Deutscher Bundestag Drucksache 18/3530 18. Wahlperiode 15.12.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3349 – Gleichgeschlechtliche Ehen in Deutschland Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Pamela Halling hatte ihre Frau Sabine am 21. Januar 2011 noch mit dem männlichen Personenstand geheiratet. Am 21. Oktober 2011 erfolgte durch den Bescheid des Amtsgerichtes Dortmund die personenstandrechtliche Änderung zur Frau. Danach beantragte sie die Ausstellung ihrer Eheurkunde mit ihrem richtigen Namen und richtigen Geschlecht. Die Standesbeamtin konnte jedoch kein Formular finden, in der eine gleichgeschlechtliche Ehe anerkannt wird. Am 21. August 2014 schrieb Pamela Halling an die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin, Dr. Angela Merkel, eine E-Mail, in der sie fragte, wie sie an eine Eheurkunde mit dem richtigen Namen und dem richtigen Geschlecht kommen könnte (www.pamsschreibzeit.blogspot.de/2014/08/offene-e-mail-frau-drmerkel .html). Zehn Wochen danach, am 5. November 2014, bekam sie eine Antwort von A. B. aus der CDU-Bundesgeschäftsstelle, die zugleich Geschäftsführerin des Bundesarbeitskreises Christlich Demokratischer Juristen ist. In der im Namen von der Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, verfassten Antwort schrieb A. B., dass sich transsexuelle Menschen nach dem geltenden Recht scheiden lassen müssen, um personenstandsrechtliche Änderungen durchführen zu lassen . Abschließend schrieb sie: „Würde man im Falle der Transsexuellen eine (dann gleichgeschlechtliche) Ehe zulassen, so würde man Lesben und Schwule diskriminieren.“ (www.pamsschreibzeit.blogspot.de/2014/11/antwort-auf-dieoffene -mail-frau-dr.html). Mit dem Gesetz zur Änderung des Transsexuellengesetzes vom 19. Juni 2009 entschied sich der Gesetzgeber für die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen in Deutschland. Durch dieses Gesetz ist § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transsexuellengesetzes ersatzlos gestrichen worden, weil das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift für nicht anwendbar erklärt hatte (BVerfGE 121, 175). Sie ließ die rechtliche Änderung des Personenstands bei einem verheirateten Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 11. Dezember 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Transsexuellen nur zu, wenn dieser sich zuvor hatte scheiden lassen. Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätte der Gesetzgeber auch anders reagieren können. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihm ausdrücklich Drucksache 18/3530 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode die Möglichkeit eingeräumt, zu bestimmen, dass das als „Ehe“ begründete Rechtsverhältnis zwar mit gleichen Rechten und Pflichten, aber unter anderem Etikett weitergeführt wird. Damit sollte es dem Gesetzgeber ermöglicht werden , die strikte Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe zu verteidigen. Diesem Gesichtspunkt hat der Gesetzgeber keine entscheidende Bedeutung beigemessen und durch die Streichung des § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transsexuellengesetzes gleichgeschlechtliche Ehen zugelassen. Infolgedessen gibt es in Deutschland legale gleichgeschlechtliche Ehen. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g In der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung wurde festgelegt, dass die besondere Situation von trans- und intergeschlechtlichen Menschen in den Fokus genommen und die Regelungen des Personenstandsrechtes evaluiert und gegebenenfalls ergänzt werden sollen. Aus diesem Grunde wurde eine Interministerielle Arbeitsgruppe „Trans- und Intersexualität“ einberufen. Sie wird federführend koordiniert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Ein Querschnittsreferat mit der Zuständigkeit „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen, Sexuelle Identitäten“ wurde im BMFSFJ eingerichtet . Gegenstandsfelder, Schwerpunktthemen und Zielsetzungen der Arbeitsgruppe wurden in der konstituierenden Sitzung am 8. September 2014 auf Grundlage der Koalitionsvereinbarung konkretisiert und sollen sukzessive bearbeitet werden . Die Prüfung erforderlicher Gesetzesänderungen wird ein Themenblock sein. Siehe hierzu auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2482. 1. Wie viele gleichgeschlechtliche Ehen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung zurzeit in Deutschland (bitte nach Bundesland und Geschlecht der Ehegatten aufschlüsseln)? Die Anzahl der Ehen, bei denen einer der Ehegatten nach der Eheschließung das Geschlecht nach § 8 des Transsexuellengesetzes (TSG) geändert hat, wird statistisch nicht erfasst. Das Personenstandsgesetz wird nach Artikel 83 des Grundgesetzes (GG) ausschließlich durch die Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt . Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, wie viele Ehen, bei denen beide Partner dasselbe Geschlecht haben, es derzeit in Deutschland gibt. 2. Sind der Bundesregierung Probleme mit der Ausstellung der Eheurkunden für gleichgeschlechtliche Ehepaare bekannt? Wenn ja, plant die Bundesregierung, etwas dagegen zu unternehmen? Probleme sind aus Einzelkontakten mit Betroffenenorganisationen bekannt. Die Ausstellung von Eheurkunden ist kommunale Angelegenheit. Nach Nummer 57.3.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV) entfallen in der Eheurkunde die Leittexte „Ehemann“ und „Ehefrau “, wenn der Eheeintrag eine Folgebeurkundung über die Änderung des Geschlechts nach § 8 TSG enthält. Dies gilt auch, wenn in dem Eheeintrag ausschließlich eine Folgebeurkundung über die Änderung der Vornamen eines Ehegatten nach § 1 TSG eingetragen ist. In der PStG-VwV soll klargestellt werden, dass in die Eheurkunde hier nur die aktuellen Vornamen aufgenommen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3530 3. In welchen amtlichen Urkunden, Formularen etc. wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Transsexuellengesetzes vom 19. Juni 2009 Änderungen vorgenommen, um der Existenz gleichgeschlechtlicher Ehen Rechnung zu tragen? Welche Änderungen sind künftig geplant? Bezüglich der Ausstellung der Eheurkunde verweist das BMFSFJ auf die Antwort zu Frage 2. Im Übrigen hat Deutschland im September 2013 das Übereinkommen Nr. 34 der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen (CIEC) über die Ausstellung mehrsprachiger, codierter Auszüge und Bescheinigungen aus Personenstandsregistern gezeichnet, das das Übereinkommen Nr. 16 der CIEC ablösen soll. Nach dem neuen Übereinkommen können die Standesbeamten aus den von ihnen geführten Personenstandsregistern mehrsprachige Auszüge erteilen, die insbesondere zur Verwendung im Ausland bestimmt sind und in den Vertragsstaaten des Übereinkommens ohne weitere Förmlichkeit (Legalisation, Beglaubigung) anerkannt werden. Die Leittexte der Formblätter des neuen Übereinkommens berücksichtigen die Rechtsänderungen in den Mitgliedstaaten der CIEC und ermöglichen auch die Abbildung einer Ehe, bei denen beide Partner dasselbe Geschlecht haben. Die vorgenannten Maßnahmen sind nach Ansicht der Bundesregierung ausreichend, um hier den Personenstand zu dokumentieren. Weitere Änderungen sind deshalb nicht beabsichtigt. 4. In welchen amtlichen Statistiken wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Transsexuellengesetzes vom 19. Juni 2009 Änderungen vorgenommen, um der Existenz gleichgeschlechtlicher Ehen Rechnung zu tragen? Welche Änderungen sind künftig geplant? Nach dem Bevölkerungsstatistikgesetz werden zwar die Eheschließungen statistisch erhoben, Veränderungen während bestehender Ehe werden jedoch nicht erfasst . Änderungen sind nicht geplant. 5. Teilt die Bundesregierung die im Namen der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin , Dr. Angela Merkel, geäußerte Auffassung, dass die Zulassung einer gleichgeschlechtlichen Ehe – wie es mit dem Gesetzentwurf der Großen Koalition im Jahr 2009 geschah – Lesben und Schwule diskriminiert ? Wenn ja, plant die Bundesregierung, diese Diskriminierung zu beenden? Der Gesetzgeber hat im Jahr 2009 den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2008 (1 BvL 10/05) umgesetzt und es damit ermöglicht, dass auch verheiratete Personen den rechtlichen Geschlechtswechsel vornehmen können, ohne ihre Ehe auflösen zu müssen. Mit weitergehenden Fragen in diesem Zusammenhang wird sich die Interministerielle Arbeitsgruppe befassen (vgl. Vorbemerkung der Bundesregierung). Bereits im Jahr 2001 wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz geschaffen und damit gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit eröffnet, eine rechtlich verbindliche eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen. Drucksache 18/3530 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. In welchem Kontext und in welcher Zusammensetzung werden „derzeit Reformvorschläge diskutiert, die Ehe bei transidenten Paaren, ohne Scheidung in eine eingetragene Lebenspartnerschaft umzuwandeln“, wie im Namen der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, A. B. behauptet ? Zu diesem Zitat aus der CDU-Bundesgeschäftsstelle äußert sich die Bundesregierung nicht. Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 7. Plant die Bundesregierung eine Aufklärungskampagne, um die Bundesgeschäftsstellen der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien bzw. deren Arbeitskreise, wie den Bundesarbeitskreis Christlich Demokratischer Juristen, über das Transsexuellengesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu informieren? Wenn ja, wann soll sie durchgeführt werden? Nein, eine derartige Aufklärungskampagne ist nicht geplant. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333