Deutscher Bundestag Drucksache 18/3034 18. Wahlperiode 04.11.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2936 – Musikveranstaltungen der extremen Rechten im dritten Quartal 2014 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bedeutung von Musik für die Szene der extremen Rechten ist in zahlreichen Studien nachdrücklich belegt worden. Als vermeintlich unpolitische Einstiegsdroge bieten Rechtsrock und die verschiedenen, innerhalb der extremen Rechte verbreiteten Musikstile die Möglichkeit, vor allem Jugendliche anzusprechen und mit der extrem rechten Szene in Berührung zu bringen. Nicht erst seit dem Versuch von Kameradschaftsspektrum und NPD, mittels der so genannten Schulhof-CD gezielt Jugendliche über das Medium Musik für ihre politischen Ziele zu interessieren, ist dieser Zusammenhang evident. Konzerte, der Austausch von CDs, das Eintauchen in ein von der extremen Rechten dominiertes Umfeld sind die ersten Berührungspunkte vieler Jugendlicher mit dieser Szene. Über die nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Texte werden wichtige Botschaften der extremen Rechten verbreitet . Die Durchführung von Musikveranstaltungen der extremen Rechten stellt somit eine aktive Werbung für die Ziele der Szene dar und lässt die extreme Rechte als attraktive Gestalterin jugendkultureller Freizeitangebote erscheinen. In zahlreichen Regionen der Bundesrepublik Deutschland stellen solche Veranstaltungen die herausragenden und deshalb besonders beliebten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung dar. 1. Wie viele Musikveranstaltungen der extremen Rechten fanden im dritten Quartal 2014 im Bundesgebiet insgesamt statt? a) Wie viele dieser Konzerte wurden offen angekündigt, und wie stellt sich die Verteilung nach Bundesländern dar (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum, Musikgruppen, Liedermachern aufschlüsseln)? Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 31. Oktober 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. b) Wie viele dieser Konzerte wurden konspirativ angekündigt, und wie stellt sich die Verteilung nach Bundesländern dar? Drucksache 18/3034 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nach Kenntnis der Bundesregierung fanden von Juli bis September 2014 im Bundesgebiet 22 rechtsextremistische Musikveranstaltungen, davon neun Konzerte und 13 Liederabende, statt. Zu folgenden neun Veranstaltungen liegen Informationen über eine offene Ankündigung bzw. Durchführung vor: Zu den weiteren 13 Musikveranstaltungen liegen den Verfassungsschutzbehörden vertrauliche Informationen darüber vor, dass diese konspirativ angekündigt oder vorbereitet wurden. Eine detaillierte Auflistung dieser Veranstaltungen kann nicht veröffentlicht werden, da die rechtsextremistische Szene daraus Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden ziehen und ihre weitere Vorgehensweise gezielt danach ausrichten könnte. Zudem bestünde die Möglichkeit, in der Szene etwaig eingesetzte V-Personen zu identifizieren. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden sowie etwaiger hinweisgebender V-Personen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann. 2. Bei wie vielen der in Frage 1 aufgeführten Musikveranstaltungen trat die NPD oder eine ihrer Untergliederungen als Mitveranstalter bzw. Mitorganisator auf, und welche Kameradschaften traten als (Mit-)Veranstalter in Erscheinung ? Eine der in der Antwort zu Frage 1 aufgeführten rechtsextremistischen Musikveranstaltungen wurde von der NPD und eine weitere von der neonazistischen Datum Ort Land Auftretende 05.07.2014 Gera TH „Motor of hate“, „Heiliges Reich“, „Halle und die RACer“, Liedermacher Tobias Winter 12.07.2014 Neumünster SH „F.I.E.L.“, „Mit erhobener Stimme“, „Pommernklang“, „Sturmgewehr “ 19.07.2014 Erfurt TH „Oiram“, „Diggi und Klampfe“, „Fylgien“, „Söhne Germaniens“ 19.07.2014 Torgau SN „Path of Resistance“, „Burn Down“, „Radikahl“, „12 Golden Years“ 19.07.2014 Heidelberg BW „Werdandi“ 08.09.2014 Hungen HE Michael Regner 09.09.2014 Erfurt TH Michael Regner, „FreilichFrei“ 13.09.2014 Torgau SN „Selbsteller“, „Kommando Skin“, „Gesta Bellica“, „Acciaio Vicente“ 13.09.2014 Karlsruhe BW Schweizer Liedermacher „Kameradschaft Lübeck“ organisiert. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3034 3. Bei welchen Veranstaltungen der NPD (Saalveranstaltungen, Kundgebungen , Aufmärsche etc.) kam es im dritten Quartal 2014 zu musikalischen Darbietungen, und welche Gruppen bzw. Einzelpersonen traten nach Kenntnis der Bundesregierung auf? Nach Kenntnis der Bundesregierung kam es bei vier Veranstaltungen der NPD, die nicht zu den in den Fragen 1 und 2 nachgefragten Musikveranstaltungen zählen , auch zu musikalischen Darbietungen: 4. Bei welchen Veranstaltungen der Partei „Die Rechte“ (Saalveranstaltungen, Kundgebungen, Aufmärsche etc.) kam es im dritten Quartal 2014 zu musikalischen Darbietungen, und welche Gruppen bzw. Einzelpersonen traten nach Kenntnis der Bundesregierung auf? Nach Kenntnis der Bundesregierung kam es bei einer Veranstaltung der Partei „Die Rechte“, die nicht zu den in den Fragen 1 und 2 nachgefragten Musikveranstaltungen zählt, im dritten Quartal 2014 zu musikalischen Darbietungen. Nähere Angaben zu dieser Veranstaltung können nicht veröffentlicht werden, da die rechtsextremistische Szene daraus Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden ziehen und ihre weitere Vorgehensweise gezielt danach ausrichten könnte. Zudem bestünde die Möglichkeit, in der Szene etwaig eingesetzte V-Personen zu identifizieren. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden sowie etwaiger hinweisgebender V-Personen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann. 5. Von wie vielen Besuchern wurden die einzelnen Konzertveranstaltungen besucht (bitte nach Veranstaltungen aufschlüsseln)? Die in der Antwort zu Frage 1 genannten Musikveranstaltungen wiesen nach Kenntnis der Bundesregierung folgende Besucherzahlen auf: Die neun Konzerte wurden von insgesamt ca. 1 400 Personen besucht; das ergibt einen Durchschnitt von ca. 150 Personen. Die 13 Liederabende wurden von insgesamt ca. 630 Personen besucht; das ergibt einen Durchschnitt von ca. 50 Personen. Datum Ort Land Auftretende 12.07.2014 Pirmasens RP „Liederbarde Piattmar“ 27.07.2014 Rhein-Sieg-Kreis NW Frank Rennicke 02.08.2014 Berlin BE „Oiram“, „A3stus“ 09.08.2014 Sondershausen TH „Feindbild Deutsch“ Drucksache 18/3034 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Wie viele Konzerte in welchen Ländern und Städten wurden im dritten Quartal 2014 von deutschen Angehörigen der extremen Rechten im Ausland organisiert? Die deutschen Sicherheitsbehörden tauschen sich im Gemeinsamen Extremismus - und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) regelmäßig über Veranstaltungen im Ausland mit Bezug zu deutschen Rechtsextremisten aus. Erfahrungsgemäß werden Konzerte im Ausland aber nur im Einzelfall von deutschen Rechtsextremisten organisiert bzw. mitorganisiert. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung wurde im dritten Quartal 2014 ein Konzert am 6. September 2014 in Walschbronn (Frankreich) von deutschen neonazistischen Kameradschaften organisiert . 7. Wie viele Konzerte der extremen rechten Szene wurden im dritten Quartal 2014 von der Polizei aufgelöst? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden im fraglichen Zeitraum zwei Konzerte polizeilich aufgelöst. Dabei handelte es sich um geplante Veranstaltungen am 13. Juli 2014 in Berlin sowie am 3. August 2014 in Grevesmühlen (MV). 8. Wie viele Konzerte der extremen rechten Szene wurden im dritten Quartal 2014 im Vorfeld verboten? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden im dritten Quartal 2014 zwei Konzerte im Vorfeld verboten. Dabei handelte es sich um geplante Veranstaltungen am 5. Juli und 27. September 2014, jeweils in Finowfurt (BB). 9. Welche rechtsextremistischen Straftaten, insbesondere Gewalttaten, wurden im dritten Quartal 2014 in unmittelbarem Zusammenhang mit Musikveranstaltungen der extremen Rechten, in deren Vorfeld, nach den Veranstaltungen oder aus den Veranstaltungen heraus begangen (bitte nach Art der Straftaten auflisten)? Der Bundesregierung sind für das dritte Quartal 2014 in diesem Zusammenhang folgende Straftaten bekannt geworden: Datum Ort Land Straftaten gemäß 05.07.2014 Gera TH § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) 03.08.2014 Grevesmühlen MV Waffengesetz sowie § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ) 09.08.2014 Sondershausen TH § 86a StGB, Versammlungsgesetz, Waffengesetz, § 185 StGB (Beleidigung) sowie § 223 StGB (Körperverletzung ) 09.09.2014 Erfurt TH Waffengesetz, § 185 StGB, § 86a StGB § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3034 10. Wurden im Rahmen von Konzerten der extremen Rechten im dritten Quartal 2014 Tonträger von der Polizei beschlagnahmt, und wenn ja, welchen Inhalts waren diese Tonträger, und in welcher Stückzahl wurden sie beschlagnahmt (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine Informationen zur Sicherstellung von Tonträgern im Rahmen von Konzertereignissen im fraglichen Zeitraum vor. 11. Welche sonstigen Beschlagnahmungen von Tonträgern der extremen Rechten gab es im dritten Quartal 2014, und welchen Inhalts waren diese Tonträger, bzw. in welcher Stückzahl wurden sie beschlagnahmt (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine abschließenden Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Grund hierfür ist, dass eine dezidierte Meldepflicht der Länder über Sicherstellungen von Tonträgern und deren Inhalte aus dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) nicht besteht. Einzelerkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung jedoch immer dann vor, wenn die Länder im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) Straftaten melden , die im Zusammenhang mit dem Tatmittel „Tonträger“ stehen, und diese Meldungen auch Erkenntnisse zu entsprechenden Sicherstellungen beinhalten. Die Erkenntnisse zum dritten Quartal 2014 sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: 12. a) Wie viele rechtsextremistische Tonträger wurden bisher im Jahr 2014 indiziert? b) Handelt es sich dabei um Tonträger, die im Jahr 2014 produziert und veröffentlicht wurden, bzw. aus welchen Jahren stammen die im Jahr 2014 indizierten Tonträger? Datum Ort Land Stückzahl 01.07.2014 Stendal ST unbekannt 02.07.2014 Weißenfels ST unbekannt 12.07.2014 Rechenberg-Bienenmühle SN 2 15.07.2014 Glauchau SN 1 02.08.2014 Rostock MV 1 05.08.2014 Burg bei Magdeburg ST unbekannt 09.08.2014 Waldkirchen BY 2 28.08.2014 Wiesbaden HE 2 01.09.2014 Wittenburg MV 24 18.09.2014 Pritzwalk BB 1 19.09.2014 Much NW 2 27.09.2014 Taucha SN 1 Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2014 hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien insgesamt 66 Tonträger aufgrund Verherrlichung Drucksache 18/3034 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode oder Verharmlosung des Nationalsozialismus oder aufgrund Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges und/oder aufgrund rassistischer Inhalte indiziert . Erkenntnisse darüber, wann diese Tonträger produziert und veröffentlicht wurden , liegen nicht vor. 13. Gegen wie viele der im Jahr 2014 indizierten und in die Liste B eingetragenen rechtsextremistischen Tonträger, bei denen der Verdacht auf strafrechtlich relevant Inhalte besteht, lag im selben Jahr noch ein Beschlagnahmebeschluss vor? Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2014 wurden insgesamt 42 der wegen Verherrlichung oder Verharmlosung des Nationalsozialismus oder aufgrund Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges oder aufgrund rassistischer Inhalte indizierten Tonträger in Listenteil B eingetragen. Nach den der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien vorliegenden Informationen ergingen durch das Amtsgericht Wiesbaden am 11. März 2014 Beschlagnahmebeschlüsse zu folgenden indizierten Tonträgern: ● „Finnish Steel Storm“ der Gruppe „Goatmoon“, Werewolf Records, Lappeenranta/FIN, Bundesanzeiger AT 31. Januar 2014 [Listenteil B] und ● „Through struggle to victory“ der Gruppe „Aryan Blood“, Totenkopf Propa- ganda Productions Distribution, Anschrift unbekannt, Bundesanzeiger AT 31. Januar 2014 [Listenteil B]. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333