Deutscher Bundestag Drucksache 18/3026 18. Wahlperiode 03.11.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Steffi Lemke, Agnieszka Brugger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/2666 – Gefahren und Bergung von Waffen- und Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ vom 7. August 2014 ist die Rede von „1,6 Millionen Tonnen Altlasten aus zwei Weltkriegen“ in der Nord- und Ostsee , bestehend aus Seeminen, Bomben, Waffen und Munition. In einem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus dem Jahr 2008 summierten sich diese Altlasten damals noch auf mindestens 500 000 Tonnen (Bundestagsdrucksache 16/9103). Es scheint, als würden bei Bergungen stets neue Altlasten ausfindig gemacht. Das tatsächliche Ausmaß ist nicht bekannt und könnte weitaus größer sein als bisher vermutet. Verletzungen für Badegäste, Spaziergänger und Fischer sind zwar bislang eher Einzelfälle, aber die Vergiftung des Meeres und ihrer Flora und Fauna nimmt in dem Maße zu, wie die Zeit davon läuft. Nicht geborgene Altlasten sind im doppelten Sinne Zeitbomben. Sie können durch Sprengung oder durch Zerfall Gifte freisetzen. Fische und andere Meerestiere können daran verenden oder gesundheitliche Schäden erleiden. Auch der Mensch am Ende der Nahrungskette wird mit dieser im Laufe der zunehmenden Vergiftung von Meerestieren konfrontiert werden, sofern dieser Waffenschrott weiter vor sich hin rostet und ein ständiges Gefahrenpotenzial darstellt. Ein vollständiger Wasseraustausch der Ostsee würde laut dem o. g. Artikel an die hundert Jahre dauern. Die Zersetzung der Gifte, wie Blausäure, Senfgas, Phosgen oder die Nervengifte Tabun und Sarin verlaufe im Meer zudem anders als im Labor. Senfgas würde als Klumpen in Fischernetzen landen und den Fang vergiften oder Touristen am Strand verletzen. Phosphor würde mit Bernstein verwechselt, der, wenn er trocknet, sich entzündet und zu Verbrennungen führt. Die Natur wird es also nicht richten. Folglich gibt es keine kostengünstige AlDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 29. Oktober 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. ternative zur Bergung. Drucksache 18/3026 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Vorliegende Kleine Anfrage wird aus einem Artikel in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“, Ausgabe 33/2014 vom 24. August 2014, abgeleitet. Die Bundesregierung verweist auf die Antworten auf Kleine Anfragen zum selben Thema, darunter auf die Kleine Anfrage „Munition in Nord- und Ostsee“ der Fraktion DIE LINKE. vom 6. September 2012 (Bundestagsdrucksache 17/10620) und die Antwort der Bundesregierung vom 26. September 2012 (Bundestagsdrucksache 17/10795). Die Fragen beziehen sich sowohl auf den Bund, soweit die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee betroffen ist, als auch auf die für die deutschen Hoheitsgewässer der Nord- und Ostsee zuständigen Küstenbundesländer . Wo möglich, wird deshalb in den Antworten Bezug genommen auch auf den Expertenkreis „Munition im Meer“ des Bund-Länder-Ausschusses Nord- und Ostsee (BLANO) unter Vorsitz von Schleswig-Holstein, welche räumlich auf die deutschen Hoheitsgewässer sowie die AWZ in Nord- und Ostsee bezogen und thematisch auf alle Arten von Munition ausgerichtet ist. Diese Expertengruppe des Bundes und der Küstenländer hat auch den Kenntnisstand des Jahres 2011 im umfassenden BLANO-Bericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Bestandsaufnahme und Empfehlungen“ mit Anlagen auf mehr als 1 100 Seiten dargestellt und in den Jahren 2012 und 2013 jährliche Fortschrittsberichte vorgelegt. Alle Berichte werden auf dem vom Land Schleswig-Holstein betriebenen Internet Portal Munition im Meer (www.munition-im-meer.de) öffentlich zur Verfügung gestellt. Da der Bericht als „lebendes Dokument“ konzipiert ist, wird die nächste Fortschreibung im Januar 2015 erfolgen und das Jahr 2014 umfassen. Die Bundesregierung hat wegen der Vielzahl betroffener Einzelaspekte im Jahr 2009 ein informelles Netzwerk unter gemeinsamer Leitung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zwecks gegenseitiger Information und zeitnaher Reaktion zu Munitionsaltlasten im Meer gebildet. Sie ist, vertreten durch BMUB, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (für BMVI) und das Thünen-Institut (für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft), Mitglied des o. a. BLANO-Expertenkreises. 1. Wie hoch ist laut Kenntnis der Bundesregierung das Volumen (in Tonnen) an Rüstungsaltlasten oder sonstiges entsorgtes Material aus Bomben, Granaten , Minen, Munition und anderen Kampfmitteln jeweils in der deutschen Nord- und Ostsee sowie der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)? Hierzu wird auf den in der Vorbemerkung erwähnten Bericht des BLANO-Expertenkreises und seine Jahresberichte, zuletzt „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Entwicklungen und Fortschritt (2013)“, veröffentlicht auf www.munition-im-meer.de, verwiesen. 2. Welche aktuellen Erkenntnisse zur Verteilung von konventioneller Munition bzw. chemischer Kampfstoffe in der deutschen Nord- und Ostsee gibt es? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3026 3. Welche Gifte aus Munition lagern laut Kenntnis der Bundesregierung in etwa welchen Mengen in deutschen Meeresgewässern (jeweils in der deutschen Nord- und Ostsee sowie der deutschen AWZ)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Welche Untersuchungen zum Zustand der Altmunition und welche Modellierungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung vorgenommen, um zu erfahren, welche Mengen der jeweiligen Gifte in den kommenden Jahren durch Korrosion oder anderweitige Einflüsse ins Meer freigesetzt werden? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 5. Wie viele und welche Kampfmittel werden heute nach Kenntnis der Bundesregierung noch durch Manöver der deutschen und internationalen Marinen in die deutsche Nord- und Ostsee sowie in die deutsche AWZ eingebracht? Alle seegehenden Einheiten der Marine führen Schießübungen mit unterschiedlichen Munitionsarten durch. Detaillierte Angaben zu den Schießübungen unterliegen der militärischen Geheimhaltung. Grundsätzlich kann überall auf See geschossen werden, wenn die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen (Wassertiefen , Wetterverhältnisse, Seeraum überprüft und frei von Fahrzeugen) vorliegen . Die Marine führt keine regional bezogenen Auswertungen für Verbräuche verschiedener Munitionsarten und Kaliber durch. Allgemein gilt jedoch, dass Schießübungen zum weit überwiegenden Teil mit „inerter“ Munition (Übungsmunition ), bestehend aus Metall und Beton, sowie mit in der Luft selbstzerlegender Munition durchgeführt werden. Zu Seestreitkräften anderer Staaten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 6. Welche regelmäßigen Untersuchungen in den deutschen Gewässern von Nord- und Ostsee dienen nach Kenntnis der Bundesregierung heute der Erfassung von Munitionsaltlasten bzw. deren Inhaltsstoffen (falls keine, bitte begründen warum nicht)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 7. Welche darüber hinausgehenden Monitoringaktivitäten sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen der Verpflichtungen, die sich aus der Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie ergeben, geplant (bitte erläutern , welche Stoffe aus welchem Grund erhoben werden und welche aus welchem Grund nicht)? Allgemein bestehen Verpflichtungen zur routinemäßigen (d. h. wiederholten) Überwachung der Meeresumwelt (Monitoring) im Rahmen des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR), des Helsinki-Übereinkommens (HELCOM) über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets sowie der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) und der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der Europäischen Union (EU) zur Beurteilung der Qualität der Meeresumwelt. Eine rechtliche Verpflichtung zur speziellen Untersuchung der Meeresumwelt auf die Freisetzung von Inhaltsstoffen versenkter Munition besteht hingegen nicht. Die Voraussetzungen für eine umfassende Überwachung der Meeresumwelt (Monitoring) von Inhaltsstoffen aus Kampfmitteln in der Meeresumwelt sind derzeit nicht gegeben. Zu den Voraus- setzungen zählt unter anderem, dass die Untersuchungsergebnisse auch aussagekräftige Schlussfolgerungen zulassen. So muss geklärt sein, dass eventuell posi- Drucksache 18/3026 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode tive Ergebnisse (z. B. Nachweis von Arsenverbindungen) ursächlich auch eindeutig (lokal) vorhandener Munition zugeordnet werden können. Außerdem müssen zu den untersuchten Verbindungen auch belastbare ökotoxikologische Daten zu deren Bewertung existieren. Die Bundesregierung unterstützt daher die Empfehlung des BLANO-Expertenkreises „Munition im Meer“, die Entwicklung geeigneter Methoden zur Bewertung und Überwachung von munitionsbelasteten Gebieten bzw. Munitionsversenkungsgebieten anzustreben. Wenn geeignete Methoden bereitstehen, wird die Bundesregierung die Aufnahme in die MSRL-Monitoringprogramme im Rahmen ihres künftigen Aktualisierungszyklus prüfen. 8. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine systematische Aufarbeitung verfügbarer Daten über Munitionsaltlasten über Befragungen von Fischern , noch lebenden Zeitzeugen oder die Aufarbeitung von Archiven, wenn ja, mit welchen Ergebnissen, und wenn nein, warum nicht? Hierzu wird auf den in der Vorbemerkung erwähnten Bericht des BLANO-Expertenkreises und seiner Jahresberichte, zuletzt „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Entwicklungen und Fortschritt (2013)“, veröffentlicht auf www.munition-im-meer.de, verwiesen. 9. Welche Strategien oder konkreten Pläne existieren nach Kenntnis der Bundesregierung bezüglich der Bergung dieser Altlasten in deutschen Meeresgewässern (jeweils in der deutschen Nord- und Ostsee sowie der deutschen AWZ)? Die Bundesregierung setzt ihre Arbeit im BLANO-Expertenkreis Munition im Meer fort und verfolgt den gemeinsam zwischen Bund und Küstenbundesländern entwickelten systematischen Ansatz zum Umgang mit Munition in deutschen Meeren. Eine flächendeckende und bedingungslose Bergung ist kein Bestandteil des Ansatzes, wie im Bericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Bestandsaufnahme und Empfehlungen (Stand 2011)“ und den Fortschreibungen dargelegt. Wo keine Gefährdungssituation besteht, gilt nach wie vor der Grundsatz, dass versenkte Munition und Kampfmittel wegen des mit einer Bergung verbundenen Risikos am besten dort verbleiben, wo sie liegen. Darüber hinaus ist eine flächendeckende Bergung von Munition und Kampfmitteln unter infrastrukturellen, personellen und finanziellen Gesichtspunkten nicht darstellbar. Insofern wird eine Bergung oder Beseitigung von Munition nach dem derzeitigen Stand der Technik in aller Regel nur dort stattfinden können, wo durch die zuständige Behörde ein immanentes Gefährdungspotenzial festgestellt worden ist. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung vom 26. September 2012 zu den Fragen 1, 2 und 42 der Kleinen Anfrage „Munition in Nordund Ostsee“ der Fraktion DIE LINKE. vom 6. September 2012 (Bundestagsdrucksache 17/10795) verwiesen. Vor diesem Hintergrund werden prioritär von den zuständigen Gefahrenabwehrbehörden der Länder (z. B. Kampfmittelräumdienst – KRD – Schleswig-Holstein , Landeskriminalamt, Innenministerium Schleswig-Holstein) im Zusammenwirken mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und mit Amtshilfe der Bundesmarine (im Jahr 2014 auch unter Einbeziehung eines NATO-Verbandes) derzeit nur konkrete Risiken bzw. Gefahren im Wege der Gefahrenabwehr beseitigt. Ein solcher Bearbeitungsschwerpunkt ist das Verkehrstrennungsgebiet (VTG) Kiel im Zufahrtsbereich des Nord-Ostsee-Kanals und des Kieler Hafens. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3026 10. Bewertet die Bundesregierung den aktuellen Wissensstand zu den derzeit registrierten Kriegsaltlasten als zufriedenstellend, und bis wann sollen diese nach Kenntnis der Bundesregierung geborgen sein (jeweils für die deutsche Nord- und Ostsee einschließlich der deutschen AWZ)? Der Bericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Bestandsaufnahme und Empfehlungen (2011)“ ist als lebendiges und wachsendes Dokument angelegt. Fortschreibungen haben in den Jahren 2012 und 2013 bereits stattgefunden. Zusätzlich zu dieser systematisierten koordinierten Herangehensweise – um weitere Informationen zu Einbringungsorten sowie Art und Menge der versenkten Kampfmittel zu erhalten und auszuwerten – führen Mitglieder des BLANO-Expertenkreises Recherchen in einschlägigen Archiven durch. Die Ergebnisse solcher Archivrecherchen können in begründeten Fällen Untersuchungen vor Ort nach sich ziehen. Daneben wurde durch Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport im August 2012 die gemeinsame Meldestelle der Küstenbundesländer für Vorfälle mit Munition im Meer bei der gemeinsamen Leitstelle der Wasserschutzpolizeien der Länder im Maritimen Sicherheitszentrum (Cuxhaven) eingerichtet. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 11. Wie viele Tonnen an Kriegsaltlasten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 aus der deutschen Nord- und Ostsee einschließlich der deutschen AWZ geborgen (bitte differenziert nach Jahren sowie Art der Funde, z. B. Bomben, Granaten, Minen, Munition und andere Kampfmittel)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 sowie ergänzend auf die jährliche Berichterstattung gemäß OSPAR und HELCOM verwiesen. 12. Hält die Bundesregierung die bisherige Arbeit der in Cuxhaven eingerichteten nationalen Meldestelle für Munitionsfunde für ausreichend, und wie wird die Bundesregierung deren Arbeit weiter unterstützen? Die Bundesregierung hat die Etablierung der nationalen registrierende Stelle für Munitionsfunde und Ereignisse mit Fundmunition im Meer gemeinsam mit den Küstenbundesländern unterstützt. Mit der Meldestelle wird eine einheitliche Dokumentation, ein vereinfachter Datenaustausch mit dem Unterwasserdatenzentrum der Bundeswehr und den Diensten des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sowie eine Erleichterung der Berichterstattung an HELCOM und OSPAR angestrebt. Im ersten vollständigen Berichtsjahr 2013 sind bei der Meldestelle 148 Meldungen eingegangen. Die Bundesregierung begrüßt die Arbeit der Meldestelle und unterstützt das Meldeverfahren operativ sowie in seiner Weiterentwicklung. Derzeit wird in Zusammenarbeit mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) eine Handlungshilfe für Meldungen aus Sicht im maritimen Bereich professionell tätiger, potentiell Meldender entwickelt. Drucksache 18/3026 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Wie viele Taucher und Experten (differenziert nach fest angestellten wie selbstständigen) werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit zur Überwachung bzw. Bergung der in der Meldestelle bzw. evtl. andernorts registrierten Kriegsaltlasten jeweils in der deutschen Nord- und der Ostsee und der AWZ eingesetzt? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine Erkenntnisse. Informationen hierüber könnten bei den Küstenbundesländern und ihren zuständigen Gefahrenabwehrbehörden verfügbar sein. 14. Welche und wie viele Taucher und weitere Experten werden nach Kenntnis der Bundesregierung in den kommenden Jahren zusätzlich eingestellt oder beauftragt, um die Bergung der registrierten Kriegsaltlasten sowie die Erkundung und Registrierung weiterer Lagerorte in der deutschen Nordund Ostsee sowie in der AWZ zu bewerkstelligen? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine Erkenntnisse. Informationen hierüber könnten bei den Küstenbundesländern und ihren zuständigen Gefahrenabwehrbehörden verfügbar sein. 15. Wie viele autonome Roboter werden derzeit zur Bergung der registrierten Kriegsaltlasten jeweils in der deutschen Nord- und Ostsee einschließlich der deutschen AWZ eingesetzt? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine Erkenntnisse. Informationen hierüber könnten bei den Küstenbundesländern und ihren zuständigen Gefahrenabwehrbehörden verfügbar sein. 16. Welche und wie viele Gerätschaften (bitte nach ihrer Art aufschlüsseln) werden nach Kenntnis der Bundesregierung in den kommenden Jahren zusätzlich eingesetzt, um die Bergung der registrierten Kriegsaltlasten zu bewerkstelligen , und inwieweit wird dabei die Bundeswehr beteiligt? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. Deshalb wird die Bergung der registrierten Kriegsaltlasten derzeit nur eingeleitet, wenn die zuständige Gefahrenabwehrbehörde des Bundeslandes im Einzelfall eine entsprechende Gefährdungsabschätzung vornimmt. Eine Einschätzung über den Einsatz zusätzlicher Geräte ist nicht möglich. 17. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung, insbesondere nach Erfahrung der Bundeswehr, mit georteten Kriegsaltlasten umgegangen, die zu ihrer Bergung gesprengt werden müssten, aufgrund der Schädigung der Meeresflora und -fauna aber nicht gesprengt werden können? Der Bundesregierung liegen hierüber keine Erfahrungen vor. Im Übrigen wird auf die Zuständigkeit der Küstenländer für Munitionsfunde sowie die Jahresberichte des BLANO-Expertenkreises „Munition im Meer“ verwiesen. 18. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es sich bei der Bergung von Kriegsaltlasten in der Nord- und Ostsee bzw. in der AWZ um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Bundes und der Küstenländer handelt? 19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein Vorgehen der Beseiti- gung einzelner Munitionskörper im Gegensatz zu einer systematischen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3026 Bergung die Meeresflora und -fauna langfristig gefährdet, und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 18 und 19 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Jede Munitionsbergung im Meer stellt potenziell ein Risiko für die Meeresfauna und -flora dar. Die Bundesregierung widmet der Problematik der Kriegsaltlasten , die von den Ländern als eigenständiger Teil der gesamten Altlastenproblematik angesehen wird, seit jeher hohe Aufmerksamkeit. Des Weiteren wird auf die Ausführungen in der Antwort zu Frage 9 verwiesen. 20. Sieht die Bundesregierung Bedarf an einem auf Bundesebene koordinierten , systematischen Vorgehen mit Bezug auf die Beseitigung von Munitionsaltlasten im Meer, welche bisher nur im Rahmen von einzelnen Gefahrenabwehrmaßnahmen durch die Länder vorgenommen werden? Die Beseitigung von Rüstungsaltlasten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs ist als Gefahrenabwehr im ordnungsrechtlichen Sinne nach der föderalen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes grundsätzlich eine Aufgabe der Länder (Artikel 30, 83 des Grundgesetzes – GG). Der Bund finanziert alle Maßnahmen der Gefahrenbeseitigung auf nicht bundeseigenen Grundstücken, soweit sie durch ehemals reichseigene Kampfmittel erforderlich wurden. Er beteiligt sich nicht an den Kosten der Bergung und Entsorgung von Altmunition in Nord- und Ostsee . Die Finanzierung durch den Bund erfolgt auf der Grundlage einer seit den 50er-Jahren bestehenden Staatspraxis, die bei Neufassung des Artikels 120 GG in den Jahren 1965 und 1969 als fortgeltende Kostenverteilungsregelung zwischen Bund und Ländern zugrunde gelegt worden ist. Nach dieser Staatspraxis finanziert der Bund im Rahmen seiner Verpflichtungen nach § 19 Absatz 2 Nummer 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) nur Maßnahmen zur Beseitigung von unmittelbaren Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen auf nicht bundeseigenen Liegenschaften. Das AKG gilt nur für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland. Munitionsaltlasten in der Nord- und Ostsee bzw. in der deutschen AWZ werden von dem Gesetz nicht erfasst . 21. Wie hoch waren die Ausgaben, die die Bundesregierung zur Bergung der Kriegsaltlasten seit dem Jahr 2010 getragen hat, und welche Haushaltsmittel werden für die Jahre 2014 und 2015 sowie für die Folgejahre jeweils bereitgestellt? Kosten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes: Im Zeitraum der Jahre 2010 bis einschließlich 2013 wurden im Rahmen der Gefahrenabwehr Haushaltsmittel in Höhe von 11,349 Mio. Euro verausgabt. Für das Jahr 2014 sind Ausgaben in Höhe von rund 12,1 Mio. Euro zu erwarten. Für das Jahr 2015 sind derzeit rund 3,3 Mio. Euro eingeplant. Für die Folgejahre liegt noch keine Planung vor. 22. Welche alternativen Pläne hat die Bundesregierung für eine gegebenenfalls notwendig werdende Entgiftung der Nord- und der Ostsee, die durch entweichende Giftstoffe der Kriegsaltlasten entstehen könnte? Die Bundesregierung sieht aktuell keine Notwendigkeit zur Entwicklung ent- sprechender Pläne. Eine „Entgiftung“ setzte eine Vergiftung voraus. Der Bericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Bestandsaufnahme und Drucksache 18/3026 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Empfehlungen (Stand 2011)“ enthält eine solche Information nicht. Ferner wird auf die vorausschauende, systematisierte Arbeit des BLANO-Expertenkreises und die Ausführungen in der Antwort zu Frage 9 verwiesen. 23. Welche Informationen liegen der Bunderegierung über die Anreicherung toxischer Substanzen aus Kriegsaltlasten in der marinen Nahrungskette vor, und welche potenziellen Gefahren existieren daraus für den Menschen ? Derzeit sind eine Anreicherung von Schadstoffen aus versenkter Munition und Kampfmitteln in der marinen Nahrungskette sowie möglicherweise damit einhergehende Gefahren für den bzw. die Verbraucher(-in) nicht erkennbar. Der Bericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Bestandsaufnahme und Empfehlungen (Stand 2011)“ stellt klar, dass eine Gefährdung von Verbrauchern durch möglicherweise kontaminierte marine Produkte, insbesondere Nahrungsmittel, nach derzeitigem Kenntnisstand als äußerst unwahrscheinlich einzuschätzen ist. Der in der Antwort zu Frage 9 genannte Bericht kommt zu folgendem Ergebnis (S. 81): „Zusammenfassend ist festzustellen, dass sprengstofftypische Verbindungen eine Belastung bzw. Gefahr für die Meeresumwelt darstellen können. Eine über den unmittelbaren Nahbereich versenkter Kampfmittel hinausgehende konkrete Gefährdung konnte jedoch bisher nicht nachgewiesen werden. Weitere Gefährdungsabschätzungen müssen jeweils einer individuellen standörtlichen Einzelbetrachtung vorbehalten bleiben.“ Weiterhin ist die Fragestellung einer möglichen Anreicherung sowie der Toxizität von Munitionsinhaltsstoffen und deren Abbau- und Umwandlungsprodukten Gegenstand aktueller Forschung, darunter z. B. des von der EU geförderten CHEMSEA-Projektes (2011 bis 2014) mit Untersuchung von Dorschen aus der Ostsee auf Rückstände chemischer Kampfstoffe. So ist der Nachweis des Elements Arsen in Fischen (Meldungen hierüber tauchen wiederholt in den Medien auf) noch kein Beweis für den Kontakt mit arsenhaltigen Kampfstoffen. Arsen kann in verschiedenen chemischen Verbindungen vorkommen, von denen einige auch natürlich in der Meeresumwelt vorkommen. In diesem Zusammenhang wird auf die Antworten zu den Fragen 39 und 40, die Berichte des BLANO-Expertenkreises Munition im Meer wie auch die Antwort zu Frage 8 auf Bundestagsdrucksache 17/10795 verwiesen. 24. Welchen Schutz und welche Schadensersatzleistungen gewährt die Bundesregierung den vom Gift und Schrott aus Munition betroffenen Fischern und Touristen? Die bekannten Munitionsversenkungsgebiete sind in den Seekarten ausgewiesen , so dass allen auf und im Meer befindlichen Personen das entsprechende Gefährdungspotenzial bewusst sein muss. Schadensersatzforderungen sind gegenüber der Bundesregierung bisher soweit ersichtlich nicht erhoben worden. Ob sie ggf. begründet sind, müsste dann nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls , in dem ein Schaden entstanden ist, geprüft werden. In fischereirechtlichen Vorschriften gibt es keine Rechtsgrundlage für die Erfassung der genannten Schäden und deren Kompensation. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3026 25. In welchen Gebieten besteht nach Kenntnis der Bundesregierung außer dem Versenkungsgebiet von Tabungranaten bei Helgoland ein Fischereiverbot aufgrund von Munition? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine Erkenntnisse. Auf die Zuständigkeit der Küstenländer wird verwiesen. 26. Welche Schäden oder Verletzungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang in der deutschen Fischerei vermerkt? Die Bundesregierung verfügt hierzu nicht über statistisch belegbare Erkenntnisse . Einzelne Verletzungen sind der Seeberufsgenossenschaft bekannt. 27. Wie viele Meldungen von Fischern an die Bundes- und nach Kenntnis der Bundesregierung Landesbehörden über Munitionsfunde gibt es (bitte Angaben der letzten zehn Jahre getrennt nach Seegebieten und Art der Munition auflisten), und wie wird mit diesen Funden umgegangen? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine Erkenntnisse. Im Übrigen wird auf den in der Vorbemerkung der Bundesregierung erwähnten Bericht des BLANO-Expertenkreises und seine Jahresberichte verwiesen. 28. Welchen Schutz und welche Schadensersatzleistungen gewährt die Bundesregierung den von einer Vergiftung oder einer Explosion bedrohten Tauchern und auf dem Meer beruflich tätigen Personen? Die bekannten Munitionsversenkungsgebiete sind in den Seekarten ausgewiesen , so dass allen auf und im Meer befindlichen Personen das entsprechende Gefährdungspotenzial bewusst sein muss. Schadensersatzforderungen sind gegenüber der Bundesregierung bisher soweit ersichtlich nicht erhoben worden. Ob sie ggf. begründet wären, müsste dann nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls , in dem ein Schaden entstanden ist, geprüft werden. 29. Wie viele auf und in der deutschen Nord- und Ostsee einschließlich der deutschen AWZ beruflich tätige Personen (Taucher und weitere Experten) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang durch die Bergungen verletzt oder getötet? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine Erkenntnisse. 30. Welche Schadensersatzleistungen gewährt die Bundesregierung den Angehörigen der durch eine Vergiftung oder eine Explosion getöteten Taucher und auf der deutschen Nord- und Ostsee sowie der deutschen AWZ beruflich tätigen Personen? Eine Schadensersatzleistung wäre nur denkbar, wenn im konkreten Einzelfall die Voraussetzungen der Amtshaftung erfüllt wären. Drucksache 18/3026 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 31. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, dass sich der Bau oder Anschluss von Offshore-Windparks durch Kriegsaltlasten verzögert haben , und geht sie davon aus, dass sich aus weiteren Munitionsfunden eine Verzögerung der Energiewende ergeben wird (bitte jeweils begründen)? Der Bundesregierung liegen nur in einem Fall Erkenntnisse über Verzögerungen vor. Die Anbindung des Offshore-Windparks (OWP) Riffgat durch TenneT hatte sich verzögert, weil insbesondere im Trassenbereich der Osterems wesentlich größere Mengen an Munition gefunden worden waren, als zuvor durch Sondierungen (im Auftrag von TenneT) abgeschätzt worden war. Allerdings war im Zusammenhang mit der Trassengenehmigung seinerzeit allen Beteiligen bekannt gewesen, dass dort in Teilbereichen ein laut Seekarte „unreines Gebiet (Munition)“ vorlag. Eine signifikante Verzögerung der Energiewende wird nicht erwartet. Durch entsprechend frühzeitige und hinreichende Planung und Vorbereitung lassen sich Verzögerungen vermeiden oder zumindest reduzieren. 32. Durch welche öffentliche Stelle verfolgt die Bundesregierung die in der AWZ erfolgenden Beräumungen von Kriegsaltlasten? Die Zuständigkeit für die Kampfmittelbeseitigung liegt bei den Ländern. Das gilt nach Auffassung der Bundesregierung auch in der AWZ (siehe Antwort zu Frage 18). 33. Welches System wird nach Kenntnis der Bundesregierung im Zuge des Baus von Kabelverlegungen zur Anbindung von Windparks oder im Rahmen des Baus von Offshore-Windkraftanlagen zur Bereinigung von Kriegsaltlasten verunreinigter Gebiete angewandt, und wie stellt sie eine korrekte Befolgung etwaiger Vorgaben sicher? Der Bauherr wird durch den Genehmigungsbescheid verpflichtet, die DIN 4020 zu beachten. Danach ist der Baugrund vor Beginn der Bauarbeiten auf Kampfmittelfreiheit zu untersuchen. Soweit im Rahmen der Erkundigung Kampfmittel aufgefunden werden, ist der Baugenehmigungsbehörde ein Räumungskonzept vorzulegen. Dieses muss u. a. effektive Schallschutzmaßnahmen zur Vermeidung der Schädigung mariner Säuger enthalten. Das Räumungskonzept wird von der Baugenehmigungsbehörde unter Einbeziehung der zuständigen Behörde der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, des Bundesamtes für Infrastruktur , Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr sowie der für den Artenschutz verantwortlichen Stelle geprüft (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/10620 „Munition in Nord- und Ostsee“, Antwort zu Frage 16). 34. Welche Kampfmittel wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 für den Bau und Anschluss von Offshore-Windkraftanlagen in der deutschen AWZ geräumt, welche Minderungsmaßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt und Meeressäugern wie Schweinswalen wurden jeweils dabei eingesetzt, und wie und durch wen wurde eine korrekte Ausführung sowie der Erfolg der Maßnahmen kontrolliert? Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, welche Kampfmittel seit 2000 für den Bau und Anschluss von Offshore-Windkraftanlagen in der deutschen AWZ geräumt wurden. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) weist die Bauherren von Offshore-Windparks und Kabel- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/3026 anbindungen in der AWZ bei der Sprengung von Munitionsaltlasten zum Schutz mariner Säuger auf den Einsatz von Schallminderungsmaßnahmen, wie etwa Blasenschleier, hin und lässt sich über den Einsatz in den regelmäßigen Besprechungen zum Fortgang der Bauarbeiten berichten. 35. Unterstützt die Bundesregierung den Gesetzentwurf des Bundesrats zu einem Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz, und wenn nein, warum nicht, und wie beabsichtigt die Bundesregierung, die Zuständigkeiten hinsichtlich der Munitionsaltlasten in der Nord- und Ostsee bzw. in der deutschen AWZ und deren Beseitigung zu regeln? Der Gesetzentwurf des Bundesrats zu einem Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetzes wird von der Bundesregierung abgelehnt. Die im Entwurf vorgesehenen Vorausleistungen des Bundes zur Vorfinanzierung der festgelegten Programme sowie der Finanzierung von Sofortmaßnahmen sind wirtschaftlich nicht zielführend. Dieses Konzept setzt insoweit die falschen Anreize, selbst wenn der Entwurf versucht, dieses Prinzip durch Regelungen zu flankieren, die dem Bund bei der Veranschlagung der erforderlichen Mittel für den zu erstellenden Fünfjahresplan Einflussmöglichkeiten einräumen. Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass die Kosten für den Bund sich mehr als verdoppeln werden. Die Bundesregierung rechnet dagegen mit einer noch höheren Kostensteigerung in der Folge einer solchen Neuregelung. Die Länder tragen bisher die Kosten für die Beseitigung von alliierter Munition. Dabei handelt es sich zum größten Teil um die Bergung zufällig gefundener Bomben (Blindgänger). Im Hinblick auf die dortigen Landeshaushaltsordnungen muss dabei nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verfahren werden. Bei einer Finanzierung durch den Bund wären die Länder nicht mehr dazu angehalten, insoweit nach diesen Prinzipien zu handeln. Von daher ist eine Beteiligung der Länder an den Kosten für die Beseitigung der Rüstungsaltlasten wie bisher geboten. Wegen des zweiten Teils der Frage wird zudem auf die Antwort zu Frage 20 verwiesen (keine Änderung der bestehenden Regelungen). 36. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Bericht „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer – Bestandsaufnahme und Empfehlungen“, dass sprengstofftypische Verbindungen eine Belastung bzw. Gefahr für die Meeresumwelt darstellen können? Die Bundesregierung war an der Erstellung des Berichts beteiligt. Dementsprechend teilt sie die dargelegte Einschätzung, dass bisher keine erhebliche, großräumige Belastung der Meeresumwelt durch Kampfmittel beziehungsweise deren Komponenten stattgefunden hat, und diese wahrscheinlich auch nicht zu erwarten ist. Zur kontinuierlichen Überprüfung dieser im Jahr 2011 getroffenen Aussagen wird die Bundesregierung ihre Mitarbeit im BLANO-Expertenkreis Munition im Meer unverändert fortsetzen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 37. Welche weiteren Gefährdungsabschätzungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung an individuellen Standorten durchgeführt (bitte mit Standort, Untersuchungsmethode und Ergebnissen auflisten)? Zu nennen sind: ● Munitionsversenkungsgebiet Kolberger Heide (2012) Ostsee, Kieler Förde/u. a. hochmoderne Sonarmesstechnik (Bundesmarine), Taucher (Kampfmittelräumdienst (KRD) Schleswig-Holstein, Bundes- Drucksache 18/3026 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode marine)/Phase der Klassifizierung, d. h. keine detaillierte Identifizierung/ maritime Großmunition ● Verkehrstrennungsgebiet Kiel (2013, 2014) Ostsee, Nähe Zufahrtsbereich Nord-Ostsee-Kanal bzw. Kieler Hafen/u. a. Hochmoderne Sonarmesstechnik (Bundesmarine, NATO-Verband), Taucher (Kampfmittelräumdienst (KRD) Schleswig-Holstein, Bundesmarine)/Phasen : Klassifizierung, Identifizierung maritimer Großmunition, Gefahrenabwehr und ihre Behandlung ● Kampfmittelverdachtsfläche Unterelbe (Hindernis 859, gesunkenes Schiff mit Munition) Elbe, Nähe Zufahrtsbereich Nord-Ostsee-Kanal/Firmeneinsatz einschließlich Sachverständigen im Auftrag der zuständigen Gefahrenabwehrbehörde Schleswig-Holstein, Sondierung mittels Totalfeldmagnetometern, Maßnahme „Freilegen“, Taucher/Phasen: Klassifizierung, Identifizierung, es war kein Kampfmittel vorhanden. ● Baumaßnahme „Kurvenaufweitung nebst Fahrwasserverlegung in der Umfahrung Minsener Oog“ Jade/Baumaßnahme einschließlich Subunternehmer für Munitionssuche, Sidescan-Untersuchung, Taucher, Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) Niedersachsen, Sondierung mittels Magnetometer, Phasen: Klassifizierung, Identifizierung von Kampfmitteln, teilweise maritime Großmunition und Zivilschrott, erfolgte Gefahrenabwehr mit Behandlung/Bergung/Sprengung. 38. Welche Methoden zur Bewertung und Überwachung von munitionsbelasteten Gebieten bzw. Munitionsversenkungsgebieten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bereits entwickelt, und welche sind bisher zur Anwendung gekommen? Munitionsversenkungsgebiete werden in den Seekarten konkret als „unreines Gebiet (Munition)“ ausgewiesen. Besondere Gefahrenbereiche werden als Sperrgebiete in den Seekarten ausgewiesen. Eine Überwachung des regelgerechten Verhaltens der Nutzer der Wasserstraßen findet durch die Wasserschutzpolizeien der Bundesländer bzw. Verkehrszentralen der Wasser-und Schifffahrtsverwaltung statt. 39. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen des „CHEMSEA“ Projektes, und welche Konsequenzen wird sie daraus ziehen? 40. Wird die Bundesregierung auf Grundlage der Ergebnisse aus „CHEMSEA“ eine Strategie zur Schadensminimierung durch chemische Wirkstoffe aus Altmunition entwickeln bzw. regelmäßige Überwachung und Monitoring anstreben, und wenn nein, warum nicht? Die Fragen 39 und 40 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das im Rahmen der EU-Ostseestrategie unter deutscher Beteiligung seit dem Jahr 2011 durchgeführte Projekt CHEMSEA („Chemical Munitions, Search and Assessment“) wurde im Frühjahr 2014 abgeschlossen. Die im Rahmen des Projekts untersuchten Meeresgebiete liegen in der so genannten eigentlichen Ostsee außerhalb deutscher Meeresgewässer. Derzeit liegen nur vorläufige Ergebnisse vor, welche sowohl in den im Jahr 2013 veröffentlichten Bericht der Arbeitsgruppe HELCOM MUNI („Chemical Munitions Dumped in the Baltic Sea“) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/3026 eingeflossen sind, als auch durch Projektvertreter in einer Sitzung des BLANOExpertenkreises Munition im Meer vorgetragen wurden. Sobald endgültige und gesicherte Ergebnisse vorliegen, werden diese in die Arbeit des nationalen Expertenkreises sowie der künftigen HELCOM-Arbeitsgruppe „SUBMERGED“ einfließen. Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung entschlossen, vertreten durch das Thünen-Institut, am Nachfolgeprojekt MODUM („Towards the Monitoring of Dumped Munitions Threat, 2013–2016“) teilzunehmen, in dessen Rahmen auch in deutschen Meeresgewässern geforscht werden wird. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Antwort zu den Fragen 45 und 46 verwiesen. 41. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der verbindliche Lärmgrenzpegel bei Rammtätigkeiten bei Offshore Windparks zum Schutz insbesondere der Schweinswale auch für Unterwassersprengungen verbindlich gelten muss, und wenn nicht, mit welcher Begründung lehnt die Bundesregierung dies ab? Die Bundesregierung hat sich mit der Entwicklung eines im Jahr 2013 vorgelegten Konzepts für den Schutz der Schweinswale vor Schallbelastungen bei der Errichtung von Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee (Schallschutzkonzept ) für verbindliche Grenzwerte eingesetzt. Die in einem zweigliedrigen Kriterium formulierten Lärmgrenzwerte für die deutsche AWZ der Nordsee dienen insbesondere dem Schutz von Schweinswalen vor Auswirkungen von impulsartigem Schall, schließen allerdings Unterwassersprengungen nicht explizit ein. Für die deutsche Ostsee ist eine vergleichbare Datenlage zu Vorkommen und Verbreitung von Schweinswalen nicht verfügbar; damit fehlt die nötige fachliche Basis für eine entsprechende konzeptionelle Einordnung in ein Schallschutzkonzept mit Gültigkeit für die Ostsee. Daneben werden nach derzeitigem Erkenntnisstand (Maßnahme Verkehrstrennungsgebiet (VTG) Kiel: 2013, 2014) der Bundesregierung möglichst schallminimierende Techniken im Rahmen der Gefahrenabwehr eingesetzt, d. h. zum Beispiel wird bezünderte maritime Großmunition (englische Grundminen) durch Einsatz einer Schneidladungstechnik (Tauchereinsatz des Kampfmittelräumdienstes Schleswig-Holstein) entzündert, und die eigentliche Wirkladung der Mine kommt dadurch nicht zur Umsetzung. Kann diese Technik nicht zum Einsatz kommen, wird bei der Sprengung (vollständige Umsetzung der Wirkladung ) ein lärmdämpfender Blasenschleier eingesetzt. Flankiert werden die Gefahrenabwehrmaßnahmen durch den Einsatz von Walbeobachtern und Walvergrämungsmitteln . Nach derzeitigem Wissensstand ist dies im Rahmen von Gefahrenabwehrmaßnahmen das zurzeit leistbare bzw. erzielbare Ergebnis im Hinblick auf möglichst geringe Lärmpegel. Ein verbindlicher Lärmpegel hilft bei diesem beschriebenen Vorgehen nicht weiter (vgl. auch Bundestagsdrucksache 17/10968, Antworten auf die Schriftlichen Fragen 76 und 77 und Bundestagsdrucksache 17/10795, Antworten zu den Fragen 18 und 19). 42. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob die für die Sprengung beaufsichtigende Behörde die Einhaltung von Lärmgrenzwerten für Unterwassersprengungen fordert und überprüft? Die in der Antwort zu Frage 41 beschriebene Vorgehensweise im Rahmen den Gefahrenabwehr ist mit dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein durch die zuständige Gefahrenabwehrbehörde abgestimmt. Weitere Erkenntnisse hat die Bun- desregierung nicht. Drucksache 18/3026 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 43. Welche Maßnahmen, Methoden oder Techniken kommen nach Kenntnis der Bundesregierung bei Sprengungen zum Einsatz, um dem Artenschutz Rechnung zu tragen? Grundsätzlich gelten die Vorgaben des nationalen und europäischen Umweltrechts , insbesondere das artenschutzrechtliche Tötungs-, Verletzungs- und Störungsverbot sowie das Gebietsschutzrecht. Seit 2007 gibt es die Weisung für die Flotte der Deutschen Marine zum Schutz der Meeressäuger und der maritimen Umwelt. Darin werden konkrete Maßnahmen zur Minimierung des Einflusses von Unterwasserschall auf Meeressäuger und maritime Lebensräume benannt, abhängig von der operationellen Situation (siehe u. a. auch Bundestagsdrucksache 17/5009): ● Einholen von Informationen vor dem Einsatz über mögliches Vorkommen von Meeressäugern im Einsatzgebiet; ● Visuelle und akustische Überwachung der möglichen Gefährdungsgebiete vor der Sprengung; ● Durchführung von Vergrämungsmaßnahmen mit langsam sich steigernden Sprengladungen und/oder Sonarsendeleistungen vor der Sprengung; ● Abbruch der Aktivität bei Sichtung von Meeressäugern im Gefährdungsbe- reich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 41 verwiesen. 44. Überprüft die Bundesregierung die Entscheidungen der die Sprengung beaufsichtigenden Behörden? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen, und wenn nein, warum nicht? Nein, auf die Antworten zu den Fragen 18 bis 20 wird verwiesen. 45. In welcher Form beteiligt sich die Bundesregierung am internationalen Austausch zu Munitionsaltlasten im Meer? 46. Welche Kooperationen bestehen bei der Problematik der Waffen- und Munitionsaltlasten mit anderen Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee? Die Fragen 45 und 46 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf Ebene der Nordseeanrainer (im Rahmen des OSPAR-Übereinkommens) werden jährlich Munitionsfundvorkommnisse gemeldet, zusammengestellt und veröffentlicht. Zudem wurde auf OSPAR-Ebene im Rahmen des gemeinsamen Bewertungs- und Überwachungsprogramms (JAMP) eine Bewertung durchgeführt , die auch in den OSPAR-Qualitätszustandsbericht 2010 eingeflossen ist („Assessment of the impact of dumped conventional and chemical munitions – update 2009, OSPAR 2009, Publication Number 365/2008 – update 2009“). Auf Ebene der Ostseeanrainer (HELCOM) werden Munitionsfunde ebenfalls gemeldet. Die Bundesregierung war maßgeblich an der Erstellung des Berichts der unter gemeinsamer deutsch-polnischer Leitung geführten Arbeitsgruppe HELCOM MUNI beteiligt („Ad-hoc-Expert Group to Update and Review the Existing Information on Dumped Chemical Munitions in the Baltic Sea“). Ausgehend von dem unter HELCOM-Vertragsstaaten endabgestimmten und im Jahr 2013 veröffentlichten Abschlussbericht „Chemical Munitions Dumped in the Baltic Sea“ wurde eine thematische Ausweitung auf konventionelle Muni- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/3026 tion unter dem HELCOM-Dach angestrebt. Am 29. und 30. Oktober 2014 wird in Stettin (Polen) erstmals die neu etablierte Nachfolgeexpertengruppe „SUBMERGED“ unter gemeinsamer Führung von Polen und Deutschland zusammen treten. Sie wird sich allen gefährlichen Unterwasserobjekten widmen, die negative Auswirkungen auf die Umwelt und alle Aktivitäten in der Ostsee haben können. Auf internationaler Ebene beteiligt sich die Bundesregierung im Rahmen ihres Engagements für das Chemiewaffenübereinkommen bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) sowie bei Veranstaltungen der Nichtregierungsorganisation International Dialogue on Underwater Munitions (IDUM) am Austausch zu alten und herrenlosen Kampfmitteln im Meer. Auch wenn keine Deklarationspflicht besteht, so ist doch der Umgang mit dem Problem versenkter Chemiewaffen im Meer (und deren im Einzelfall ggf. notwendiger Bergung) Gegenstand der Diskussion auf OPCW-Ebene. Darüber hinaus beteiligt sich die Bundesregierung, vertreten durch das ThünenInstitut , an internationalen Forschungsprojekten wie dem EUSBSR-Projekt CHEMSEA oder dem NATO Science for Peace and Security (NATO SPS)-Projekt MODUM. In diesem Zusammenhang wird auf die Antworten zu den Fragen 39 und 40 verwiesen. Ferner arbeitet die Bundeswehr, vertreten durch das Marinekommando, im Baltic Sea Ordnance Safety Board (BOSB) und den entsprechenden Arbeitsgruppen mit. Sie beteiligt sich am internationalen Austausch zu Munitionsaltlasten im Meer durch regelmäßige Meldungen über Munitionsfunde an OSPAR und HELCOM, die jährliche Verteilung der Daten des Baltic Sea Ordnance Pilot (BOP), zukünftig auch des North Sea Ordnance Pilot (NOP) an die zuständigen Behörden der jeweiligen Anrainerstaaten sowie durch Auswertung der internationalen Minenabwehrmanöver einschließlich des anschließenden Datenaustauschs . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333