Deutscher Bundestag Drucksache 18/3514 18. Wahlperiode 11.12.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3291 – Störungen des zivilen Flugverkehrs durch NATO-Manöver Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Juni 2014 kam es zu zweitägigen Störungen der Flugsicherung, die im gesamten östlichen Alpenraum aufgetreten waren (Bundestagsdrucksache 18/2131). Damals waren Transponder von Verkehrsflugzeugen (die sogenannte Sekundärradarerfassung) durch eine „externe Störquelle“ lahmgelegt worden. Es handelt sich dabei um Signale, die am Boden aufgefangen werden und Daten wie die Route oder die Flughöhe übermitteln. Der Flugverkehr war wegen der Störungen auf bis zu 50 Prozent reduziert, es kam zu Verspätungen von insgesamt 41 Stunden. 57 Flugzeuge waren betroffen. Allerdings nutzt die Deutsche Flugsicherung GmbH einen Primärradar, der eigenständig nach Bewegungen im Luftraum sucht. Die Flieger waren laut der Bundesregierung nicht gänzlich vom Schirm der Flugsicherung verschwunden. In Österreich ist dies aber nicht der Fall, lediglich das Militär verfügt nach Berichten der Zeitung „Die Presse“ über ein Primärradar (www.diepresse.com/home/panorama/oesterreich/3820276/ Nato-stort-Flugverkehr-uber-Osterreich). Die Vorfälle sind noch nicht restlos aufgeklärt, vermutlich waren aber die NATO-Manöver „NEWFIP 2014“ ursächlich . Dies war auch vom „Nationalen Lageführungszentrum“ im niederrheinischen Uedem vermutet worden. Dort überwachen Militärs zusammen mit der Bundespolizei und der Flugsicherung den Luftraum. Die Behörden sind in einer NATO-Kaserne untergebracht, auch der Bundesnachrichtendienst und das Bundeskriminalamt sind einbezogen. Die Vermutung ist nicht abwegig: In Ungarn wurde während der Störungen der sogenannte elektronische Kampf (EloKa) geübt , entsprechende Manöver fanden später auch in Italien statt. Teil der Übungen war, gegnerische Radaranlagen zu stören. Laut der Zeitung „Die Presse“ sei mittlerweile klar, dass es Störungen von AWACS-Aufklärungsflugzeugen waren, „von dem die alles verschluckenden Signale ausgingen“. Ein anderes Signal mit der Frequenz 1030 Megahertz sei ein „noch nicht identifiziertes Objekt in der Nähe der US-Air Base Ramstein in Deutschland“ gewesen. Mit Untersuchungen wurden die Luftfahrtbehörden der betroffenen Staaten beauftragt, aber auch das Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 9. Dezember 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. womöglich ursächliche NATO-Hauptquartier in Ramstein ermittelt in der Angelegenheit . Der Rüstungskonzern Airbus Defence and Space hat der Bundeswehr laut einer Pressemitteilung (29. Oktober 2014) vier neue „Radar-Störsysteme“ geliefert. Drucksache 18/3514 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die deutschen Militärs würden dadurch laut dem Militärmagazin „griephan“ ihre Fähigkeiten zur Abwehr elektronischer Störangriffe „an die wachsenden Möglichkeiten neuer Technologien“ anpassen. Demnach wird die Hardware zur Ausbildung an Radargeräten genutzt. Auch Pilotinnen bzw. Piloten würden an dem System geschult, um dadurch Raketenangriffe abzuwehren. Die Technik wird an die Gesellschaft für Flugzieldarstellung mbH (GFD) geliefert. Dort werden die Anlagen an Tragflächen von Learjet-Flugzeugen montiert. Eine Integration in andere fliegende Plattformen sei aber jederzeit möglich. Die GFD ist ein Tochterunternehmen von Airbus Defence and Space, die Firma arbeitet eng mit der Bundeswehr zusammen. Die verkauften Multi-Frequency-Jammer simulieren elektronische Störangriffe, auf die von der Bundeswehr dann reagiert wird. Auf diese Weise will die Bundeswehr den Schutz von Flugzeugen gegen „radargesteuerte Raketenangriffe“ optimieren. Auch „Luftverteidigungsradare“ sollen vor solchen Störangriffen geschützt werden, etwa wenn gegnerische Militärs „elektronische Gegenmaßnahmen“ ergreifen (www.griephan.de vom 30. Oktober 2014). Weshalb die Investitionen gerade jetzt getätigt werden, erklären Airbus und „griephan“ nicht. Möglicherweise profitiert die Bundeswehr von den Störungen des zivilen Flugverkehrs. 1. Über welche neueren Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung gegenüber der Bundestagsdrucksache 18/2131 zu Störungen im europäischen sowie insbesondere im deutschen Luftraum im Sommer 2014? Der Bundesregierung liegen zum jetzigen Zeitpunkt keine neueren Erkenntnisse zum Sachverhalt und den Ursachen der Störungen vor. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) wurde von der Europäischen Kommission mandatiert , den Sachverhalt abschließend zu bewerten und die Ursachen eindeutig zu identifizieren. Der dazu zu erstellende Bericht liegt der Bundesregierung noch nicht vor. 2. Welche Störung wurde jeweils genau berichtet? Dazu wird auf die Antwort zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 18/2131 verwiesen . 3. Auf welchen Frequenzen trat das Signal auf? Die Störungen traten auf dem sogenannten SSR-Abfragekanal 1 030 MHz auf. 4. Inwiefern trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung, wie von der Zeitung „Die Presse“ berichtet, zu, dass es Störungen von AWACS-Aufklärungsflugzeugen waren, „von dem die alles verschluckenden Signale ausgingen“? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 5. Wo befanden sich die in Deutschland stationierten AWACS-Flugzeuge nach Kenntnis der Bundesregierung im fraglichen Zeitraum? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 6. Sofern die Bundesregierung hierzu über keine Kenntnis verfügt, auf welche Weise kann sie sich diese Informationen verschaffen? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3514 7. Mit welchem Ergebnis wurde von Bundesbehörden untersucht, worum es sich bei dem „noch nicht identifizierte[n] Objekt in der Nähe der US-Air Base Ramstein in Deutschland“ gehandelt haben könnte? Über ein „nicht identifiziertes Objekt in der Nähe der US-Air Base Ramstein in Deutschland“ liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 8. Inwiefern waren nach neueren Kenntnissen der Bundesregierung im europäischen sowie insbesondere im deutschen Luftraum auch militärische Flugzeuge betroffen, und um welche Typen handelte es sich dabei? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 9. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche der betroffenen Länder über, wie von der Zeitung „Die Presse“ berichtet, keinen Primärradar für die zivile Flugsicherung verfügen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 10. Sofern, wie auf Bundestagsdrucksache 18/2131 aufgeführt, tatsächlich keine militärischen Flugzeuge betroffen waren, welche Gründe sind hierfür im Bereich der NATO bzw. der deutschen militärischen Flugsicherung maßgeblich? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 11. Welche weiteren NATO-Übungen, bei denen auch die „elektronische Kampfführung“ oder das Stören von Transpondern geübt wurde, fanden nach Kenntnis der Bundesregierung im Sommer oder Herbst 2014 in Europa statt? Es fanden folgende Übungen, die Anteile des „Elektronischen Kampfes“ beinhalteten , statt: TIGER MEET 2014 (16.06. – 27.06.2014) in DEU NEWFIP* 2014 (7) (21.07. – 25.07.2014) Nordatlantik, Ostsee NEWFIP 2014 (8) (22.09. – 03.10.2014) in GRC/BUL/ROU NEWFIP 2014 (9) (14.10. – 29.10.2014) in FRA NEWFIP 2014 (10) (24.11. – 28.11.2014) in ESP NEWFIP 2014 (11) (03.11. – 07.11.2014) in NOR. Gezielte Störungen von Transpondern bzw. zivilen Flugsicherungseinrichtungen sind nicht Bestandteil der Übungsszenarien. * NATO electronic warfare force integration program. 12. Welche weiteren nationalen oder internationalen Übungen, bei denen auch die „elektronische Kampfführung“ oder das Stören von Transpondern geübt werden soll, sind nach Kenntnis der Bundesregierung geplant? Der Bundesregierung liegen keine Informationen über weitere nationale oder in- ternationale Übungen im Jahr 2014 vor. Drucksache 18/3514 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Inwiefern hat die Bundesregierung mittlerweile Erkenntnisse eingeholt, auf welche technische Art und Weise die NATO in der Lage ist, großräumige Störungen des Flugverkehrs vorzunehmen? Es ist nicht bekannt, dass die NATO über eigene Kräfte verfügt, die großräumige Störungen des Luftverkehrs vornehmen könnten. 14. Auf welche technische Art und Weise ist die Bundeswehr in der Lage, Störungen des Flugverkehrs vorzunehmen? Die Bundeswehr verfügt über keine Kräfte des Elektronischen Kampfes, die zur Störung des zivilen Flugverkehrs vorgesehen sind. 15. Auf welche Weise werden die Vorfälle nach Kenntnis der Bundesregierung bei der NATO untersucht, und wer ist daran beteiligt (bitte auch jeweilige Arbeitsgruppen oder Unterabteilungen nennen)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 16. Auf welche Weise werden die Vorfälle nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen betroffenen Ländern untersucht, und welche Behörden sind daran beteiligt? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 17. Auf welche Weise werden die Vorfälle von der Bundesregierung untersucht , und wer ist daran beteiligt? Seitens der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) wurden die Auswirkungen der Störsignale auf die von der DFS betriebenen Radaranlagen eingehend technisch untersucht. Die technischen Charakteristika und die zeitliche Verteilung der Störsignale konnten dabei analysiert werden. Mit den der DFS zur Verfügung stehenden Mitteln ist es jedoch nicht möglich, den genauen Ort der Störaussendung und den Verursacher der Störung zu ermitteln. Die Möglichkeiten der DFS zur Untersuchung sind damit vollständig ausgeschöpft. Die DFSinterne Untersuchung wurde abgeschlossen. 18. Welche Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse sind von der NATO, anderen Regierungen oder Einrichtungen der Bundesregierung hierzu inzwischen mitgeteilt worden? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den (Zwischen -) Ergebnissen? Unter Einbeziehung aller vorhandenen Indizien können bis jetzt noch keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3514 20. Sollten Berichte zutreffen, wonach ein „noch nicht identifiziertes Objekt in der Nähe der US-Air Base Ramstein in Deutschland“ für die Störung ursächlich gewesen sein könnte, inwiefern hält die Bundesregierung eine Untersuchung durch das womöglich ursächliche NATO-Hauptquartier in Ramstein überhaupt für objektiv? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 21. Welche Kosten entstanden der Bundesregierung für vier neue Radar- „Störsysteme“, die der Rüstungskonzern Airbus Defence and Space der Bundeswehr laut einer Pressemitteilung (29. Oktober 2014) geliefert hat? Entgegen der Darstellung in der Presse handelt es sich nicht um die Beschaffung neuer Radar-Störsysteme, sondern um die Instandsetzung und Modernisierung vorhandener Systeme, die bereits seit 1997 in der Flugzieldarstellung im Ausbildungsbetrieb verwendet werden. Die Gesamtkosten einschließlich der Lieferung einer für den Betrieb erforderlichen Programmierstation belaufen sich auf ca.19,8 Mio. Euro. 22. Wann und weshalb wurde im Bundesministerium der Verteidigung über den Kauf entschieden? Die Entscheidung zur Instandsetzung und Modernisierung der vorgenannten Systeme wurde im Jahr 2009 getroffen, da es Obsoleszenzen gab und die Systeme den aktuellen Ausbildungsanforderungen nicht mehr genügten. 23. Wofür werden die Systeme konkret genutzt, und an welchen Standorten werden diese vorgehalten? Die Systeme werden für die Ausbildung und Übungsunterstützung verwendet. Im Wesentlichen wird damit die Fähigkeit der Besatzungen von Waffensystemen der Flugabwehr trainiert, elektronische Stör- und Täuschmaßnahmen zu erkennen und die entsprechenden Gegenmaßnahmen einzuleiten. Ziel ist es, die Fähigkeit des eigenen Waffensystems auch unter Einwirkung von Maßnahmen des elektronischen Kampfes zu erhalten. Die Systeme werden im Rahmen der Flugzieldarstellung durch die Firma GFD eingesetzt und auf dem BundeswehrFlugplatz Hohn bereitgehalten. 24. Welche weiteren, ähnlichen Geräte werden von der Bundeswehr betrieben? Die Bundeswehr verfügt über keine weiteren vergleichbaren Ausbildungssysteme . 25. Auf welche Weise sollen die neuen Störsysteme elektronische Störangriffe simulieren? Die Systeme sind in der Lage, die zurzeit bekannten Stör- und Täuschverfahren zu emulieren. Die Radar-Signale des Ausbildungs-Waffensystems werden manipuliert , um eine Falschinterpretation hinsichtlich der dargestellten Ziele zu erreichen. Drucksache 18/3514 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 26. Wie soll dadurch der Schutz von Flugzeugen gegen „radargesteuerte Raketenangriffe “ optimiert werden? Die Systeme sind in der Lage, die Radar-Ausstrahlung eines anfliegenden Lenkflugkörpers zu simulieren. Dies wird in den übenden Luftfahrzeugen angezeigt und die vorhandenen Selbstschutzsysteme werden stimuliert. Die Besatzung des Luftfahrzeuges und die Selbstschutzsysteme müssen dann auf diese simulierte Bedrohung mit geeigneten Maßnahmen reagieren. 27. Auf welche Weise werden „Luftverteidigungsradare“ damit vor Störangriffen geschützt? Durch die Ausbildung wird das Bedienpersonal geschult, elektronische Störund Täuschmaßnahmen zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. 28. Inwiefern ist auch die Bundesregierung der Ansicht, dass sich Störsysteme „an die wachsenden Möglichkeiten neuer Technologien“ anpassen müssten , und welche Möglichkeiten wären davon erfasst? Die Entwicklung der elektronischen Gegenmaßnahmen von Stör- und Täuschsystemen sowie der Schutzmaßnahmen von Waffensystemen stehen in einem kontinuierlichen, gegenseitigen Wettbewerb. Um eine adäquate Ausbildung und Reaktionsfähigkeit von Personal und Material sicherzustellen, müssen die zur Ausbildung und Überprüfung verwendeten Störsysteme in der Lage sein, die aktuellen Bedrohungen sowie Stör- und Täuschtechnologien darzustellen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333