Deutscher Bundestag Drucksache 18/3336 18. Wahlperiode 26.11.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Dr. Julia Verlinden, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3106 – Strukturwandel in der konventionellen Energiewirtschaft Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die großen Energieversorger, wie E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall, stehen vor großen Herausforderungen im Rahmen der Energiewende. Trotz Warnungen von Experten haben sie jahrzehntelang völlig einseitig auf Kohle und Atom gesetzt, statt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien, mehr Energieeffizienz und als Unternehmen für Energie-Dienstleistungen neue Geschäftsfelder zu erschließen . Diese Fehlinvestitionen führten dazu, dass allein RWE, E.ON und EnBW mittlerweile mit über 70 Mrd. Euro verschuldet sind. Umso stärker ist nun der Druck der Energiekonzerne auf die Politik. Laut Medienberichten (u. a. DER SPIEGEL, Heft 42/2014) gibt es deshalb Gespräche zwischen der Energiewirtschaft und der Bundesregierung über die (endgültige) Herausnahme von konventionellen Kraftwerkskapazitäten – um den Börsenstrompreis zu stabilisieren . 1. Welche Gespräche (bitte unter Angabe des Datums, der Gesprächspartner und des Gesprächsinhalts) gab es seit dem Jahresbeginn 2014 bis heute mit Akteuren der Energiewirtschaft über den Strukturwandel im Bereich der konventionellen Kraftwerke? Das Bundeskabinett bereitet den Fortschrittsbericht zum Energiekonzept, das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sowie den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) vor. In diesen wird dargestellt, inwieweit nationale Ziele mit den bestehenden Maßnahmen erreicht werden und welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind. Die Bundesregierung steht grundsätzlich auf allen Ebenen im ständigen Austausch mit Vertretern der Energiewirtschaft. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 21. November 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/3336 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Welche finanziellen Auswirkungen hätte die Herausnahme von Stein- und Braunkohlekraftwerken mit einer installierten Leistung von jeweils 5 Gigawatt (GW) auf den Börsenstrompreis nach Einschätzung und Berechnung der Bundesregierung, und wären nach Abschaltung der Kohlekraftwerke nach Ansicht der Bundesregierung hochflexible Gaskraftwerke wieder wirtschaftlich? Die Bundesregierung hat keine entsprechenden Berechnungen durchgeführt. 3. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, wonach der RWE-Konzern plant, die ostdeutschen Braunkohletagebaue und bzw. oder Braunkohlekraftwerke zu übernehmen, sollte sich der schwedische Mutterkonzern Vattenfall aus dem deutschen Geschäft zurückziehen wollen (siehe DER SPIEGEL, Heft 42/2014), und wenn ja, um welche Tagebaue bzw. Kraftwerke handelt es sich? Der Bundesregierung liegen hierzu keine offiziellen Informationen vor. 4. Liegen der Bundesregierung Informationen über (weitere) mögliche Interessenten an einer Übernahme der Braunkohle-Sparte von Vattenfall in der Lausitz vor, und wenn ja, von welcher Seite besteht Interesse? Der Bundesregierung liegen hierzu keine offiziellen Informationen vor. 5. Welche Bundesministerien waren in der Erstellung des Grünbuchs Strommarktdesign konkret eingebunden? Die Erstellung des Grünbuchs erfolgte im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) waren im Rahmen der Plattform Strommarkt an den Diskussionen zu den Strommarktstudien im Auftrag des BMWi beteiligt, die Eingang in das Grünbuch gefunden haben. 6. In welchem Zeitraum (bitte möglichst unter Angabe des Tages) soll das auf das Grünbuch aufbauende Weißbuch zum Strommarktdesign erscheinen? Unter Berücksichtigung der Konsultationsbeiträge zum Grünbuch wird das BMWi einen Regelungsvorschlag erarbeiten. Dieser wird die Eckpunkte für das zukünftige Strommarktdesign enthalten und in Form eines Weißbuches Ende Mai 2015 veröffentlicht. Nach einer erneuten Konsultation wird auf dieser Basis ein Gesetzgebungsvorschlag erarbeitet. 7. Welche Studien zum Strommarktdesign hat die Bundesregierung an welche Auftragnehmer und mit welchem konkreten Auftragsinhalt vergeben, und wann ist mit deren Ergebnissen zu rechnen? Die aktuelle Bundesregierung hat keine entsprechenden Gutachten in Auftrag gegeben. Frühere Gutachten sind veröffentlicht worden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3336 8. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass eine grundlegende Reform des europäischen Emissionshandelssystems ordnungspolitischen Instrumenten vorzuziehen ist, und wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie aus den Beschlüssen des Europäischen Rates vom 23. Oktober 2014? Nach Auffassung der Bundesregierung ist der EU-Emissionshandel das zentrale Klimaschutzinstrument. Allerdings ist in der Tat eine grundlegende Reform des europäischen Emissionshandels dringend notwendig. Der Emissionshandel setzt bei Preisen von ca. 6 Euro/t CO2 gegenwärtig nicht die notwendigen Preisanreize für Investitionen in emissionsärmere Technologien. Der Reformbedarf des Emissionshandels wird auch durch die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Erhöhung der jährlichen Absenkung der Gesamtemissionsmenge ab dem Jahr 2020 und zur Einführung einer Marktstabilitätsreserve unterstrichen. Die Bundesregierung wird sich im Rahmen des laufenden Legislativverfahrens weiterhin mit Nachdruck für eine Einführung der Marktstabilitätsreserve ab dem Jahr 2017 und die Überführung der Backloading-Mengen in diese Reserve einsetzen . 9. Sieht die Bundesregierung die Festsetzung von CO2-Grenzwerten – etwa analog zum britischen Modell oder ebenfalls für bestehende Kraftwerke – als einen geeigneten Weg, Überkapazitäten im konventionellen Kraftwerksbereich abzubauen und dadurch besonders klimaschädliche und ineffiziente Kraftwerke aus dem Strommarkt auszuschließen (bitte begründen )? Das Bundeskabinett bereitet den Fortschrittsbericht zum Energiekonzept, das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sowie den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) vor. In diesen wird dargestellt, inwieweit nationale Ziele mit den bestehenden Maßnahmen erreicht werden und welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind. Zur Vorbereitung hat die Bundesregierung Gespräche mit der Energiewirtschaft geführt. Zu konkreten Inhalten der Gespräche können derzeit keine Aussagen gemacht werden. 10. Sieht die Bundesregierung die Festsetzung von Effizienzkriterien als einen geeigneten Weg, Überkapazitäten im konventionellen Kraftwerksbereich abzubauen und dadurch besonders klimaschädliche Kraftwerke aus dem Strommarkt auszuschließen (bitte begründen)? Der Abbau von Überkapazitäten am Strommarkt sollte durch marktwirtschaftliche Prozesse erfolgen. Effizienzkriterien für Kraftwerke wären zur Erreichung von Primärenergieeffizienzzielen theoretisch denkbar. Mögliche Auswirkungen derartiger Kriterien auf den Strommarkt (z. B. auf die Marktbereinigung oder Emissionen) würden von einer Vielzahl einzel- und gesamtwirtschaftlicher Faktoren abhängen. 11. Sieht die Bundesregierung im Rahmen eines neuen Strommarktdesigns einen ökologischen Flexibilitätsmarkt (fokussierter Kapazitätsmarkt) mit klaren und ambitionierten Kriterien für Effizienz, Flexibilität, Verfügbarkeit , Emissionen und Regionalität als ein geeignetes Instrument an für eine Reform des Strommarktdesigns, und falls nein, warum nicht? Das BMWi führt einen ergebnisoffenen und transparenten Diskussionsprozess zum Strommarktdesign. Im Rahmen des laufenden Grün-/Weißbuchprozesses setzt sich die Bundesregierung mit allen in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit diskutierten Vorschlägen auseinander, die das zukünftige Marktdesign betreffen. Drucksache 18/3336 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Prüft die Bundesregierung, welchen rechtlichen Spielraum es gibt, Kohlekraftwerke nach einer Betriebsdauer (in Volllaststunden oder in Jahren) vom Netz zu nehmen bzw. mit zusätzlichen Auflagen, wie etwa Effizienzkriterien , zu belegen, und wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. 13. Welchen Effekt wird das 25-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020 bei der Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auf die Struktur im konventionellen Kraftwerkspark haben, und welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus mit Blick auf die geplante KWK-Novelle und die KWKFörderung insgesamt? Nach dem im Rahmen des KWKG-Monitoring-Prozesses (KWKG – KraftWärme -Kopplungsgesetz) erstellten aktuellen Gutachten (Prognos, IREES, IFAM, BHKW-Consult) wäre für eine Erreichung des geltenden KWK-Ziels bis zum Jahr 2020 eine zusätzliche KWK-Stromerzeugung von etwa 50 TWh notwendig . Wieviel zusätzliche Erzeugungskapazität von KWK-Anlagen nötig wäre, um die für die Zielerreichung notwendigen zusätzlichen Strommengen bereit zu stellen, hängt von den energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen, den potenziellen Standorten der Anlagen und verschiedenen anderen Faktoren ab. Die KWKG-Novelle wird die entsprechenden Einflussfaktoren berücksichtigen. 14. Stimmt die Bundesregierung mit der Aussage überein, dass zur Erreichung des nationalen Klimaziels einer 95-prozentigen Reduktion von Treibhausgasen bis spätestens zum Jahr 2050 keine Kohlekraftwerke mehr zur Stromerzeugung beitragen können, und falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung hält an ihrem nationalen Ziel fest, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um mindestens 40 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Stand des Jahres 1990 zu reduzieren. Klar ist, dass sich auch der konventionelle Kraftwerkspark an diese Ziele anpassen muss. 15. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus Stimmen aus Bayern, beispielsweise von der Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die in ihrer Regierungserklärung vom 23. Oktober 2014 im Zusammenhang mit Unsicherheiten bei der Versorgungssicherheit bekundete : „Seit 2011 fordert Bayern vom Bund eine Lösung für die notwendigen konventionellen Kraftwerke. Die Bundesregierung bleibt bisher eine Antwort schuldig.“ (www.stmwi.bayern.de/fileadmin/user_upload/stmwivt/ Reden/2014/2014-10-23-Energie-sicher-bezahlbar-sauber-StM-Aigner.pdf)? Die Bundesregierung führt derzeit einen ergebnisoffenen Diskussionsprozess über das Strommarktdesign der Zukunft. Dabei spielt die Versorgungssicherheit in allen Regionen Deutschlands eine zentrale Rolle. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3336 16. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Initiative Agora Energiewende (www.agora-energiewende.de/fileadmin/downloads/publikationen/ Hintergrund/VA_Klimaluecke/Agora_Energiewende_Klimaschutz_und_ Energiewende_Veranstaltungstext_web.pdf), wonach selbst bei großen Anstrengungen in den anderen Sektoren (Verkehr, Industrie, Gebäude usw.) das deutsche Klimaziel ohne deutliche Emissionsreduktionen nicht mehr zu erreichen ist? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Konsequenz zieht die Bundesregierung daraus? Die Bundesregierung hält an ihrem nationalen Ziel fest, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um mindestens 40 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Stand des Jahres 1990 zu reduzieren. Aktuelle Projektionen zeigen, dass besondere Anstrengungen erforderlich sind, um die anspruchsvollen deutschen Klimaschutzziele zu erreichen. Zur notwendigen Emissionsreduktion müssen alle Sektoren einen Beitrag leisten. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333