Deutscher Bundestag Drucksache 18/3580 18. Wahlperiode 17.12.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3398 – Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Bahn AG Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut „AFP“-Meldung vom 16. November 2014 verzögert sich das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Tarifeinheit weiter. Wie das Nachrichtenmagazin „FOCUS“ in der 47. Kalenderwoche berichtete, wird sich das Kabinett nun erst am 10. Dezember 2014 mit dem Gesetzentwurf befassen und nicht wie geplant am 3. Dezember 2014. Ursprünglich hatte sich das Kabinett bereits vor Monaten mit dem Thema befassen wollen, es wurde aber vor der Sommerpause von der Tagesordnung genommen. Parallel zur Verschiebung der Gesetzgebung begann die Tarifrunde bei der Deutschen Bahn AG. In dem staatseigenen Unternehmen ist die Bundesregierung direkt im Aufsichtsrat vertreten. Die Deutsche Bahn AG sah durch den legalen Arbeitskampf die Gefahr, dass die jetzigen Tarifverhandlungen mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zum einen negative Auswirkungen auf das System der Flächentarifverträge bei der Deutschen Bahn AG haben und zum anderen angeblich die öffentliche Daseinsvorsorge im Verkehrssektor auf dem Spiel stehe. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Bundesregierung zur Eskalation der Streiks bei der Deutschen Bahn AG über ihre Vertretung im Aufsichtsrat beigetragen hat, da sie womöglich Interesse an einem Vorwand zur Einführung der gesetzlichen Tarifeinheit hat. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, inwieweit Arbeitnehmer bei Streiks auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge verpflichtet werden können. Das Gesetz sieht dies bisher nicht vor. 1. Wie setzt sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG zusammen (bitte nach Arbeitnehmer und Arbeitgeber inklusive der Zugehörigkeit zu einer politischen Organisation differenzieren ), und welche speziellen Aufgaben haben die Vertreter der BundesregieDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 15. Dezember 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. rung? Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn AG wird vom Unternehmen unter Berücksichtigung der relevanten personenbezogenen In- Drucksache 18/3580 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode formationen aktuell veröffentlicht: www.deutschebahn.com/de/konzern/ konzernprofil/aufsichtsrat.html . 2. Welche Tantiemen und Vergütungen bekommen nach Kenntnis der Bundesregierung die jeweiligen Mitglieder im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG? Nach Kenntnis der Bundesregierung entsprechen die genannten Vergütungsbestandteile der jeweiligen Mitglieder im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG den vom Unternehmen in ihrem Geschäftsbericht zum 31. Dezember 2013 (Seite 60) publizierten Werten: www1.deutschebahn.com/gb2013-de/start.html . 3. Welchen Einfluss haben die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG auf die aktuell laufende Tarifauseinandersetzung genommen, und welche lösungsorientierten Vorschläge haben sie während der Verhandlungen vorgelegt? Es ist nicht Aufgabe der Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG, Einfluss auf die laufende Tarifauseinandersetzung zu nehmen . Diese obliegt allein den betroffenen Tarifparteien. 4. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem aktuellen Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn AG, und inwieweit hat die Bundesregierung Einfluss auf den Vorstand der Deutschen Bahn AG durch ihre Beratungsfunktion im Aufsichtsrat genommen? Tarifauseinandersetzungen und Streiks sind elementare Bestandteile der Tarifautonomie , die von der Bundesregierung nicht in Frage gestellt wird. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Inwieweit besteht zwischen der Bundesregierung und dem Vorstand der Deutschen Bahn AG Arbeitskontakt, und wenn ja, inwieweit wurde in diesem Zusammenhang der zeitliche Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens zur Tarifeinheit erörtert? Der Arbeitskontakt zwischen der Bundesregierung und dem Vorstand der Deutschen Bahn AG besteht im angesprochenen Kontext unter Beachtung einerseits des Grundsatzes der Tarifautonomie und andererseits der Zuständigkeit für Gesetzgebungsverfahren . 6. Inwieweit beeinflussen nach Ansicht der Bundesregierung die Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Bahn AG die öffentliche Meinungsbildung über ein Gesetz zur Tarifeinheit? Über den Grad einer möglichen Beeinflussung der öffentlichen Meinungsbildung durch die Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Bahn AG liegen der Bundesregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3580 7. Wie viele Betriebe gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Deutschen Bahn AG in Deutschland, und wie viele Betriebe unterstehen nach Kenntnis der Bundesregierung in der Summe der Kontrolle der Konzernzentrale ? Im Konzern der Deutschen Bahn (DB) AG in Deutschland bestehen nach eigener Auskunft rund 400 Wahlbetriebe, davon rund 330 in den Schienenverkehrs-, Schieneninfrastruktur- sowie Bus- und Dienstleistungsunternehmen und rund 70 in der Logistiksparte (DB Schenker Logistics). Zur Konzernleitung, d. h. den Unternehmen Deutsche Bahn AG und DB Mobility Logistics AG, zählen davon sieben Wahlbetriebe mit den Mitarbeitern der zentral geführten Gruppen- und Servicefunktionen. Die übrigen Wahlbetriebe unterstehen den einzelnen Tochterunternehmen dieser beiden Gesellschaften (z. B. DB Netz AG, DB Regio AG, DB Fernverkehr AG) und werden durch diese geführt. 8. Wie viele Tochtergesellschaften gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung im Nahverkehr und Güterverkehr, und wie viele Tochtergesellschaften sind tarifgebunden (bitte nach Gewerkschaft und Arbeitgeberverband unterscheiden)? Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG wird der Schienenpersonennahverkehr durch die DB Regio AG und ihre Tochtergesellschaften S-Bahn Berlin GmbH und S-Bahn Hamburg GmbH sowie die DB RegioNetz-Verkehrs-GmbH und Vorpommernbahn GmbH durchgeführt. Für diese Gesellschaften kommen die mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) für Lokführer sowie der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) für die übrigen Beschäftigten verhandelten Tarifverträge zur Anwendung. Die Busunternehmen des Nahverkehrs und deren Tochtergesellschaften sind entweder durch Tarifverträge des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbandes der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e. V. (Agv MoVe) mit der EVG oder über Tarifverträge mit anderen regionalen Arbeitgeberverbänden tarifgebunden. Der Güterverkehr wird im Wesentlichen durch die DB Schenker Rail Deutschland AG durchgeführt. Sie und ihre Tochterunternehmen sind grundsätzlich an die zwischen dem Agv MoVe und der EVG sowie der GDL abgeschlossenen Tarifverträge gebunden. 9. Wie viele Tarifverträge kommen bei der Deutschen Bahn AG nach Kenntnis der Bundesregierung gleichzeitig zur Anwendung, und von welchen Gewerkschaften wurden diese Tarifverträge ausgehandelt? 10. Wie viele Tarifverträge existieren nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Deutschen Bahn AG für dieselbe Beschäftigtengruppe? Die Fragen 9 und 10 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG sind in den Schienenverkehrsunternehmen die Kernelemente der Arbeitsverhältnisse (Mantelbestimmungen, Arbeitszeit , Entgelt) für Lokomotivführer im Bundes-Rahmen-Lokomotivführertarifvertrag sowie dem Tarifvertrag für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des Agv MoVe geregelt. Diese Tarifverträge sind mit der GDL abgeschlossen. Für die übrigen Beschäftigtengruppen in den Schienenverkehrs- und Schieneninfrastrukturunternehmen finden sich diese Bestimmungen im Basistarifvertrag und seinen fünf funktionsgruppenspezifischen Tarifverträgen, die mit der EVG Drucksache 18/3580 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode verhandelt werden. Mit der EVG sind darüber hinaus für einzelne Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG auch unternehmensspezifische Tarifverträge zu den Kernelementen vereinbart, so z. B. im Dienstleistungs-, Bus- und Baubereich . In einigen wenigen kleineren Bahnunternehmen werden historisch bedingt vereinzelt Tarifverträge auch mit anderen Gewerkschaften unterhalten. Die Logistiksparte der Deutschen Bahn AG in Deutschland (DB Schenker Logistics ) ist an Flächentarifverträge gebunden, die auf Verbandsebene mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) bestehen. In den Bahnunternehmen bestehen keine sich überschneidenden bzw. konkurrierenden Tarifverträge für dieselbe Beschäftigtengruppe. Bedingt durch die im jahr 1994 vollzogene Bahnstrukturreform existieren jedoch einige mit EVG und GDL identisch geschlossene besitzstandswahrende Tarifregelungen. 11. Wie hoch ist nach Erkenntnis der Bundesregierung der Verdienst bei den Lokführern der Deutschen Bahn AG (bitte nach angestellten und verbeamteten Lokführern unterscheiden), und wie hoch ist der Verdienst bei den Lokführern in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union? Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG liegt der Jahresverdienst der Lokomotivführer einschließlich Zulagen und Weihnachtsgeld – je nach konkreter Tätigkeit , Qualifikation und Berufserfahrung – durchschnittlich zwischen rund 36 000 und 46 000 Euro brutto. Belastbare Angaben zum Verdienst der Lokführer in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nicht bekannt. 12. Wo ist in der deutschen Rechtsprechung eine Gemeinwohlverpflichtung bei Streiks für die öffentliche Daseinsvorsorge festgeschrieben? Auf die Grundsatzentscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG Großer Senat v. 21.4.1971 – GS 1/68) wird verwiesen. 13. Hält es die Bundesregierung nicht für zweckmäßiger, Lokführer zu verbeamten , um die öffentliche Daseinsvorsorge im Verkehrsbereich sicherzustellen , anstatt das Streikrecht für alle Arbeitnehmer faktisch einzuschränken ? Mit der Bahnstrukturreform haben sich der Deutsche Bundestag und der Bundesrat Ende 1993 in breitem Konsens für die Umwandlung der ehemaligen behördlich organisierten Staatsbahnen in die als Wirtschaftsunternehmen zu führende Deutsche Bahn AG entschieden. Eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor der Bahnstrukturreform mit allen damit verbundenen Nachteilen für den Eisenbahnverkehr ist für die Bundesregierung keine Option. 14. Wenn die Bundesregierung das Gemeinwohlinteresse über das Interesse von streikenden Arbeitnehmern stellt, wo erhebt die Bundesregierung eine äquivalente Forderung gegenüber den Arbeitgebern und drängt auf deren Einhaltung? Der Bundesregierung liegt es fern, die berechtigten Interessen der streikenden Mitarbeiter oder die des Gemeinwohls einzuschränken. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333