Deutscher Bundestag Drucksache 18/3607 18. Wahlperiode 18.12.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3397 – Gemeinsame trilaterale Patrouillen österreichischer, italienischer und deutscher Polizeien gegen unerwünschte Migration Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Polizeien aus Deutschland intensivieren nach Auskunft des Bundesministeriums des Innern (BMI) ihre gemeinsam mit Italien und Österreich bereits bestehende „grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität “ (Pressemitteilung vom 13. November 2014). Allerdings werden hierfür aus Sicht der Fragesteller Migrantinnen bzw. Migranten und nicht deren Helferinnen bzw. Helfer verstärkt behelligt. So würden seit Beginn der Woche des 13. November 2014 „die gemeinsamen trilateralen Streifen österreichischer, italienischer und deutscher Polizisten in den grenzüberschreitenden Zügen zur Erhöhung der Kontrolldichte deutlich verstärkt“. Alle Patrouillen finden demnach auf italienischem Hoheitsgebiet statt. Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, habe des Weiteren „mit seinen italienischen und österreichischen Amtskollegen vereinbart“, die europäischen „Bemühungen zur Eindämmung der illegalen Migration“ durch „weitere konkrete bi- und trilaterale Aktivitäten“ zu ergänzen. Benannt werden diese in der Mitteilung aber nicht. Allerdings würden bereits andere „wichtige Maßnahmen erfolgreich umgesetzt“. Diese gingen auf ein Treffen der Innenminister der Europäischen Union (EU) am 10. Oktober 2014 zurück, wo man sich auf eine „gemeinsame Strategie im Umgang mit den wachsenden Flüchtlingszahlen“ geeinigt habe und die schließlich in entsprechenden Ratsschlussfolgerungen mündeten. Die Patrouillen und Kontrollen finden ausweislich der Mitteilung vorwiegend in „Eisenbahnzügen aus Italien“ statt. In die Maßnahmen seien auch die bayerische Polizei, die Bundeszollverwaltung und „weitere Sicherheitspartner sowie die Eisenbahnunternehmen“ eingebunden. Auch hierzu erfolgt keine Mitteilung über die Art und Weise. Laut dem Bundesminister des Innern sei ein „verstärktes Vorgehen gegen illegale Migration […] angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen dringend Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 16. Dezember 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. erforderlich“. Aus Sicht der Fragesteller sollte aber die Aufnahme, nicht die Bekämpfung Geflüchteter im Vordergrund stehen. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass kein weiterer Druck auf Italien ausgeübt, sondern die Regierung in Rom durch Aufnahme von Geflüchteten, die in Italien ankom- Drucksache 18/3607 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode men, entlastet wird. Die ausufernden Kontrollen in Italien sind geeignet, die Reisebewegungen Geflüchteter weiter zu verkomplizieren und erzwingen noch risikoreichere Routen. Noch mehr Tote an den Außengrenzen wären die Folgen . Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die wachsenden Migrationsströme und der anhaltend hohe Migrationsdruck sind eine große Herausforderung für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten . Eine europäische Antwort auf Migrationsfragen muss eine verstärkte Koordinierung notwendiger Maßnahmen im Sinne eines ganzheitlichen und staatenübergreifenden Ansatzes berücksichtigen. Nachdem sich die Innenminister der Europäischen Union (EU) am 10. Oktober 2014 auf eine gemeinsame Strategie im Umgang mit dem steigenden Migrationsdruck einigten, hat Deutschland gemeinsam mit Italien und Österreich die bereits bestehende Zusammenarbeit zur Eindämmung des Migrationsdrucks im Binnengrenzraum und zur Bekämpfung international agierender Schleuserorganisationen intensiviert. Betroffen davon war auch die entsprechende konzeptionelle Neuausrichtung der bereits seit dem Jahr 2000 bestehenden bahnpolizeilichen trilateralen Streifen zwischen Italien, Österreich und Deutschland. Seit dem 10. November 2014 werden trilaterale Streifen in grenzüberschreitenden Fernreisezügen ausschließlich auf italienischem Hoheitsgebiet durchgeführt. 1. Welche konkreten Defizite sieht die Bundesregierung bezüglich der Wahrnehmung von Grenzkontrollaufgaben der italienischen Behörden? Die Bundesregierung kommentiert die Aufgabenwahrnehmung ausländischer Sicherheitsbehörden nicht. 2. Wer hatte die Einrichtung der Patrouillen nach Kenntnis der Bundesregierung zuerst angeregt? Die Intensivierung der bestehenden trilateralen Streifen im Hinblick auf die Eindämmung der illegalen Migration wurde durch die Innenminister Italiens und Deutschlands initiiert. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 3. Inwiefern waren die Patrouillen auch Gegenstand von Gesprächen des Treffens der Innenminister der EU am 10. Oktober 2014, und was wurde hierzu (auch vorläufig) verabredet? Die Intensivierung der trilateralen Streifen war kein Tagesordnungspunkt des Treffens der Innenminister der EU am 10. Oktober 2014. 4. Inwiefern waren die Patrouillen vorher auch Gegenstand von Gesprächen des italienischen Innenministers Angelino Alfano im September 2014 in Berlin, und was wurde hierzu (auch vorläufig) verabredet? Im Rahmen der Gespräche mit dem italienischen Innenminister Angelino Alfano im September 2014 in Berlin hat der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, angeregt, die bestehenden trilateralen Streifen zu intensivieren . Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung ver- wiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3607 5. Nach welchen EU-weiten oder bilateralen Rechtsgrundlagen werden die Patrouillen durchgeführt? Die trilateralen Streifen werden seit ihrem Bestehen auf der Grundlage ministerieller Absprachen zwischen den beteiligten Staaten durchgeführt. 6. Welches Ziel wird mit den Patrouillen verfolgt? Die Zusammenarbeit in Form gemeinsamer Streifen zielt auf die Eindämmung des Migrationsdrucks im Binnengrenzraum, auf die Erkenntnisgewinnung über international agierende Schleuserorganisationen sowie die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität. 7. Welchen Umfang haben die Patrouillen? Auf der Grundlage von konkreten Lageerkenntnissen werden ausgewählte, täglich verkehrende grenzüberschreitende Eisenbahnverbindungen von Italien nach Deutschland auf italienischem Hoheitsgebiet bestreift. 8. Nach welchem Verfahren werden Orte und Personalstärke der Patrouillen festgelegt? Die regional zuständigen Behörden der beteiligten Staaten vereinbaren auf Arbeitsebene die lageangepassten technisch-organisatorischen Maßnahmen unmittelbar . 9. Nach welchem Verfahren werden Personen oder Sachen zur Kontrolle ausgewählt? Das Verfahren auf italienischem Hoheitsgebiet obliegt den italienischen Behörden . 10. Inwiefern stehen die Patrouillen im Zusammenhang mit Verträgen oder Maßnahmen der EU, etwa der Dublin-III-Verordnung und „Triton“? Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht nicht. 11. Auf welche Weise wird sichergestellt, dass die Auswahl der Kontrollierten nicht mithilfe des racial profiling erfolgt? Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 12. Inwiefern ist auch das EU-Polizeinetzwerk RAILPOL in die Patrouillen eingebunden? Das EU-Polizeinetzwerk RAILPOL ist nicht in die Maßnahmen eingebunden. Drucksache 18/3607 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Welche Behörden aus Italien und Österreich nehmen nach Kenntnis der Bundesregierung an den Patrouillen teil? An den trilateralen Zugstreifen beteiligen sich folgende Behörden: – italienische Bahnpolizei – Bahnpolizeidirektion Verona – österreichische Polizei – Landespolizeidirektion Tirol. Aus Deutschland sind die Bundespolizeidirektion München sowie das Polizeipräsidium Oberbayern Süd beteiligt. 14. Auf welche Weise sind „weitere Sicherheitspartner sowie die Eisenbahnunternehmen “ in die Patrouillen eingebunden, und um welche „Partner“ handelt es sich dabei konkret? In die trilateralen Streifen werden zurzeit keine weiteren Partner eingebunden. Auf deutscher Seite wird die Deutsche Bahn AG (DB AG) durch das BMI über die Durchführung der trilateralen Streifen informiert. 15. Welche weiteren Behörden welcher weiteren Länder sind mit welchem Zweck an den Patrouillen beteiligt? Keine. 16. Inwiefern sind EU-Einrichtungen (auch zur Auswertung erlangter Daten) an den Patrouillen beteiligt? EU-Einrichtungen sind nicht beteiligt. 17. Auf welche Weise und mit welchen Aufgaben sind deutsche Polizeiangehörige an den Patrouillen beteiligt? Die eingesetzten deutschen Polizeivollzugsbeamten sind auf italienischem Hoheitsgebiet ausschließlich beratend tätig. Hoheitliche Befugnisse bestehen nicht. 18. Welche Aufgaben im Rahmen der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung übernahmen hierfür die Bundespolizei, die bayerische Polizei und die Bundeszollverwaltung? Die in der Antwort zu Frage 13 genannten Behörden bereiten die Maßnahmen gemeinsam vor, führen sie gemeinsam durch und werten sie gemeinsam aus. 19. Inwieweit gibt die Kommentierung der italienischen Migrationspolitik durch den bayerischen Innenminister als „Asyltourismus“ auch die Haltung der Bundesregierung wieder (Pressemitteilung vom 13. November 2014, abgerufen am 26. November 2014)? 20. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung des bayerischen Innenministers, der von „Flüchtlingsströme[n] aus Italien“ spricht? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3607 21. Inwiefern sieht die Bundesregierung, wie der bayerische Innenminister, in der Politik Italiens einen „krasse[n] Verstoß gegen das Schengener Abkommen “, und worin besteht dieser demnach genau? Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Pressemitteilungen der Innenminister der Länder werden durch die Bundesregierung nicht kommentiert. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 22. Inwiefern ist auch die Bundesregierung der Auffassung, dass sich „unter den Asylbewerbern“ aus Italien auch „leicht Gewalttäter und Terroristen mischen“ könnten? Zu dem beschriebenen Sachverhalt liegen keine Erkenntnisse vor. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass im Rahmen von Wanderungsbewegungen auch Straftäter nach Deutschland gelangen können. 23. Wie wird die Zusammensetzung der jeweiligen Patrouillen bestimmt? Die beteiligten Behörden stimmen die Zusammensetzung der trilateralen Streifen im Einzelfall gemeinsam ab. Im Regelfall besteht eine Streife aus einem Polizeibeamten je Staat. 24. Wann und wo haben die Patrouillen bereits stattgefunden? Intensivierte trilaterale Streifen werden seit dem 10. November 2014 in ausgewählten grenzüberschreitenden Zügen auf der sog. Brennerroute ausschließlich auf italienischem Hoheitsgebiet durchgeführt. 25. Wie viele Personen wurden insgesamt kontrolliert, und welchen weiteren Maßnahmen wurden diese dabei unterzogen? Über die Anzahl kontrollierter Personen wird keine Statistik geführt. Das Verfahren der Kontrollen obliegt den italienischen Behörden. Die im Ergebnis von Kontrollen ggf. notwendigen hoheitlichen Maßnahmen erfolgen nach dem Recht des für den Ort der Kontrolle zuständigen Staates. Der konkrete Informationsaustausch hierüber ist nicht Bestandteil der ministeriellen Vereinbarung über die Intensivierung der trilateralen Streifen. Insofern liegen über die auf italienischem Hoheitsgebiet durchgeführten Maßnahmen der italienischen Seite keine abschließenden Informationen vor. 26. Wie viele Personen wurden anschließend in Gewahrsam genommen, festgenommen oder in Abschiebelager verbracht? Freiheitsentziehende Maßnahmen durch die zuständigen italienischen Behörden sind der Bundesregierung nicht bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen. Drucksache 18/3607 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 27. Wann und wo sollen zukünftige Patrouillen stattfinden? Die Fortsetzung der trilateralen Streifen richtet sich nach dem Grad der Zielerreichung . Räumlicher Schwerpunkt bleibt zunächst der grenzüberschreitende Eisenbahnverkehr auf der sog. Brennerroute. 28. Wann, wo und von wem werden die Patrouillen ausgewertet? Die Auswertung erfolgt regelmäßig durch die in der Antwort zu Frage 13 genannten Behörden; im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 18 verwiesen. 29. Welche Zwischenergebnisse kann die Bundesregierung zum Nutzen der Patrouillen mitteilen? Nach vorläufiger Bewertung haben sich die bisherigen Lageerkenntnisse über die Migrationsroute Italien-Österreich-Deutschland über die sog. Brennerroute bestätigt. Zudem wurden Erkenntnisse über Schleusungsaktivitäten gewonnen bzw. erhärtet. Daneben haben die gemeinsamen Maßnahmen zu einer engeren Kooperation der beteiligten Behörden beigetragen. 30. Wann und von wem wird über das Ende der Patrouillen entschieden, und welche Kriterien sind hierfür bereits festgelegt worden? Über die Fortsetzung oder Einstellung der intensivierten trilateralen Streifen entscheiden die beteiligten Staaten gemeinsam. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 27 verwiesen. 31. Welche anderen „wichtige[en] Maßnahmen“ sind in der Mitteilung des BMI gemeint, die mit den an den Patrouillen beteiligten Ländern bereits „erfolgreich umgesetzt“ werden? Die zitierte Pressemitteilung bezieht sich insoweit nur auf die trilateralen Streifen . 32. Durch welche „weitere[n] konkrete[n] bi- und trilaterale[n] Aktivitäten“ sollen die Patrouillen, wie vom Bundesminister des Innern „mit seinen italienischen und österreichischen Amtskollegen vereinbart“, zur „Eindämmung der illegalen Migration“ ergänzt werden? Die vorgesehenen ergänzenden Maßnahmen zielen konkret auf eine verstärkte operative Zusammenarbeit der betroffenen Sicherheitsbehörden vor Ort, einen intensiveren Informationsaustausch zur Verbesserung der existierenden Lagebilder sowie eine deutlich effektivere Strafverfolgung im Hinblick auf international agierende Schleuserorganisationen ab. Mit Österreich wird derzeit eine Kooperationsabsprache über die Durchführung gemeinsamer Streifen auf deutschem oder österreichischem Hoheitsgebiet und über die Teilnahme an polizeilichen Einsatz- und Fahndungsmaßnahmen finalisiert. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333