Deutscher Bundestag Drucksache 18/3019 18. Wahlperiode 03.11.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2925 – Stockende Verhandlungen zum EU-US-Datenschutzabkommen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der US-Generalbundesanwalt Eric Holder tritt zurück (Pressemitteilung des Departments of Justice vom 25. September 2014). Ein Nachfolger wird gesucht, bis dahin bleibt Eric Holder noch im Amt. Der Rücktritt wirft die Frage nach den Fortschritten im EU-US-Datenschutzabkommen auf. Vor drei Monaten hat in Athen ein „EU-USA Ministertreffen über Justiz und Inneres“ stattgefunden, das den besseren Informationsaustausch unter Polizeibehörden und die Sammlung von Fluggastdaten zum Inhalt hatte (www.gr2014.eu). Außer Eric Holder war auch der US-Staatssekretär Alejandro Mayorcas angereist, der zum Heimatschutzministerium gehört. Über die Notwendigkeit einer verstärkten Sicherheitszusammenarbeit herrschte Einigkeit, entsprechend hatte sich auch die EUInnenkommissarin Cecilia Malmström geäußert. In Veröffentlichungen zu dem Treffen wurde aber der Datenschutz in den Vordergrund gerückt. Eric Holder hatte auf dem Treffen im Juni 2014 versprochen, EU-Staatsangehörige im Bereich des Datenschutzes mit US-Bürgerinnen und US-Bürgern gleichzustellen (Bundestagsdrucksache 18/2472). Dies war von der EU und ihren Mitgliedstaaten vielfach gefordert worden. Das geplante Abkommen soll dann als Rahmenabkommen („Umbrella Agreement“) für andere Vereinbarungen zum Datentausch gelten, darunter die Weitergabe von Fluggastdaten oder Kontodaten (www.ec.europa.eu „Factsheet EU-US Negotiations on Data Protection“, Juni 2014). Die Geheimdienstzusammenarbeit bleibt aber außen vor. In Eric Holders Ankündigung geht es um den „Privacy Act“, der umfangreiche Garantien vorsieht, allerdings lediglich für Personen, die über eine US-Staatsangehörigkeit verfügen. Schon damals war unklar, wie dies rechtlich umgesetzt würde, denn es ist kaum wahrscheinlich, dass der US-Kongress den „Privacy Act“ entsprechend umschreiben würde. Trotzdem wurde die Initiative Eric Holders weitläufig gelobt, endlich schien sich ein Fortschritt in den jahrelangen Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 30. Oktober 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Verhandlungen über ein EU-US-Datenschutzabkommen abzuzeichnen. Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, kommentierte, im Rahmen der Verhandlungen des EU-US-Datenschutzabkommens sei eine „erstmalig gegebene Zusage“ Eric Holders erfolgt (Pressemitteilung des Bundesinnenminis- Drucksache 18/3019 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode teriums, 27. Juni 2014). Künftig würde auch EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern eine Klagemöglichkeit zum Schutz ihrer Privatsphäre in den USA eingeräumt. Dies sei „ein gutes und ermutigendes Zeichen“. Es werde eine Forderung erfüllt, „die wir lange vorgetragen haben“. Es bewege sich nun etwas, das sei „sehr erfreulich “. Ähnlich hatten sich die EU-Innenminister auf ihrem Treffen geäußert. Demnach spreche sich die US-Regierung nunmehr dafür aus, „EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern in Datenschutzfragen einen Rechtsschutz zu gewähren, der dem amerikanischer Bürger vergleichbar ist“ (Bundestagsdrucksache 18/2472). Die EU-Vizekommissionspräsidentin und Justizkommissarin Viviane Reding war vorsichtiger und kommentierte Eric Holders Ankündigung als „ersten Schritt, um das Vertrauen in unsere transatlantischen Beziehungen wiederherzustellen “. Allerdings müssten rasche Maßnahmen zur Gesetzgebung folgen (Pressemitteilung der EU-Vizekommissionspräsidentin Viviane Reding, 25. Juni 2014). Tatsächlich blieben weitere US-Initiativen seitdem aus. Eric Holders Versprechen mündeten in keinerlei offizielle Vorschläge zum Abschluss eines Datenschutzabkommens, es gibt noch immer keinen Entwurf. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g 1. Die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) werden aufseiten der Europäischen Union (EU) nicht von der Bundesregierung, sondern von der Europäischen Kommission geführt. Dementsprechend hat die Bundesregierung keinen vollständigen Einblick in Inhalt und Ablauf der Verhandlungen . Die nachstehenden Auskünfte beruhen in weiten Teilen auf den Berichten der Europäischen Kommission sowie seitens der Bundesregierung geführten Gesprächen mit Vertretern der amerikanischen Regierung. 2. Die Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der EU und den USA über den Schutz personenbezogener Daten bei deren Übermittlung und Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich terroristischer Handlungen, im Rahmen der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (nachstehend: EU-US-Datenschutzabkommen) oder auch nur zu Teilen dieses Abkommens – namentlich auch zum gerichtlichen Rechtsschutz – sind noch nicht abgeschlossen. Schon um die Verhandlungsposition der EU nicht zu schwächen, sieht die Bundesregierung grundsätzlich von der Mitteilung von Einzelheiten, die den laufenden Verhandlungsprozess betreffen , ab. Die Bundesregierung hat – gerade weil sie die Verhandlungen nicht selbst führt – zudem ein erhebliches Interesse daran, von der Europäischen Kommission und den USA Informationen über den aktuellen Stand der Verhandlungen und daran anknüpfende (geplante) Maßnahmen zu erhalten. Das hierfür erforderliche Vertrauen ginge verloren, wenn die Bundesregierung ihr vertraulich mitgeteilte Informationen preisgeben würde, die Einblick in interne Absichten und Planungen der jeweiligen Gesprächspartner geben. 1. Wann haben die Verhandlungen um das EU-US-Datenschutzabkommen nach Kenntnis der Bundesregierung begonnen, und wann war die Bundesregierung erstmals offiziell damit befasst? Der Rat der EU hat auf seiner Tagung vom 3. Dezember 2010 die Europäische Kommission dazu ermächtigt, im Namen der EU Verhandlungen über ein EUUS -Datenschutzabkommen aufzunehmen. Die Bundesregierung hat der Mandatserteilung zugestimmt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3019 2. Aus welchem Grund haben sich die Verhandlungen aus Sicht der Bundesregierung über mehrere Jahre hingezogen? Die Verhandlungsdauer ist aus Sicht der Bundesregierung insbesondere auf die unterschiedlichen Rechtssysteme, den Umfang der zu vereinbarenden datenschutzrechtlichen Regelungen und die große Bedeutung des EU-US-Datenschutzabkommens zurückzuführen. 3. Für welche EU-US-Vereinbarungen könnte das EU-US-Datenschutzabkommen aus Sicht der Bundesregierung als Rahmenabkommen („Umbrella Agreement“) gelten? Die Verhandlungen zum Anwendungsbereich des EU-US-Datenschutzabkommens sind nach Kenntnis der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse bleiben zunächst abzuwarten. Die Bundesregierung geht jedoch davon aus, dass zwischen der EU und den USA bereits geschlossene Übereinkommen zur polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit, die datenschutzrechtliche Bezüge aufweisen, vom Anwendungsbereich erfasst sein werden. Dies führt allerdings aus Sicht der Bundesregierung nicht zur inhaltlichen Verdrängung bestehender Übereinkommen bzw. bestehender datenschützender Regelungen, sondern lediglich dazu, dass die bestehenden Übereinkommen – soweit Lücken bestehen – ergänzt werden. 4. Inwiefern müssten die existierenden Abkommen aus Sicht der Bundesregierung dann neu verhandelt werden? Auf die Antwort zu Frage 3 wird Bezug genommen. Da bestehende Übereinkommen nicht verdrängt werden, wird der Abschluss des EU-US-Datenschutzabkommens aus Sicht der Bundesregierung erwartungsgemäß nicht dazu führen, dass Neuverhandlungen zu bereits existierenden Übereinkommen geführt werden müssen. 5. Inwiefern wäre von einem EU-US-Datenschutzabkommen aus Sicht der Bundesregierung auch die Geheimdienstzusammenarbeit erfasst? Der Anwendungsbereich des EU-US-Datenschutzabkommen ist auf die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen begrenzt. Die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit den USA wird daher aus Sicht der Bundesregierung nicht erfasst. 6. Welche Fortschritte sind aus Sicht der Bundesregierung in den Verhandlungen um das EU-US-Datenschutzabkommen seit Beginn des Jahres 2014 erzielt worden? Zwischen der Europäischen Kommission und den USA konnten nach Kenntnis der Bundesregierung zu zahlreichen Einzelfragen Verhandlungszwischenergebnisse erzielt werden. Als Verhandlungsfortschritt ist aus Sicht der Bundesregierung die von den Fragestellern in der Vorbemerkung erwähnte Zusage des USJustizministers Eric Holder zu werten. Drucksache 18/3019 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Worin genau besteht aus Sicht der Bundesregierung die „von den USA im Rahmen der Verhandlungen des EU-US-Datenschutzabkommens erstmalig gegebene Zusage, künftig auch EU-Bürgern eine Klagemöglichkeit zum Schutz ihrer Privatsphäre in den USA einzuräumen“? Die Zusage beinhaltet aus Sicht der Bundesregierung, dem US-Kongress vorzuschlagen , durch entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen EU-Bürgern künftig im Rahmen des Anwendungsbereichs des EU-US-Datenschutzabkommens im selben Maße gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten einzuräumen wie US-Bürgern. 8. Welche konkreten Maßnahmen wurden eingeleitet, und wer hatte die Initiative hierzu ergriffen? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist seitens der Regierung der USA beabsichtigt , einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Kongress einzubringen. 9. In welchen Treffen mit US-Behörden ist seit Beginn des Jahres 2014 über das EU-US-Datenschutzabkommen verhandelt worden? Der Bundesregierung sind die genauen Termine der einzelnen Verhandlungsrunden im Detail nicht bekannt. Nach Kenntnis der Bundesregierung fanden im Jahr 2014 aber in erheblichem Umfang Verhandlungsrunden statt, teils mehrmals im Monat. Federführend aufseiten der USA ist das US-Justizministerium. 10. Welche konkreten Zusagen hatten der US-Justizminister Eric Holder und der Berater von US-Präsident Barack Obama, John Podesta, im Juni 2014 gemacht? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 11. Inwiefern trifft es zu, dass US-Delegierte versprachen, EU-Staatsangehörige im Bereich des Datenschutzes mit US-Bürgerinnen und US-Bürgern gleichzustellen? Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 wird verwiesen. 12. Wie ist aus Sicht der Bundesregierung die Formulierung zu verstehen, dass die US-Regierung „sich nunmehr dafür ausspricht, EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern in Datenschutzfragen einen Rechtsschutz zu gewähren, der dem amerikanischer Bürger vergleichbar ist“ (Bundestagsdrucksache 18/2472)? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 13. Welche „weiteren Fortschritte“ könnten demnach, wie vom Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière als „Hoffnung“ zum Ausdruck gebracht, bei den weiteren Verhandlungen über das EU-US-Datenschutzabkommen erreicht werden? Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, hat seine „Hoffnung“ auf weitere Fortschritte in einem bilateralen Gespräch mit dem stellvertretenden Justizminister der USA James Cole zum Ausdruck gebracht (siehe Bundes- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3019 tagsdrucksache 18/2472). Die Äußerung des Bundesministers des Innern, Dr. Thomas de Maizière, hatte insoweit vor allem Appellcharakter. Aus Sicht des Bundesministers des Innern, Dr. Thomas de Maizière, wie auch der Bundesregierung ist es wichtig, die Verhandlungen zum EU-US-Datenschutzabkommen auch und gerade nach der Zusage von US-Justizminister Eric Holder in konstruktiver Weise fortzuführen und zu einem Abschluss zu bringen. 14. Inwiefern konnte der Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière in „bilateralen Gesprächen“ mit den Stellvertretern des amerikanischen Justizministers und des amerikanischen Heimatschutzministers, in denen Fragen des Datenschutzes erörtert wurden, wesentliche Änderungen in der Haltung der US-Regierung erzielen? Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, hat dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages in dessen 13. Sitzung am 4. Juni 2014 über die Ergebnisse seiner USA-Reise und die dort besprochenen datenschutzrechtlichen Fragen umfänglich Auskunft gegeben. Auf das Protokoll dieser Sitzung wird verwiesen (Protokoll-Nr. 18/13). Die konkreten Auswirkungen einzelner, bilateral geführter Gespräche auf die Haltung der Regierung der USA vermag die Bundesregierung im Übrigen nicht zu beurteilen. 15. Welche konkreten Erläuterungen hatten der stellvertretende Justizminister der USA, James Cole, oder auch andere Angehörige der US-Regierung hinsichtlich der konkreten rechtlichen Umsetzung einer zuvor von USJustizminister Eric Holder vorgestellten „Initiative der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Verbesserung des Rechtsschutzes von Unionsbürgern im Bereich Datenschutz“ gemacht (Bundestagsdrucksache 18/2472)? 16. Inwiefern wurden auch Änderungen des „Privacy Act“ in Aussicht gestellt oder sogar erörtert? 17. Wann und wo sollten entsprechende Maßnahmen weiter diskutiert oder behandelt werden? 18. Welche Verabredungen wurden über einen Entwurf entsprechender Regelungen getroffen, wer sollte diesen erstellen, und bis wann sollte dieser vorliegen? Die Fragen 15 bis 18 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf die Nummer 2 der Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 19. Mit welchen weiteren Maßnahmen zum Abschluss eines EU-US-Datenschutzabkommens ist die EU-Justizkommissarin nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit befasst? Die Europäische Kommission wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Verhandlungen mit den USA fortsetzen. Zu den noch offenen Punkten zählen nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung unter anderem der Anwendungsbereich des EU-US-Datenschutzabkommens, das Zusammenspiel mit anderen Übereinkommen sowie die Frage, wie die von den USA gegebene Zusage regelungstechnisch im EU-US-Datenschutzabkommen festgehalten werden kann. Drucksache 18/3019 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Auf welche Weise wird sich die Bundesregierung hinsichtlich des Abschlusses eines EU-US-Datenschutzabkommens auf das nächste „EU-USA Ministertreffen über Justiz und Inneres“ im November 2014 vorbereiten? 21. Inwiefern und auf welche Weise wird die Bundesregierung auf die Einhaltung der im Juni 2014 gegebenen Zusagen drängen? Die Fragen 20 und 21 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf die Nummer 2 der Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333