Deutscher Bundestag Drucksache 18/2947 18. Wahlperiode 21.10.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2718 – Schutz der Tiefsee vor Überfischung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Tiefsee, welche Europa umgibt, ist einer der biologisch reichhaltigsten und artenreichsten Lebensräume der Erde. Die Europäische Union (EU) ist in der Pflicht, diesen Lebensraum vor Überfischung und dem schädlichen Einfluss von Tiefsee-Bodenschleppnetzen zu schützen. Der Europäische Rat diskutiert zurzeit über eine neue Verordnung zur Befischung von Tiefseearten durch EU-Fischereifahrzeuge im Nordostatlantik. Die Europäische Kommission hatte vorgeschlagen, die Benutzung von TiefseeBodenschleppnetzen und Tiefsee-Kiemenstellnetzen auslaufen zu lassen und zu weniger schädlichen, mehr selektiven Fanggeräten und Fischereimethoden zu wechseln. Die meisten Arten in der Tiefsee wachsen sehr langsam, erreichen ein hohes Alter und sind anfällig für Überfischung. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Berichten des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES), des EU-Projekts Hermione sowie weitere Publikationen haben auf die Bedrohung von Tiefseearten durch Tiefsee-Schleppnetze sowie die zerstörerischen Auswirkungen dieser Fangmethode auf Tiefseeökosysteme, wie z. B. Kaltwasserkorallen , Schwammfelder und andere Tiefseelebensräume, hingewiesen, die am Kontinentalrand und an Tiefseebergen im Nordostatlantik vorkommen. Neueste wissenschaftliche Studien haben außerdem den negativen Einfluss von Tiefsee-Grundschleppnetzen auf die Fähigkeit von Tiefseearten- und Ökosystemen nachgewiesen, CO2 in der Tiefsee zu speichern. Die Vereinten Nationen haben alle Staaten dazu aufgerufen, schnellstmöglich Schutz- und Bewirtschaftungsmaßnahmen einzuführen, die sich mit den Auswirkungen von destruktiven Fangmethoden befassen, einschließlich Grundschleppnetzen , die nachteilige Auswirkungen auf empfindliche Meeresökosysteme haben. Die Bundesregierung hat jetzt die Chance, in den Diskussionen im Europäischen Rat eine entscheidende Rolle für den Schutz der Tiefsee einzuDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 17. Oktober 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. nehmen. Drucksache 18/2947 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wie viele deutsche Fischereifahrzeuge haben unter der gegenwärtig gültigen Verordnung (EG) Nr. 2347/2002 des Rates eine Lizenz zum Fang von Tiefseearten? Erlaubnisse zum Fang von Tiefseearten werden jahresweise erteilt. In den Jahren 2009 bis 2011 wurde keine Tiefsee-Fangerlaubnis erteilt, 2012 und 2014 jeweils eine; 2013 wurden zwei Fangerlaubnisse erteilt. 2. Welche Menge an Tiefseearten wurden von deutschen Fischereifahrzeugen in den Jahren 2009, 2010, 2011 und 2012 gefischt, basierend auf der Liste von Tiefseearten in Annex I im Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Verordnung zur Bewirtschaftung von Tiefseearten (COM (2012) 371) vom 19. Juli 2012, einschließlich der Änderungen des Europäischen Parlaments vom 10. Dezember 2013? Gemäß Geltungsbereich des o. g. Kommissionsvorschlags haben deutsche Fischereifahrzeuge in den Jahren 2009 bis 2012 insgesamt 1 312 Tonnen Tiefseearten gefangen. Die Aufteilung nach Arten ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle . Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Goldlachsfängen um Beifänge in der Fischerei auf Blauen Wittling handelt. 3. Wie viele deutsche Fischereifahrzeuge benutzen Tiefseeschleppnetze unterhalb von 600 m bzw. unterhalb von 800 m im Gebiet des Vorschlags der Europäischen Kommission (COM(2012) 371)? Deutsche Fischereifahrzeuge verwenden keine spezifischen Tiefseeschleppnetze für die Fischerei auf die in der Antwort zu Frage 2 genannten Arten. 4. Welche Arten und welche Menge pro Tiefseeart werden von diesen Fischereifahrzeugen unterhalb von 600 m bzw. von 800 m gefangen? Keine. 5. Wie groß ist die Gesamtmenge des Fangs der Fischereifahrzeuge mit Tiefseeschleppnetzen unterhalb von 600 m bzw. 800 m im Gebiet des Vorschlags der Europäischen Kommission und welche Menge des Fangs dieser Fischereifahrzeuge wird unterhalb von 600 m bzw. 800 m gefangen? Auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 wird verwiesen. 6. Wie groß ist der Betrag an Subventionen, den diese Fischereifahrzeuge seit Tabelle 1: Deutsche Fänge von Tiefseearten Fischart Fangmenge in t 2009 2010 2011 2012 Gesamt Tiefseekrabbe 194,0 210,0 259,0 78,0 742,0 Goldlachs 30,0 538,0 568,0 Gabeldorsch 2,3 0,2 2,5 Gesamt 224,0 212,3 259,0 616,2 1.312,5 dem Jahr 2009 erhalten haben? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/2947 In dem genannten Zeitraum ist ein Fischereifahrzeug der Deutschen Hochseefischerei zur Gewährleistung einer selektiveren Fischerei aus dem Europäischen Fischereifonds mit Kofinanzierung aus Bundesmitteln in Höhe von insgesamt 80 000 Euro gefördert worden. Das geförderte selektivere Netz dient zum Fang pelagischer Arten. Es wurde hiermit keine Fischerei auf Tiefseearten betrieben. 7. Wie groß ist die Quote der Bundesrepublik Deutschland, und welche Arten umfasst sie? Die Quoten und die ihnen entsprechenden Tiefseearten können der nachstehenden Tabelle entnommen werden: Tabelle 2: Deutsche Quoten für Tiefseearten 2014 gemäß Verordnung (EG) Nr. 1262/2012 EU Code Fischart Fanggebiet: Deutsche Quote (t) BSF/1234- Schwarzer Degenfisch I, II, III und IV (EU/international) 3 BSF/56712- Schwarzer Degenfisch V, VI, VII und XII (EU/international) 46 RNG/124- Grenadierfisch I, II und IV (EU/international) 1 RNG/03- Grenadierfisch III (EU/international) 3 RNG/5B67- Grenadierfisch Vb, VI, VII (EU/international) 8 RNG/8X14- Grenadierfisch VIII, IX, X, XII and XIV (EU/international) 21 DWS/56789- Tiefseehaie V, VI, VII, VIII und IX (EU/international) 0 GFB/1234- Gabeldorsch I, II, III und IV (EU/international) 9 GFB/567- Gabeldorsch V, VI und VII (EU/international) 10 ARU/34-C Goldlachs III und IV (EU) 9 ARU/567. Goldlachs V, VI und VII (EU/international) 329 ARU/1/2. Goldlachs I und II (EU/international) 24 BLI/24- Blauleng II und IV (EU/international) 4 BLI/03- Blauleng III (EU/international) 2 BLI/5B67- Blauleng Vb, VI, VII (EU/international) 24 POR/3-1234 Heringshai Gewässer FranzösischGuayana , Kattegat, Skagerrak , I-X+XII+XIV (EU); CECAF 34.1.1, 34.1.2 und 34.2 (EU) 0 GHL/2A-C46 Schwarzer Heilbutt IIa und IV (EU); Vb und VI (EU/international) 20 Drucksache 18/2947 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Welches wären die voraussichtlichen Auswirkungen für deutsche Fischereifahrzeuge , wenn eine stufenweise Einführung eines Verbots für Tiefseeschleppnetze unterhalb von 600 m bzw. 800 m in Kraft treten würde? Dies hätte keine Auswirkungen für deutsche Fischereifahrzeuge. 9. Welche Tiefseearten und welche Menge dieser Tiefseearten werden nach Deutschland importiert und von Deutschland exportiert? Im Jahr 2013 wurden aus Deutschland Schwarzer Heilbutt, Leng (Molva-Arten) und Rotbarsch (andere Arten als Sebastes marinus) mit einem Fanggewicht von insgesamt 10 319 Tonnen ausgeführt. Im selben Zeitraum wurden insgesamt 11 963 Tonnen derselben Fischarten importiert. Die Ein- und Ausfuhrmengen der anderen in der Tabelle 2 unter Punkt 7 aufgeführten Arten sind derart gering, dass sie nicht spezifisch als Tiefseearten erfasst werden. 10. Welche Quoten für Tiefseearten wurden von der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach der jeweiligen Vereinbarung des Fischerei-Ministerrats in den Jahren 2010 und 2012 getauscht? In den Jahren 2011 bis 2014 wurden nur geringe Mengen an Tiefseequoten getauscht : 11. Hat die Bundesregierung in der gegenwärtigen Diskussion im EU-Ministerrat zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Verordnung zur Bewirtschaftung von Tiefseearten (COM(2012) 371) seit der Veröffentlichung des Vorschlags im Juli 2012 den jeweiligen Ratspräsidentschaften schriftlich Kommentare zukommen lassen (wenn ja, welche )? Ja. Die deutsche Stellungnahme ergibt sich aus dem Ratsdok. Nr. 6580/14. 12. Hat die gegenwärtige Ratspräsidentschaft (Italien) eine Zusammenfassung der bisherigen Kommentare aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union verschickt? Die Kommentare der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind in dem Spaltendokument des Ratssekretariats Nr. 5803/3/14 vom 19. September 2014 zusammengefasst . Tabelle 3: Quotentausch EU Code Fischart Fanggebiet Quotentausch 2011 2012 2013 2014* BSF/56712- Schwarzer Degenfisch V, VI, VII und XII (EU/international) -27 -50 +22,5 RNG/8X14- Grenadierfisch VIII, IX, X, XII, XIV (EU/ internat.) +53 +18 -4,5 * vorläufig Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/2947 Wird die Bundesregierung sich für eine schnelle Vollendung des Dossiers bis Ende 2014 einsetzen? Ja. 13. Wurde die Bundesregierung von anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter Druck gesetzt, ihre Meinung zu diesem Dossier zu ändern oder eine andere Meinung zu vertreten? Nein. 14. Welche Position vertritt die Bundesregierung bezüglich einer stufenweisen Einführung eines Verbots für Tiefseeschleppnetze unterhalb von 600 m bzw. 800 m? Aus Sicht der Bundesregierung muss in der Tiefseefischerei ein konsequenter Metier-Ansatz verfolgt werden, der insbesondere auf bestimmte Fanggeräte und ihre Einsatztiefe abstellt, um eine nachhaltige Fischerei sicherzustellen. In diesem Sinne wird die Einführung einer Wassertiefe für die Grundfischerei grundsätzlich begrüßt. Hier sollte die Tiefenverteilung der Arten in Anhang I des Vorschlags zur Befischung von Tiefseearten im Nordostatlantik berücksichtigt werden. 15. Wird sich die Bundesregierung aktiv für eine stufenweise Einführung eines Verbots für Tiefseeschleppnetze unterhalb von 600 m einsetzen (bitte begründen)? Auf die Antwort zu Frage 14 wird verwiesen. 16. Wird sich die Bundesregierung zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Tiefseeverordnung einsetzen a) für einen tiefenbasierten Ansatz als Definition für Tiefseefischerei, Auf die Antwort zu Frage 14 wird verwiesen. b) für eine stufenweise Einführung eines Verbots von Tiefseeschleppnetzen und Tiefseestellnetzen, Die Einführung eines Verbots von Tiefseeschleppnetzen und Tiefseestellnetzen wird grundsätzlich begrüßt. In der praktischen Umsetzung erscheint ein Verbot dieser Fanggeräte allerdings nur in Verbindung mit der Angabe einer bestimmten Wassertiefe möglich, unterhalb derer das Verbot gilt. c) für die Beendigung der Überfischung von Tiefseearten dadurch, dass jeglicher Fang von Tiefseearten reguliert wird und dass sichergestellt ist, dass der Fang einschließlich des Beifangs auf ein nachhaltiges Niveau eingeschränkt werden kann, basierend auf einem klaren wissenschaftlichen Verständnis des Erhaltungszustands der Tiefseearten und Bewirtschaftung nach dem Vorsorgeprinzip, Die Bundesregierung setzt sich generell mit Nachdruck für eine nachhaltige Fischerei weltweit und gegen eine Überfischung der Weltmeere ein. Effektive Bewirtschaftungssysteme für alle befischten Bestände von Tiefseearten sind daher nach Auffassung der Bundesregierung unerlässlich. Dies schließt die Ver- Drucksache 18/2947 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode meidung von unerwünschten Beifängen ein. Die Ergänzungen des Europäischen Parlaments (EP) zum Kommissionsvorschlag im Bereich der Fangmöglichkeiten werden daher grundsätzlich unterstützt. Sie sollten jedoch entsprechend der neuen Grundverordnung zur Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) und unter Berücksichtigung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie überprüft und ggf. angepasst werden. d) verpflichtende Vorab-Folgenabschätzungen sowohl für bestehende als auch für neue Tiefseefischereien, Da die Bewertung der Fischereitätigkeiten bisher in der Regel erst im Nachhinein erfolgte, hält die Bundesregierung eine der Zulassung bestimmter Fischereitätigkeiten in der Tiefsee vorgelagerte Prüfung der Umweltverträglichkeit für einen innovativen und guten Ansatz. Insofern werden auch die vom EP eingebrachten Ergänzungen grundsätzlich unterstützt. Die Vorschläge für den Schutz empfindlicher Meeresökosysteme sind jedoch noch im Licht der Reform der GFP sowie internationaler Vereinbarungen zu prüfen. e) die Etablierung eines Mechanismus zur Identifizierung und der Schließung von Gebieten für Grundfischerei, in denen empfindliche marine Ökosysteme (EMÖ = VME) bekannt sind oder festgestellt wurden oder bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie vorkommen, um sicherzustellen , dass keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf TiefseeÖkosysteme bestehend aus Korallen, Schwämmen und Tiefseebergen eintreten, Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich Maßnahmen zur Bestimmung und Schließung von Gebieten für die Grundfischerei, in denen empfindliche Meeresökosysteme bekanntermaßen oder mit hoher Wahrscheinlichkeit vorkommen . Sie sind ein wichtiger Schritt für den Schutz von Tiefseelebensräumen . Die Vorschläge und Kriterien für den Schutz empfindlicher Meeresökosysteme sind jedoch noch im Licht der Reform der GFP sowie internationaler Vereinbarungen zu prüfen. f) die Etablierung von Kriterien zur Durchführung von Vorab-Folgenabschätzungen , zur Identifizierung von EMÖs (VMEs) und zur Evaluierung von erheblichen nachteiligen Auswirkungen wie in den FAORichtlinien (FAO = Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) aus dem Jahr 2008 zur Bewirtschaftung der Tiefseefischerei auf hoher See beschrieben, Auf die Antwort zu Frage 16e wird verwiesen. g) sicherstellen, dass alle Fänge von Tiefseearten gemeldet werden müssen , nicht nur jene der Zielfischarten, Die vom EP vorgeschlagene Ausweitung der Meldepflicht über die Zielfischarten hinaus auf alle Fänge von Tiefseearten ist im Hinblick auf den Schutz empfindlicher Meeresökosysteme eine sinnvolle Erweiterung. h) sicherstellen, dass Tiefseefischerei so bewirtschaftet wird, dass Beifang verringert und der Beifang der empfindlichsten Tiefseearten wie z. B. Tiefseehaien verhindert wird? Ja. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/2947 17. Wird die Bundesregierung mit der Ratspräsidentschaft und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammenarbeiten, um die oben genannten Punkte zu erreichen? Die Bundesregierung wird konstruktiv mit der Ratspräsidentschaft und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für eine zufriedenstellende Regelung zu den oben genannten Punkten zusammenarbeiten. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333