Deutscher Bundestag Drucksache 18/2792 18. Wahlperiode 06.10.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Maisch, Kai Gehring, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2558 – Einstellung der Förderung des Kompetenznetzes Adipositas und damit verbundene mögliche Kompetenzverluste Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Kompetenznetz Adipositas verbindet bundesweit Expertinnen und Experten im Bereich Adipositas. Im Netzwerk organisierte Akteure erforschen Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung der Adipositas. Das Kompetenznetz entwickelt und überprüft neue Therapien sowie Präventionsstrategien. Es stellt fundierte und verständliche Informationen für Politik, Verwaltung, Medizin, Krankenkassen und Verbände, den gesundheitlichen Verbraucherschutz , die Industrie, Medien und die Betroffenen selbst bereit. Damit sorgt das Netzwerk für eine Vernetzung und Stärkung der Adipositasforschung in Deutschland, für einen verbesserten Wissenstransfer der medizinischen Forschung und am Ende für eine bessere Aufklärung und Versorgung der Betroffenen. Die Arbeiten des Kompetenznetzes Adipositas werden durch die Geschäftsstelle koordiniert, die für die Zusammenarbeit mit anderen Forschungs- und Gesundheitseinrichtungen, Selbsthilfegruppen, Medien und Politik seit der Entstehung des Kompetenznetzes im Jahr 2008 zu einer wichtigen Anlaufstelle geworden ist. Die zentralen Strukturen des Kompetenznetzes Adipositas umfassen große Register (z. B. zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas) sowie über das Netzwerk hinaus genutzte Methodenplattformen und Biobanken. Als einziger nationaler Forschungsverbund kümmert sich das Kompetenznetz Adipositas essentiell um die fokussierte Adipositasforschung und auch die Koordination von Strategien zur Prävention und Behandlung der Adipositas. Trotzdem soll laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, Antwort auf die Schriftliche Frage 62 auf Bundestagsdrucksache 18/2090) die Förderung des Kompetenznetzes Adipositas nach Ende der laufenden FörderDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 1. Oktober 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. periode (2012 bis 2014) nicht weiter fortgeführt werden. Damit wird eine aus Bundeshaushaltsmitteln geschaffene Struktur, die in besonderer Art und Weise Wissen und Kopetenz auf diesem Gebiet gebündelt hat, aufgegeben. Drucksache 18/2792 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Angesichts der Tatsache, dass Adipositas zu den zentralen Gesundheitsproblemen für die Gesellschaft zählt und die Folgekrankheiten (z. B. Typ-2-Diabetes -mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, viele Krebserkrankungen) das Gesundheitssystem erheblich belasten, ist dies eine fragwürdige Entscheidung. 1. Wie kann die mit öffentlichen Mitteln aufgebaute Infrastruktur des Kompetenznetzes Adipositas (Geschäftsstelle, Register, Biobank, Referenzzentren ) sinnvoll erhalten werden? Bezüglich des Erhalts der aufgebauten Infrastruktur kann auf die Erfahrungen anderer Kompetenznetze verwiesen werden. Die im Jahr 2012 veröffentlichte externe Evaluation der Kompetenznetze in der Medizin hat gezeigt, dass bei 14 der 16 untersuchten Kompetenznetze eigene Geschäftsstellen nach Auslaufen der Förderung weiter bestanden. Die Kompetenznetze haben vielfältige erfolgreiche Ansätze zur Nachhaltigkeit der aufgebauten Strukturen entwickelt. Diese reichen von der Einbindung in bestehende Strukturen – wie z. B. Fachgesellschaften – über die Einwerbung von weiteren Fördermitteln und Spenden bis hin zu Industrieaufträgen und Dienstleistungsangeboten. Im Rahmen künftiger Förderbekanntmachungen werden sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Wettbewerb mit anderen Akteuren der Gesundheitsforschung um Drittmittel bewerben können. Die geschaffenen Strukturen, Kapazitäten und Expertisen sind eine gute Grundlage, um hier erfolgreich zu sein. 2. Beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen des Aktionsplans Präventions - und Ernährungsforschung, die entstandenen Netzwerke und auch die Register, Referenzzentren und Biobanken zu integrieren? Wenn ja, wie, und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Eine aktiv gesteuerte Integration der Netzwerke und Infrastrukturen in die im Rahmen des Aktionsplans Präventions- und Ernährungsforschung geförderten Forschungsaktivitäten ist nicht vorgesehen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Welche spezifischen Fördermaßnahmen plant die Bundesregierung für den Zeitraum der nächsten drei Jahre, um das zentrale und wachsende Gesundheitsproblem Adipositas wissenschaftlich anzugehen, z. B. in Form von Ursachen - und Therapieforschung? In erster Linie ist das Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositas in Leipzig zu nennen, das von 2010 bis 2015 mit insgesamt 24,2 Mio. Euro gefördert wird. Eine zweite fünfjährige Förderphase ist nach der bereits erfolgten positiven Zwischenbegutachtung geplant. Ferner legt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) verschiedene, teils auch themenoffene Förderaktivitäten auf, in denen Anträge zum Thema Adipositas eingereicht werden können. Diese werden zum Beispiel dem Aktionsplan Präventions- und Ernährungsforschung oder auch der Versorgungsforschung zugeordnet sein. In der institutionellen Förderung des BMBF ist insbesondere die Förderung des Helmholtz-Zentrums München und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (Potsdam-Rehbrücke) zu erwähnen. Darüber hinaus werden Ernährungs- und Lebensstil-assoziierte Erkrankungen auch in internationalen Ausschreibungen im Rahmen der Joint Programming Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2792 Initiative „A Healthy Diet for a Healthy Life“ adressiert, in der sich Deutschland aktiv beteiligt. Zur Finanzierung der wissenschaftlichen Arbeiten kann das Kompetenznetz grundsätzlich auch die Förderprogramme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und entsprechende Förderansätze im aktuellen Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“ der Europäischen Union nutzen. 4. Welche Gründe haben dazu geführt, dass im Zusammenhang der strategischen Neuausrichtung der Förderung der Gesundheitsforschung des BMBF (Gesundheitsforschungsrahmenprogramm, Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung , Aktionsplan Präventions- und Ernährungsforschung) nun entschieden wurde, die Förderung des Kompetenznetzes nach dem Jahr 2014 zu beenden, und das, obwohl nach Information der Fragesteller die Ausschreibungsmodalitäten zur Einrichtung eines krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Adipositas im Jahr 2007 mit einer klaren Ankündigung einer Zwölf-Jahres-Förderperiode erfolgte und dies auch bei der zweiten Förderphase bestätigt wurde? Das aktuelle Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung sieht in verschiedenen Bereichen eine strategische Neuausrichtung der Förderung der Gesundheitsforschung des BMBF vor. Wichtige neue Elemente des aktuellen Gesundheitsforschungsprogramms sind die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung und der Aktionsplan Präventions- und Ernährungsforschung . Die Neuausrichtung der Forschungsförderung in diesen Bereichen erfordert es, bestehende Forschungsfördermechanismen und ihr Zusammenwirken zu überdenken. In diese Betrachtung müssen auch laufende Fördermaßnahmen einbezogen werden. Die Projektförderung des Bundes ist per Definition zeitlich befristet und kann Strukturen nicht dauerhaft finanzieren. Eine Förderung über mehrere Förderperioden der krankheitsbezogenen Kompetenznetze war entsprechend den Förderrichtlinien immer abhängig von einer erneuten Bekanntmachung. 5. Aus welchem Grund spielt nach Auffassung der Fragesteller bei dem bereits entschiedenen Aktionsplan Präventions- und Ernährungsforschung das Thema Adipositas nur eine sehr untergeordnete Rolle? Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, dass das Thema Adipositas im Aktionsplan Präventions- und Ernährungsforschung eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. auch Antwort zu Frage 3). 6. Von welchen weiteren finanzierten „klinischen Studien“, die bisher durch das Kompetenznetz Adipositas durchgeführt wurden, spricht die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 9. Juli 2014 auf die Schriftliche Frage 62 auf Bundestagsdrucksache 18/2090 der Abgeordneten Nicole Maisch, im Hinblick darauf, dass das Kompetenznetz Adipositas nach Information der Fragesteller nur von der Weiterführung einer einzigen klinischen Studie Kenntnis hat, die sich auf extrem adipöse Kinder und Jugendliche bezieht? Es handelt sich um drei klinische Studien, die im aktuellen Kompetenznetz in dem Verbundprojekt „Jugendliche mit extremer Adipositas“ zusammengefasst sind: – „Identifizierung und Charakterisierung von Jugendlichen mit extremer Adipositas“ (YES-Studie) (DRKS-ID: DRKS00004172) (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01625325), Drucksache 18/2792 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – „Randomisierte kontrollierte Studie zur Bewertung einer strukturierten, Manual-basierten, niederschwelligen Intervention vs. einer Standardbehandlung für Jugendliche mit extremer Adipositas“ (STEREO-Studie) (DRKSID : DRKS00004195) (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01703273), – „Sicherheit und Wirksamkeit einer bariatrisch-chirurgischen Maßnahme bei Jugendlichen mit extremer Adipositas im Rahmen eines strukturierten präund post-operativen Betreuungsprogramms – Beobachtungsstudie“ (DRKSID : DRKS00004196) (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02062164). 7. In welchem Haushaltstitel sollen in welcher Höhe zukünftig ab dem Jahr 2015 klinische Studien, die bislang im Rahmen des Kompetenznetzes durchgeführt wurden, gefördert werden? Für die Förderung der o. a. drei klinischen Studien sind in Kapitel 30 04/Titel 685 30 Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft insgesamt 1,5 Mio. Euro für einen Zeitraum von drei Jahren eingeplant. 8. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, dass es sich beim Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Adipositas-Erkrankungen in Leipzig, welches die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage vom 9. Juli 2014 nennt, um eine lokale Fördermaßnahme handelt und die große Mehrheit der etablierten Adipositasforscher in Deutschland trotz stetiger Zusammenarbeit von der finanziellen Förderung ausgeschlossen ist und selbst eine Weiterfinanzierung des regionalen IFB es nicht erbringen könnte, den Ausfall des deutschlandweiten Kompetenznetzes Adipositas zu kompensieren? Das Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Adipositas-Erkrankungen hat entsprechend der Zielsetzung des Instrumentes „Integriertes Forschungs - und Behandlungszentrum“ einen lokalen Fokus. Das IFB ist ein Modellzentrum mit klinischer Spitzenforschung und einem integrativen Miteinander von klinischer Forschung und Patientenversorgung auf höchstem Niveau in einem bedeutenden Krankheitsbereich. Die Bundesregierung beabsichtigt aufgrund der unterschiedlichen strukturellen Zielsetzungen nicht, durch die Förderung des IFB die Finanzierung des Kompetenznetzes zu kompensieren. 9. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, inwieweit die IFB-Projekte über das IFB hinaus vernetzt sind und es vorgesehen ist, dass auch externe Adipositasforscher in das IFB integriert werden? Die Mitglieder des IFB sind mit zahlreichen nationalen und internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Austausch und Kooperation vernetzt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333