Deutscher Bundestag Drucksache 18/3681 18. Wahlperiode 05.01.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3611 – Sonntags- und Feiertagsarbeit Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen nicht beschäftigt werden. Das ArbZG ermöglicht jedoch zahlreiche Ausnahmen. Zudem sind die Bundesregierung und die Landesregierungen befugt, per Rechtsverordnung weitere Ausnahmen zu erlassen. Sie müssen allerdings zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen und dem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie deren Recht auf Sonn- und Feiertagsruhe sorgfältig abwägen . Die damalige von CDU und FDP regierte hessische Landesregierung hatte durch eine Rechtsverordnung die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Videotheken, öffentlichen Bibliotheken, der Getränkeindustrie, in Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis, im Buchmachergewerbe, in Callcentern sowie in Lottogesellschaften zeitlich beschränkt an Sonn- und Feiertagen zugelassen. Als Reaktion auf einen Normenkontrollantrag einer Gewerkschaft und von zwei evangelischen Gemeindeverbänden hatte bereits der Verwaltungsgerichtshof Kassel die Verordnung des Landes Hessen in Teilen für nichtig erklärt und geurteilt, dass nur der parlamentarische Gesetzgeber eine Entscheidung dieser Tragweite treffen könne (8 C 1776/12.N). Dem schloss sich nun das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an (6 CN 1.13). Diese Urteile haben in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit erhalten. Es stellt sich die Frage nach der Bedeutung und dem Wert der Sonn- und Feiertagsruhe . Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 2. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seinem Revisionsurteil vom 26. November 2014 – 6 CN 1.13 – entschieden, dass die in der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung (HessBedGewV) enthaltenen Ausnahmeregelun- Drucksache 18/3681 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gen vom Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot nichtig sind, soweit sie die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ● Videotheken und Bibliotheken, ● Callcentern und ● Lotto- und Totogesellschaften betreffen. Soweit die HessBedGewV bisher an Sonn- und Feiertagen eine Beschäftigung in den Bereichen Brauereien, Betrieben zur Herstellung alkoholfreier Getränke oder Schaumwein sowie Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis zuließ , hat das BVerwG keine abschließende Entscheidung über die Gültigkeit der Ausnahmeregelungen getroffen, sondern die Sache an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (HessVGH) zurückverwiesen. Die in der Verordnung außerdem zugelassene Sonn- und Feiertagsbeschäftigung im Buchmachergewerbe hat das BVerwG als zulässig angesehen. Die bundesgesetzliche Verordnungsermächtigung des § 13 Absatz 2 i. V. m. Absatz 1 Nummer 2a des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) für den Erlass der Bedarfsund Bedürfnisgewerbeverordnungen der Länder hat das BVerwG im vollen Umfang als rechtmäßig anerkannt. Anders als dies in der Vorbemerkung der Fragesteller den Eindruck erweckt, hat das BVerwG damit die Auffassung des HessVGH abgelehnt, dass ein Teil der Ausnahmeregelungen wegen ihrer Wesentlichkeit durch den parlamentarischen (Bundes-)Gesetzgeber hätte geregelt werden müssen . Hierzu wird auch auf die Antwort zu den Fragen 6 bis 8 verwiesen. 1. Wie viele Bertriebe und wie viele Beschäftigte arbeiten nach Kenntnis der Bunderegierung aktuell an Sonn- und Feiertagen (bitte nach den in § 10 ArbZG genannten Branchen differenzieren), und wie haben sich diese Zahlen in den letzten zehn Jahren prozentual entwickelt? Zur Frage, in wie vielen Bertrieben an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird, stehen nur sehr eingeschränkt Informationen zur Verfügung. Im Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundeagentur für Arbeit (BA) werden seit dem Jahr 2006 in zweijährigem Abstand vergleichbare Informationen zu den Betrieben „mit ständiger oder regelmäßiger Sonntagsarbeit“ erhoben. Nach Feiertagsarbeit wird im IAB-Betriebspanel nicht gefragt. Die Branchenauflistung in § 10 ArbZG kann für Panelauswertungen nicht nachvollzogen werden, da es sich dabei zum Teil um sehr spezifische Subbranchen oder Tätigkeiten handelt. Verlässliche und belastbare Angaben können nur im Rahmen der Branchensystematik (seit dem Jahr 2009 sind dies 19 Branchen), die der Stichprobenziehung und Hochrechnung des IAB-Betriebspanels zugrunde liegen , gemacht werden. Nachdem in der Betriebsdatei der BA eine Umstellung der Wirtschaftszweigsystematik auf die WZ2008 stattfand, wurde dies auch im IAB-Betriebspanel des Jahres 2008 auf das Jahr 2009 vollzogen. Deshalb sind Branchenvergleiche über diesen Zeitpunkt hinweg wenig sinnvoll. Insofern lassen sich vergleichbare Daten zu den Betrieben mit ständiger und regelmäßiger Sonntagsarbeit nach Branche nur für die Jahre 2010 und 2012 generieren. Tabelle 1 zeigt den Anteil der Betriebe, in denen ständige oder regelmäßige Sonntagsarbeit praktiziert wird, für die Jahre 2010 und 2012. Wie nicht anders erwartet, streut der Anteil der Betriebe mit regelmäßiger oder ständiger Sonntagsarbeit beträchtlich um den gesamtwirtschaftlichen Wert von 15 Prozent im Jahr 2012. Ein Vergleich der beiden Erhebungsjahre zeigt für die Gesamtwirtschaft keine Veränderungen in dem Zweijahreszeitraum. Auf Branchenebene gibt es z. T. geringe Unterschiede, die aber in beide Richtungen weisen und nicht als Trend interpretiert werden können. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3681 Daten zur Sonn- und Feiertagsarbeit der abhängig Erwerbstätigen können dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes entnommen werden. Statistische Daten entsprechend den in § 10 ArbZG genannten Branchen liegen der Bundesregierung – aus den gleichen Gründen wie beim IAB-Betriebspanel – in dieser Differenzierung nicht vor. In den Tabellen 2a bis 2c sind die Daten nach Wirtschaftszweigen aufgeführt. Zur Darstellung der Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren enthalten die Tabellen 2a bis 2c die Mikrozensus-Daten aus den Jahren 2003, 2008 und 2013. Ab dem Mikrozensus 2011 erfolgte die Hochrechnung auf Basis des Zensus 2011, Vergleiche mit Vorjahren sind daher nur eingeschränkt möglich. Die Daten belegen, dass Sonn- und Feiertagsarbeit nach wie vor eine Ausnahme ist: 25,8 Prozent der abhängig Erwerbstätigen haben im Jahr 2013 gelegentlich, regelmäßig oder ständig an Sonn- und/oder Feiertagen gearbeitet. 2008 betrug der Anteil 26,1 Prozent und im Jahr 2003 waren es 22,7 Prozent. Somit arbeiten rund drei Viertel der abhängig Erwerbstätigen nie an Sonn- und Feiertagen. Drucksache 18/3681 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tabelle 2a: Abhängig Erwerbstätige (ohne Auszubildende) nach Häufigkeit von Sonn- und/oder Feiertagsarbeit im Jahr 2013 in 1000 Gegenstand der Nachweisung Abhängig Erwerbstätige insgesamt Sonn- und/oder Feiertagsarbeit zusammen ständig regelmäßig gelegentlich Zusammen 33 678 100,00% 8 685 25,79% 692 2,05% 3 952 11,73% 4 040 12,00% Wirtschaftsunterbereich 1) Land- und Forstwirtschaft; Fischerei 256 0,76% 121 47,27% 25 9,77% 44 17,19% 51 19,92% Bergbau und Verarbeit. Gewerbe 7 090 21,05% 1 400 19,75% 68 0,96% 622 8,77% 710 10,01% Energie und Wasser; Abfallents. 530 1,57% 113 21,32% / 42 7,92% 67 12,64% Baugewerbe 2 031 6,03% 189 9,31% 6 0,30% 31 1,53% 152 7,48% Handel; KFZ; Gastgewerbe 6 016 17,86% 1 648 27,39% 258 4,29% 606 10,07% 783 13,02% Verkehr; Lagerei; Kommunikation 2 682 7,96% 794 29,60% 63 2,35% 356 13,27% 374 13,94% Finanz- u. Versicherungsdienstl. 1 089 3,23% 75 6,89% / 15 1,38% 57 5,23% Grundstücks-/Wohnungswesen; wirtschaftl. Dienstleistungen 3 226 9,58% 615 19,06% 42 1,30% 192 5,95% 381 11,81% Öffentliche Verwaltung u.ä. 2 729 8,10% 626 22,94% 18 0,66% 258 9,45% 349 12,79% Öffentliche und private Dienst- leistungen (ohne öffentliche Verwaltung 8 030 23,84% 3 104 38,66% 205 2,55% 1 785 22,23% 1 114 13,87% Quelle: Mikrozensus 2013, eigene Berechnungen der Anteile in % * Ab 2011 erfolgt die Hochrechnung anhand der Bevölkerungsfortschreibung auf Basis des Zensus 2011, die Ergebnisse sind mit den Vorjahren nur eingeschränkt vergleichbar. 1) Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 (WZ 2008), Tiefengliederung für den Mikrozensus. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3681 Tabelle 2b: Abhängig Erwerbstätige (ohne Auszubildende) nach Häufigkeit von Sonn- und/oder Feiertagsarbeit im Jahr 2008 in 1000 Gegenstand der Nachweisung Abhängig Erwerbstätige insgesamt Sonn- und/oder Feiertagsarbeit zusammen ständig regelmäßig gelegentlich Zusammen 32 591 100,00% 8 516 26,13% 745 2,29% 3 537 10,85% 4 234 12,99% Wirtschaftsunterbereich 2) Land- und Forstwirtschaft; Fischerei 421 1,29% 133 31,59% 25 5,94% 41 9,74% 68 16,15% Bergbau und Verarbeit. Gewerbe 7 825 24,01% 1 582 20,22% 100 1,28% 646 8,26% 835 10,67% Energie- und Wasserversorgung 323 0,99% 89 27,55% / 31 9,60% 54 16,72% Baugewerbe 1 896 5,82% 216 11,39% 6 0,32% 33 1,74% 176 9,28% Handel und Gastgewerbe 5 381 16,51% 1 462 27,17% 264 4,91% 446 8,29% 752 13,98% Verkehr und Nachrichten- übermittlung 1 927 5,91% 628 32,59% 49 2,54% 290 15,05% 289 15,00% Kredit- und Versicherungsgewerbe 1 103 3,38% 90 8,16% / 9 0,82% 77 6,98% Grundstückswesen, Vermietung, wirtschaftl. Dienstleistungen 3 197 9,81% 616 19,27% 35 1,09% 161 5,04% 420 13,14% Öffentliche Verwaltung u.ä. 2 809 8,62% 668 23,78% 23 0,82% 261 9,29% 385 13,71% Öffentliche und private Dienst- leistungen (ohne öffentliche Verwaltung) 7 710 23,66% 3 032 39,33% 235 3,05% 1 618 20,99% 1 179 15,29% Quelle: Mikrozensus 2008, eigene Berechnungen der Anteile in % 1) Einschl. geringfügig beschäftigter Schüler, Studenten, Rentner und Pensionäre. 2) Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 (WZ 2003), Tiefengliederung für den Mikrozensus. Drucksache 18/3681 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Für welche Branchen bzw. Tätigkeiten wurden nach § 13 Absatz 1 ArbZG durch Rechtsverordnung der Bundesregierung weitere, über § 10 ArbZG hinausgehende Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe zugelassen, a) in Verbindung mit welchen Bedingungen zum Schutz der Beschäftigten und der Sonn- und Feiertagsruhe, und b) wie viele Beschäftigte bzw. Betriebe sind von diesen zusätzlichen Ausnahmen betroffen (bitte nach Branchen differenzieren)? Die Bundesregierung hat von der Ermächtigung in § 13 Absatz 1 ArbZG keinen Gebrauch gemacht. 3. Für welche Branchen bzw. Tätigkeiten haben die Landesregierungen nach Kenntnis der Bundesregierung durch Rechtsverordnungen (§ 13 Absatz 2 ArbZG) über die Ausnahmen nach § 10 ArbZG hinaus weitere Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe für Betriebe, in denen die Beschäftigung Tabelle 2c: Abhängig Erwerbstätige (ohne Auszubildende) nach Häufigkeit von Sonn- und/oder Feiertagsarbeit im Jahr 2003 in 1000 Gegenstand der Nachweisung Abhängig Erwerbstätige insgesamt Sonn- und/oder Feiertagsarbeit zusammen ständig regelmäßig gelegentlich Zusammen 30 553 100,00% 6 932 22,69% 803 2,63% 2 618 8,57% 3 511 11,49% Wirtschaftsunterbereich 1) Land- und Forstwirtschaft; Fischerei 413 1,35% 119 28,81% 26 6,30% 35 8,47% 59 14,29% Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe 7 621 24,94% 1 235 16,21% 114 1,50% 406 5,33% 715 9,38% Energie- und Wasser- versorgung 290 0,95% 72 24,83% / 27 9,31% 41 14,14% Baugewerbe 2 007 6,57% 175 8,72% 10 0,50% 21 1,05% 144 7,17% Handel und Gastgewerbe 4 940 16,17% 1 093 22,13% 239 4,84% 302 6,11% 552 11,17% Verkehr und Nachrichten- übermittlung 1 814 5,94% 563 31,04% 65 3,58% 247 13,62% 252 13,89% Kredit- und Versicherungs- gewerbe 1 167 3,82% 69 5,91% / 10 0,86% 54 4,63% Grundstückswesen, Vermietung, wirtschaftliche Dienstleistungen 2 439 7,98% 429 17,59% 38 1,56% 98 4,02% 293 12,01% Öffentliche Verwaltung u.ä. 2 942 9,63% 698 23,73% 47 1,60% 227 7,72% 424 14,41% Öffentliche und private Dienst- leistungen (ohne öffentliche Verwaltung) 6 923 22,66% 2 480 35,82% 256 3,70% 1 245 17,98% 979 14,14% Quelle: Mikrozensus 2003, eigene Berechnungen der Anteile in % *) Ergebnis der Unterstichprobe. 1) Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 (WZ 2003), Tiefengliederung für den Mikrozensus. von Arbeitnehmern an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung täglicher Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3681 oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist, zugelassen (bitte nach Bundesländern differenzieren), a) in Verbindung mit jeweils welchen Bedingungen zum Schutz der Beschäftigten und der Sonn- und Feiertagsruhe, und b) wie viele Beschäftigte bzw. Betriebe sind von diesen zusätzlichen länderspezifischen Ausnahmen betroffen (bitte nach Branchen und Bundesländern differenzieren)? Alle Länder haben von der Ermächtigung in § 13 Absatz 2 ArbZG Gebrauch gemacht, zur Vermeidung erheblicher Schäden Bestimmungen für Betriebe zu erlassen, in denen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen erforderlich ist. In den jeweiligen Bedürfnisgewerbeverordnungen oder Bedarfsgewerbeverordnungen der Länder wird über die Ausnahmen in § 10 ArbZG hinaus die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zugelassen, und es werden die zum Schutz der Beschäftigten und der Sonn- und Feiertagsruhe notwendigen Bedingungen bestimmt. In Sachsen sind Ausnahmen in der Sächsischen Arbeitsschutzzuständigkeitsverordnung geregelt. Die Branchen, für die die Länder Ausnahmen für Sonn- und Feiertagsarbeit zur Befriedigung besonderer Bedürfnisse geregelt haben, sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Die jeweiligen Bedingungen zum Schutz der Beschäftigten können den jeweiligen Verordnungen entnommen werden. Daten, wie viele Beschäftigte bzw. Betriebe von den länderspezifischen Ausnahmen betroffen sind, liegen der Bundesregierung nicht vor. Branchen mit Regelungen der Länder für Sonn- und Feiertagsarbeit zur Befriedigung besonderer Bedürfnisse B ad en - W ür tte m be rg B ay er n B er lin B ra nd en bu rg B re m en H am bu rg H es se n M ec kl en bu rg - Vo rp om m er n N ie de rs ac hs en N or dr he in - W es tfa le n R he in la nd -P fa lz Sa ar la nd Sa ch se n Sa ch se n- A nh al t Sc hl es w ig - H ol st ei n Th ür in ge n Blumengeschäfte, Kranzbindereien , Gärtnereien x x x x x x x x x x x x x x Bestattungsgewerbe x x x x x x x x x x x x x x x Garagen und Parkhäuser x x x x x x x x x x x x x x x Brauereien, Getränkehersteller , Großhandel, (Herstellung und) Belieferung Kundschaft x x x x x x x³ x x x x x x x x Roheis- und Speiseeisfabriken , Großhandel x x x x x x³ x x x x x x x x Lotto- und Totogesellschaften x x x x x² x x x Immobiliengewerbe x x x x x x x x x x x x x x x Musterhaus-Ausstellungen x x x x x x x x x x x x x x x Buchmachergewerbe x x x x x x x x x x x x x x Call Center – telefonische (und elektronische) Auf- x x x x x x x² x x x x x x x x tragsannahme und Auskunftserteilung Drucksache 18/3681 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Quelle: Bedarfsgewerbeverordnungen bzw. Bedürfnisgewerbeverordnungen der Länder – in Sachsen: Sächsische Arbeitsschutzzuständigkeitsverordnung 1 Mit Sächsischer Verfassung unvereinbar und nichtig (SächsVerfGH, v. 21. Juni 2012 – Vf. 77-II-11). 2 Nichtig laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 26.11.2014 – 6 CN 1.13). 3 Zurückverwiesen an Hessischen Verwaltungsgerichtshof (BVerwG vom 26.11.2014 – 6 CN 1.13). 4. Welche Bedeutung hat die Sonn- und Feiertagsruhe für die Bundesregierung , und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus der Entwicklung der Sonn- und Feiertagsarbeit in den vergangenen Jahren mit Blick auf Familien, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und aus religiöser Perspektive? Die verfassungsrechtlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe ist für die Bundesregierung von hoher Bedeutung. Sie begrüßt in vollem Umfang die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 – 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07 – zur Ladenöffnung in Berlin an vier Adventssonntagen, in der das Gericht die Bedeutung der Sonn- und Feiertage nachdrücklich hervorgehoben hat: „Die Sonn- und Feiertagsgarantie fördert und schützt nicht nur die Ausübung der Religionsfreiheit. Die Arbeitsruhe dient darüber hinaus der physischen und psychischen Regeneration. Der zeitliche Gleichklang einer für alle Bereiche regelmäßigen Arbeitsruhe ist ein grundlegendes Element für die Wahrnehmung der verschiedenen Formen sozialen Lebens. Das betrifft vor allem die Familien, insbesondere jene, in denen es mehrere Berufstätige gibt, aber auch gesellschaftliche Verbände, namentlich die Vereine in den unterschiedlichen Sparten.“ Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diesen Schutz auch in der Arbeitswelt zu realisieren. Dieses Ziel wird in § 1 ArbZG deutlich, wonach es u. a. Zweck des Arbeitszeitgesetzes ist, „den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen “. Arbeitsfreie Sonn- und Feiertage dienen in der Arbeitswelt der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und sollen gleichzeitig das Bedürfnis nach einem arbeitsfreien Tag pro Woche zur Erholung , Entspannung und Freizeitgestaltung sicherstellen. Telefonische (und elektronische ) Lotsendienste x x x x x x x x x (SB-)Autowaschanlagen x x x x x1 x x Videotheken x x x² x x x x Bibliotheken x² Fotografenhandwerk x x x x x x (SB-)Fotokopiergeschäfte x x x SB-Waschsalons x Fischräuchereien x x Friseurbetriebe auf Personenbahnhöfen , Flug- und Fährhäfen x B ad en - W ür tte m be rg B ay er n B er lin B ra nd en bu rg B re m en H am bu rg H es se n M ec kl en bu rg - Vo rp om m er n N ie de rs ac hs en N or dr he in - W es tfa le n R he in la nd -P fa lz Sa ar la nd Sa ch se n Sa ch se n- A nh al t Sc hl es w ig - H ol st ei n Th ür in ge n Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3681 Die Bundesregierung sieht derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Auf die Antwort zu den Fragen 6 bis 8 wird verwiesen. 5. Welche Auswirkungen hat Sonn- und Feiertagsarbeit nach Kenntnis der Bundesregierung auf die Gesundheit der Beschäftigten, und sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zu den stetig ansteigenden arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Festlegung der Dauer und Lage der Arbeitszeit zieht zwangsläufig eine Festlegung der Dauer und Lage der Freizeit nach sich. Somit beeinflusst die Arbeitszeitgestaltung die gesamte Lebenssituation der Beschäftigten. Zu Problemen kommt es, wenn ● die freie Zeit der oder des Beschäftigten vermehrt in die Zeiten fällt, die zum normalen Tagesverlauf seiner sozialen Umwelt gegenläufig sind und/oder ● die Lage der Freizeit veränderlich ist und damit entsprechende Anpassungs- mechanismen, vor allem für das Familienleben, erforderlich werden. Einschränkungen der Teilnahme am politisch-gesellschaftlichen Leben sowie am Familienleben sind die Folge. Dies zieht wiederum sowohl eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens und der Zufriedenheit als auch eingeschränkte Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung nach sich. Darin liegen Ursachen für gesundheitliche Risiken bei entsprechender Arbeitszeitgestaltung. Bei der Verarbeitung von Belastungen wie z. B. Stress nimmt soziale Unterstützung eine Pufferfunktion ein. Die Bedeutung der sozialen Unterstützung aus dem privaten Umfeld und die Probleme, die sich aus dem Fehlen sozialer Kontakte ergeben, sind aus der Schichtarbeitsforschung gut bekannt. Soziale Integration ist das Resultat langfristiger Kontakte, deren Pflege Zeit erfordert. Gerade diese Zeit wird bei der Ausdehnung der Arbeitszeit verkürzt. Dabei kommt der täglich und wöchentlich für diese Kontakte zur Verfügung stehenden Zeit besondere Bedeutung zu. Die Arbeitszeitgestaltung dient demzufolge einerseits als klassische Schutzmaßnahme der Expositionsbegrenzung und andererseits der körperlichen und psychischen Regeneration sowie der sozialen Integration. Die Ergebnisse der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung (2012) machen deutlich , dass für am Wochenende arbeitende Erwerbstätige im Vergleich zu Beschäftigten , die nicht am Samstag oder an einem Sonn- und/oder an einem Feiertag arbeiten, ein höheres Belastungspotential in Bezug auf verschiedene Aspekte psychischer Belastungen und ein erhöhtes Risiko gesundheitlicher Beeinträchtigungen bestehen. Durch nicht gesundheitsgerechte Arbeitszeitgestaltung entstehen Belastungen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für deren Familienangehörige – mit Folgen für die Gesellschaft insgesamt. Eine gute, auf arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Arbeitszeitgestaltung mit Gestaltungsspielräumen und persönlichen Arbeitszeitarrangements für die Beschäftigten verringert das Risiko psychischer Belastungen und kann helfen, psychischen Beschwerden zu begegnen bzw. deren Entstehung vorzubeugen . Drucksache 18/3681 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (Az.: 6 CN 1.13), laut dem zahlreiche Ausnahmen des Verbots der Sonn- und Feiertagsarbeit nicht zulässig sind, wie beispielsweise die Arbeit in Videotheken, öffentlichen Bibliotheken, Callcentern sowie Lotto- und Totogesellschaften? 7. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bunderegierung vor diesem Hintergrund aus den Verordnungen anderer Bundesländer, die wie die damalige hessische Landesregierung über das ArbZG hinausgehende Ausnahmen zulassen, und welche Ausnahmen hält die Bundesregierung als zu weitgehend? 8. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, um die gesetzlich verankerte Sonn- und Feiertagsruhe zu garantieren? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, warum, und in welcher Form? Die Fragen 6 bis 8 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung begrüßt, dass das Urteil des BVerwG vom 26. November 2014 – 6 CN 1.13 – zur Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung die Rechtmäßigkeit der arbeitszeitgesetzlichen Verordnungsermächtigung selbst bzw. deren Anwendung durch die Länder nicht in Frage stellt und die Bedenken des HessVGH insoweit nicht aufgreift (siehe auch die Vorbemerkung der Bundesregierung ). Das Bundesverwaltungsgericht hat damit die Auffassung der Bundesregierung bestätigt, dass der Bundesgesetzgeber mit den Regelungen zur Sonn- und Feiertagsarbeit im Arbeitszeitgesetz ein sorgsam austariertes und abgestuftes Schutzsystem geschaffen und damit im ausreichenden Umfang dem verfassungsrechtlichen Schutzniveau der Sonn- und Feiertagsruhe Rechnung getragen hat. Hierzu gehört auch die Ermächtigung der Länder, unter bestimmten Voraussetzungen per Verordnung Ausnahmeregelungen zum Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot zu treffen. Die unmittelbare Reichweite des Urteils beschränkt sich auf die Unwirksamkeit der vom Urteil erfassten Ausnahmeregelungen der Hessischen Bedarfsgewerbeverordnung . Die teilweise ähnlichen Regelungen der Bedarfs- und Bedürfnisgewerbeverordnungen in den anderen Ländern sind von dieser Entscheidung formal nicht erfasst und damit weiter wirksam. Gleichwohl wird sich auch für die anderen Länder nach Vorliegen der Urteilsbegründung die Frage der Vereinbarkeit der bestehenden Verordnungen mit der bundesgesetzlichen Verordnungsermächtigung stellen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird das Revisionsurteil nach Vorliegen der vollständigen Entscheidungsgründe auswerten und bei Bedarf mit den Ländern und Beteiligten beraten, ob und ggf. welcher Handlungsbedarf sich aus dem Urteil ergibt. Im Übrigen sind die Länder für die Durchführung des Arbeitszeitgesetzes, in dem die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an Sonnund Feiertagen geregelt ist, zuständig. In ihre Zuständigkeit fallen die geltenden Bedarfs- oder Bedürfnisgewerbeverordnungen, die Feiertagsgesetze sowie seit der Verfassungsreform im Jahr 2006 die Ladenschluss- bzw. Ladenöffnungsgesetze (lediglich im Freistaat Bayern findet noch das Ladenschlussgesetz des Bundes Anwendung). Nach Einschätzung der Bundesregierung sind sich die Länder ihrer Verantwor- tung in Bezug auf Sonn- und Feiertagsbeschäftigung bewusst. Insbesondere ist es aus Sicht der Bundesregierung zu begrüßen, dass die Länder sich auf „Grund- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/3681 sätze für eine einheitliche Genehmigungspraxis der Länder bei Anträgen auf Sonn- und Feiertagsbeschäftigung“ verständigt haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat auf Fachebene an der Erarbeitung der Grundsätze mitgewirkt. Der Beschluss der 90. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) vom 27./28. November 2013 (TOP 7.20) ist unter folgendem Link im Internet abrufbar: www.msagd.rlp.de/arbeits-und-sozialministerkonferenz-2014/ ergebnisse. Im Übrigen wird das Thema Sonn- und Feiertagsschutz regelmäßig im Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) sowie in der LASIArbeitsgruppe sozialer und medizinischer Arbeitsschutz erörtert. In diesen Gremien ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Gast vertreten. 9. Wie viele Kontrollen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Aufsichtsbehörden bezüglich der Einhaltung der Sonn- und Feiertagsruhe seit dem Jahr 2009 bis heute pro Jahr durchgeführt, a) wie viele Verstöße wurden jährlich festgestellt, und b) welche zehn Branchen waren davon am häufigsten betroffen (bitte jeweils nach Bundesländern differenzieren)? 10. Wie viele Bußgelder sowie Freiheitsstrafen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2009 bis heute pro Jahr wegen Missachtung der Regelungen zur Sonn- und Feiertagsruhe verhängt, a) wie hoch war die Summe der Bußgelder bzw. Freiheitsstrafen jährlich, und b) welche zehn Branchen waren davon am häufigsten betroffen (bitte nach Bundesländern differenzieren)? 11. Welche Kontrolldichte haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Aufsichtsbehörden bei den Prüfungen der Regelungen zur Sonn- und Feiertagsruhe erreicht (bitte nach Bundesländern differenzieren), und hält die Bundesregierung die erreichte Prüfdichte für ausreichend? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht, und was sind dafür die Gründe? Die Fragen 9 bis 11 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Wie bereits in der Antwort zu den Fragen 6 bis 8 ausgeführt, sind die Arbeitsschutzbehörden der Länder für die Durchführung des Arbeitszeitgesetzes zuständig . Die Aufsichtsbehörden der Länder sind nicht verpflichtet, bei den Statistiken zu ihrer Aufsichtstätigkeit in Bezug auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zwischen den Vorschriften zur Sonn- und Feiertagsruhe und anderen Vorschriften zu differenzieren. Deshalb liegen insoweit keine Daten vor. Allgemein zur Kontrolltätigkeit der Aufsichtsbehörden in Bezug auf das Arbeitszeitgesetz wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 22 bis 24 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Atypische Arbeitszeiten in Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache 18/1402 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333