Deutscher Bundestag Drucksache 18/3421 18. Wahlperiode 03.12.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3231 – Zustand der Straßenbrücken in Schleswig-Holstein Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r An Bundesfernstraßen gibt es 39 106 Brücken und 50 790 Teilbauwerke. Der Zustand der Brücken verschlechtert sich zunehmend. Besonders bekannt sind die Fälle der Rheinbrücke an der Bundesautobahn 1 bei Leverkusen und die Rader Hochbrücke an der Bundesautobahn 7, die aufgrund ihrer maroden Substanz für den Lkw-Verkehr gesperrt werden mussten. Neben diesen prominenten Fällen ist der Gesamtzustand der Brücken bedenklich. In den letzten Jahren hat der Bestand an Brücken mit sehr gutem bzw. gutem Zustand abgenommen , während sich die Brücken mit gerade noch ausreichendem Bestand fast verdoppelt haben (Bericht des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 22. Mai 2013: „Strategie zur Ertüchtigung der Straßenbrücken im Bestand der Bundesfernstraßen“). Mit einem Sonderprogramm über 1 Mrd. Euro von 2015 bis 2017 will die Bundesregierung gegensteuern . Es ist fraglich, ob die Mittel ausreichen, um weitere Sperrungen zu vermeiden. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g a) Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage sind nur Angaben zu Bauwerken möglich, die sich in der Baulast des Bundes befinden und für die der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV-SH) als Auftragsverwaltung des Landes Schleswig Holstein gemäß Artikel 90 des Grundgesetzes für den Bund die Verwaltung sowie Planung, Baudurchführung und Erhaltung der Bundesfernstraßen wahrnimmt. Zu Bauwerken anderer Baulastträger , wie z. B. in Städten über 80 000 Einwohner, liegen keine Informationen vor. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 1. Dezember 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/3421 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zustandsnote b) Grundlage der Zustandsnote für Brückenbauwerke sind die Ergebnisse der nach DIN 1076 regelmäßig stattfindenden Bauwerksprüfungen unter Berücksichtigung der „Richtlinien zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 (RI-EBWPRÜF )“. Ausschlaggebend für den Bauwerkszustand sind die für die einzelnen Teilbauwerke* (TBW) vom Bauwerksprüfer im Rahmen der Prüfung festgestellten einzelnen Schäden bzw. Mängel, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit bewertet und unter Nutzung moderner DV-Systeme automatisch ausgewertet und zu einer Zustandsnote von 1,0 bis 4,0 zusammengefasst werden. Dabei werden sechs Zustandsnotenbereiche unterschieden: 1,0 bis 1,4 (sehr guter Zustand), 1,5 bis 1,9 (guter Zustand), 2,0 bis 2,4 (befriedigender Zustand), 2,5 bis 2,9 (ausreichender Zustand), 3,0 bis 3,4 (nicht ausreichender Zustand) und 3,5 bis 4,0 (ungenügender Zustand). c) Die Zustandsnote bildet die Grundlage für die weitere Erhaltungsplanung, sie lässt die Dringlichkeit notwendiger Maßnahmen erkennen, gibt aber keinen Aufschluss über Art und Umfang der Schäden oder die Kosten der Instandsetzungsmaßnahme . d) Die bei der Bauwerksprüfung ggf. festgestellten Schäden werden je nach Dringlichkeit sowie Art und Umfang umgehend bis mittelfristig im Rahmen des Erhaltungsprogramms behoben, was zu einer Verbesserung der Zustandsnote außerhalb des Prüfzyklusses führt. Durch den organisatorischen Ablauf kann es zwischen Abschluss der Erhaltungsmaßnahme und Eintrag ins DV-System zu zeitlichen Verzögerungen kommen. Die Zustandsnote ist daher ein Stichtagswert, welcher der ständigen Fortschreibung der Daten unterliegt . e) Eine Zustandsnote von 3,0 bis 3,4 (nicht ausreichender Bauwerkszustand) bedeutet somit nicht zwangsläufig eine Nutzungseinschränkung des Bauwerkes , sondern ist ein Indikator dafür, dass in näherer Zukunft eine Instandsetzungsmaßnahme zu planen ist. f) Eine Zustandsnote von 3,5 und schlechter beschreibt zwar einen „ungenügenden Bauwerkszustand“ mit der Definition: „die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit sind erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben“. Dies kann aber auch z. B. durch fehlende Gitterstäbe im Geländer (= mangelnde Verkehrssicherheit) ausgelöst werden oder sich auf eine große Anzahl von Schäden mit Beeinträchtigung der Dauerhaftigkeit (z. B. Betonabplatzungen , schadhafte Abdichtung, Korrosionsschäden) beziehen, ohne dass die Standsicherheit gefährdet wäre. g) Wenn bei der Bauwerksprüfung eine Beeinträchtigung der Standsicherheit oder Verkehrssicherheit festgestellt wird, so werden selbstverständlich sofort entsprechende Maßnahmen getroffen, um die erforderliche Sicherheit weiterhin zu gewährleisten. Brückenertüchtigung h) Neben den notwendigen Erhaltungsmaßnahmen zur Verbesserung des Zu- stands der Brücken machen aber die Altersstruktur sowie insbesondere der weiter steigende Schwerverkehr mit einer starken Zunahme der Belastungen auch eine Anpassung der Tragfähigkeit älterer Brücken erforderlich. Dies bezeichnet man als Brückenertüchtigung. * Bei Brücken mit getrenntem Überbau je Fahrbahn oder unterschiedlichen Bauarten wird jede Überbaukonstruktion für sich als Teilbauwerk bezeichnet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3421 i) Diese Brückenertüchtigungsmaßnahmen stehen nicht zwingend in Korrelation zu den jeweiligen Zustandsnoten, sondern dienen im Hinblick auf den sehr stark angestiegenen Schwerverkehr und dem damit einhergehenden Verlust an Tragfähigkeitsreserven der Erhöhung oder Wiederherstellung der Tragfähigkeit von bestehenden Brückenbauwerken sowie deren Anpassung an aktuelle und zukünftige Belastungen. Dies kann durch Verstärkung erfolgen , aber bauartbedingt oder aus wirtschaftlichen Gründen auch einen Ersatzneubau erforderlich machen. j) Zur Sicherstellung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) daher die „Strategie zur Ertüchtigung der Straßenbrücken im Bestand der Bundesfernstraßen “ erarbeitet und darauf aufbauend im Jahr 2014 das „Konzept zur Ertüchtigung von Straßenbrücken der Bundesfernstraßen“ erstellt. k) Die Umsetzung dieses Konzeptes zur Brückenertüchtigung erfolgt in vier Stufen. Der objektbezogenen statischen Nachrechnung der einzelnen Bauwerke folgt die Festlegung baulicher Maßnahmen. Auf dieser Grundlage ist dann die Planung der Maßnahme bis zum ggf. erforderlichen Baurecht durchzuführen . Schließlich erfolgt die Finanzierung und Durchführung der Maßnahme . Aufgrund der Komplexität der einzelnen Stufen kann dies schon objektbezogen zum Teil mehrere Jahre in Anspruch nehmen, insbesondere wenn für das Baurechtsverfahren umfangreiche Erhebungen und Planungen durchgeführt werden müssen. Außerdem sind die erforderlichen Maßnahmen ggf. auch länderübergreifend und netzbezogen zu koordinieren, um die baustellenbedingten Verkehrsbeeinträchtigungen möglichst gering zu halten. Auch unter Berücksichtigung der Kapazitäten sowohl bei der Verwaltung wie auch bei Ingenieurbüros und Baufirmen wird die Umsetzung der Brückenertüchtigung nicht kurzfristig umsetzbar sein, sondern als Daueraufgabe viele Jahre in Anspruch nehmen. 1. Wie viele Brücken an Bundesfernstraßen gibt es in Schleswig-Holstein, und wie hoch ist hiervon der Anteil an Brücken mit sehr gutem Bauwerkszustand , gutem Bauwerkszustand, befriedigendem Bauwerkszustand, ausreichendem Bauwerkszustand, nicht ausreichendem Bauwerkszustand sowie ungenügendem Bauwerkszustand (bitte jeweils Bauwerk-Zustandsnoten nach Brückenfläche in Prozent für die Jahre 2000 bis 2014 angeben)? Anzahl und Aufteilung der Brückenbauwerke auf die Zustandsnotenbereiche sowohl nach Teilbauwerken wie auch nach Brückenfläche sind der Anlage 1 zu entnehmen. Für die Jahre 2000 bis 2003 können seitens des LBV-SH keine belastbaren Angaben gemacht werden, da für diese Jahre keine aussagefähigen Statistiken vorliegen . 2. Wie ist der jeweilige Zustand der einzelnen Brücken an Bundesfernstraßen in Schleswig-Holstein (Bauwerk-Zustandsnote nach Brückenfläche), wie hoch ist hier jeweils die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (bitte den Anteil schwerer Nutzfahrzeuge gesondert aufführen), welche Investitionen werden jeweils veranschlagt, um die Brücken mit nicht ausreichendem bzw. ungenügendem Bauwerkszustand in einen sehr guten bzw. guten Bauwerkszustand zu versetzen, und welche Mittel werden aus dem Programm Brückenertüchtigung für die jeweilige Brücke zur Verfügung gestellt (bitte Brücken mit eindeutig verortbarer Bezeichnung, wie Name oder Straßenkilometer, Drucksache 18/3421 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode angeben und alle Angaben tabellarisch aufführen, so dass sie spezifisch einer Brücke zugeordnet werden können)? Eine Auflistung der einzelnen Brücken im Zuge von Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes unter Angabe der jeweiligen Zustandsnote und der Brückenfläche (Stand: 20. November 2014) wird aufgrund der umfangreichen Datenmenge für über 1 000 Bauwerke auf der Homepage des LBV-SH unter folgendem Link bereit gestellt: www.lbv-sh.de/. Angaben bezüglich der jeweiligen durchschnittlichen Verkehrszahlen (DTV) und Schwerverkehrszahlen (DTVSV) werden vom LBV-SH nicht bauwerksbezogen erfasst. Stattdessen liegen streckenbezogene Verkehrszahlen (Stand: 2010) für das gesamte Bundesfernstraßennetz in Schleswig-Holstein vor. Hieraus wurden für Bauwerke mit einer Zustandsnote von ≥ 3,0 die erbetenen Verkehrsmengen manuell ergänzt (Anlage 2). Eine manuelle Ergänzung für alle Bauwerke wäre mit einem nicht vertretbaren Aufwand verbunden und war auch in der Kürze der Zeit nicht zu leisten. Grundsätzlich bedarf jeder am Bauwerk vorhandene Schaden einer Instandsetzung , wobei die Dringlichkeit und der Umfang der Instandsetzung vom Grad der Schädigung des Bauwerkes und den möglichen Auswirkungen auf die Standsicherheit , Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit abhängt. Es ist Aufgabe des Landes Schleswig-Holstein, die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen entsprechend ihrer jeweiligen Dringlichkeit durchzuführen. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass für eine ordnungsgemäße Bauwerkserhaltung (ohne Verbesserung der Tragfähigkeit im Rahmen einer Brückenertüchtigung ) durchschnittlich ein jährlicher Aufwand in Höhe von ca. 1 Prozent der Brückenneubaukosten eingesetzt werden muss; dies entspricht laut einer früheren bundesweiten Ermittlung einem Wert von etwa 21,50 Euro je m2 Brückenfläche pro Jahr. Bei diesem Ansatz würden somit für die der Anlage 1 zu entnehmende Brückenfläche ca. 12 Mio. Euro pro Jahr für eine ordnungsgemäße Bauwerkserhaltung erforderlich. In dem „Sonderprogramm Brückenertüchtigung“, in dem größere Maßnahmen der Brückenertüchtigung mit Einzelkosten über 5 Mio. Euro ab dem Haushaltsjahr 2015 in den Erhaltungstiteln gesondert ausgewiesen werden und damit der erhebliche Mitteleinsatz für die Brückenertüchtigung im Rahmen der Erhaltungsmittel transparent gemacht wird, ist zurzeit nur das Brückenbauwerk „B 5 /N-O-K“ (Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal bei Brunsbüttel) mit Erhaltungs- bzw. Ertüchtigungsmaßnahmen in einer Höhe von 10 Mio. Euro enthalten. Voraussetzung für eine Berücksichtigung im Rahmen des Sonderprogramms Brückenertüchtigung ist die Aufnahme in den Straßenbauplan 2015, d. h. ein entsprechender Vorbereitungsstand der Maßnahme. Weitere kleinere Brückenertüchtigungs- und Erhaltungsmaßnahmen werden wie bisher aus den Haushaltsansätzen der Erhaltungstitel finanziert. 3. An welchen Brücken an Bundesfernstraßen in Schleswig-Holstein gibt es Lastbeschränkungen, mit denen die jeweilige Brücke befahren werden darf, an welchen Brücken wurden seit dem Jahr 2000 die Lastbeschränkungen verändert, und bei welchen Brücken sind Lastbeschränkungen zu erwarten, wenn sich der Bauwerkszustand weiter verschlechtert (bitte Brücken mit eindeutig verortbarer Bezeichnung, wie Name oder Straßenkilometer, angeben sowie Höhe der vorgenommenen bzw. erwarteten Lastbeschränkung Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3421 und alle Angaben tabellarisch aufführen, so dass sie spezifisch einer Brücke zugeordnet werden können)? In der Zuständigkeit des LBV-SH wurde im Jahr 2013 für die Brücke „Ast der B 76/Ast der B 76 (BW-Nr.: 1423 503)“ in unmittelbarer Nähe der Stadt Schleswig ein Verbot für Fahrzeuge mit einer tatsächlichen Achslast von mehr als 8 t angeordnet. Weitere Brücken mit Lastbeschränkungen sind zurzeit nicht vorhanden . Die Rader Hochbrücke im Zuge der A 7 über den Nord-Ostsee-Kanal steht nach dem Ende der Reparaturarbeiten für den Gemeingebrauch ohne Lastbeschränkung wieder in vollem Umfang zur Verfügung. Lediglich Schwerlasttransporte mit einem Gewicht über 84 t werden bis zur Fertigstellung der neuen Brücke nicht mehr möglich sein. Aufgrund von Ergebnissen der regelmäßig durchzuführenden Bauwerksprüfungen und noch vorzunehmender Nachrechnungen von Bauwerken können in Zukunft weitere Lasteinschränkungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es ist Aufgabe der Auftragsverwaltung des Landes Schleswig-Holstein, erforderliche Erhaltungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen so rechtzeitig durchzuführen , dass auch in Zukunft Lastbeschränkungen von Brückenbauwerken im Zuge von Bundesfernstraßen weitestgehend vermieden werden können. Drucksache 18/3421 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3421 Drucksache 18/3421 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode St an d: 2 0. 11 .2 01 4 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3421 St an d: 2 0. 11 .2 01 4 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333