Deutscher Bundestag Drucksache 18/3539 18. Wahlperiode 16.12.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3347 – Revision des Euratom-Vertrages Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft Euratom wurde am 25. März 1957 in Rom unterzeichnet und besteht seitdem nahezu unverändert . So beinhaltet er immer noch die Zielsetzung, „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen, welche die Energieerzeugung erweitert, die Technik modernisiert und auf zahlreichen anderen Gebieten zum Wohlstand ihrer Völker beiträgt“. Die Hoffnungen auf eine saubere und vor allem sichere Energieversorgung durch Atomenergie haben sich jedoch nicht erfüllt. Das haben vor allem die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima auf leidvolle Weise deutlich gemacht. Der politische und gesellschaftliche Wandel bei der Akzeptanz der Atomenergie , der mittlerweile stattgefunden hat und seinen Ausdruck im fraktionsübergreifend beschlossenen deutschen Atomausstieg gefunden hat, wurde im Euratom-Vertragstext bisher nicht nachvollzogen. Das steht in eklatantem Widerspruch zu den Bemühungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (EU) insgesamt, eine sichere und nachhaltige Energieversorgung durch erneuerbare Energien zu verwirklichen. Mit der Erklärung zur Schlussakte von Lissabon vom 13. Dezember 2007 hat die Bundesregierung ihre Unterstützung für eine zeitgemäße Anpassung des Euratom-Vertrages zum Ausdruck gebracht. Auch die Bundesratsinitiative „Entschließung des Bundesrates zur Änderung des Euratom-Vertrages – europaweiten Atomausstieg voranbringen“ aus dem Jahr 2011 (Bundesratsdrucksache 276/11) fordert die Bundesregierung auf, sich für die schnelle Einberufung einer Regierungskonferenz zur grundlegenden Überarbeitung des Euratom-Vertrages einzusetzen. In seiner jetzigen Fassung steht der Euratom-Vertrag im Widerspruch zur EnerDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 10. Dezember 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. giepolitik seiner Mitgliedstaaten. Für die drängenden energiepolitischen Fragen des 21. Jahrhunderts bietet er keine Lösungen. Deshalb bedarf es aus Sicht der Fragesteller der Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für erneuerbare Energien. Drucksache 18/3539 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die dem Euratom-Vertrag zugrunde liegende Zielsetzung, „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“, nicht mit den heutigen Zielsetzungen und Erfordernissen einer nachhaltigen Energiepolitik der EU vereinbar ist und der Entwicklung eines zukunftsfähigen Energiekonzeptes entgegensteht (bitte mit Begründung)? 2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Gründe für den Beibehalt des Euratom-Vertrages als eigenständiger Vertrag der Mitgliedstaaten anstelle seiner Integration in die neue gemeinschaftliche Architektur der EU im Zuge des Lissabon-Vertrages? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom-Vertrag) zum Ausdruck gebrachte Leitgedanke des Euratom-Vertrags steht zwar nicht im Einklang mit den Zielen der Energiepolitik der Bundesregierung, insbesondere dem Ausstieg aus der kommerziellen Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland bis zum Jahr 2022. Allerdings behindern die Regelungen des Euratom-Vertrags im Allgemeinen und des übrigen europäischen Primärrechts die Energiepolitik der Bundesregierung nicht; so verbleibt insbesondere nach Artikel 194 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die Entscheidung über den nationalen Energiemix bei den Mitgliedstaaten . Die Bestimmungen des Euratom-Vertrag haben sich als geeignete Rechtsgrundlage für das Erreichen wesentlicher Ziele der Bundesregierung im Nuklearbereich erwiesen. Die Bundesregierung hat sich laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zum Ziel gesetzt, in Europa aktiv daran mitzuwirken, insbesondere die Sicherheit der Kernkraftwerke zu erhöhen. Um die dafür erforderlichen verbindlichen Sicherheitsziele in der EU mitgestalten und für ein System wechselseitiger Kontrolle bei fortbestehender nationaler Verantwortung für die Sicherheit eintreten zu können, besteht zurzeit keine Notwendigkeit, diese tragfähige Kooperationsgrundlage auch im Verhältnis zur guten internationalen Kooperation mit Drittstaaten in Zweifel zu ziehen. Der Euratom-Vertrag bietet die Grundlage für einheitliche europäische Regelungen bei der nuklearen Sicherheit , im Strahlenschutz und der nuklearen Entsorgung, die gegebenenfalls national ergänzt werden können. In der Vergangenheit wurden mehrere Rechtsakte auf Grundlage des Euratom-Vertrags beschlossen, die dies beispielhaft verdeutlichen : Am 8. Juli 2014 haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam auf die Verabschiedung der Richtlinie 2014/87/Euratom zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen verständigt. Die Richtlinie ist am 14. August 2014 in Kraft getreten und enthält erstmals materielle technische Vorschriften im Bereich der nuklearen Sicherheit. Daneben enthält die Richtlinie rechtsverbindliche Regelungen für die Einführung eines Systems wechselseitiger Überprüfungen (Topical Peer Reviews) durch die nationalen Aufsichtsbehörden , die themenbezogen mindestens alle sechs Jahre, beginnend mit dem Jahr 2017, durchzuführen sein werden. Durch die geänderte Sicherheitsrichtlinie werden zudem Transparenz- und Informationspflichten für Genehmigungsinhaber und Aufsichtsbehörden erweitert. Rechtsgrundlage für die Richtlinie sind Regelungen des Euratom-Vertrags (Artikel 31 und 32 der Europäischen Atomgemeinschaft – EAGV). Artikel 31 und 32 im Kapitel „Der Gesundheitsschutz“ des Euratom-Vertrags sind seit dem Jahr 1959 Rechtsgrundlage für das viele Lebensbereiche betref- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3539 fende Recht zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, nach der die Artikel 30 ff. EAGV darauf abzielen, einen lückenlosen und wirksamen Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen sicherzustellen (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 1991 – Rs. C-70/88, Slg. 1991 I, S. 4529 ff. Rn. 14), hat das europäische Strahlenschutzrecht kontinuierlich neue Sachverhalte erfasst. Zunächst hatten Euratom-Richtlinien in erster Linie den Schutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte bei der zielgerichteten Nutzung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlen im Blick. Die Richtlinie 97/43/Euratom des Rates vom 30. Juni 1997 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition hat den Schutz von Patienten aufgegriffen. Die Richtlinie 2013/51/Euratom des Rates vom 22. Oktober 2013 sieht darüber hinaus Anforderungen an den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung hinsichtlich radioaktiver Stoffe in Wasser für den menschlichen Gebrauch vor. Zuletzt hat die in diesem Jahr in Kraft getretene Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung den bereits breiten Anwendungsbereich des europäischen Strahlenschutzrechts durch die Aufnahme von Regelungen zum Schutz vor natürlicher Radioaktivität (z. B. Radon aus dem Boden) noch einmal deutlich erweitert. Die Richtlinie enthält zudem detaillierte Vorgaben für die Notfallplanung und die verstärkte Kooperation aller Mitgliedstaaten zum Zweck eines einheitlichen Handelns im Notfall. Das Kapitel „Gesundheitsschutz“ des Euratom-Vertrags wird deshalb auch künftig die grundlegende Basis sein, um gemeinschaftsweit einen wirksamen Strahlenschutz sicherzustellen. Der Euratom-Vertrag hat sich somit als geeignete Rechtsgrundlage für Regelungen nicht nur in den Bereichen Gesundheitsschutz, Überwachung von Kernmaterial , nukleare Nichtverbreitung, Sicherheitsforschung, internationale Kooperation sondern auch für nukleare Sicherheit erwiesen. Darüber hinaus enthält der Euratom-Vertrag keine Verpflichtung zum Aufbau einer Kernenergieindustrie oder zum Bau von Kernkraftwerken; er steht einem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie zur kommerziellen Stromerzeugung nicht entgegen. Aus diesen übergeordneten Gründen hält die Bundesregierung es für folgerichtig, die beschlossenen Arbeiten auf der Grundlage des bestehenden Euratom-Vertrags fortzuführen . Die Haltung der Bundesregierung gegenüber Euratom hat sich insofern seit dem Beschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie im Jahr 2001 nicht geändert. 3. Welche Aufgaben, Projekte und Tätigkeiten stehen aktuell im Zentrum der Arbeit von Euratom (bitte detailliert aufschlüsseln)? Grundlegende Richtlinien zur nuklearen Sicherheit, zur Entsorgung und zum Strahlenschutz wurden, wie bereits in der Antwort zu Frage 1 dargestellt, in den letzten Jahren auf den Rechtsgrundlagen des Euratom-Vertrages beschlossen und ergänzt und bedürfen zunächst der rechtlichen und praktischen Umsetzung. Daneben werden zu einzelnen weiteren Themen fortlaufend Verhandlungen auf EU-Ebene auf der Basis des Euratom-Vertrags geführt. Neben den bereits zu Frage 1 dargestellten Richtlinien ist die Richtlinie 2013/ 51/Euratom des Rates zur Festlegung von Anforderungen an den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung hinsichtlich radioaktiver Stoffe in Wasser für den menschlichen Gebrauch in Kraft getreten, die bis zum 28. November 2015 in nationales Recht umzusetzen ist. Die Umsetzung der Richtlinie wird durch Än- derung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) erfolgen. Drucksache 18/3539 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nach den Ereignissen im Kernkraftwerk von Tschernobyl im Jahr 1986 und im Kernkraftwerk Fukushima im Jahr 2011 hat sich gezeigt, dass ein europaweit abgestimmtes Vorgehen zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungs- und Futtermitteln für den auch im Falle einer radiologischen Notstandssituation zu gewährleistenden Gesundheitsschutz unerlässlich ist. Zur Erreichung der Ziele des Artikels 30 des Euratom-Vertrages ist es deshalb geboten, die Regelungen der bestehenden Euratom-Verordnung Nr. 3954/87 des Rates vom 22. Dezember 1987 zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungs- und Futtermitteln mit den Regelungsinhalten der Verordnung (Euratom) Nr. 944/89 der Kommission vom 12. April 1989 zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln von geringer Bedeutung, sowie der Verordnung (Euratom) Nr. 770/90 der Kommission vom 29. März 1990 zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Futtermitteln unter Berücksichtigung der Erfahrungen nach dem Reaktorunfall in Fukushima in einem Rechtsakt zusammenzufassen und fortzuentwickeln. Die Kommission hat hierzu im Januar 2014 den „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungs- und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation“ vorgelegt. Die von der Kommission vorgeschlagene Verordnung soll als Basisrechtsakt die Rechtsgrundlage für die Festlegung verbindlicher Grenzwerte in einer bei einem radiologischen Notfall ggf. von der Kommission unter Kontrolle der Mitgliedstaaten zu erlassenden Durchführungsverordnung (Artikel 291 AEUV) schaffen . Die Europäische Kommission bereitet sich darauf vor, die nach Richtlinie 2011/ 70/Euratom bis zum 23. August 2015 zu übersendenden Berichte der Mitgliedstaaten (Nationale Entsorgungsprogramme, Durchführungsberichte, Abfallbestände ) zu prüfen und daraus einen Bericht für das europäische Parlament zu erstellen. Zuletzt hat hierzu am 3. und 4. November 2014 der „2nd Workshop on National Programmes for the Management of Spent Fuel and Radioactive Waste in EU Member States“ stattgefunden. Nach Durchführung des Europäischen Stresstests hat die Gruppe der Leiter der atomrechtlichen Aufsichtsbehörden in der EU (ENSREG) im Juli 2012 beschlossen , dass alle Mitgliedstaaten bis zum Jahresende 2012 nationale Aktionspläne erstellen und veröffentlichen. Auf einem gemeinsamen Workshop im April 2013 wurden die Pläne erläutert und der Stand der Umsetzung der Ergebnisse des europäischen Stresstests dargelegt. Die Ergebnisse wurden veröffentlicht . Ein weiterer Workshop zum Umsetzungsstand wird im April 2015 durchgeführt werden. Es ist geplant, auch die Ergebnisse dieses Workshops zu veröffentlichen . Eine weitere aktuelle Aufgabe von Euratom ist die Umsetzung des Forschungsund Ausbildungsprogramms der europäischen Atomgemeinschaft für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018. 4. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen, um auf EU-Ebene die Einberufung einer Regierungskonferenz zur grundlegenden Überarbeitung des Euratom-Vertrages voranzubringen (bitte detailliert aufschlüsseln)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3539 5. Welche konkreten Möglichkeiten sieht die Bundesregierung im Hinblick auf den Beginn der neuen Amtszeit der Europäischen Kommission und das neu gewählte Europaparlament konkrete Schritte zur Revision des Euratom-Vertrages einzuleiten? Wird sie diese umsetzen? Wenn ja, in welchem zeitlichen Rahmen? Wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Einschätzung weiterer Mitgliedstaaten der Europäischen Union bezüglich einer Revision von Euratom (speziell im Zusammenhang mit der Frage der Nutzung der Atomenergie in Zeiten der Energiewende)? Im Rahmen der gemeinsamen Arbeiten zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit und des Schutzes vor den Risiken ionisierender Strahlung in der EU wurde nach Kenntnis der Bundesregierung diese Fragestellung von keinem Mitgliedstaat offiziell aufgegriffen. 7. Teilt die Bundesregierung die Forderung der Fragesteller nach der Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für erneuerbare Energien, und gibt es derzeit Bestrebungen in diese Richtung? Wenn ja, wie sehen diese konkret aus? Wenn nein, warum nicht? Die Europäische Union betreibt eine eigenständige Energiepolitik, für die sie mit dem Vertrag von Lissabon eine explizite Rechtsgrundlage im Primärrecht erhielt (Artikel 194 AEUV). Danach verfolgt die Energiepolitik der Europäischen Union im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der Verwirklichung oder des Funktionierens des Binnenmarktes und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt u. a. das Ziel der Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen. Auf dieser Grundlage verfolgen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsame Strategien und Ziele in der Europäischen Energiepolitik. So hat die europäische Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen als Teil des Europäischen Klima- und Energiepakets ehrgeizige verbindliche Ziele für die gesamte EU gesetzt: 20 Prozent des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien sowie ein Mindestanteil von 10 Prozent erneuerbare Energien im Verkehrssektor sollen bis zum Jahr 2020 erreicht werden. Die Richtlinie sieht differenzierte verbindliche nationale Gesamtziele der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor. Zur nationalen Zielerreichung baut die Richtlinie in erster Linie auf die nationalen Förderinstrumente. Sie sieht jedoch auch die Möglichkeit der flexiblen Zielerreichung über die sog. flexiblen Kooperationsmechanismen vor. Die EU-Mitgliedstaaten müssen anhand eines vorgegebenen Musters einen Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie vorlegen. Beim Europäischen Rat in Brüssel am 23./24. Oktober 2014 haben sich die EUMitgliedstaaten auf einen EU-Klima- und Energierahmen bis zum Jahr 2030 verständigt. Eines der Hauptelemente der Beschlüsse ist ein verbindliches EUZiel für einen Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch von mindestens 27 Prozent. In seinen Schlussfolgerungen betont der Europäische Rat aus- drücklich die Möglichkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sich Drucksache 18/3539 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode höhere nationale Ziele zu setzen. Dies ist auch für die europarechtliche Flankierung der Energiewende in Deutschland wichtig. Die Staats- und Regierungschefs haben außerdem weitere Maßnahmen zur Stärkung der Energieversorgungssicherheit beschlossen und die Notwendigkeit bestätigt, die Vertiefung des Energiebinnenmarktes, die Diversifizierung einschließlich des Ausbaus erneuerbarer Energien und Energieeffizienz weiter voranzutreiben. Auch im Rahmen der aktuellen Diskussionen zur „Europäischen Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimapolitik“ entsprechend der strategischen Agenda der EU-Staats- und Regierungschefs setzt sich die Bundesregierung für eine starke Rolle erneuerbarer Energien ein. Vor diesem Hintergrund hält die Bundesregierung es nicht für erforderlich, die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für erneuerbare Energien anzustreben . 8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Höhe der EUFördermittel , die zur Erforschung unterschiedlicher Energieformen in der neuen Förderperiode zur Verfügung stehen (bitte nach den Energieträgern Atomkraft, fossile Energieträger, erneuerbare Energien aus Wasser, Windkraft , Sonne und Biogas aufschlüsseln)? Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben beschlossen, mit dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ für den nicht-nuklearen Bereich „Sichere, saubere und effiziente Energieversorgung“ für die Jahre 2014 bis 2020 insgesamt 5 931,2 Mio. Euro bereitzustellen. Die einzelnen Förderthemen mit Angaben zum geplanten Förderbudget werden von der Europäischen Kommission in zweijährigen Arbeitsprogrammen veröffentlicht . Eine Zuordnung des Förderbudgets auf einzelne Energieträger ist wegen zahlreicher Querschnittsthemen, wie beispielsweise Speicher, Netze oder intelligente Städte nicht möglich. In Ergänzung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ beträgt der Finanzrahmen des Forschungs - und Ausbildungsprogrammes der europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) für die Jahre 2014 bis 2018 1 603,3 Mio. Euro. Die bestehende Fazilität NER300 zur Erforschung von CO2-armen Technologien (Demonstrationsprojekte im Bereich erneuerbare Energien und CCS) wird nach dem Beschluss des Europäischen Rates im Oktober 2014 um 100 Millionen Emissionshandelszertifikate aufgestockt (NER400) und auf CO2-arme Innovationen in Industriesektoren ausgedehnt. Für den NER300 wurden bisher 2,1 Mrd. Euro bereitgestellt. 9. Gibt es in den anderen Energiebereichen (außer im Bereich Atomkraft) eine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, z. B. im Bereich der erneuerbaren Energien (bitte detailliert aufschlüsseln)? Welche Initiativen hierzu wurden vonseiten der Bundesregierung ergriffen? Die Bundesregierung arbeitet in allen Bereichen der Energiepolitik (u. a. erneuerbare Energien, Versorgungssicherheit, Energiebinnenmarkt) eng mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammen. Im Bereich der erneuerbaren Energien findet zum Beispiel ein regelmäßiger Austausch der Mitgliedstaaten im Forum der sogenannte Concerted Action zur Umsetzung der Erneuerbaren -Richtlinie 2009/28/EG statt. Die Bundesregierung leitet im Rahmen dieses halbjährlich unter Schirmherrschaft der Kommission stattfindenden Forums zwei Arbeitsgruppen: die Arbeitsgruppe zu Fördersystemen für er- neuerbare Energien und die Arbeitsgruppe zu Kooperationsmechanismen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3539 Auf bilateraler Ebene steht die Bundesregierung ebenfalls in intensivem Austausch mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Auf Initiative der Bundesregierung und der entsprechenden Mitgliedstaaten wurden zudem Vereinbarungen zur weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit getroffen, wie zum Beispiel zur Zusammenarbeit mit Frankreich über die deutsch-französische Arbeitsgruppe Energie sowie mit den Niederlanden zur Umsetzung der gemeinsamen deutsch-niederländischen Energieerklärung. Zusätzlich hat die Bundesregierung im Rahmen der von der EU initiierten „Task Force for Greece“ die Koordinierung der technischen Hilfe für Griechenland im Bereich erneuerbare Energien übernommen, und berät seit dem Jahr 2013 die griechische Regierung bei der Reform des Sektors der erneuerbaren Energien. Darüber hinaus bestehen mehrere Kooperationsforen im Energiebereich mit Bezug zu erneuerbaren Energien . So finden auf Initiative der Bundesregierung regelmäßige Gespräche der Mitgliedstaaten mit direkter Stromverbindung ins deutsche Netz statt, in denen zur Zeit die Zusammenarbeit bei der Sicherstellung von Versorgungssicherheit auf dem Strommarkt im Fokus steht. 10. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher getroffen, um die Forderung des Bundesrates (Bundesratsdrucksache 276/11) nach einer Evaluierung „der Bestimmungen des Euratom-Vertrages vor dem Hintergrund der energiepolitischen Zielsetzungen der EU, des Bundes und der Länder sowie der vorliegenden Resultate der Stresstests der Kernkraftwerke in den Mitgliedstaaten“ umzusetzen, und zu welchen Ergebnissen ist sie dabei gekommen? Inwiefern steht sie dabei in Kontakt mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union? 11. Wenn bisher keine Maßnahmen diesbezüglich ergriffen wurden, wird die Bundesregierung dies noch nachholen, und wenn ja, in welchem zeitlichen Rahmen? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 10 und 11 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung hat die Aufforderung des Bundesrates aufgenommen und die Bestimmungen des Euratom-Vertrages vor dem Hintergrund der energiepolitischen Zielsetzungen der EU, des Bundes und der Länder evaluiert. Die Ergebnisse werden derzeit innerhalb der Bundesregierung diskutiert. Unabhängig von den energiepolitischen Zielsetzungen hat sich der Euratom-Vertrag als geeignete Rechtsgrundlage für Regelungen in den Bereichen Gesundheitsschutz, Überwachung von Kernmaterial, nukleare Nichtverbreitung, Sicherheitsforschung , internationale Kooperation und nukleare Sicherheit erwiesen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1, 2 und 6 verwiesen. Gesamtherstellung: H. 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