit beitragen. 20. Inwiefern umfasst das Right to regulate auch die nationale Gesetzgebung zum Schutz von Verbrauchern und zum Schutz von Tieren? Das im CETA-Abkommen verankerte Recht zur Regulierung gilt allgemein und deshalb auch für Verbraucher- und Tierschutz und andere Gemeinwohlziele. Drucksache 18/2759 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Investitionsschutz und Investor-Staaten-Schiedsgerichtsverfahren 21. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es der von der Europäischen Kommission zur öffentlichen Diskussion und Abstimmung gestellte Text im Rahmen des Konsultationsverfahrens zum Investitionsschutzkapitel im Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) größtenteils und weitestgehend wortgleich dem Kapitel 10 Section 4 (Investment Protection) und Section 6 (Investor-State Dispute Settlement) entsprechen? Der im Rahmen des Konsultationsverfahrens durch die Europäische Kommission verwendete Text fußt weitgehend auf den Entwürfen zum CETA-Abkommen von Anfang dieses Jahres. 22. Sieht die Bundesregierung darin eine Entwertung des Konsultationsverfahrens im Rahmen vom TTIP, wenn vor Auswertung des Konsultationsverfahrens der wortgleiche Text im CETA Bestandteil des aus der Sicht der Europäischen Kommission ausverhandelten Abkommens ist? Wenn nein, warum nicht? Beide Abkommen sind unterschiedlich zu betrachten und damit auch zu bewerten . Dies liegt schon an den sehr unterschiedlichen Verflechtungen zwischen EU und Kanada einerseits, EU und USA andererseits. Auch die Verhandlungsmandate unterscheiden sich, insbesondere auch hinsichtlich der Einbeziehung von Investitionsschutz einschließlich Investor-Staat-Schiedsverfahren. 23. Könnten nach Einschätzung der Bundesregierung US-amerikanischen Investoren mit Tochterunternehmen, die in Kanada substantielle geschäftliche Aktivitäten („substantial business activities“) entfalten auf Grundlage des Kapitels 10 des Vertragstextes – sollte dieser so Inkrafttreten – gegen europäische Staaten und die Europäische Union Schiedsgerichtsverfahren einleiten? Im Entwurf des CETA Abkommens wird der Begriff „Investor“ eng definiert. Es gelten solche Unternehmen als „Investor“, die nach dem Recht eines Vertragsstaats gegründet oder geführt werden und entweder selbst eine substantielle Geschäftstätigkeit in einem Vertragsstaat ausüben (keine Briefkastenfirmen) oder im Eigentum oder unter der Kontrolle von natürlichen Personen aus einer der Vertragsstaaten bzw. im Eigentum oder unter der Kontrolle von Unternehmen mit substantieller Geschäftstätigkeit in einer der Vertragsstaaten stehen. Rechtlich unselbständige Zweigniederlassungen, wie reine Geschäftsstellen („branch“) und Vertriebsbüros („representative office“) sind ausdrücklich von der Definition des Investors ausgeschlossen. 24. Sprechen aus Sicht der Bundesregierung neben dem von Mitgliedern der Bundesregierung wiederholt vorgebrachten Argument, dass die Rechtssysteme beider Vertragsparteien hinreichend Rechtssicherheit für Investoren bieten, auch spezielle inhaltliche Punkte der in Kapitel 10 Section 4 (Investment Protection) und Section 6 (Investor-State Dispute Settlement) formulierten Bestimmungen gegen die Aufnahme von Bestimmungen zum Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren im CETA? Die Evaluierung der Verhandlungsergebnisse ist bisher nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung sieht großen Nutzen in einem Freihandelsabkommen der EU mit Kanada. Es trifft zu, dass die Bundesregierung im Grundsatz Investitions- schutzbestimmungen in Handelsabkommen zwischen entwickelten Rechtsstaaten nicht unbedingt für erforderlich hält. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2759 25. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass a) der Investitionsbegriff zu weit gefasst ist? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie sollte der Investitionsbegriff aus Sicht der Bundesregierung gefasst werden? b) die Einschränkung des Investorbegriffs auf Investoren, die substantielle geschäftliche Aktivitäten („substantial business activities“) entfalten , noch immer zu große Interpretationsmöglichkeiten und damit Rechtsunsicherheiten bietet? Wenn nein, warum nicht? c) die Einschränkung des Investorbegriffs auf Investoren, die substantielle geschäftliche Aktivitäten („substantial business activities“) entfalten , nicht ausschließt, dass kanadische Tochterunternehmen USamerikanischer Firmen sich bei Klagen gegen EU-Staaten auf dem CETA berufen können? Die Fragen 25a bis 25c werden zusammen beantwortet. Aus Sicht der Bundesregierung bedarf das Kapitel zum Investitionsschutz weiterer Prüfung. Nach erster Einschätzung (auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen) sind die Definitionen zu „covered investment“, „investment“, „investor“, „natural person “, „enterprise“, „locally established enterprise“, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, mit dem Ziel eng gefasst, eine missbräuchliche Berufung auf den Investitionsschutz von CETA zu verhindern. Die Vertragsparteien haben sich zudem die Möglichkeit vorbehalten, dem Schiedsgericht eine verbindliche Auslegung auch dieser Begriffe vorzugeben. d) die allgemeine völkerrechtliche Regel, wonach ein internationales Gericht erst nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs („exhaustion of local remedies“) angerufen werden kann, durch das CETA ausgehebelt und dadurch kanadischen Firmen Sonderrechte gegenüber inländischen Firmen gewährt werden? Wenn nein, warum nicht? e) die Bestimmungen zu Investor-State Dispute Settlement die Einrichtung einer Berufungsinstanz nicht zwingend vorsieht? Wenn ja, sieht die Bundesregierung darin ein Problem? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 25d und 25e werden zusammen beantwortet. Nach erster Einschätzung (auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen) sieht CETA nicht die Ausschöpfung des Rechtswegs vor den staatlichen Gerichten vor, bevor der Investor den Weg zu den Schiedsgerichten beschreiten kann. Gleichzeitig kann der Investor jedoch nur dann ein Schiedsverfahren einleiten, wenn er dabei zugleich auf Schadensersatzklagen vor den staatlichen Gerichten (und damit auf eine weitere Möglichkeit des Rechtschutzes) verzichtet. Außerdem enthält CETA Bestimmungen, die willkürliche und offensichtlich unbegründete Schiedsklagen verhindern sollen. Auch wird einem Schiedsverfahren zwingend eine Verhandlungsphase mit der Möglichkeit zur gütlichen Streitbeilegung (unter Einschluss der Mediation) vorgeschaltet. In CETA ist die Option zur Schaffung eines Berufungsmechanismus gegen Schiedssprüche vorgesehen, wenn die Vertragsparteien nach sorgfältiger Ana- lyse eine solche zweite Instanz für erforderlich halten sollten. Schon jetzt besteht nach internationalen und nationalen Regeln die Möglichkeit, Schiedssprüche bei Drucksache 18/2759 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vorliegen besonderer Gründe aufheben zu lassen oder gegen ihre Vollstreckung zu klagen. f) durch Artikel X.7. (Most-Favoured-Nation Treatment) zwar der „Import “ von prozeduralen Rechtsstandards ausgeschlossen ist aber substanzielle Standards weiterhin aus anderen Abkommen oder deren Umsetzung „importiert“ werden können und falls ja, wie bewertet die Bundesregierung dies? Wenn nein, warum nicht? Wäre nach Ansicht der Bundesregierung beispielswiese der Import von Standards aus der Energiecharta nach Artikel X.7. möglich, auf deren Grundlage Vattenfall gegen Deutschland derzeit klagt? Nach erster Einschätzung (auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen) werden durch den Artikel für Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit ausdrücklich „substantielle Verpflichtungen“ aus der Definition der „Behandlung“ ausgeschlossen. Damit wird sichergestellt, dass kanadische Investoren sich nicht auf materielle Investitionsschutzbestimmungen aus anderen von der EU oder einem Mitgliedstaat abgeschlossenen Abkommen berufen können. Allerdings können nach dem bisherigen Text Maßnahmen einer Vertragspartei, die infolge von Verpflichtungen aus anderen von der EU oder einem Mitgliedstaat abgeschlossenen Abkommen vorgenommen werden, als „Behandlung“ gelten. g) der Verweis auf die „legitimen Erwartungen (legitimate expectation) in Artikel X.9 die Konkretisierung des am meisten als Klagegrund genutzte Grundsatz der „fairen und gleichen Behandlung“ schwächt bzw. konterkariert? Wenn nein, warum nicht? Nach erster Einschätzung (auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen) ist der Bezug auf „legitime Erwartungen“ eng gefasst, mit dem Ziel, eine Verletzung des Grundsatzes der fairen und gerechten Behandlung nur den in wenigen Fällen klar missbräuchlichen Verwaltungshandelns zuzulassen. h) Ad-hoc-Schiedsverfahren einen immanenten Interessenskonflikt für die Schiedsjuristen beinhalten, da das Einkommen der Anwälte mit der Häufigkeit von angerufenen Schiedsverfahren steigt und damit grundsätzlich abzulehnen sind? Wenn nein, warum nicht? Nach erster Einschätzung (auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen) sieht CETA auch Regelungen gegen Interessenkonflikte bei Schiedsrichtern vor. Diese müssen ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausdrücklich versichern und sich einem „Code of Conduct“ unterwerfen. Damit soll verhindert werden, dass sie in vergleichbaren Fällen einmal als Schiedsrichter und einmal als Verfahrensbevollmächtigter auftreten, ohne dass dies den Parteien bekannt ist. In Frage kommende Schiedsrichter werden zudem von den Vertragsparteien einzeln geprüft und „gelistet“. Ihre Anzahl ist begrenzt. Weder CETA noch andere internationale Verträge mit ISDS treffen Regelungen zum Honorar von Verfahrensbevollmächtigten in Schiedsverfahren. i) die Bestimmungen zu Investor-State Dispute Settlement für inländische Investoren wettbewerbsverzerrende Wirkungen dahingehend entfalten, dass diese an die ordentlichen innerstaatlichen Gerichte verwiesen sind, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/2759 während ausländische Investoren umgehend von der Schiedsgerichtsbarkeit Gebrauch machen können? Wenn nein, warum nicht? Nach erster Einschätzung (auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen) erhalten ausländische Investoren durch CETA materiell-rechtlich keinen weitergehenden völkerrechtlichen Schutz als er für inländische Investoren durch deutsches Recht und EU-Recht vorgesehen ist. 26. Wäre nach Auffassung der Bundesregierung die Einrichtung einer Berufungsinstanz für Schiedsverfahren nach diesem Abkommen ohne eine Änderung des Abkommens möglich oder beinhaltet Artikel X.42. Absatz 1 Buchstabe c lediglich einen Prüfauftrag? Artikel X.42 Absatz 1 Buchstabe c ermöglicht Konsultationen darüber zu führen , unter welchen Bedingungen gemäß dem Abkommen ein Revisionsmechanismus eingerichtet werden könnte. Eine solche Änderung von ISDS müsste in dem Verfahren gebilligt werden, das CETA für Vertragsänderungen vorsieht. 27. Geht nach Auffassung der Bundesregierung eine präjudizierende Wirkung von der Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels im CETA auf das TTIP aus, und wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 22 wird verwiesen. 28. Bedeutet die Aussage der Bundesregierung, dass im Falle des bereits ausgehandelten Freihandelsabkommens CETA die Bundesregierung zwischen dem europäischen Gesamtinteresse an so einem Abkommen und den eigenen Vorbehalten gegen Investitionsschutzklauseln abwägen muss, dass im Falle des noch nicht ausgehandelten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) die Situation eine andere ist und die Bundesregierung TTIP nicht zustimmen wird, wenn eine Investitionsschutzklausel enthalten ist? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, wie wird die Bundesregierung ihre Position gegenüber der verhandlungsführenden Kommission deutlich machen? c) Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit vor Abschluss der Verhandlungen über TTIP eine Abstimmung über das Investitionsschutzkapitel in TTIP im Europäischen Rat herbeizuführen? Die Fragen 28a bis 28c werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung geht angesichts von Äußerungen designierter Mitglieder der neuen Europäischen Kommission davon aus, dass die Investitionsschutzklausel bei TTIP noch Gegenstand von Diskussionen auf EU-Ebene sein wird. Über die Einbeziehung von Investitionsschutz einschließlich Investor-StaatSchiedsverfahren in das Abkommen wird auf EU-Ebene – gemäß den Vorgaben im Verhandlungsmandat – nach Vorlage des Verhandlungsergebnisses und Evaluierung durch die Mitgliedstaaten entschieden werden. Drucksache 18/2759 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Landwirtschaft/Lebensmittel/Verbraucherschutz 29. Welche Chancen und Risiken bietet das CETA-Abkommen in der vorliegenden Fassung nach Einschätzung der Bundesregierung für die deutsche Land- und Lebensmittelwirtschaft? Die Bundesregierung sieht keine besonderen Risiken für die deutsche Land- und Lebensmittelwirtschaft. Die deutsche Ernährungswirtschaft ist für den Wettbewerb im internationalen Bereich gut gerüstet. Selbst bei einer vollständigen Liberalisierung wären die Effekte auf die Agrarproduktion gering. Sensible Produkte , wie Zucker und Fleisch, wurden von einer vollständigen Liberalisierung ausgenommen. Verbesserter Marktzugang bietet Chancen, die nach Abschluss des Abkommens von der Wirtschaft genutzt werden können. Allerdings hat auch Kanada insbesondere seinen sensiblen Milchbereich weiterhin stark abgeschottet, so dass sich hier nur Chancen im Rahmen der vorgesehenen Quoten ergeben. Besondere Chancen sieht die Bundesregierung daher im Bereich der verarbeiteten Lebensmittel und Süßwaren, sofern für kleine und mittelständische Unternehmen hinsichtlich der Ursprungs- und Präferenzregelungen zusätzliche bürokratische Belastungen vermieden werden. 30. Welcher zusätzliche Druck auf die Erzeugerpreise könnte nach Einschätzung der Bundesregierung von der Einräumung zusätzlicher Einfuhrkontingente gegenüber Kanada ausgehen, mit welchen Konsequenzen für die Erzeuger und die Bemühungen um tiergerechtere Haltungsbedingungen? Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Kontingenten im Vergleich zur Gesamtfleischerzeugung in der Europäischen Union nur um kleine Mengen handelt , werden keine Auswirkungen auf die Erzeugerpreise erwartet. Effekte auf die Haltungsbedingungen ergeben sich hieraus nicht. Auf dem Weltmarkt für Milchprodukte spielt Kanada bei einer Milcherzeugung von 8,5 Millionen Tonnen . kaum eine Rolle. Aktuell exportiert Kanada vor allem Molkenpulver, Magermilchpulver und Käse. Allerdings hat Kanada durchaus Entwicklungsmöglichkeiten in Europa. 31. In welchen Aspekten geht die geplante Kooperation zu Biotechnologie über den bisherigen Dialog hinaus? Der bereits im Jahr 2009 formalisierte „Dialogue on Biotech Market Access Issues“ wird weitergeführt. Darüber hinaus werden gemeinsame Ziele wie z. B. der Informationsaustausch über die jeweiligen Verfahren zur Risikobewertung gentechnisch veränderter Organismen festgehalten. 32. In welcher Weise wird sich die EU-Zulassungspraxis für GVO nach Auffassung der Bundesregierung durch die Vereinbarung mit Kanada verändern , die eine Unterstützung für „efficient science-based approval processes for products of biotechnology“ vorsieht, insbesondere vor dem Hintergrund eines vom EU-Zulassungsverfahren stark abweichenden, auf der Risikoeinschätzung der Antragsteller basierenden Zulassungsprozesses für GVO in Kanada? Effiziente wissenschaftsbasierte Zulassungsverfahren für biotechnologische Produkte werden als gemeinsames Ziel für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Biotechnologie festgehalten. Bei dieser Zusammenarbeit handelt es sich nicht um eine rechtliche Verpflichtung, sondern um einen Austausch der Ver- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/2759 tragsparteien. Die EU-Regelungen zum Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen werden dadurch nicht geändert. 33. Falls nach Einschätzung der Bundesregierung keine wesentlichen Änderungen der EU-Zulassungspraxis zu erwarten sind, welche konkreten Auswirkungen sind aus Sicht der Bundesregierung von der zitierten Passage im Vertragstext zu erwarten? Die Bundesregierung erwartet, dass durch den Erfahrungs- und Informationsaustausch im Rahmen der Zusammenarbeit das gegenseitige Verständnis im Bereich der Biotechnologie verbessert wird. 34. Inwieweit gibt es aus Sicht der Bundesregierung einen Konflikt zwischen der zitierten Passage und dem in den EU-Verträgen verankerten Vorsorgeprinzip ? Die zitierte Passage läuft nicht dem Vorsorgeprinzip zuwider, da die bestehenden Regelungen zu Zulassung und Kennzeichnung von GVO durch sie nicht geändert werden. Der frühzeitige Austausch von Informationen zwischen den Vertragsparteien kann auch hilfreich sein, um dem Vorsorgeprinzip noch besser Rechnung tragen zu können. 35. Inwieweit wäre es nach einem Abschluss des CETA-Abkommens in der jetzt vorliegenden Form aus Sicht der Bundesregierung noch möglich, die Risikobewertung in den EU-Zulassungsverfahren für GVO um sozio-ökonomische oder ethische Auswirkungen durch GVO zu ergänzen, wie es z. B. der Rat der EU-Umweltminister (2008) oder das Europäische Parlament (2011) gefordert haben? Das CETA-Abkommen trifft zur Berücksichtigung sozio-ökonomischer oder ethischer Auswirkungen von GVO keine speziellen, von geltenden WTO-rechtlichen Vorgaben abweichenden Regelungen, die die EU binden; es ändert sich insofern nichts am status quo. 36. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang aus den Ergebnissen eines aktuellen Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (Hannes Rathke: „EUKennzeichnungspflicht für Lebensmittel aus mit GVO gefütterten Tieren “), wonach ein Abschluss des CETA-Abkommens die von der Bundesregierung laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD (S. 124) angestrebte Kennzeichnungspflicht für tierische Lebensmittel, die mit GVO-Futtermitteln erzeugt wurden, massiv erschweren bzw. die Erfolgsaussichten für Investitionsschutzklagen gegen eine erweiterte Kennzeichnung erhöhen würde bzw. Klagen durch multinationale Konzerne zu befürchten wären? Die Regelungen im CETA-Abkommen gehen nicht über die bereits bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der EU aus dem SPS- und TPT-Abkommen der WTO hinaus. Unterschiedliche Auffassungen zur Vereinbarkeit von Kennzeichnungspflichten mit den WTO-Regelungen sind daher vom CETA-Abkommen unabhängig. 37. Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr einer schleichenden Verun- reinigung von Lebens- und Futtermitteln sowie Saatgut mit GVO durch Drucksache 18/2759 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode die in dem Abkommen getroffene Vereinbarung, gemeinsam an einer internationalen Regelung für den Umgang mit den Spurenverunreinigungen („low level presence“) durch GVO mit Kanada zu arbeiten? Inwieweit leistet diese Vereinbarung einer Ablösung der strikten EU-Nulltoleranz gegenüber Verunreinigungen mit den in der Europäischen Union (EU) nicht zugelassenen GVO in Lebensmitteln und Saatgut durch eine „technische Lösung“ (Einführung von Schwellenwerten) Vorschub? Das Thema „Spurenverunreinigungen“ („low level presence“) durch GVO ist Bestandteil der bilateralen Zusammenarbeit zur Biotechnologie. Dies bedeutet kein Abrücken von den stringenten EU-rechtlichen Anforderungen an die Reinheit von Saatgut und Lebensmitteln, sondern einen Austausch u. a. zu Möglichkeiten , solche Spuren zu vermeiden. 38. Inwieweit wäre aus Sicht der Bundesregierung eine Zustimmung Deutschlands zum vorliegenden Vertragstext im Europäischen Rat bzw. im Rat der Europäischen Union mit der im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD verankerten „Anerkennung der Vorbehalte eines Großteils der Bevölkerung“ gegen die Agrogentechnik vereinbar? Die stringenten nationalen und EU-rechtlichen Regelungen zur Zulassung und Kennzeichnung von GVO stellen ein hohes Schutzniveau für die europäischen Verbraucher und die Umwelt sicher. Diese Regelungen werden durch das CETA-Abkommen nicht geändert. Neu ist die Intensivierung des deutsch-kanadischen Dialogs zur Biotechnologie. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen , dass der Schutz der Verbraucher und der Umwelt in diesem Dialog hohe Priorität hat. 39. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass im Kapitel zu Sanitären und Phytosanitären Maßnahmen (SPS) in Artikel 7 als Maßstab für eine Äquivalenz von in der EU bzw. in Kanada etablierten Regulierungen das „Schutzniveau“ („level of protection“), aber nicht die Regulierungsphilosophie (z. B. Prozess- vs. Produktqualität) vereinbart wird? Diese Formulierung deckt sich mit den bestehenden völkerrechtlichen Vorgaben des SPS-Abkommens der WTO: „Art 4: Gleichwertigkeit. 1. Die Mitglieder erkennen gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen anderer Mitglieder als gleichwertig an, selbst wenn sich diese Maßnahmen von ihren eigenen oder von denen anderer mit der gleichen Waren handelnder Mitglieder unterscheiden, wenn das Ausfuhrmitglied dem Einfuhrmitglied objektiv nachweist, dass seine Maßnahmen das von dem Einfuhrmitglied als angemessen betrachtete gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Schutzniveau erreicht. …“ 40. Inwieweit werden nach Kenntnis der Bundesregierung Beschlüsse des Joint Management Committee (JMC) zur Änderung der SPS-Vereinbarungen im Rahmen der vorgesehenen „Bestätigung“ durch die Vertragsparteien inhaltlich verändert werden bzw. inwiefern ist aus Sicht der Bundesregierung eine angemessene demokratische Vorbereitung oder Kontrolle von Entscheidungen des JMC gewährleistet? Beschlüsse des JMC erhalten keine unmittelbare Wirksamkeit, sondern müssen in den nach EU-Recht vorgesehenen Regelungsverfahren in EU-Recht umgesetzt werden. Für sie gilt das gleiche Vorgehen wie für andere Regelungsvor- schläge der Europäischen Kommission. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/2759 41. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung zu den geplanten Inhalten des Anhangs B zum SPS-Kapitel (S. 125 des Vertragsentwurfs), die laut Vertragstext „zu einem späteren Zeitpunkt“ paraphiert werden sollen („to be established at a later stage“)? Analog zu Anhang A sollen hier die phytosanitären Maßnahmen bzw. Vereinbarungen aufgenommen werden. Im phytosanitären Bereich soll nach Möglichkeit für die Exporte von Pflanzen und pflanzlichen Produkten ein ähnliches System etabliert werden, wie es bei Importen in die EU derzeit gültig ist. In einem ersten Schritt sollen exemplarisch für einzelne Produkte Listen mit Schadorganismen erarbeitet werden, die dann für alle Mitgliedstaaten der EU Gültigkeit haben. Die Produkte müssen von diesen Schadorganismen frei sein und könnten dann ohne weitere Risikoanalyse nach Kanada exportiert werden. Darüber hinaus sollen die Anforderungen des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens (IPPC) akzeptiert und verstärkt zur Anwendung kommen. Die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) ist damit beauftragt, für Äpfel eine Risikoanalyse und eine Liste mit den für die EU relevanten Schadorganismen zu erarbeiten. Mit einem Ergebnis ist nicht vor dem Jahr 2015 zu rechnen. 42. Auf welche Version des Abkommens (1972, 1978 oder 1991) zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV-Konvention) bezieht sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Vereinbarung auf Seite 354, wonach sich die Vertragsparteien dazu verpflichten, den Sortenschutz von Pflanzensorten „auf Basis“ des Internationalen Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) zu „bewerben und zu verstärken“ („promote and reinforce“)? Es wird auf keine konkrete Revision des UPOV Übereinkommens Bezug genommen , da Kanada die UPOV-Akte von 1978 und die EU die UPOV-Akte von 1991 ratifiziert haben. Es geht ausschließlich darum, dass sich die Vertragsparteien zu den allgemeinen Grundsätzen des Sortenschutzes nach UPOV bekennen , die in allen UPOV-Revisionen gleichermaßen enthalten sind. 43. Wie bewertet die Bundesregierung, dass in dem Abkommen zwar viele der europäischen Herkunftsindikationen (geographical indications – GIs) geschützt werden, allerdings nur in englischer und französischer Sprache? Die Bemühungen, beim schwierigen Thema des Schutzes der geografischen Herkunftsangaben aus der EU eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden, werden begrüßt. Grundsätzlich trifft es auch nicht zu, dass die europäischen Herkunftsbezeichnungen nur in englischer und französischer Sprache geschützt werden. Der Schutz der geografischen Herkunftsbezeichnungen erfolgt in der in dem europäischen Register enthaltenen Sprachfassung und umfasst in der Regel auch den Schutz der Übersetzung. Indessen wird in CETA einzelnen Schutzrechten aus Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Schutz in der englischen und französischen Schreibweise nicht vollständig gewährt, weil diese nach kanadischer Meinung für die dortigen Produzenten weiter verfügbar bleiben müssten. So sollen beispielsweise die Bezeichnungen „Bayerisches Bier“, „Münchener Bier“ und „Schwarzwälder Schinken“ in ihren jeweiligen englischen und französischen Übersetzungen für Markenrechte in Kanada freigegeben werden. Insbesondere die Einschränkung des Schutzes für „Bayerisches Bier“ und „Münchener Bier“ ist jedoch für die beiden wirtschaftlich bedeutendsten deutschen Herkunftsangaben abzulehnen. Andere deutschsprachige geografischen Herkunftsangaben, wie die „Nürnberger Bratwürste“ sollen für heutige Benutzer dieses Namens in Kanada, wenn sie Drucksache 18/2759 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode diesen seit mehr als fünf Jahren verwenden, über die sog. Grandfathering-Bestimmungen einen Bestandsschutz genießen, womit der Schutz abgeschwächt werden würde. Die Bundesregierung steht hierzu mit der Europäischen Kommission in Kontakt und hat Verbesserungen im Hinblick auf den Schutz in englischer und französischer Sprache gefordert. 44. Werden angesichts eines verstärkten Handels zwischen Kanada und Europa Regelungen zur Prävention bisher in der EU bzw. Kanada nicht verbreiteter Tierseuchen getroffen? Welche Regelungen werden getroffen, und wie bewertet die Bundesregierung diese? Die in Nordamerika bei Schweinen aufgetretene Novel Swine Enteric Coronavirus Disease wird durch Viren verursacht und ist eine neue Tierseuche, die bei Ferkeln zu hohen Sterblichkeitsraten führt. Die für die Erkrankung verantwortlichen porzinen Alphacoronaviren und das neue porzine Deltacoronavirus wurden auch in Schweinebeständen in Kanada nachgewiesen. Um die europäischen Schweinebestände zu schützen und eine Einschleppung des Virus zu verhindern, hat die Europäische Union Maßnahmen beschlossen, wonach für Schweine, die aus Kanada in die EU importiert werden, besondere Gesundheitsanforderungen gelten. Auch von Schweinen stammende sprühgetrocknete Blutprodukte aus Kanada, die zur Herstellung von Futtermitteln für Nutztiere bestimmt sind, müssen besondere Anforderungen erfüllen. Deutschland hat diesen Maßnahmen im Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit zugestimmt. 45. Werden angesichts eines durch das Abkommen verstärkten Handels zwischen der EU und Kanada spezielle Regelungen zur Lebensmittelsicherheit getroffen, und wie bewertet die Bundesregierung diese? Die EU importiert Lebensmittel aus allen Ländern der Welt, viele davon im Rahmen von Handelspräferenzen. Alle Akteure in der Lebensmittelkette müssen dabei Sorge dafür tragen, dass die Produkte für den EU-Markt den hier geltenden Regelungen entsprechen. Dies wird zudem durch besondere Kontrollen an den Grenzen sowie durch die allgemeine Lebensmittelüberwachung geprüft. Die Notwendigkeit der Schaffung spezifischer Regelungen für Importe aus Kanada kann die Bundesregierung nicht erkennen. 46. Welche Regelungen werden in dem Abkommen zur Aufdeckung und Prävention von Betrug in der Lebensmittelkette getroffen, und wie bewertet die Bundesregierung diese, auch vor dem Hintergrund der europäischen Diskussion um Schwachstellen und mögliche weitere Maßnahmen auf europäischer Ebene? Die Europäische Kommission entwickelt derzeit gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Maßnahmen, um Lebensmittelbetrug frühzeitig erkennen und wirkungsvoll verhindern zu können. Die im Rahmen des CETA-Abkommens etablierten Kommunikations- und Arbeitsstrukturen ermöglichen einen schnellen Informationsaustausch und effektives Handeln zur Bekämpfung von Lebensmittelbetrug in Kanada und Deutschland. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/2759 47. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den unterschiedlichen Ansätzen zu Kennzeichnungs- und Transparenzpflichten, und kann garantiert werden, dass die bestehenden Kennzeichnungs- und Transparenzvorschriften in Deutschland und der EU aufrechterhalten bleiben sowie in Zukunft weitergehende Regelungen etabliert werden können? Die in der EU in Verkehr gebrachten Lebensmittel müssen im Hinblick auf die Kennzeichnung die hier geltenden Vorschriften einhalten. Die EU-Regelungen orientieren sich an den bestehenden Vorgaben des TBT-Abkommens der WTO sowie weiterer hierzu getroffener internationaler Vereinbarungen z. B. des Codex Alimentarius. In diesem Rahmen besteht Regelungsfreiheit für die EU und die Mitgliedstaaten, die nach Einschätzung der Bundesregierung auch erhalten bleibt. Das allgemeine Lebensmittelkennzeichnungsrecht ist auf EU-Ebene weitestgehend abschließend harmonisiert. 48. Welche Regelungen werden in dem Abkommen zur Anerkennung und Harmonisierung von Zulassungsverfahren, z. B. für Lebensmittelzusatzstoffe oder Pflanzenschutzmittel getroffen, und wie bewertet die Bundesregierung diese? Das Zulassungsverfahren für Lebensmittelzusatzstoffe ist in dem Abkommen nicht explizit angesprochen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die für Lebensmittel allgemein geltenden Regelungen Lebensmittelzusatzstoffe und das Zulassungsverfahren mit einschließen. Für Pflanzenschutzmittel sind derzeit keine Regelungen vorgesehen. 49. Wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarung über die mindestens zehnjährige Datenschutzfrist bei der Zulassung neuer Pflanzenschutzwirkstoffe ? Hält sie diese für zu lange angesichts der Forderungen, diese zeitnah für weitere Forschungsarbeiten, auch für in der Zulassung nicht getestete Auswirkungen zur Verfügung zu stellen? Fragen des Datenschutzes sind in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln EU-einheitlich geregelt. Umwelt/Energie 50. Inwiefern sieht die Bundesregierung das „Right to regulate“ geschwächt durch die Formulierung im Kapitel „Trade and Environment“, die Umweltregulierung habe „in a manner consistent with […] this Agreement“ zu erfolgen? Ist nach Auffassung der Bundesregierung der CETA-Vertragstext dem Recht auf Umweltregulierung übergeordnet? Der Einschub „in a manner consistent with … this Agreement“ bedeutet, dass das ohnehin weiterhin gegebene Regulierungsrecht der Staaten mit den vertraglichen Verpflichtungen aus CETA im Einklang stehen muss. 51. Welche Produktstandards muss kanadisches Fleisch nach Inkrafttreten erfüllen , um in die EU eingeführt werden zu dürfen (bitte spezifizieren)? Bestehende Vermarktungsstandards werden durch das Abkommen nicht verändert . Im Einzelnen sind diese Standards durch die Verordnung (EU) Nr. 1308/ Drucksache 18/2759 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2013 und die Verordnung (EG) Nr. 543/2008 festgelegt. Die Regelungen für Einfuhren aus Kanada unterscheiden sich insofern nicht von den Regelungen für die Einfuhren aus anderen Drittländern. Die lebensmittelhygiene- und tierseuchenrechtlichen Einfuhranforderungen für frisches Fleisch sind in der Verordnung (EU) Nr. 206/2010 der Kommission vom 12. März 2010 und in der Verordnung (EG) Nr. 798/2008 der Kommission vom 8. August 2008 festgelegt. Insbesondere müssen die in diesen Verordnungen aufgeführten speziellen Anforderungen an die Genusstauglichkeit und an die Tiergesundheit für Fleisch der verschiedenen Tierarten eingehalten werden, die in den jeweiligen Mustern der Veterinärbescheinigungen für die Einfuhr angegeben sind. CETA enthält keine Regelungen bezüglich der Behandlung von Tieren mit Hormonen und Leistungsförderern bei der Tiermast. Somit ist bei der Einfuhr von Fleisch in die EU EU-Recht maßgeblich. Voraussetzung für die Einfuhr von Fleisch in die EU ist dabei u. a., dass die betreffenden Drittländer gemäß Artikel 29 der Richtlinie 96/23/EG (so genannte Rückstandskontrollrichtlinie) einen Rückstandskontrollplan mit gleichwertigen Garantien für die Wirksamkeit der Überwachung von Rückständen von Stoffen mit anaboler Wirkung und nicht zugelassenen Stoffen der Gruppe A des Anhangs I der Rückstandskontrollrichtlinie vorlegen und jährlich aktualisieren. Weiter gelten die Anforderungen der Richtlinie 96/22/EG über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostatischer Wirkungen und von β-Agonisten in der tierischen Erzeugung. 52. Inwiefern können sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den Arbeitsgruppen zu sanitären und phytosanitären Maßnahmen auch durch Wirtschaftsvertreter repräsentieren lassen? Eine Vertretung durch Wirtschaftsvertreter ist nicht zulässig. Die Arbeitsgruppen werden ausschließlich mit Behördenvertretern besetzt und finden auf EU-Ebene statt. 53. Wird es nach Einschätzung der Bundesregierung mit Inkrafttreten des CETA-Abkommens zu verstärkten Rohstoffimporten aus Kanada in die EU und nach Deutschland kommen? Wenn ja, welche Rohstoffe, und in welchem Umfang voraussichtlich? Sektorspezifische Prognosen der Auswirkungen des Abkommens sind der Bundesregierung nicht möglich. 54. Welche Regelungen werden zum Marktzugang für kanadische Energiekonzerne über die bisher geltenden Regelungen hinaus getroffen, und wie bewertet die Bundesregierung dies? Das CETA-Abkommen in seiner aktuellen Fassung enthält in dem Kapitel zu Investitionen ein grundsätzliches Verbot für Maßnahmen, welche den Marktzugang eines Investors einer der Vertragsparteien im Wege der Niederlassung behindern oder beschränken. Bezüglich des genauen Inhalts wird auf Kapitel 10, Sektion 2 Artikel X.4 verwiesen. Dieses Verbot gilt grundsätzlich auch für den Energiesektor. Die Europäische Union hat sich jedoch vorbehalten, auch künftig in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat der Europäischen Union fremdes Eigentum an einem Strom- oder Gasübertragungsnetzbetreiber oder an einem Gas- bzw. Öltrans- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/2759 portsystem erlaubt, gegenüber kanadischen Energiekonzernen, die von einer natürlichen oder juristischen Person aus einem Drittstaat kontrolliert werden und welche zu mehr als 5 Prozent zu den europäischen Strom-, Öl- oder Gasimporten beitragen, von obigem Grundsatz abweichende Maßnahmen beizubehalten oder zu erlassen, um die Versorgungssicherheit der Europäischen Union oder eines einzelnen Mitgliedstaats der Europäischen Union zu gewährleisten (vgl. EUAnnex II, S. 20). Dieser Vorbehalt gilt nicht für im Zusammenhang mit der Energieverteilung stehende Beratungstätigkeiten. Deutschland hat sich zusätzlich dazu das Recht vorbehalten, von obigem Grundsatz abweichende Maßnahmen zu erlassen und beizubehalten betreffend die Aufbereitung oder den Transport von Kernmaterial sowie die Erzeugung von Kernenergie (vgl. EU-Annex II, S. 71). Die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich den vorgesehenen Abbau von Marktzugangsbeschränkungen im Energiesektor. 55. Wird das CETA-Abkommen aus Sicht der Bundesregierungen direkte oder indirekte Auswirkungen auf die zukünftige Regulierung von Fracking in Deutschland oder anderen EU-Ländern haben? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche? Nein. Das CETA-Abkommen sieht keine spezifischen Regelungen zum Bergrecht vor. Das Abkommen hat keine Auswirkung auf das Schutzniveau der in Deutschland geplanten Regelungen zum Fracking. Freihandelsabkommen enthalten in der Regel ein Gleichbehandlungsgebot, so dass kanadischen Unternehmen die gleichen Rechte wie deutschen und europäischen Unternehmen bei der Exploration von Rohstoffen eingeräumt werden müssen. Wird die Gewinnung von Rohstoffen wie nach den Eckpunkten für Schiefer- und Kohleflözgas vorgesehen diskriminierungsfrei untersagt bzw. „konventionelles“ Fracking in bestimmten Gebieten für alle Marktteilnehmer verboten oder strengen Voraussetzungen unterworfen, ist dem Gleichbehandlungsgebot Genüge getan. Weitergehende Ansprüche kanadischer Unternehmen können auf diese Regelungen oder die Auswirkungen dieser Regelungen nicht gestützt werden. 56. Werden aus Sicht der Bundesregierung durch die Investitionsschutzregelungen im CETA Klagen gegen das Verbot bzw. die Einschränkung von Fracking oder auf Kompensationszahlungen in diesem Zusammenhang wahrscheinlicher? Wenn nein, warum nicht? Geschützt werden nach CETA nur Investitionen, die das im Gaststaat geltende Recht beachten. Da die Bundesrepublik Deutschland Fracking nur unter besonderen Umständen gesetzlich zulassen will, wäre es für ein kanadisches Unternehmen untunlich, in ein verbotenes Projekt zu investieren. Diese Investition wäre nicht geschützt. Negative Auswirkungen einer belastenden späteren Gesetzesänderung auf eine bereits getätigte Investition reichen nur unter ganz besonderen Umständen aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Ein Schiedsgericht müsste zu dem Urteil gelangen, dass die Gesetzesänderung willkürlich, offensichtlich unverhältnismäßig oder diskriminierend ist. Im Übrigen kann ein Staat im Rahmen von Investor-Staat-Schiedsverfahren jedenfalls nicht zur Änderung seiner Gesetze verurteilt werden. Drucksache 18/2759 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Dienstleistungen 57. Wie bewertet die Bundesregierung die Liberalisierung von Dienstleistungen im CETA im Hinblick auf die einzelnen betroffenen Bereiche (bitte jede Branche einzeln bewerten)? Das CETA-Abkommen wird eine substantielle Marktöffnung im Dienstleistungsbereich schaffen, insbesondere durch Einbeziehung der kanadischen Provinzen in die Verpflichtungen zur Marktöffnung auf kanadischer Seite. Sektorspezifische Prognosen der Auswirkungen sind allerdings nicht möglich. 58. Wie bewertet die Bundesregierung die im CETA getroffenen Regelungen zur öffentlichen Auftragsvergabe, und in welchem Verhältnis stehen diese zu den bisherigen Regelungen? Die Bundesregierung begrüßt die Regelungen im CETA-Abkommen zum Bereich öffentlicher Aufträge, weil sie einen erheblichen Schritt für diskriminierungsfreien Zugang von europäischen Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen in Kanada und damit einen besseren Marktzugang bedeuten. Die in CETA getroffenen Marktzugangsverpflichtungen von Kanada gehen über Kanadas Verpflichtungen nach dem WTO-Beschaffungsübereinkommen GPA hinaus. Insbesondere verpflichtet sich Kanada damit, Unternehmen aus der EU diskriminierungsfreien Zugang auch zu solchen öffentlichen Aufträgen zu gewähren, die von kanadischen Kommunen oder anderen subzentralen öffentlichen Auftraggebern vergeben werden. 59. Welche Branchen werden nach Auffassung der Bundesregierung besonders von der Dienstleistungsliberalisierung profitieren, und mit welchen wirtschaftlichen Effekten rechnet die Bundesregierung dadurch für deutsche Unternehmen? Sektorspezifische Prognosen sind nicht möglich. Gleichwohl rechnet die Bundesregierung vor allem im Bereich von Dienstleistungen für Infrastrukturen und Logistik mit verbesserten Marktzutrittschancen für deutsche Unternehmen. 60. Wie bewertet die Bundesregierung die im CETA getroffenen Regelungen zu Finanzdienstleistungen und stellen diese aus Sicht der Bundesregierung eine geeignete Grundlage dar, um künftig stärkere Verbraucherschutzstandards in diesem Bereich zu etablieren? Die Regelungen für die Finanzdienstleistungen sind in einem gesonderten Kapitel enthalten und zu begrüßen. Sie lassen Möglichkeiten zur Verbesserung des Verbraucherschutzes unberührt. 61. Gibt es in dem Abkommen Regelungen, die die künftige Einführung einer Besteuerung von Finanztransaktionen erschweren könnten, und wenn ja, welche, und in welchem Maße? Nein. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/2759 62. Ist in Kapitel 11 „Cross border trade in services“ Artikel X-06, Absatz 1, Buchstabe c als „Ratchet“-Klausel zu interpretieren, was bedeutet die genannte Regel, und für welche Fälle gilt sie (bitte Beispiel nennen)? Ratchet-Klauseln bedeuten, dass einseitig beschlossene Marktöffnungen durch eine Vertragspartei in das Abkommen aufgenommen werden. Damit dies bei sensiblen Dienstleistungen wie beispielsweise der Daseinsvorsorge nicht passiert , ist dies für die Ausnahmeregelungen im Annex II des CETA-Abkommens nicht vorgesehen. Artikel X-06 Absatz 1 des Kapitels 11 sieht vor, dass Maßnahmen im Widerspruch zu den Marktöffnungsverpflichtungen, die gemäß Annex I erlaubt sind, nachträglich auch geändert werden können, wenn dadurch der Marktzugang nicht stärker eingeschränkt wird. 63. Ist im CETA an anderer Stelle eine „Ratchet“- oder „Stillstands“-Klausel bzw. Formulierungen, die eine ähnliche Wirkung entfalten, enthalten, und wenn ja, an welcher Stelle? Eine inhaltsgleiche Klausel wie in Artikel X-06 des Kapitels 11 ist auch vorgesehen in Artikel 9 des Kapitels zu Finanzdienstleistungen und in Artikel X.14 im Investitionskapitel. 64. Wird durch das Abkommen in irgendeiner Weise der Spielraum für künftige Rekommunalisierungen etwa durch „Standstill“- und „Ratchet-Klauseln “ bzw. ähnliche Regelungen beschnitten, und wenn ja, in welcher Weise, und für welche Bereiche? Nein. Rekommunalisierungen von Dienstleistungen im gesamten Bereich der Daseinsvorsorge sind weiterhin möglich. 65. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anwendung von Negativlisten für Ausnahmen im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge bzw. öffentlicher Dienstleistungen im Vergleich zu einem Positivlistenansatz, wie er etwa auch beim Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) erfolgte? Die Ausnahme für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in der Negativliste des CETA-Abkommens ist inhaltsgleich mit der Ausnahme in der Positivliste des GATS-Abkommens. 66. In welcher Weise, wann, und auf welchen Ebenen hat sich die Bundesregierung für die Verwendung eines Positivlistenansatzes im CETA eingesetzt , und aus welchen Gründen ist sie gegebenenfalls damit gescheitert? Die Bundesregierung hatte eine Präferenz für eine Positivliste vor Aufnahme der Verhandlungen mit Kanada. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass mit einer Positivliste und einer Negativliste die gleichen Ergebnisse erzielt werden können. 67. Warum bedarf es der Negativlisten mit Ausnahmeregelungen für den Marktzugang und die Inländerbehandlung auch für kommunale Dienstleistungen , wenn die Bundesregierung der Auffassung ist, dass die im WTO- Dienstleistungsübereinkommen GATS übliche Generalausnahme für die sog. public utilities den Bereich, der in Deutschland unter „Daseinsvor- Drucksache 18/2759 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sorge“ verstanden wird, auch im CETA abdeckt (Antwort zu Frage 38 auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 18/892)? Die Ausnahmeregelung im GATS ist nicht automatisch Teil der Vereinbarungen mit Kanada, sondern muss in das CETA-Abkommen aufgenommen werden, wie dies geschehen ist. Eine beispielhafte Listung spezifischer kommunaler Dienstleistungen in der Negativliste ist aus Gründen der Transparenz und Klarheit sinnvoll, da es keine allgemeingültige Definition für den Begriff Daseinsvorsorge gibt. 68. Entspricht der Rechtsbegriff „public utilities“ definiert unter „Reservations Applicable throughout the European Union“ (EU-Dok. 132/2014) dem der öffentlichen Daseinsvorsorge, und hat die Bundesregierung Kenntnis von unterschiedlichen Auslegungsformen dieses Begriffes? Wenn ja, wie bewertet sie diese Auslegungsformen mit Blick auf die kommunale Daseinsvorsorge? Der Vorbehalt zur Daseinsvorsorge im CETA-Abkommen entspricht demjenigen , der zur Daseinsvorsorge im GATS-Abkommen enthalten und seit dem Jahr 1995 in Kraft ist. CETA ändert somit nichts an der seit etwa 20 Jahren geltenden Rechtslage bezüglich der Daseinsvorsorge. 69. Bezieht sich die Ausnahme für public utilities nur auf staatliche Monopole und ausschließliche Rechte? Wenn ja, welche Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung werden hiervon erfasst, welche nicht? Die Ausnahme bezieht sich nicht nur auf staatliche Monopole und ausschließliche Rechte, sondern auch auf Monopole der Länder- und Kommunalebene. Eine abschließende Definition, welche Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung erfasst sind, gibt es nicht. 70. Ist die Ausnahme der public utilities in Form ausschließlicher Rechte nur für Konzessionen oder auch für öffentliche Aufträge, als gängige kommunale Erbringungsform, z. B. im Abfallbereich, vereinbart? Die Ausnahme für die Daseinsvorsorge als Marktzugangsvorbehalt erlaubt den EU-Mitgliedstaaten, die Erbringung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge als staatliche Monopole oder durch die Verleihung ausschließlicher Rechte an private Unternehmen zu organisieren. Für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen auf dem Markt an Dritte im Bereich der Daseinsvorsorge – beispielsweise im Abfallbereich – wurde keine derartige generelle Ausnahme vereinbart. Das deutsche Vergaberecht sieht bereits seit langem den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter unabhängig von ihrer Herkunft vor. Insofern werden sich durch die Regelungen in CETA zur Inländerbehandlung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge keine neuen Verpflichtungen für öffentliche Auftraggeber in Deutschland ergeben. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/2759 71. Welche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen hat die Tatsache, dass die Ausnahme für public utlilities nur bezogen auf den Marktzugang und nicht auf die Inländerbehandlung ist und etwa soziale Dienste und der Kulturbereich in der Ausnahmeformulierung der EU nicht genannt sind? Aus Sicht der Bundesregierung hat dies für die Praxis keine Auswirkung, denn der Vorbehalt zur Daseinsvorsorge im CETA-Abkommen entspricht insoweit demjenigen im GATS-Abkommen aus dem Jahr 1995. Für soziale Dienstleistungen und den Kulturbereich sind spezifische Ausnahmen vorgesehen. 72. Wie beurteilt die Bundesregierung den Geltungsbereich der Ausnahmen für public utilities, die im Anhang vereinbart wurden, für weitere Disziplinen des Abkommens, wie z. B. die innerstaatliche Regulierung, Subventionen und öffentliche Beschaffung, und welche Auswirkungen kann dies auf die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen haben? Die Ausnahme für die Daseinsvorsorge betrifft die Erbringung von Dienstleistungen . Für Subventionen des Dienstleistungsbereich ist eine horizontale Ausnahme im CETA-Abkommen enthalten und für innerstaatliche Regulierungen im Bereich der Daseinsvorsorge setzt CETA keine spezifischen Grenzen. Für die Vergabe öffentlicher Aufträge sind in CETA spezifische Vorschriften vorgesehen , die in Deutschland zu keinen neuen Verpflichtungen hinsichtlich der Vergabe von Daseinsvorsorgeleistungen führen werden. Zu möglichen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen wird auf die Antwort zu den Fragen 70 und 75 verwiesen. 73. Welche Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge oder spezifische Rechtsformen der kommunalen Daseinsvorsorge sind von den Negativlisten und weiteren Regelungen des Abkommens nicht erfasst bzw. nicht vor Liberalisierungsverpflichtungen geschützt? Der gesamte Bereich der Daseinsvorsorge ist von der Negativliste erfasst und durch sie von Verpflichtungen ausgenommen. 74. In welcher Weise bieten die in den Negativlisten formulierten Ausnahmen und die enge Definition des GATS, nach denen hoheitliche Aufgaben weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Anbietern erbracht werden dürfen, hinreichend Schutz auch für die zahlreichen Grenzbereiche von öffentlicher und privater Dienstleistungserbringung mit Wettbewerbssituationen? Die Definition hoheitlicher Aufgaben ergibt sich aus dem multilateralen Handelsrecht der WTO. Für Dienstleistungen, die auch im Wettbewerb erbracht werden, enthält CETA spezifische Ausnahmeregelungen. 75. In welcher Weise und welchen Betätigungsfeldern ist die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen durch die Ausnahme von öffentlichen Beschaffungen von den Marktzugangs- und Nichtdiskriminierungsprinzipien, nicht jedoch für solche die dem kommerziellen Wiederverkauf erfolgen, eingeschränkt? Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen wird durch die Regelungen in CETA über öffentliche Beschaffungen nicht eingeschränkt. Kommunale Da- seinsvorsorge kann in der Form erfolgen, dass Kommunen Daseinsvorsorgeleis- Drucksache 18/2759 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode tungen selbst bzw. durch kommunale Unternehmen erbringen oder in der Form, dass sie solche Leistungen auf dem Markt als öffentliche Aufträge an Dritte vergeben . CETA enthält – ebenso wenig wie die bisherigen Handelsabkommen der EU – keine Verpflichtungen für Kommunen, Daseinsvorsorgeleistungen als öffentliche Aufträge an Dritte zu vergeben. Das wird in CETA durch eine Regelung über sogenannte Inhouse-Vergaben klargestellt, die der Regelung im EUVergaberecht entspricht. Nur sofern Kommunen Leistungen auf dem Markt an Dritte vergeben, können sie Marktzugangs- und Nichtdiskriminierungsprinzipien nach CETA unterliegen. Auch insofern wird sich aber durch CETA keine Änderung für deutsche Kommunen ergeben, da nach deutschem Vergaberecht bereits jetzt Anbieter aus Nicht-EU-Staaten in Vergabeverfahren zuzulassen sind. 76. In welcher Weise gilt die Investitionsschutzklausel, mit der es Unternehmen erlaubt ist, Staaten vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten auf entgangene Gewinne zu verklagen, auch für den Fall, dass kommunale Entscheidungen Investitionen von privaten Unternehmen behindern oder beeinträchtigen würden? CETA ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der EU, deren Mitgliedstaaten und Kanada. Geschützt werden kanadische Investitionen gegen Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten, die den verabredeten Investitionsstandards nicht entsprechen. Das können Maßnahmen der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung sein. Dazu gehören bei einem Bundesstaat mit kommunaler Untergliederung sowohl Maßnahmen der Bundesebene als auch solche der Länder - und Kommunenebene. Diese Maßnahmen sind aber nur zu berücksichtigen, wenn sie völkerrechtlich dem Bundesstaat zuzurechnen sind, was regelmäßig der Fall ist, wenn die Entscheidungsebene die ihr gesetzten Kompetenzen einhält . Länder und Kommunen können allerdings in Schiedsverfahren nicht selbst Schiedsbeklagte sein. Diese Funktion ist der EU und den Mitgliedstaaten vorbehalten . Dem Recht der Kommunen, Regulierungen aus Gründen des Gemeinwohls vorzunehmen, steht CETA nicht entgegen. 77. Hält die Bundesregierung vor dem Hintergrund der laufenden TISA (Trade in Services Agreement)-Verhandlungen, an denen sowohl Kanada als auch die EU beteiligt sind, den vorherigen Abschluss einer Dienstleistungsvereinbarung mit Kanada für zielführend? Ja. Die Bundesregierung geht davon aus, dass im plurilateralen TISA-Abkommen nicht so weitreichende Vereinbarungen getroffen werden können wie im CETA-Abkommen. 78. Ist das CETA im Bereich der Dienstleistungsliberalisierung aus Sicht der Bundesregierung eine Art „stepping stone“ auf dem Weg zu einer möglichen weitergehenden (sowohl inhaltlich als auch von der Zahl der Vertragspartner ) Dienstleistungsvereinbarung im Rahmen vom TISA? Wie bewertet die Bundesregierung dies? Nein. Auf die Antwort zu Frage 77 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/2759 Urheberrecht 79. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass sich restriktive Durchsetzungsinstrumente im Urheberrecht, die seinerzeit beim ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) scheiterten, sich nun beim CETA wiederfinden? Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dies? Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung nicht, da die Regelungen zum Urheberrecht in CETA nicht mit denen vergleichbar sind, die seinerzeit bei ACTA scheiterten. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333