Deutscher Bundestag Drucksache 18/3115 18. Wahlperiode 07.11.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/2973 – Ausfuhren und Abgaben von Handgranaten des Typs DM41 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums wurden Mitte Oktober 2014 per Fallschirm u. a. Waffen und Munition über der syrisch-kurdischen Stadt Kobane zur Unterstützung der dort gegen die Terrormiliz IS (Islamischer Staat) kämpfenden bewaffneten Gruppen abgeworfen. Laut US-Angaben stammen Waffen und Munition von der Regierung der kurdischen Autonomieregion im Nordirak (KRG). Demnach sei mindestens eines der abgeworfenen Pakete nicht im Zielbereich gelandet, sondern mutmaßlich in die Hände des IS gelangt (The Guardian: Isis apparently takes control of US weapons airdrop intended for Kurds, 22. Oktober 2014, www.theguardian.com/world/2014/oct/22/isis-usairdrop -weapons-pentagon). Am 21. Oktober 2014 wurde auf einem IS-nahen Youtubechannel ein Video hochgeladen, das die erbeuteten Güter aus dem missglückten Abwurf zeigen soll (www.youtube.com/watch?v=yOuPX6z50EM&feature=youtu.be). Ein mutmaßlicher Angehöriger des IS präsentiert dabei unter anderem deutsche Splitterhandgranaten des Typs „DM41“ (www.janes.com: Islamic State reveals US equipment failures, 21. Oktober 2014). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Handgranate des Typs „DM 41“ wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bis Ende Dezember 1969 in Deutschland gefertigt. Darüber hinaus wurde dieser Typ auch außerhalb Deutschlands produziert und verkauft. Die Bezeichnung „DM 41“ ist eine Typenbezeichnung. 1. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über das genannte Video, Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 6. November 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. seine Urheber, das Datum und den Ort der Aufnahme? Das Video stammt von der „Nachrichtenagentur Aʼ maq“, einer dschihadistischen Medienorganisation, die laut eigener Aussage „inoffizielle Feldnachrich- Drucksache 18/3115 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ten“ verbreitet. „Aʼ maq“ verbreitet Propaganda über ein Twitterkonto (21 100 Follower) und hat eine eigene Facebook-Gruppe (114 Mitglieder). Zudem werden ihre Propagandaprodukte auf einschlägigen dschihadistischen Foren mit ISIS-Bezug verbreitet. Die Produkte von „Aʼmaq“ beschränkten sich bisher auf militärische Propaganda aus Kobane. Das fragliche Video wurde am 21. Oktober 2014 auf YouTube veröffentlicht und ebenfalls am 21. Oktober 2014 über das Twitterkonto von „Aʼ maq“ verbreitet. Es soll Teile der von US-Flugzeugen über Kobane abgeworfenen Waffenlieferungen zeigen, die in die Hände der terroristischen Gruppierung ISIS geraten sind. Weitere Erkenntnisse, insbesondere zur Urheberschaft und dem Aufnahmedatum, liegen der Bundesregierung nicht vor. 2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Inhalt der US-amerikanischen Fallschirmabwürfe in und um Kobane? Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung hinsichtlich der Beantwortung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage nicht offen erfolgen kann. Die erbetene Auskunft ist geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthält, die im Zusammenhang mit Aufklärungsaktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) stehen. Der Schutz des Aufklärungsprofils und der einzelnen Aufklärungsfähigkeiten stellen für die Aufgabenerfüllung des BND einen wichtigen Grundsatz dar. Er dient der Aufrechterhaltung der Effektivität nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung durch den Einsatz spezifischer Fähigkeiten und damit dem Staatswohl. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte würde für die Auftragserfüllung des BND erhebliche Nachteile zur Folge haben. Sie kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem VS-Grad „VS – Vertraulich“ eingestuft. Sie werden in dieser Form an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt.* 3. Wurde die Bundesregierung von den USA im Vorfeld über die geplanten Lieferungen informiert? Der Bundesregierung lagen im Vorfeld der Lieferung keine Informationen vor. 4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den aktuellen Aufbewahrungsort deutscher Handgranatenlieferungen an die kurdische Autonomieregierung des Iraks (KRG, bitte unter Angabe der Typbezeichnung, Stückzahl , gegenwärtiger Aufbewahrungsort)? Am 5. Oktober 2014 wurden 5 100 Handgranaten des Typs „DM 51“ durch die Bundesregierung am Flughafen Erbil an Vertreter der Regierung der Region Kurdistan-Irak übergeben. Die Regierung der Region Kurdistan-Irak hat sich durch Endverbleibserklärungen verpflichtet, die gelieferten militärischen Güter nicht weiterzugeben, nicht außerhalb des Irak zu verbringen und ausschließlich für den Kampf gegen ISIS einzusetzen. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Vertraulich“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3115 5. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung Waffen oder Munition aus den ab August 2014 erfolgten Lieferungen an die KRG in die Hände des IS oder anderer bewaffneter Gruppen in Irak oder Syrien gelangt? Die Regierung der Region Kurdistan-Irak hat sich durch Endverbleibserklärungen verpflichtet, die gelieferten militärischen Güter nicht weiterzugeben, nicht außerhalb des Irak zu verbringen und ausschließlich für den Kampf gegen ISIS einzusetzen. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Kräfte der Region Kurdistan-Irak gegen die Verpflichtung zur Nichtweitergabe der ab August 2014 erfolgten Lieferungen verstoßen oder ISIS oder andere bewaffnete Gruppen im Zuge von Kampfhandlungen Zugang zu diesen bekommen haben. 6. Wie viele Splitterhandgranaten des Typs „DM41“ befinden sich aktuell in den Beständen der Bundeswehr? Aktuell befinden sich insgesamt 14 661 Handgranaten des Typs „DM 41“ im Bestand der Bundeswehr. Davon sind 7 028 Handgranaten für die Vernichtung vorgesehen und für die Truppe nicht nutzbar. Die restlichen 7 633 Handgranaten sind ausschließlich für die Aus- bzw. Weiterbildung von Kampfmittelbeseitigungspersonal vorgesehen. 7. Wie viele Splitterhandgranaten des Typs „DM41“ wurden seit Einführung bei der Bundeswehr an andere Empfängerländer abgegeben (bitte unter Angabe von Datum, Empfängerland und Stückzahl)? Seit dem Jahr 1999 ist seitens der Bundeswehr keine Länderabgabe von Handgranaten des Typs „DM 41“ erfolgt. Eine Aufarbeitung weiter zurückliegender Abgaben ist nicht möglich, da keine zentrale Erfassung erfolgt und mögliche Abgabevereinbarungen nicht mehr vorliegen. 8. Für den Export von Splitterhandgranaten des Typs „DM41“ hat die Bundesregierung in welche Länder Genehmigungen erteilt (bitte unter Angabe des Genehmigungsdatums und der Stückzahl)? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde die Handgranate des Typs „DM 41“ bis Dezember 1969 in Deutschland hergestellt. Die Recherche und Aufstellung der für Handgranaten des Typs „DM 41“ erteilten Ausfuhrgenehmigungen seit Existenz des Kriegswaffenkontroll- bzw. des Außenwirtschaftsgesetzes ist aufgrund des sehr lange zurück liegenden Zeitraums nicht möglich. 9. Hat die Bundesregierung Reexportgenehmigungen für die Weitergabe von Splitterhandgranaten des Typs „DM41“ erteilt (bitte unter Angabe des Landes , das den Reexport beantragt hat, dem Zielland des Reexports, der Stückzahl und des Datums)? Soweit eine Recherche von Reexportgenehmigungen für diesen umfassenden und lange zurückliegenden Zeitraum überhaupt noch und in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit möglich war, hat die Bundesregierung keine Reexportgenehmigungen für die Weitergabe von Handgranaten des Typs „DM 41“ erteilt. Drucksache 18/3115 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung Splitterhandgranaten des Typs „DM41“ aus Beständen der Bundeswehr an die kurdischen Selbstverteidigungskräfte (YPG) in Nordsyrien gelangt, und wenn ja, auf welchem Wege, und durch wen wurde diese Lieferung durchgeführt? Die Bundesregierung hat dazu keine Erkenntnisse. Es wird auf die Antwort zu den Fragen 4 und 7 verwiesen. 11. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung Splitterhandgranaten des Typs „DM41“ aus Beständen der Bundeswehr an die kurdischen Peschmerga im Nordirak gelangt, und wenn ja, auf welchem Wege, und durch wen wurde diese Lieferung durchgeführt? Die Bundesregierung hat dazu keine Erkenntnisse. Es wird auf die Antwort zu den Fragen 4 und 7 verwiesen. 12. Wurden durch die Bundesregierung Genehmigungen zum Export von Fertigungsunterlagen zur Produktion für die Splitterhandgranate des Typs „DM41“ erteilt (bitte unter Angabe von Datum und Empfängerland)? Die Recherche und Aufstellung der für Technologie von Handgranaten des Typs „DM 41“ erteilten Ausfuhrgenehmigungen seit Existenz einer entsprechenden Genehmigungspflicht im Außenwirtschaftsgesetzes in Verbindung mit der Außenwirtschaftsverordnung ist aufgrund des umfassenden und lange zurückliegenden Zeitraums nicht möglich. Nach hiesiger Kenntnis wurde die Handgranate des Typs „DM 41“ allerdings auch von der Fábrica Militar de Braçao in Lissabon, Portugal, hergestellt. 13. Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Handgranaten mit der Kennung „DM41“, die nicht aus Beständen der Bundeswehr stammen? Ja. Es wird auf die Antwort zu den Fragen 8 und 12 verwiesen. 14. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Existenz von deutschen Handgranaten des Typs „DM41“ im syrischen Bürgerkrieg? Der Bundesregierung sind die aus öffentlichen Quellen zugänglichen Informationen über das Auftauchen von Handgranaten des Typs „DM 41“ in Syrien bekannt . Gesicherte Erkenntnisse zur Herkunft der Handgranaten hat die Bundesregierung nicht. Es wird auf die Antworten zu den Fragen 4 und 13 verwiesen. 15. Welche Bemühungen stellt die Bundesregierung an, um die Existenz von deutschen Handgranaten des Typs „DM41“ im syrischen Bürgerkrieg aufzuklären ? Die Bundesregierung hat sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine Sachverhaltsaufklärung bemüht. Die Bundesregierung sieht aufgrund der derzeitigen Faktenlage (es wird auf die Antworten zu den Fragen 4, 7, 8 und 13 verwiesen) keine konkreten Ansatzpunkte für weitere Nachforschungen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3115 16. Kann die Bundesregierung sicher ausschließen, dass Waffen und/oder Munition aus der aktuellen Lieferung an die nordirakischen Peschmerga (ab Ende August 2014) mittlerweile in die Hände des IS oder ähnlichen islamistischen Gruppen gelangt sind? 17. Wenn ja, auf Basis welcher Fakten und Erhebungen kommt die Bundesregierung zu dieser Einschätzung? Die Fragen 16 und 17 werden wegen ihres inhaltlichen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333