Deutscher Bundestag Drucksache 18/2795 18. Wahlperiode 09.10.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Richard Pitterle, Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2595 – Verzinsung von Steueransprüchen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Leitzins der Europäischen Zentralbank ist in den letzten Jahren immer weiter gefallen. Aktuell liegt dieser gerade einmal bei 0,05 Prozent. Dieses historisch niedrige Zinsniveau hat auch Auswirkungen auf die Verzinsung von Krediten und Geldanlagen. In beiden Fällen finden sich derzeit ebenfalls niedrige Zinsniveaus. Demgegenüber sieht die Abgabenordnung für die Verzinsung von Steueransprüchen nach § 238 der Abgabenordnung (AO) einen festen Zinssatz in Höhe von 6 Prozent pro Jahr vor. Die Entwicklung auf den Geld- und Finanzmärkten hat keinen Einfluss auf dessen Höhe. Mit diesem festen Zinssatz sollen potenzielle Liquiditätsvorteile und -nachteile ausgeglichen werden. Er wirkt daher sowohl zu Lasten der Steuerpflichtigen, z. B. im Falle von steuerlichen Nachforderungen, als auch zugunsten dieser, z. B. im Falle von Steuererstattungen . Die derzeitige Diskrepanz zwischen dem festen Zinssatz und den am Markt anzutreffenden Zinssätzen birgt die Gefahr einer gezielten Nutzung durch steuerliche Gestaltungen. 1. Aus welchen Erwägungen wurde in der Vergangenheit für die Vollverzinsung von Steueransprüchen ein fester Zinssatz in Höhe von 6 Prozent pro Jahr gewählt? Die Regelung zur Vollverzinsung entstand in Anlehnung und Ergänzung zu schon bestehenden Zinsregelungen in der Abgabenordnung. In Anlehnung an diese Regelungen wurde auch hier ein monatlicher Zinssatz von 0,5 Prozent je vollem Zinsmonat bestimmt. Mit der Festlegung eines Zinssatzes von 0,5 Prozent je vollem Zinsmonat hat der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend festgelegt; es kommt daher nicht darauf an, ob und in welcher Höhe im Einzelfall tatsächlich ein ZinsDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. Oktober 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. vorteil oder -nachteil eingetreten ist. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll der konkrete Zinsvorteil oder -nachteil für den Einzelfall gerade nicht ermittelt werden müssen. Eine Anpassung an den jeweiligen Marktzins oder an den Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs würde wegen dessen Schwan- Drucksache 18/2795 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode kungen auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, da im Einzelnen für die Vergangenheit festgestellt werden müsste, welche Zinssätze für den jeweiligen Zinszeitraum zugrunde zu legen wären (Bundestagsdrucksache 8/1410, S. 13). In vielen Fällen ist eine solche Ermittlung nicht möglich, weil es von subjektiven Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängt, in welcher Weise er Steuernachzahlungen finanziert oder das noch nicht zu Steuerzahlungen benötigte Kapital verwendet. 2. Seit wann bestehen die Regelungen zur Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen, und wie oft wurde seit deren Bestehen der Zinssatz für die Vollverzinsung, der derzeit 6 Prozent beträgt, verändert (bitte mit Darstellung der Änderungen)? Im Rahmen des Steuerreformgesetzes 1990 (BGBl. I 1988 S. 1093; BStBl I S. 224) hat der Gesetzgeber die allgemeine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen nach § 233a AO, die so genannte Vollverzinsung eingeführt. Diese Regelung ergänzte die bis dahin bereits geltenden Zinsreglungen wie Stundungszinsen, Hinterziehungszinsen, Prozesszinsen, Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge. Der für alle Zinsen nach der Abgabenordnung einheitlich geltende monatliche Zinssatz von 0,5 Prozent je vollen Zinsmonat besteht unverändert seit deren Einführung und wurde auch in Nachzinsphasen nicht erhöht. 3. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass angesichts der derzeitigen Niedrigzinsphase mit dem festen Zinssatz zur Verzinsung von Steueransprüchen in Höhe von 6 Prozent nicht existente Liquiditätsvorteile oder -nachteile abgeschöpft bzw. ausgeglichen werden (bitte mit Begründung)? 4. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass angesichts der derzeitigen Niedrigzinsphase der feste Zinssatz in Höhe von 6 Prozent für die Verzinsung von Steueransprüchen verfassungsrechtlich eine unverhältnismäßige Typisierung darstellt (bitte mit Begründung)? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der für die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis geltende Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat liegt innerhalb der Grenzen, die für verfassungsrechtlich zulässige Typisierungen entwickelt worden sind. Bei einem Vergleich des gesetzlichen Zinssatzes mit den Marktzinsen sind nämlich nicht allein die Zinssätze für Festgeldanlagen, sondern auch die für Dispositions-, Kontokorrent- sowie Festzinskredite heranzuziehen. Auch deshalb ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung verhältnismäßig, insbesondere weil der Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen wirkt. Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt in ständiger Rechtsprechung Typisierungs - und Vereinfachungserfordernisse an. Dies ist insbesondere bei Steuergesetzen , die Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen der Fall. Der typisierende Zinssatz von 0,5 Prozent je vollen Zinsmonat gleichermaßen für Zinsvor- und -nachteile wurde mit Beschluss vom 3. September 2009 – 1 BvR 2539/07 –, HFR 2010, 171, ausdrücklich als verfassungsgemäß bestätigt. Zuletzt hat auch der Bundesfinanzhof mit überzeugenden Gründen entschieden, dass der gesetzliche Zinssatz von 0,5 Prozent je vollem Zinsmonat verfassungsgemäß ist und deshalb davon abgesehen, dem Bundesverfassungsgericht die Re- gelung gemäß Artikel 100 Absatz 1 des Grundgesetzes zur konkreten Normenkontrolle vorzulegen. Insbesondere hat er in seinem Urteil darauf hingewiesen, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2795 dass bei der Bewertung des Zinssatzes des § 238 Absatz 1 Satz 1 AO gerade nicht ausschließlich der jeweils aktuelle Zinssatz für Geldanlagen heranzuziehen ist. Vielmehr ist maßgeblich auch auf den aktuellen Kreditzins abzustellen. Bei diesem Vergleich hält sich der Zinssatz nach § 238 Absatz 1 Satz 1 AO in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen mit der Folge, dass er verfassungsgemäß ist (Urteil vom 1. Juli 2014, Az. IX R 31/13). 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass Steuerpflichtige die derzeitige Diskrepanz zwischen dem festen Zinssatz in Höhe von 6 Prozent bei der Verzinsung von Steueransprüchen und den am Markt anzutreffenden Zinssätzen zur Zinsarbitrage gezielt nutzen (bitte mit Erkenntnisquellen sowie mit Darstellung der Art und Weise der Nutzung angeben)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 6. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die derzeitige Diskrepanz zwischen dem festen Zinssatz in Höhe von 6 Prozent bei der Verzinsung von Steueransprüchen und den am Markt anzutreffenden Zinssätzen von der Finanzverwaltung genutzt wird, um durch Verzögerungen oder durch von Amts wegen angeordnete Aussetzungen der Vollziehung Mehreinnahmen zu erzielen (bitte mit Begründung)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 7. Plant die Bundesregierung, den festen Zinssatz für die Verzinsung von Steueransprüchen zu senken (bitte mit Begründung)? Die Bundesregierung plant keine Änderung des Zinssatzes für die Verzinsung von Steueransprüchen. Der für alle Zinsen nach der Abgabenordnung einheitlich geltende monatliche Zinssatz von 0,5 Prozent je vollen Zinsmonat hat sich trotz des über die Jahrzehnte wechselnden Zinsniveaus in mehr als 50 Jahren Praxis bewährt. Ein bloßer Vergleich von Zinssätzen am Kapitalmarkt und dem einheitlichen Zinssatz bei der steuerlichen Verzinsung wird den Besonderheiten der Verzinsung nach der Abgabenordnung nicht gerecht. Das besondere System der Verzinsung nach der Abgabenordnung ist zudem nicht vergleichbar mit den verschiedenen Verzinsungen auf dem Kapitalmarkt. Bei einem Zinssatz von 0,5 Prozent je vollen Zinsmonat beginnt der Zinslauf der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen erst nach Ablauf einer 15-monatigen Karenzzeit, zudem ist zu berücksichtigen, dass die Abgabenordnung keine Zinseszinsen kennt. Der effektive Zinssatz liegt daher deutlich unter 6 Prozent pro Jahr. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1, 3 und 4 verwiesen. 8. Wie wird das kassenmäßige Aufkommen aus der Verzinsung von Steueransprüchen auf die einzelnen Gebietskörperschaften Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt (bitte differenziert nach Steuerarten darstellen)? 9. Wie wird das kassenmäßige Aufkommen aus der Verzinsung von Steueransprüchen im Länderfinanzausgleich berücksichtigt? Die Fragen 8 und 9 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Aufkommen der Zinsen auf Steuern steht mit Ausnahme der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nummer 10 und 11 des Zollkodexes den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu und wird im Länderfinanzaus- Drucksache 18/2795 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gleich unmittelbar bei den jeweiligen Steuereinnahmen der Länder und ihrer Gemeinden berücksichtigt. 10. Wie stellt sich in den Jahren 2008 bis 2013 das kassenmäßige Aufkommen aus der Verzinsung von Steuerforderungen dar (bitte differenziert nach Steuerarten und Jahren angeben)? 11. Wie stellen sich in den Jahren 2008 bis 2013 die kassenmäßigen Abflüsse aus der Verzinsung von Steuererstattungen dar (bitte differenziert nach Steuerarten und Jahren angeben)? Die Fragen 10 und 11 werden wegen der fehlenden Differenzierung gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen folgende Informationen über das saldierte kassenmäßige Aufkommen aus der Verzinsung von Steuererstattungen und Steuerforderungen über die Jahre 2008 bis 2013 vor: Jahr 2008 Zinsen zur Einkommensteuer 219 403 314,– Euro Zinsen zur Körperschaftsteuer 146 159 815,– Euro Zinsen zur Umsatzsteuer 121 321 005,– Euro Zinsen zur Vermögensteuer –3 264 912,– Euro Jahr 2009 Zinsen zur Einkommensteuer 171 480 711,– Euro Zinsen zur Körperschaftsteuer 617 533 227,– Euro Zinsen zur Umsatzsteuer 153 281 045,– Euro Zinsen zur Vermögensteuer 2 084 635,– Euro Jahr 2010 Zinsen zur Einkommensteuer 703 556 147,– Euro Zinsen zur Körperschaftsteuer 179 068 914,– Euro Zinsen zur Umsatzsteuer 203 230 560,– Euro Zinsen zur Vermögensteuer 1 693 885,– Euro Jahr 2011 Zinsen zur Einkommensteuer 249 804 381,– Euro Zinsen zur Körperschaftsteuer 325 043 688,– Euro Zinsen zur Umsatzsteuer 352 438 753,– Euro Zinsen zur Vermögensteuer –888 627,– Euro Jahr 2012 Zinsen zur Einkommensteuer 114 066 423,– Euro Zinsen zur Körperschaftsteuer 363 451 745,– Euro Zinsen zur Umsatzsteuer 350 580 678,– Euro Zinsen zur Vermögensteuer –353 235,– Euro Jahr 2013 Zinsen zur Einkommensteuer 383 549 618,– Euro Zinsen zur Körperschaftsteuer 701 492 387,– Euro Zinsen zur Umsatzsteuer 203 224 138,– Euro Zinsen zur Vermögensteuer –560 572,– Euro Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2795 12. In welcher Höhe wurden in den Jahren 2008 bis 2013 kassenmäßig Säumniszuschläge nach § 240 AO vereinnahmt (bitte differenziert nach Jahren angeben)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 13. Welche Vor- und Nachteile sieht die Bundesregierung in einer kapitalmarktorientierten variablen Ausgestaltung der Verzinsung von Steueransprüchen (bitte mit Begründung)? Eine kapitalmarktorientierte und variable Verzinsung würde vernachlässigen, in welchem Maße sich die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach der Abgabenordnung von der Verzinsung der Kreditinstitute unterscheidet . So differenziert die Verzinsung nach der Abgabenordnung zum einen nicht zwischen Erstattungs- und Nachzahlungszinsen, so dass der fragliche Zinssatz nicht nur für Steuernachforderungen gilt, sondern auch für Steuererstattungen . Die Schaffung eines variablen Zinssatzes hätte bei mehrjährigen Zinsläufen (was z. B. nach Außenprüfungen, Einspruchs- oder Gerichtsverfahren häufig der Fall ist) umfangreiche, höchst komplizierte und für den Steuerpflichtigen wie auch für die Mitarbeiter der Finanzbehörden schwer nachvollziehbare Zinsberechnungen zur Folge. Zu bedenken ist auch, dass bei Änderung des Zinssatzes nach § 238 AO auch eine Anpassung des Säumniszuschlags nach § 240 AO geboten wäre. Für jeden angefangenen Monat der Säumnis ist nach geltendem Recht ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrages zu entrichten. Säumniszuschläge stellen in erster Linie ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuerforderungen dar, sind aber auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung (= Zinsanteil) und ein Ausgleich für den angefallenen Verwaltungsaufwand. Bei einer variablen Ausgestaltung des Zinssatzes müsste auch der Faktor zur Ermittlung von Säumniszuschlägen angepasst werden . 14. Welche Vor- und Nachteile sieht die Bundesregierung in einem Wechsel von der derzeitigen Kombination aus Soll- und Istverzinsung zu einer konsequenten Istverzinsung bei der Verzinsung von Steueransprüchen (bitte mit Begründung)? Der Gesetzgeber hat sich aus Vereinfachungsgründen im Grundsatz für eine Soll-Verzinsung entschieden. Maßgebend ist grundsätzlich der sog. Unterschiedsbetrag . Verzinst wird danach die Differenz zwischen dem neuen Soll und dem Vorsoll. Durch diese Methode kann der Zinsbescheid regelmäßig mit dem Steuerbescheid verbunden werden. Bei einer „reinen“ Ist-Verzinsung würden die Zinsen auf der Basis der jeweiligen gezahlten und festgesetzten Steuerbeträge ermittelt. Maßgebend wäre dann die Differenz zwischen dem auf der Steuerfestsetzung beruhenden Zahlungsanspruch, dem sog. Soll und der tatsächlich entrichteten Steuer. Eine Verzinsung nach dem Ist-Prinzip wäre besonders aufwendig , da hier nicht nur Daten des Festsetzungs-, sondern auch des Erhebungsverfahrens zu berücksichtigen wären und alle diese Daten entsprechend über viele Jahre gespeichert werden müssten. Auch könnte aufgrund des Zusammenhangs mit den Daten der Erhebung die Zinsfestsetzung – entgegen des Gebots nach § 233a Absatz 4 AO – häufig nicht mit der Steuerfestsetzung verbunden werden. Eine allgemeine Ist-Verzinsung könnte zudem den – ungewollten – Effekt haben, dass Steuerpflichtige Gelder ohne rechtlichen Grund bei den Finanzämtern „anlegen“, um Erstattungszinsen zu erzielen – um gerade dies zu Drucksache 18/2795 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode vermeiden, hatte sich der Gesetzgeber bei Einführung der so genannte Vollverzinsung grundsätzlich für das Soll-Prinzip entschieden. Selbst wenn man zur Vermeidung dieses Effekts eine Begrenzung der „taggenauen “ Verzinsung von Zahlungen des Steuerpflichtigen „auf sein Steuerkonto “ auf eine anschließende Sollstellung als Obergrenze der Zinsbemessungsgrundlage vorsehen würde, müssten für Zwecke der Zinsberechnung wesentlich mehr Daten des Erhebungsverfahrens als bisher ermittelt und in ihrer Zinswirkung analysiert werden. Bei einer späteren Änderung der einer Zahlung folgenden Steuerfestsetzung müsste die Zinsberechnung sogar von Beginn an neu durchgeführt werden. Dabei müssten „freiwillige“ Zahlungen bei mehrfacher Änderung – unter Umständen auch noch in unterschiedlicher Richtung – immer wieder neu bewertet werden. 15. Inwieweit erachtet die Bundesregierung es als sachgerecht, dass die Verzinsung von Steueransprüchen und Steuererstattungen mit dem gleichen Zinssatz erfolgt (bitte mit Begründung)? Der Gesetzgeber hat die Verzinsung bewusst einheitlich, verschuldensunabhängig und systemorientiert ausgerichtet. Hierbei spielt die Gleichheit des Zinssatzes von Erstattungen sowie Nachzahlungen eine bedeutende Rolle, die auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 3. September 2009 – 1 BvR 2539/07 –, a. a. O.) in ihrer Verhältnismäßigkeitsprüfung hervorhebt. Die Entscheidung des Gesetzgebers, im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend auf 0,5 Prozent pro Monat festzusetzen, ist rechtsstaatlich unbedenklich und stellt insbesondere keinen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot dar. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nämlich gerade auch zu berücksichtigen, dass der Zinssatz des § 233a in Verbindung mit § 238 AO gleichermaßen zugunsten wie zulasten des Steuerpflichtigen wirkt. Es dürfte Steuerzahlern (insbesondere Arbeitnehmern, die monatlich Lohnsteuer vom Arbeitslohn einbehalten bekommen) auch nur schwer vermittelbar sein, dass sie nur geringe Erstattungszinsen erhalten, zumal sie auf die Dauer des Veranlagungsverfahrens nur begrenzten Einfluss haben. Steuerpflichtige mit Steuernachzahlungen hätten ihrerseits Einwände gegen die hohen Nachzahlungszinsen ; dies gilt umso mehr, wenn in zeitlichem Zusammenhang verschiedene Steuerbescheide ergehen und sich hierbei ergebende Nachzahlungen und Erstattungen miteinander verrechnet werden. Auf Ebene der Steuerschuld ergäbe sich eine 1:1-Verrechnung, bei den Zinsen ergäbe sich hingegen ein schwer vermittelbares Ungleichgewicht zwischen Nachzahlungs- und Erstattungszinsen . 16. Inwieweit erachtet die Bundesregierung es als sachgerecht, dass die Zinsen aus der Verzinsung von Steuererstattungen beim Steuerpflichtigen zu versteuern sind, demgegenüber aber die Zinszahlungen aus der Verzinsung von Steuerforderungen steuerlich nicht geltend gemacht werden können (bitte mit Begründung)? Erstattungszinsen im Sinne des § 233 AO sind gemäß § 20 Absatz 1 Nummer 7 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Kapitalerträge. Die Steuerpflicht der Erstattungszinsen ist gerechtfertigt, denn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise handelt es sich um einen Ertrag aus der Überlassung von Kapital. Die Zinszahlung erhöht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und unterscheidet sich nicht von anderen Formen der Dar- lehensgewährung. Nachzahlungszinsen sind dagegen gemäß § 12 Nummer 3 zweiter Halbsatz EStG nicht abzugsfähig, da sie nach § 3 Absatz 4 AO zu den Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2795 steuerlichen Nebenleistungen gehören. Sie sind damit wie andere, privat veranlasste Schuldzinsen steuerlich nicht abziehbar. Nachzahlungszinsen erfüllen zudem eine Ausgleichsfunktion, da sie den Vorteil ausgleichen, der wegen der zeitlich späteren Steuerzahlung gegenüber anderen Steuerpflichtigen entsteht, die von vorneherein in zutreffender Höhe besteuert worden sind. Dieser Ausgleich würde beschränkt, wenn die Nachzahlungszinsen wiederum steuerlich abzugsfähig wären. 17. Inwieweit hält es die Bundesregierung für geboten, dass die Verzinsung hinterzogener Steuern mit einem Zinssatz erfolgt, der über dem Zinssatz liegt, der für die Vollverzinsung gilt (bitte mit Begründung)? Der Zinssatz für die Verzinsung in der Abgabenordnung ist einheitlich und mit einander verbunden ausgestaltet. Auch werden festgesetzte Zinsen nach § 233a AO, die denselben Zeitraum betreffen bei der Ermittlung der Hinterziehungszinsen angerechnet. Unterschiedliche Zinssätze widersprechen dem Zinssystem der Abgabenordnung. Die Verzinsung der Höhe nach ist verschuldensunabhängig ausgestaltet. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333