Deutscher Bundestag Drucksache 18/279 18. Wahlperiode 14.01.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Tempel, Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/234 – Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Gesetzlich Krankenversicherte haben grundsätzlich nach § 27 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) „Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.“ Die Leistungen müssen nach § 12 Absatz 1 SGB V „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.“ Der Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ist in § 31 Absatz 1 SGB V spezifiziert. In § 34 Absatz 1 Satz 7 SGB V sind jedoch Arzneimittel, „bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht“, vom Versorgunganspruch für gesetzlich Versicherte nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Als Teil dieser sogenannten Lifestyle-Medikamente sind ausdrücklich Arzneimittel zur Raucherentwöhnung erwähnt – zusammen etwa mit Arzneimitteln, die überwiegend der Steigerung der sexuellen Potenz, der Zügelung des Appetits oder der Verbesserung des Haarwuchses dienen. Diese Regelung wurde im Zuge des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) mit den Stimmen der Regierungsfraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der oppositionellen Fraktion der CDU/CSU im Jahr 2003 in das SGB V aufgenommen (vgl. Bundesgesetzblatt Nr. 55 vom 19. November 2003). Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) führt aus, dass für eine einschränkende Auslegung dieser gesetzlichen Regelung zur Ermöglichung der Verordnungsfähigkeit in Ausnahmefällen in der Rechtsprechung grundsätzlich kein Raum gesehen werde (www.g-ba.de/downloads). Die Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) spezifiziert diese Regelung gemäß § 34 Absatz 1 Satz 9 SGB V als „Arzneimittel, deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist oder die aufgrund ihrer Zweckbestimmung insbesondere Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 13. Januar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 1. nicht oder nicht ausschließlich zur Behandlung von Krankheiten dienen, 2. zur individuellen Bedürfnisbefriedigung oder zur Aufwertung des Selbstwertgefühls dienen, Drucksache 18/279 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. zur Behandlung von Befunden angewandt werden, die lediglich Folge natürlicher Alterungsprozesse sind und deren Behandlung medizinisch nicht notwendig ist oder 4. zur Anwendung bei kosmetischen Befunden angewandt werden, deren Behandlung in der Regel medizinisch nicht notwendig ist.“ In der medizinischen Wissenschaft ist die Wirksamkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung unumstritten (www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/ 020-005p.pdf , www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/TE/A-Z/PDF_Kurzversion/ Tabakabhaengigkeit_k.pdf, www.degam.de/uploads/media/Rauchen1.pdf, www.aerzteblatt.de/archiv/101940/, www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/ Medikamente.html). Auch die Bundesärztekammer sieht in der medikamentösen Raucherentwöhnung ein „beträchtliches Nutzenpotential“ (www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.5598.7699). Zugleich werden die Nikotinabhängigkeit bzw. Tabaksucht und insbesondere ihre Folgeerscheinungen als schwere Erkrankung beschrieben (siehe ebenda). Deutschland hat die Tabakrahmenkonvention unterzeichnet, die direkte Gesetzeswirkung hat (Gesetz zu dem Tabakrahmenübereinkommen, im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2004 Teil II Nr. 36, ausgegeben zu Bonn am 29. November 2004). Dieses Übereinkommen wurde „in der Erkenntnis“ unterzeichnet, dass die „Ausbreitung der Tabakepidemie ein weltweites Problem mit schwerwiegenden Folgen für die menschliche Gesundheit ist“ und dass der „von ihnen erzeugte Rauch pharmakologisch wirksam, toxisch, mutagen und karzinogen sind, und dass Tabakabhängigkeit in den wichtigsten internationalen Krankheitsklassifikationen als Erkrankung separat eingestuft ist“. Die Gesundheitsgefahren „einzudämmen ist vorrangiges Ziel der Bundesregierung, die eine dem Gesundheitsschutz verpflichtete Politik verfolgt“, führt sie in der Problembeschreibung aus (dipbt.bundestag.de/doc/btd/15/033/1503353.pdf ). In ihrer Leitlinie betont die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. etwa das „hohe Suchtpotenzial von Nikotin, das mit dem anderer (‚harten‘) Drogen vergleichbar ist“. Rauchen ist auch nach Einschätzung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung „das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland […] Jährlich sterben in Deutschland etwa 110.000 Menschen an den direkten Folgen des Rauchens. Zusätzlich ist von etwa 3.300 Todesfällen durch Passivrauchen auszugehen. […] Für die Gesundheitspolitik ist es daher ein vorrangiges Anliegen, den Tabakkonsum zu verringern“ (http:// drogenbeauftragte.de/drogen-und-sucht/tabak/situation-in-deutschland.html). Derzeit sind Arzneimittel mit den Arzneistoffen Nikotin, Vareniclin und Bupropion zur Raucherentwöhnung zugelassen. Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Asthma bronchiale sind typische Folgeerkrankungen des Rauchens. Der G-BA hat die Nikotinersatztherapie in seine Richtlinie für die strukturierten Behandlungsprogramme (Disease-Management-Programme – DMP) der COPD und des Asthmas aufgenommen und damit in bestimmten deren Erstattungsfähigkeit festzulegen versucht. Das BMG beanstandete jedoch diesen Beschluss mit Verweis auf die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Passagen (www.g-ba.de/downloads/ 40-268-1929/2012-02-16_DMP-RL_Erstfassung_BMG.pdf). Eine Gesetzesinitiative zur Aufhebung des Erstattungsausschlusses gab es von Seiten der Bundesregierung jedoch nicht. Der Wissenschaftliche Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e. V. hat eine verfassungsrechtliche Klageinitiative zur Gleichbehandlung der Tabakabhängigkeit als Suchterkrankung und zum Patientenrecht auf sachgerechte medizinisch -psychotherapeutische Behandlung in die Wege geleitet (www.wat-ev.de/ WAT_Aufrufbrief.pdf). Der WAT e. V. beklagt, die Politik hätte versagt und müsse daher rechtlich gezwungen werden, die Tabakentwöhnung zur erstattungsfähigen Leistung zu machen. Für die Klageinitiative sei es unbedingt geboten , sie komplett frei von kommerziellen Interessen (Pharmaindustrie u. Ä.) zu halten. Daher werden momentan Sponsoren für das notwendige Rechtsgutachten gesucht. Neben Expertinnen und Experten haben sich bislang auch fünf medizinische Fachgesellschaften finanziell beteiligt (www.wat-ev.de/ Initiative.html). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/279 Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Rauchen ist und bleibt das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko. Deshalb liegt ein Schwerpunkt der Gesundheitspolitik der Bundesregierung darauf, den Einstieg in das Rauchen zu verhindern. Hier sind in den letzten Jahren, vor allem unter Jugendlichen, deutliche Erfolge zu verzeichnen. Die Repräsentativbefragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigen, dass sich der Raucheranteil unter den 12- bis 17-jährigen Jugendlichen innerhalb von zehn Jahren mehr als halbiert hat. Er ist von 27,5 Prozent im Jahr 2001 auf 12 Prozent im Jahr 2012 gesunken. Gleichzeitig unterstützt die Bundesregierung in vielfältiger Weise alle Bemühungen , mit dem Rauchen aufzuhören. Tabakabhängigkeit ist ein komplexes multikausales Phänomen. Eine Vielzahl unterschiedlicher biologischer, psychologischer und sozialer Aspekte spielt bei der Entwicklung des Konsumverhaltens eine Rolle. Durch diese Komplexität ergeben sich auch für die Tabakentwöhnung unterschiedliche Ansatzpunkte. Nach den neuesten Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys haben ca. 36 Prozent der aktuell Rauchenden in den letzten Jahren einen ernsthaften Versuch unternommen, mit dem Rauchen aufzuhören. Dabei nutzt die Mehrheit keinerlei Hilfsmittel. Auch unter denjenigen, die bei ihrem Rauchstopp erfolgreich waren, haben ca. 75 Prozent keine Hilfsmittel verwendet. Allerdings belegen wissenschaftliche Untersuchungen, dass die Erfolgsquote bei denjenigen, die mit Hilfestellung einen Aufhörversuch unternommen haben, deutlich höher liegt. Die langfristige Abstinenzquote für nicht unterstützte Aufhörversuche liegt bei lediglich 3 bis 5 Prozent. Diese kann durch die Inanspruchnahme von Hilfsmaßnahmen deutlich gesteigert werden, für Gruppenprogramme sind Erfolgsquoten von ca. 30 Prozent belegt. In Deutschland existieren eine Vielzahl von unterschiedlichen Hilfsangeboten, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist. Hierzu gehören u. a. Selbsthilfematerialien , Kurzinterventionen, Telefonberatung, Verhaltenstherapie und Pharmakotherapie . Eine Übersicht über qualitätsgesicherte Angebote von Tabakentwöhnungsbehandlungen findet sich auf der gemeinsamen Seite des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der BZgA unter www.anbieterraucherberatung .de. Laut Präventionsbericht 2013 der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nahmen auf der Grundlage von § 20 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) im Jahr 2012 insgesamt 11 681 Personen an Kursen zur Förderung des Nichtrauchens teil. Wissenschaftliche Studien belegen auch, dass alle auf dem Markt befindlichen nikotinhaltigen Präparate den Therapieerfolg erhöhen. Eine medikamentöse Unterstützung ist aber nur sinnvoll, wenn die Motivation zur Beendigung des Tabakkonsums gegeben ist und zugleich eine Auseinandersetzung mit den Rauchgewohnheiten stattfindet. Hinzu kommt, dass Nikotinersatzpräparate in der Praxis häufig falsch angewendet werden. 1. Wie viele Menschen sterben nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland jährlich an den direkten und indirekten Folgen des Tabakkonsums ? Nach Schätzungen des DKFZ (wie sie auch in der Vorbemerkung der Bundesregierung zitiert wurden) ist für Deutschland davon auszugehen, dass jährlich zwischen 100 000 und 120 000 Menschen an den Folgen des Rauchens sterben, ca. 3 300 davon an den Folgen des Passivrauchens. Drucksache 18/279 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Welche Erkrankungen kann das Tabakrauchen auslösen? Zu den Erkrankungen, die bei Rauchern und Raucherinnen vermehrt auftreten, gehören z. B. Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Krebserkrankungen. Außerdem wirkt sich das Rauchen negativ auf den Stoffwechsel, das Skelett, den Zahnhalteapparat , die Augen und die Fruchtbarkeit aus. Das Rauchen schädigt den gesamten menschlichen Organismus. 3. Welche Kosten verursacht die Behandlung von Folgeerkrankungen des Tabakkonsums nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland? Die Kosten für die Versorgung von Krankheiten und Gesundheitsproblemen, die auf das Rauchen zurückgehen, belaufen sich Schätzungen zufolge auf 7,5 Mrd. Euro jährlich (Jahrbuch Sucht 2013). 4. Welche gesamtwirtschaftlichen Kosten verursacht der Tabakkonsum nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland? Hierzu liegen verschiedene wissenschaftliche Ansätze vor, die unterschiedliche Kosten in die Berechnung einbeziehen. Unter Einbeziehung von Erwerbsunfähigkeit , Frühberentung und Todesfällen ist von gesamtwirtschaftlichen Kosten in Höhe von 21 Mrd. Euro pro Jahr auszugehen (Jahrbuch Sucht 2013). 5. Ist eine Nikotin- bzw. Tabakabhängigkeit nach Ansicht der Bundesregierung eine Krankheit (bitte begründen)? Tabakabhängigkeit ist nach den Diagnosekriterien der ICD-10 (International Classification of Diseases – die derzeit geltende internationale Klassifikation von Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation – WHO) als Krankheit eingestuft . 6. Falls die Frage 5 mit Ja beantwortet wurde, was unterscheidet die Nikotinabhängigkeit von anderen Erkrankungen, das einen Versorgungsausschluss für die entsprechenden Arzneimittel im Sozialgesetzbuch rechtfertigt? Nach § 34 Absatz 1 Satz 7 und 8 SGB V sind bestimmte Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen, dazu gehören insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Abmagerung oder Zügelung des Appetits oder zur Regulierung des Körpergewichts dienen. Weiterhin nennt das Gesetz Medikamente, die der Raucherentwöhnung, der Verbesserung des Haarwuchses, der Behandlung der erektilen Dysfunktion und der Steigerung der sexuellen Potenz dienen. Da es sich dabei um Arzneimittel handelt, deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist, ist jeder Verbraucher/jede Verbraucherin für deren Finanzierung selbst verantwortlich. 7. Falls die Frage 5 mit Ja beantwortet wurde, wie ist der Versorgungsausschluss von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit bzw. dem Menschenrecht auf den bestmöglichen erreichbaren Gesundheitszustand in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot zu vereinbaren? Die Verfassungsmäßigkeit von § 34 SGB V ist bereits mehrfach gerichtlich be- stätigt worden. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum nicht, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/279 wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt, die in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen bzw. die unter dem Gesichtspunkt der privaten Lebensführung dem Eigenverantwortungsbereich der Versicherten zugeordnet werden können. Leistungsausschlüsse im SGB V gelten dabei für alle Versicherten. Finanzielle Belastungen für Bezieher niedriger Einkommen, die einer Finanzierung entsprechender Leistungen durch die Versicherten selbst entgegen stehen, können nicht durch Regelungen im SGB V ausgeschlossen werden, da die Frage der wirtschaftlichen Bedürftigkeit für die Ausgestaltung des Leistungskatalogs der GKV grundsätzlich nicht maßgeblich sein kann. Die Absicherung der wirtschaftlichen Existenz ist eine Frage anderer staatlicher Instrumente. 8. Falls die Frage 5 mit Ja beantwortet wurde, hat sich diese Einschätzung seit Aufnahme der Arzneimittel zur Raucherentwöhnung in § 34 SGB V geändert? Nein. 9. Falls die Frage 5 mit Ja beantwortet wurde, ist die medizinische Behandlung der Nikotinabhängigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) grundsätzlich gerechtfertigt? Versicherte haben gemäß § 27 SGB V einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts besteht bei einer Regelwidrigkeit des Körper- oder Geisteszustandes, der die Notwendigkeit ärztlicher Heilbehandlung oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Soweit bei Nikotinabhängigkeit eine Krankheit im Sinne von § 27 SGB V vorliegt, kann grundsätzlich ein Anspruch auf Krankenbehandlung bestehen. Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel des SGB V genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung, soweit diese Leistungen nach dem Gesetz nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. 10. Falls die Frage 5 mit Ja beantwortet wurde, ist die Nikotin- bzw. Tabaksucht nach Einschätzung der Bundesregierung eine geringfügige Erkrankung , die einen Erstattungsausschluss rechtfertigt? Gemäß § 34 Absatz 1 Satz 6 SGB V sind Arzneimittel zur Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen von der Erstattungsfähigkeit ausgeschlossen, sog. Bagatellarzneimittel. Der Verordnungsausschluss von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung beruht jedoch auf § 34 Absatz 1 Satz 7 bis 9 SGB V und ist allgemein als Ausschluss von „Lifestyle-Präparaten“ bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 11. Falls die Frage 5 mit Nein beantwortet wurde, welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der ICD10-Klassifizierung des Tabakabhängigkeitssyndroms als psychische und Verhaltensstörungen (F17.2) sowie den in F17.1 sowie 3 bis 9 genannten Diagnosen als Folge des Tabakkonsums? 12. Falls die Frage 5 mit Nein beantwortet wurde, rechtfertigen trotzdem die Folgeerkrankungen des mit einer Nikotinabhängigkeit einhergehenden Drucksache 18/279 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Rauchens grundsätzlich die Behandlung der Nikotinabhängigkeit zu Lasten der GKV? Die Fragen 11 und 12 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 13. Steht nach Ansicht der Bundesregierung bei der Raucherentwöhnung die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund, bzw. was unterscheidet die Raucherentwöhnung hier von anderen Maßnahmen, etwa zur begleitenden Therapie von COPD oder Asthma bronchiale (bitte begründen)? Maßnahmen zur Tabakentwöhnung (wie z. B. ärztliche Beratung oder spezifische Ausstiegsprogramme) werden – auch für Patientinnen und Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder Asthma – durch die GKV finanziert. Lediglich medikamentöse Maßnahmen sind gemäß § 34 Absatz 1 Satz 8 SGB V insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung der Versicherten ausdrücklich von der Versorgung zu Lasten der GKV ausgeschlossen . Die Tagestherapiekosten für Medikamente zur Raucherentwöhnung liegen in einem Bereich, den Versicherte auch wegen der eingesparten Kosten für Zigaretten selbst finanzieren können. 14. Welche Arzneimittel, die nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Wissenschaft gegen eine chronische Erkrankung wirksam sind, sind außer den Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung noch von der Versorgung nach SGB V ausgeschlossen? Der Ausschluss von Arzneimitteln von der Versorgung nach SGB V erfolgt unabhängig von ihrer Anwendung bei chronischen oder nicht chronischen Erkrankungen . 15. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die unterschiedlich häufige Verwendung von Nikotinersatzmitteln in der Europäischen Union, und welche Rückschlüsse zieht sie daraus? Die Kommission hat mit einer Eurobarometerumfrage im Mai 2012 Daten u. a. zur Verwendung von Nikotinersatzmitteln in der EU erhoben (http://ec.europa. eu/health/tobacco/docs/eurobaro_attitudes_towards_tobacco_2012_en. pdf). Danach wurden bei Rauchstoppversuchen in den Ländern Irland, Schweden und Vereinigtes Königreich überdurchschnittlich häufig Nikotinersatzpräparate oder andere Medikamente verwendet. Dies sind auch die Länder, neben Dänemark und den Niederlanden, in denen generell häufiger Rauchstoppversuche unternommen werden. Innerhalb der EU gibt es hier ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Die Studie liefert allerdings keine Erklärungsansätze für diese Unterschiede. 16. In welchen europäischen Staaten werden nach Kenntnis der Bundesregierung Arzneimittel zur Raucherentwöhnung von den öffentlich-rechtlichen Krankenversicherungen oder staatlichen Krankenversorgungssystemen bezahlt (bitte einzeln für die verschiedenen Arzneimittel auflisten)? Der Bundesregierung ist keine Übersicht über die Finanzierung einzelner Arzneimittel zur Rauchentwöhnung in anderen Staaten bekannt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/279 17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Erstattung von Arzneimitteln zu Raucherentwöhnung als Satzungsleistung oder per Einzelfallgenehmigung ? Nach § 34 SGB V sind Arzneimittel zur Raucherentwöhnung von der Versorgung ausgeschlossen. Von einzelnen Krankenkassen werden nichtmedikamentöse Maßnahmen zur Förderung des Nichtrauchens im Rahmen des § 20 SGB V als freiwillige Satzungsleistungen angeboten. 18. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bundesärztekammer zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung geäußert ? Die Bundesärztekammer hat sich verschiedentlich für eine Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung ausgesprochen. 19. Wie hat sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung geäußert? Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung in der 17. Legislaturperiode, die Abgeordnete Mechthild Dyckmans, hat sich für den Ausbau von nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft wirksamen Tabakentwöhnungsangeboten ausgesprochen. Diese sollten um erstattungsfähige Angebote der ärztlichen Tabakentwöhnungsbehandlung ergänzt werden, insbesondere für Personen mit tabakbedingten Erkrankungen. 20. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung geäußert? Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Internet (www.Gesundheitsinformation.de) Informationen zur Rauchentwöhnung mit Hilfe von Nikotinersatzpräparaten veröffentlicht. Außerdem wurden Leitlinienrecherchen zum Disease Management Programm für Asthma bronchiale und COPD durchgeführt. Forderungen nach einer Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Rauchentwöhnung wurden darin nicht geäußert. 21. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Deutsche Krebsforschungszentrum zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung geäußert? Das DKFZ weist auf seiner Website sehr differenziert darauf hin, in welchen Fällen medikamentöse Unterstützung bei der Tabakentwöhnung sinnvoll sein kann (siehe auch Antwort zu Frage 22). 22. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung medizinische Fachgesellschaften und Berufsverbände zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung geäußert? In einem Offenen Brief haben sich verschiedene medizinische Fachgesellschaften sowie die Deutsche Herzstiftung und das DKFZ für die Übernahme der ärztlichen Leistungen für Diagnostik, Motivation sowie die Kosten für die medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung bei tabakabhängigen Drucksache 18/279 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Raucherinnen und Rauchern in den Leistungskatalog der GKV und die Erweiterung der Budgets der behandelnden Ärzte für die Bereitstellung dieser Leistungen ausgesprochen. 23. Wie hat sich der G-BA zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung geäußert? Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Arzneimittel-Richtlinie festgestellt, dass Arzneimittel mit den Wirkstoffen Nikotin, Bupropion und Vareniclin als sogenannte Lifestyle-Arzneimittel, deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist, zur Behandlung von Nikotinabhängigkeit von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen sind. Für Versicherte, die an strukturierten Behandlungsprogrammen (DMP) für Asthma bronchiale oder COPD teilnehmen, hat sich der G-BA mehrheitlich – gegen die Auffassung des GKV-Spitzenverbandes – dafür ausgesprochen, dass im Rahmen von Raucherentwöhnungsprogrammen auch medikamentöse Maßnahmen einmalig verordnet werden können, sofern deren therapeutischer Nutzen belegt ist. 24. Welchen diesbezüglichen Beschluss des G-BA hat das BMG beanstandet (bitte Inhalt der Regelung zu Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung wiedergeben )? Der G-BA hat – aufgrund der ihm mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) übertragenen Regelungskompetenz – am 16. Februar 2012 einen Beschluss zur Überführung seiner vorangegangenen Empfehlungen u. a. zur Aktualisierung der Anforderungen an DMP für Asthma und COPD in eine Richtlinie gefasst. Der Beschluss enthielt in den Anforderungen für die DMP Asthma bronchiale sowie in den Anforderungen für die DMP COPD jeweils u. a. die Aussage, dass ausstiegsbereiten Raucherinnen und Rauchern ggf. geeignete unterstützende medikamentöse Maßnahmen zur Tabakentwöhnung im Rahmen des jeweiligen DMP angeboten werden sollen. In den tragenden Gründen führte der G-BA hierzu aus, dass entsprechende Tabakentwöhnungsprogramme auch die einmalige Verordnung medikamentöser Maßnahmen einschließen könnten. Diese Regelung ist nach Auffassung des BMG mit den geltenden gesetzlichen Vorgaben in § 34 Absatz 1 Satz 8 SGB V nicht vereinbar, und wurde daher als rechtswidrig beanstandet. 25. Welchen Handlungsspielraum hat der G-BA, die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung zu regeln, ohne gegen das SGB V und hier insbesondere gegen § 34 Absatz 1 Satz 7 und 8 zu verstoßen? Hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung gilt, dass sie – wie andere „Lifestyle“-Arzneimittel – gemäß § 34 Absatz 1 Satz 8 SGB V ausdrücklich von der Versorgung zu Lasten der GKV ausgeschlossen sind (siehe auch die Antwort zu Frage 6). Für eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Regelung zur Ermöglichung der Verordnungsfähigkeit in Ausnahmefällen wird in der Rechtsprechung grundsätzlich kein Raum gesehen. Auch die gesetzlichen Vorgaben für die strukturierten Behandlungsprogramme bieten keine Grundlage für eine Festlegung eigener, leistungsrechtlicher Ansprüche für die Behandlung im DMP entgegen dem ausdrücklichen gesetzlichen Verordnungsausschluss des § 34 Absatz 1 Satz 8 SGB V. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/279 26. Warum hat die Bundesregierung nicht spätestens nach dem Beschluss des G-BA eine Gesetzesinitiative gestartet, die in den vom G-BA befürworteten Fällen die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung ermöglicht? In Deutschland besteht bereits ein differenziertes Angebot der Tabakentwöhnung . Eine Übersicht der vorhandenen Angebote zur Raucherentwöhnung bieten die BZgA und das DKFZ in einer gemeinsamen Datenbank an, um über diesen Weg den Zugang zur Tabakentwöhnung zu erleichtern (siehe auch die Vorbemerkung der Bundesregierung). Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 27. Welche gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Akteure haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung für die Beibehaltung des Erstattungsausschlusses von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung in der GKV ausgesprochen ? Akteure, die für die Beibehaltung einer Regelung sind, geben in der Regel keine Stellungnahme ab. 28. Sieht die Bundesregierung in dem Erstattungsausschluss von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung eine Rationierung von medizinisch notwendigen Leistungen (bitte begründen)? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. 29. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Kosteneffektivität einer arzneimittelgestützten Raucherentwöhnungstherapie (sowohl bezogen auf die Ausgaben der GKV, als auch gesamtwirtschaftlich)? Zur Kosteneffektivität der Tabakentwöhnung liegen international mittlerweile zahlreiche gesundheitsökonomische Studien vor (Überblick bei Mühlig 2013, Wissenschaftlicher Arbeitskreis Tabakentwöhnung e. V.). Für Deutschland wurde von Wasem et al. (Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement 2007) eine Kosteneffektivitätsstudie am Beispiel der Nikotinersatztherapie durchgeführt , die die Kosteneffektivität belegt. Da kaum Studien zur Kosteneffektivität kognitiv-verhaltenstherapeutischer Gruppenprogramme vorliegen, lassen sich keine Aussagen treffen, inwiefern sich durch den Einsatz von Medikamenten ein zusätzlicher Effekt erzielen lässt. In einer Studie von Hall et al. (Journal of Behavioral Health Services and Research 2005) wurde ein direkter Vergleich einer psychologischen Intervention mit Bupropion und Notriptylin vorgenommen und ermittelt, dass die psychologische Intervention die höchste Kosteneffektivität erzielt. Drucksache 18/279 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 30. Mit welcher Begründung werden die Kosten der medikamentösen Therapie einer Opiatabhängigkeit von der GKV erstattet, die der medikamentösen Therapie einer Nikotinabhängigkeit aber nicht? Ist das nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit dem Willkürverbot zu vereinbaren? 31. Wie werden unterschiedliche Regelungen für die Erstattungsfähigkeit von psychotherapeutischen oder ärztlichen und medikamentösen Therapien zur Raucherentwöhnung begründet? Ist das nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit dem Willkürverbot zu vereinbaren? Die Fragen 30 und 31 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es wird auf die Antworten zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt schon deshalb nicht vor, weil hier keine im Wesentlichen gleichen Sachverhalte vorliegen. 32. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Zusammenhang zwischen Rauchverhalten und Sozialstatus? Alle vorliegenden Studien zu diesem Thema belegen, dass Männer und Frauen aus bildungsfernen Milieus häufiger rauchen als diejenigen mit mittlerem und insbesondere als diejenigen mit hohem Sozialstatus (GEDA: Gesundheit in Deutschland aktuell 2010). 33. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum Zusammenhang zwischen Rauchverhalten und Geschlecht? Die Zahl der Raucher liegt nach wie vor über der der Raucherinnen. Im Jahr 2012 rauchten in der erwachsenen Bevölkerung (18 Jahre und älter) 34 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen (Epidemiologischer Suchtsurvey, Kraus et al. 2013). Bei beiden Geschlechtern ist ein Rückgang zu verzeichnen. In jüngeren Altersgruppen ist eine Annäherung im Rauchverhalten festzustellen. 34. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu genetischen Einflussfaktoren für die Entwicklung einer Substanzabhängigkeit und insbesondere einer Nikotinabhängigkeit? 35. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu genetischen Einflussfaktoren für die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Raucherentwöhnung? Die Fragen 34 und 35 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Eine Reihe von Studien scheinen die Hypothese einer genetisch bedingten Vulnerabilität für einen starken oder abhängigen Tabakkonsum zu stützen. Starke Abhängigkeit wirkt sich zugleich negativ auf die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Raucherentwöhnung aus. Der Anteil der Genetik für die Entstehung der Tabakabhängigkeit wird auf etwa 30 bis 50 Prozent geschätzt (DHS, Suchtmedizinische Reihe Bd. 2, 2013). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/279 36. Welche weiteren gesellschaftlichen, sozialen oder biologischen Einflussfaktoren für die Entwicklung einer Substanzabhängigkeit und insbesondere einer Nikotinabhängigkeit sind der Bundesregierung bekannt? Die neurobiologische Forschung der letzten Jahrzehnte hat die Entstehung der Tabakabhängigkeit umfassend untersucht. Mögliche Wirkorte und Mechanismen der Abhängigkeitsentwicklung, das Prinzip der Toleranzentwicklung, die Entstehung der Entzugssymptomatik und des Suchtgedächtnisses konnten im Tiermodell wie am Menschen auf der Basis der neuronalen Wirkung von Nikotin identifiziert werden. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) hat 2013 in ihrer Suchtmedizinischen Reihe einen Band zum Thema Tabakabhängigkeit herausgegeben, der die biologischen Grundlagen der Tabakabhängigkeit sowie die sozialen und psychischen Aspekte, die zum Entstehen einer Tabakabhängigkeit beitragen, umfassend erläutert. 37. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit die psychische Konstitution der Raucherin bzw. des Rauchers Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Raucherentwöhnung hat? Personale und damit auch psychische Faktoren haben einen großen Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Raucherentwöhnung. Eine starke Motivation und die Bereitschaft zur Verhaltensänderung innerhalb des nächsten Monats stellen wichtige Faktoren für die Vorhersage der Abstinenzwahrscheinlichkeit dar. Psychische Komorbiditäten wie z. B. Depression verringern dagegen die Wahrscheinlichkeit eines selbstinitiierten Rauchstopps. Dagegen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Rauchstopps bei stärkerem Kohärenzgefühl, weniger Stresserleben und hoher Priorität für die eigene Gesundheit (Sussmann Substance Use & Misuse 2002). 38. Inwiefern ist nach Einschätzung der Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Aussage haltbar, Arzneimittel zur Raucherentwöhnung könnten gemäß Arzneimittelrichtlinie des G-BA von der Erstattung ausgeschlossen sein, weil „deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist“ (vgl. oben zitierte Arzneimittelrichtlinie des G-BA)? Arzneimittel zur Raucherentwöhnung sind gemäß § 34 Absatz 1 Satz 8 SGB V ausdrücklich von der Versorgung zu Lasten der GKV ausgeschlossen. Für eine einschränkende Auslegung dieser gesetzlichen Regelung zur Ermöglichung der Verordnungsfähigkeit in Ausnahmefällen wird in der Rechtsprechung grundsätzlich kein Raum gesehen. Insbesondere bieten auch die gesetzlichen Vorgaben für die strukturierten Behandlungsprogramme keine Grundlage für eine Festlegung eigener, leistungsrechtlicher Ansprüche auf die Versorgung mit Arzneimitteln . 39. Inwiefern hängt der Behandlungsanspruch nach SGB V vom eigenen vorsätzlichen oder fahrlässigen Verschulden ab? In der GKV haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Absatz 1 Satz 1 SGB V). Nach § 52 Absatz 1 SGB V kann die Krankenkasse Versicherte an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern, wenn sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichem Vergehen zugezogen haben. Der Gedanke Drucksache 18/279 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der Eigenverantwortung liegt auch § 52 Absatz 2 SGB V zugrunde. Danach hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern, wenn sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen haben. 40. Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung der Erstattungsausschluss von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung als Anwendung des Selbstverschuldensprinzips zu sehen? § 34 Absatz 1 Satz 8 SGB V schließt Arzneimittel zur Raucherentwöhnung insbesondere auch deshalb von der Erstattungsfähigkeit aus, weil sie unter dem Gesichtspunkt der privaten Lebensführung dem Eigenverantwortungsbereich der Versicherten zugeordnet werden. 41. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Evidenz für die Wirksamkeit einer Raucherentwöhnung mit unterstützenden Nikotinersatzmitteln (bitte die entsprechenden medizinischen Leitlinien bzw. Studien anfügen )? Die Wirksamkeit aller nikotinsubstituierenden Verfahren ist auf der Basis einer großen Zahl methodisch guter Studien hinreichend belegt (DHS 2013). Den neusten umfassenden Überblick über vorhandene Cochrane Reviews zu pharmakologischen Interventionen in der Tabakentwöhnung liefern Cahill et al. 2013. Derzeit wird von den einschlägigen Fachgesellschaften eine S-3 Leitlinie zum Thema Tabakabhängigkeit erarbeitet, die zu diesen Verfahren Empfehlungen enthalten wird. 42. Wie schätzt die Bundesregierung die Evidenz für die Wirksamkeit einer unterstützten Raucherentwöhnung mit Varenicilin ein (bitte die entsprechenden medizinischen Leitlinien bzw. Studien anfügen)? Das in der Antwort zu Frage 41 bereits erwähnte Cochrane Review von Cahill et al. 2013 bewertet auch Vareniclin als wirksame medikamentöse Rauchentwöhnungshilfe , fordert aber weitere Studien zur Sicherheit. Zu Vareniclin wird es in der in Antwort zu Frage 41 genannten S-3 Leitlinie ebenfalls Empfehlungen geben. 43. Wie schätzt die Bundesregierung die Evidenz für die Wirksamkeit einer unterstützten Raucherentwöhnung mit Bupropion ein (bitte die entsprechenden medizinischen Leitlinien bzw. Studien anfügen)? Das in der Antwort zu Frage 41 bereits erwähnte Cochrane Review von Cahill et al. 2013 bewertet auch Bupropion als wirksame medikamentöse Rauchentwöhnungshilfe . Zu Bupropion wird es in der in Antwort zu Frage 41 genannten S-3 Leitlinie ebenfalls Empfehlungen geben. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/279 44. Inwiefern spielt die aktuelle wissenschaftliche Datenlage bei der Beurteilung der Regelungen zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung eine Rolle? Welche Bedeutung misst die Bundesregierung in diesem Zusammenhang dem Grundsatz „Das Recht muss der Wissenschaft folgen“ bei? Die Bundesregierung verfolgt die Meinungsäußerungen sowohl aus der Wissenschaft als auch aus anderen gesellschaftlichen Gruppen und macht sich daraus ein Bild für ihr Handeln. 45. Inwiefern kann der G-BA seiner Verpflichtung, sich am aktuellen Stand der Wissenschaft zu orientieren, überhaupt nachkommen, wenn Therapiemethoden ungeachtet ihres medizinischen Nutzens gesetzlich von der Versorgung nach SGB V ausgeschlossen werden? Soweit der Gesetzgeber eine Leistung unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung der Versicherten per se von dem Leistungsumfang der GKV ausgenommen hat, besteht keine Normsetzungskompetenz des G-BA. 46. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den gesundheitlichen Nutzen einer Tabakkonsumreduktion? Ist ein reduzierter Konsum nach Ansicht der Bundesregierung ein sinnvolles Mittel der Schadensreduktion („Harm Reduction“)? Es ist wissenschaftlich belegt, dass ein kompletter Rauchstopp die positivsten Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Ein systematischer Review von Pisinger und Godtfredsen aus dem Jahr 2006 hat die damals vorliegenden Studien zum Thema reduzierter Tabakkonsum zusammengefasst und geht von leicht positiven Effekten auf die Gesundheit bei einer substantiellen Reduzierung des Tabakkonsums um mehr als 50 Prozent aus. Die Autorinnen plädieren deshalb dafür, den Begriff der „Harm Reduction“ nicht zu verwenden. Vor diesem Hintergrund wird allgemein ein kompletter Rauchstopp empfohlen. Dennoch kann für einige besonders stark abhängige Raucherinnen und Raucher auch die schrittweise Reduktion ein sinnvoller Ansatz sein, um am Ende die Tabakabstinenz zu erreichen. 47. Inwiefern können nach Kenntnis der Bundesregierung Arzneimittel zur Raucherentwöhnung dazu beitragen, den Tabakkonsum zu reduzieren, und welche Effekte hätte dies auf die Ausgaben der GKV bei Erstattungsfähigkeit der Arzneimittel? Bei der Tabakentwöhnung kommt es vor allem auf persönliche Motivation zum Rauchverzicht an. Medikamentöse Maßnahmen können unter Umständen eine zusätzliche Unterstützung darstellen, die jedoch individuell mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden müssen. Dabei sollte eine medikamentöse Rauchentwöhnung immer mit verhaltenstherapeutisch orientierten Angeboten kombiniert werden. Wenn die Raucherentwöhnung mit Hilfe von Arzneimitteln erfolgreich verläuft, ist langfristig von positiven Effekten auf die Ausgaben der GKV auszugehen , wenn Folgeerkrankungen vermieden werden können. Eine Übernahme der Kosten für diese Arzneimittel würde jedoch zunächst zu Mehrausgaben der Krankenkassen führen. Die Bereitschaft eines Patienten oder einer Patientin, selbst diese Ausgaben zu tragen, ist dagegen ein Zeichen für eine Motivation, die bei der Raucherentwöhnung zwingend erforderlich ist. Drucksache 18/279 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 48. Meint die „Raucherentwöhnung“ nach § 34 Absatz 1 Satz 8 SGB V nach Ansicht der Bundesregierung ausschließlich eine auf Abstinenz zielende Behandlung (bitte begründen)? Der Wortlaut des § 34 Absatz 1 Satz 8 SGB V deckt auch Arzneimittel ab, die lediglich auf eine Reduktion des Tabakkonsums abzielen, da auch dies eine Form der Entwöhnung ist. Zudem wird auf die Antworten zu den Fragen 46 und 47 verwiesen. 49. Unter welchen Bedingungen wird eine Nikotinersatztherapie zur Raucherentwöhnung von der GKV erstattet? 50. Unter welchen Bedingungen wird Vareniclin zur Raucherentwöhnung von der GKV erstattet? 51. Unter welchen Bedingungen wird Bupropion zur Raucherentwöhnung von der GKV erstattet? Die Fragen 49 bis 51 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach § 34 SGB V sind Arzneimittel zur Raucherentwöhnung von der Versorgung ausgeschlossen. 52. Was rechtfertigt die ungleichen Regelungen von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Therapiemethoden zur Raucherentwöhnung? Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 53. Mit welcher Begründung wurde wann die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung per Gesetz von der Versorgung ausgeschlossen ? Zur Einführung der Regelung und Begründung wird auf die Bundestagsdrucksache 15/1525, Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG)“ und zum Abstimmungsverhalten auf das Plenarprotokoll der 64. Sitzung des Deutschen Bundestages verwiesen. 54. Wie war vorher die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung in der GKV geregelt? Zuvor gab es keine gesetzliche Regelung zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung in der GKV. Die gesetzliche Regelung stellt klar, dass die betreffenden Arzneimittel, die bis dahin nach den ArzneimittelRichtlinien des G-BA von der Verordnung zu Lasten der GKV ausgeschlossen waren, nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der GKV sind. Die Regelung dient der Rechtssicherheit von Krankenkassen und Vertragsärzten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/279 55. Welche Therapiemethoden zur Raucherentwöhnung werden von den GKV ganz oder teilweise erstattet (bitte nach Regelkatalog und Satzungsleistungen einzelner Kassen unterteilen)? Eine Übersicht über Pflicht- und Satzungsleistungen der Krankenkassen speziell zur Raucherentwöhnung liegt der Bundesregierung nicht vor. 56. Wie unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Evidenzen für die Wirksamkeit nichtmedikamentöser Maßnahmen zur Raucherentwöhnung zu der für die Nikotinersatztherapie bzw. anderer Arzneimittel? Die Wirksamkeit verhaltensbezogener Therapie- und Behandlungsformen gilt als wissenschaftlich abgesichert. Abhängig von verschiedenen Faktoren wie z. B. Alter, Geschlecht und Abhängigkeitsstärke des Rauchers besteht die größte Erfolgsaussicht in modularen Rauchentwöhnungskonzepten, die motivationsfördernde , abstinenzbegünstigende Maßnahmen und Selbstkontrolltechniken mit Verfahren zur Bewältigung von Risikosituationen und eventueller Rückfälle kombinieren. Das jeweilige Angebot sollte auf die Bedürfnisse des ausstiegswilligen Rauchers bzw. der Raucherin abgestimmt sein und kann von einer Kurzintervention im Rahmen eines Arzt-Patienten-Gesprächs, über den Einsatz verhaltenstherapeutischer Methoden bis hin zu einer Kombination von Verhaltenstherapie und medikamentöser Rauchentwöhnung reichen. Ein Überblick über die Wirksamkeit verschiedenster Hilfsmaßnahmen findet sich in der 2011 von der BZgA herausgegebenen und kommentierten Übersicht „Tabakentwöhnung in Deutschland“. Es wird auch auf die Antworten zu den Fragen 41 bis 43 verwiesen . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333