Deutscher Bundestag Drucksache 18/3458 18. Wahlperiode 04.12.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel, Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3227 – Wirtschaftsfaktor Reisemobiltourismus Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Camping- und Caravaningbranche ist auf Wachstumskurs. Gemäß den Ergebnissen der Reiseanalyse 2013 (RA 13) der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen – FUR. Camping, Reisemobil und Caravan liegt der Anteil „Camping /Caravaningreisen im Vergleich aller Urlaubsreisen der Deutschen“ bei 7 Prozent (Vorjahr 5 Prozent). Das entspricht einer Gesamtzahl von 4,8 Millionen Reisen. Diese Entwicklung lässt sich zum einen an der steigenden Zahl von Übernachtungen auf Campingplätzen festmachen. In dieser Saison stieg die Zahl der Übernachtungen um 22,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (www.faz.net/agenturmeldungen/unternehmensnachrichten/caravanbranche -grosse-nachfrage-nach-reisemobilien-13107796.html, zuletzt abgerufen am 7. Oktober 2014). Zum anderen sind auch mehr Reisemobile und Caravans in Deutschland und Europa zugelassen worden. Von der steigenden Anzahl an Reisemobilbesitzern profitiert nicht nur die Camping- und Caravaningbranche selbst, sondern auch der Deutschlandtourismus insgesamt. Reisemobilisten reisen häufig und über das gesamte Jahr verteilt und sorgen damit auch in der Nebensaison für eine Auslastung der Campingplätze sowie für eine kontinuierliche Nachfrage nach touristischen und gastronomischen Dienstleistungen . Die letzte Grundlagenuntersuchung zur wirtschaftlichen Bedeutung des Campingtourismus aus dem Jahr 2010 hat die auf die Campingbranche zurückzuführenden Gesamtumsätze, also die Ausgaben der Touristikcamper, Reisemobilisten , und Dauercamper vor Ort, ihre Fahrtkosten und Investitionen in die Ausrüstung, auf rund 11,55 Mrd. Euro pro Jahr beziffert. Dementsprechend gehen vom Camping direkte und indirekte Einkommenswirkungen in Höhe von insgesamt 4,8 Mrd. Euro aus. Das entspricht einem Beschäftigungsäquivalent von rund 216 000 Personen (Der Campingmarkt in Deutschland 2009/ Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 28. November 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 2010, Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Nr. 587, S. 28). Bedauerlicherweise liegen keine Studien oder Untersuchungen über den Wirtschaftsfaktor „Reisemobiltourismus“ vor. Mangels verlässlicher Kennzahlen Drucksache 18/3458 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode über die wirtschaftliche Bedeutung dieses touristischen Segments werden tourismuswirtschaftliche Potenziale, vor allem für Städte und Kommunen in abgelegenen ländlichen Räumen, verschenkt. So geht der Deutsche Tourismusverband lediglich schätzungsweise davon aus, dass bundesweit derzeit etwa 3 000 Stellplätze für Reisemobile existieren, beispielsweise auf Grundstücken von Gaststätten und Hotels, auf Weingütern und Bauernhöfen, aber auch in der Nähe von Freizeitparks, Museen, Bädern und Thermen (Pressemitteilung des Deutschen Tourismusverbandes vom 13. Januar 2010). Auch ist es derzeit schwierig nachzuvollziehen, wie viele Stellplätze auf Campingplätzen, wie viele auf kommunalen Stellplätzen oder bei regionalen Produzenten bereits existieren, über welche Ausstattungen sie verfügen und welche Ausnutzung sie haben. Insbesondere die Wertschöpfungseffekte von Stellplätzen bei regionalen Erzeugern und/oder gastronomischen Betrieben lässt sich derzeit weder beziffern noch prognostizieren. Zahlreiche bereits bestehende gemeinnützige und privatwirtschaftliche Initiativen deuten aber auf ein großes und bislang nur wenig ausgeschöpftes wirtschaftliches Potenzial hin. Dem Reisemobiltourismus sollte aber nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus gesellschaftlichen und ökologischen Gründen eine stärkere Würdigung zukommen. So muss das Potential des Reisemobilurlaubs auch vor dem Hintergrund des demographischen Wandels beurteilt werden, da 63 Prozent der Reisemobilnutzer zwischen 50 und 70 Jahren alt sind (Planungshilfe für Wohnmobilstellplätze , DTV, S. 3, www.deutschertourismusverband.de/qualitaet/ campingtourismus.html) und sich diese Altersgruppe künftig vergrößern wird. Positiv zu bewerten ist auch die Klimabilanz des Reisemobiltourismus. Im Vergleich zu Pkw- und Flugreisen zeichnet sich Urlaub im Reisemobil als besonders klimafreundlich aus. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2013 hat gezeigt, dass Reisen mit dem Reisemobil mit geringeren CO2-Emissionen verbunden sind als Reisen mit dem Flugzeug oder dem Pkw und Hotelübernachtungen (Studie: Vergleichende Klimabilanz von Motorcaravanreisen – heute&morgen, Öko-Institut e. V., S. 29.; Umwelt- und Klimabilanz werden darüber hinaus auch vom umweltbewussten Verhalten der Reisenden, technischer Ausstattung des Reisemobiles – Hybridantrieb, Leichtbautechnik, Wärmedämmung, LEDBeleuchtung , Photovoltaik u. a. –, wie auch von der Weglänge und Anzahl der Mitfahrer positiv oder negativ beeinflusst). Das zunehmende Interesse am Reisemobilurlaub liegt nicht nur in der Flexibilität der Urlaubsform begründet, sondern ist auch Folge des technischen Fortschritts und des hohen Komforts heutiger Reisemobile. Nicht zuletzt aufgrund des verstärkten Einsatzes von leistungsfähigen Scheibenbremsen und Antiblockiersystemen werden Reisemobile trotz der Zunahme in der Größe seit Jahren sicherer (www.rp-online.de/panorama/wohnmobile-sind-sicherergeworden -aid-1.2045063) und zeichnen sich im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern durch eine sehr gute Straßenverkehrssicherheit aus. Dies belegt eine Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen (März 2013), vgl. Pressemitteilung des Bundesverbandes des Caravaning Industrie Verbandes e. V. (CIVD) vom 21. August 2013 (www.civd.de). Auf legislativer und exekutiver Ebene findet daher ein dauerhafter Novellierungsprozess statt, um eine Anpassung des Verkehrsrechts an die technischen Neuerungen zu gewährleisten . Zuletzt fand in den Jahren 2005 bis 2009 ein Großversuch zur Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen für Reisemobile statt (www.autobild.de/ artikel/tempolimit-gelockert-49540.html), welcher zu einer Änderung des Verkehrsrechts ab Januar 2010 geführt hat. Derzeit prüft die Bundesregierung eine Änderung der 12. Ausnahmeverordnung zu Zeichen 227 der Straßenverkehrsordnung (StVO) zur Lockerung des Überholverbotes für Reisemobile (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen 57 und 58 des Abgeordneten Markus Tressel auf Bundestagsdrucksache 18/1516). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3458 1. Hat die Bundesregierung aktuelle Kenntnisse darüber, a) wie viele ausländische Urlauber derzeit mit dem Reisemobil in Deutschland Urlaub machen, Aus amtlichen Quellen liegen keine Daten hierzu vor. Laut World Travel Monitor (IPK 2014) haben im Jahr 2014 Urlauber aus Europa 321 000 Urlaubsreisen in Deutschland mit dem Wohnmobil unternommen. Das entspricht rund 1 Prozent aller Urlaubsreisen der Europäer in Deutschland. b) wie viele inländische Urlauber derzeit mit dem Reisemobil in Deutschland Urlaub machen, Aus amtlichen Quellen liegen keine Daten hierzu vor. Laut World Travel Monitor (IPK 2014) haben im Jahr 2014 inländische Urlauber 700 000 Urlaubsreisen in Deutschland mit dem Wohnmobil unternommen. Das entspricht rund 1 Prozent aller Urlaubsreisen der Deutschen in Deutschland. c) welche Regionen bereits von dem steigenden Interesse an Reisemobiltourismus profitieren, und welche nicht (bitte Auflistung oder kartografische Darstellung), d) welche touristischen Infrastrukturen durch Reisemobilisten in Deutschland in welchem Verhältnis genutzt werden (Campingplätze, Stellplätze, private Grundstücke, Sonstige), e) welche wirtschaftlichen Effekte durch den Reisemobiltourismus vor Ort durchschnittlich erzeugt werden (Darstellung bitte durch Auflistung der Ausgaben nach Art und Höhe), f) welchen Beitrag der Reisemobiltourismus durchschnittlich zur regionalen Wertschöpfungskette leisten kann (bitte durch beispielhafte Darstellung der ausschlaggebenden Faktoren)? Die Fragen 1c bis 1f werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen darüber keine Erkenntnisse vor. 2. Wurden seit dem Jahr 2009 über das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und/oder das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Kooperationen bzw. Projekte im ländlichen Raum zwischen regionalen Produzenten und/oder Kommunen und/oder Tourismuswirtschaft im Bereich des Reisemobiltourismus gefördert, und wenn ja, mit welchem Erfolg? Weder das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft noch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) haben seit dem Jahr 2009 Kooperationen oder Projekte im ländlichen Raum zwischen regionalen Produzenten und/oder Kommunen und/oder der Tourismuswirtschaft speziell im Bereich des Reisemobiltourismus gefördert. 3. Sind Bundesförderprogramme in Planung oder bereits existent, die bundesweite Projekte bzw. Aktivitäten unterstützen, welche den Reisemobiltourismus im ländlichen Raum direkt oder indirekt fördern? Welche Novellierungen im Straßenverkehrsrecht (einschließlich Regelwerk zur Fahrerlaubnis, Pflicht zur Hauptuntersuchung u. Ä.) plant die Bundesregierung derzeit im Hinblick auf den Reisemobilverkehr (bitte einzeln unter Angabe des Verfahrensstandes auflisten)? Das BMWi (damals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) hat im Rahmen der Studie „Der Campingmarkt in Deutschland 2009/2010“ (Studie Drucksache 18/3458 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 587) auch den Reisemobiltourismus beleuchtet. Aussagen zu Regionen beschränkten sich in dieser Studie auf ganze Bundesländer, ohne dabei den ländlichen Raum gesondert zu betrachten. Die Entwicklung des Tourismus in ländlichen Räumen steht unverändert hoch auf der tourismuspolitischen Agenda der Bundesregierung. Mit dem seit 2011 von der Bundesregierung geförderten Projekt „Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen“ wurden für zehn Handlungsfelder Empfehlungen entwickelt und in einem Leitfaden zusammengefasst. Die gewonnenen Erkenntnisse werden noch bis zum Januar 2015 durch bundesweit insgesamt 20 „Roadshow“- Veranstaltungen mit dem Ziel des Wissenstransfers in die Fläche getragen. Aufbauend auf den Ergebnissen dieses Projekts sollen in den nächsten Jahren weitere Impulse für den Tourismus in strukturschwachen ländlichen Räumen entwickelt und eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Akteure vor Ort vorangebracht werden. Es ist beabsichtigt, dabei vor allem die Schnittstelle zwischen Kultur und Tourismus näher zu beleuchten. Novellierungen speziell für den Reisemobilverkehr sind derzeit nicht geplant. 4. Welchen zeitlichen Rahmen strebt die Bundesregierung bei der derzeitigen Änderung der 12. Ausnahmeverordnung zu Verkehrszeichen 277 der StVO an? Die Prüfungen in Bezug auf eine Änderung dieser Verordnung dauern noch an. 5. Inwieweit kommt dem vereinfachten Parken an Autobahnen nach Ansicht der Bundesregierung eine Rolle zur Förderung des Reisemobiltourismus zu, und ergreift die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern Maßnahmen, um hier eine Verbesserung für Reisemobilisten zu schaffen, und wenn ja, welche? Die Bundesregierung versteht die Frage nach „vereinfachtem Parken an Autobahnen “ bezogen auf die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Die StVO ist privilegienfeindlich (Artikel 3 des Grundgesetzes – GG). In der StVO ist eine Privilegierung von Wohnmobilen zur Förderung des Reisemobiltourismus nicht möglich. Durch die Anordnung des Zeichens 314 und des Zusatzzeichens 1048-17 besteht die Möglichkeit, Stellplätze ausschließlich für Wohnmobile zu reservieren. Die Durchführung der StVO ist Aufgabe der Länder . Dies ergibt sich aus der Kompetenzverteilung in Artikel 83, 84 GG, wonach die Länder Bundesrecht – dazu zählt auch die StVO – als eigene Angelegenheit ausführen. So obliegt es auch der eigenverantwortlichen Entscheidung der zuständigen Straßenverkehrsbehörden der Länder, wo und welche Verkehrszeichen anzubringen sind. Die Länder wurden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bereits wiederholt aufgefordert, Wohnmobilen das Parken entlang der Parkplätze und Rastanlagen von Autobahnen und Kraftfahrstraßen im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten zu ermöglichen. Bei Neu-, Um- und Ausbauplanungen von Rastanlagen ist es Ziel der Bundesregierung , allen Verkehrsteilnehmern ein bedarfsgerechtes Angebot an Parkständen , Sanitäreinrichtungen und Dienstleistungen zu bieten. Dabei werden auch immer Parkmöglichkeiten für Pkw mit Anhängern bzw. Wohnmobile geschaffen . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333