Deutscher Bundestag Drucksache 18/3690 18. Wahlperiode 06.01.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Cornelia Möhring, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3639 – Mögliche Rezeptfreiheit von Ulipristal (ellaOne®) Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 21. November 2014 hat sich das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) dafür ausgesprochen, dass die unter dem Handelsnamen ellaOne vertriebene „Pille danach“ rezeptfrei abgegeben werden darf. Die Europäische Kommission hat nun 67 Tage Zeit, die Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel der EMA zur Freigabe von Ulipristal zu prüfen. Fachleute gehen davon aus, dass die Kommission der Empfehlung folgen wird. Die ältere „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (Handelsname PiDaNA®) ist bereits in der überwiegenden Zahl der europäischen Staaten rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Auf Druck der Unionsparteien ist Deutschland eines von wenigen Ländern, in dem eine ärztliche Verschreibung notwendig ist. Laut Medienberichten ist nun der Bundesminister für Gesundheit, Hermann Gröhe, zu einem Kurswechsel bereit. Nun sei die „apothekerliche Beratung auch der richtige Weg“ (www.deutsche-apotheker-zeitung.de/politik/news/2014/11/21/ apothekerberatung-der-richtige-weg/14396.html). Bislang beharrte er darauf, dass ein zügiger und diskriminierungsfreier Zugang am besten gewährleistet sei, wenn es bei der Verschreibungspflicht bliebe und die Frauen sich von einem Arzt oder einer Ärztin beraten lassen müssten (www.spiegel.de/gesundheit/ schwangerschaft/pille-danach-groehe-lehnt-freigabe-des-verhuetungsmittelsab -a-952230.html). 1. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung des CHMP-Ausschusses? Die Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) wird geprüft und angemessen berücksichtigt. Die Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 5. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. endgültige Entscheidung der Europäischen Kommission bleibt abzuwarten. Drucksache 18/3690 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Inwiefern ist die Entscheidung der Europäischen Kommission zu Ulipristal für die Mitgliedsländer nach Kenntnis der Bundesregierung bindend? Grundsätzlich ist die von der Europäischen Kommission im Rahmen eines zentralen Zulassungsverfahrens für ein Arzneimittel festgelegte Verkaufsabgrenzung in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht und geht etwaigem entgegenstehenden nationalen Recht vor. Im Fall einer Entlassung von ellaOne® aus der Verschreibungspflicht kann ein Mitgliedstaat allerdings die nach Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG u. a. für Schwangerschaftsverhütungsmittel bestehende Option zur Beibehaltung der nationalen Rechtslage wählen. 3. Plant die Bundesregierung, der Entscheidung der Europäischen Kommission zu folgen, falls diese wie erwartet die Rezeptpflicht von Ulipristal zur Notfallkontrazeption aufhebt? Eine entsprechende Entscheidung durch die Europäische Kommission zu dem Arzneimittel ellaOne® steht noch aus, es ist jedoch damit zu rechnen, dass die Kommission dem Votum des Ausschusses für Humanarzneimittel bei der EMA folgen wird. Diese Entscheidung würde damit auch für Deutschland gelten, müsste aber zugleich noch in der Arzneimittelverschreibungsverordnung nachvollzogen werden. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Plant die Bundesregierung, im Falle der europaweiten Rezeptfreiheit von Ulipristal auch Levonorgestrel aus der Rezeptpflicht zu entlassen? Die Entlassung von Notfallkontrazeptiva aus der Verschreibungspflicht nach § 48 des Arzneimittelgesetzes steht in engem Zusammenhang mit dem auf EU-Ebene anhängigen Verfahren, in dem der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der EMA eine Entlassung des Notfallkontrazeptivums ellaOne® aus der Verschreibungspflicht empfohlen hat. Der Bundesregierung ist eine hochwertige und unfassende Beratung zu den unterschiedlichen Notfallkontrazeptiva aus einer Hand wichtig. In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 5. Welche deutschen Vertreterinnen und Vertreter sitzen im CHMP-Ausschuss , und wie haben sie sich bei der Entscheidung zu Ulipristal verhalten? Die Mitglieder des Ausschusses für Humanarzneimittel bei der EMA sind unter www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/contacts/2010/02/people_listing_ 000002.jsp einsehbar. Deutschland hatte in der finalen Abstimmung zusammen mit sieben weiteren Mitgliedstaaten gegen die Entlassung aus der Verschreibungspflicht votiert. 6. Welche Fristen haben die Mitgliedsländer zur Übertragung der Kommissionsentscheidung in nationales Recht? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Eine Frist zur Übertragung der Kommissionsentscheidung in nationales Recht ist im europäischen Recht nicht geregelt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3690 7. Wie haben welche Mitglieder des CHMP-Ausschusses nach Kenntnis der Bundesregierung abgestimmt, und welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus den Mehrheitsverhältnissen? In der finalen Abstimmung hatten insgesamt acht Mitgliedstaaten gegen die Entlassung aus der Verschreibungspflicht votiert. 8. Welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung gegebenenfalls bezüglich einer Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung zu Levonorgestrel , falls sich die Europäische Kommission für eine europaweite Rezeptfreiheit von Ulipristal entscheidet? Ein Zeitplan ist bisher nicht festgelegt. 9. Welche Schritte hält die Bundesregierung für sinnvoll oder notwendig, um die Beratungsqualität im Rahmen der rezeptfreien Abgabe der „Pille danach “ in Apotheken auch während des Notdienstes zu gewährleisten? Hält sie dafür Leitlinien oder verbindliche Richtlinien für geeigneter? Ziel der Bundesregierung ist es, auch weiterhin eine gute Beratung für alle Notfallkontrazeptiva aus einer Hand sicherzustellen. Im Falle einer Entlassung von ellaOne® aus der Verschreibungspflicht durch die EU-Kommission ist diese Beratung nicht mehr zwingend ärztlicherseits vorzunehmen. Um eine Gleichbehandlung zu erreichen, hätte dies allerdings auch eine Entlassung von Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus der ärztlichen Verschreibungspflicht in Deutschland als letzte Konsequenz zur Folge. In diesem Zusammenhang wird auch zu entscheiden sein, ob bzw. welche Regelungen begleitend zu einer Entlassung aus der Verschreibungspflicht zu treffen sind und in welcher Weise ein aufeinander abgestimmtes Inkrafttreten der einzelnen Vorschriften gewährleistet werden kann. Dazu wird auch die bestehende Expertise aus der Wissenschaft, von Fachärztinnen und Fachärzten, Apothekerinnen und Apothekern sowie aus dem Bereich der qualifizierten Schwangerschaftsberatung einzuholen sein. 10. Mit wem gab es bereits Gespräche über die Sicherung der Beratungsqualität bei der Abgabe der rezeptfreien „Pille danach“, mit welchem Ziel wurden die Gespräche geführt, und was sind die Ergebnisse? Gespräche zu dieser Frage haben noch nicht stattgefunden. Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 11. Welche Regelungen erwägt die Bundesregierung, damit insbesondere sozial benachteiligte und junge Frauen die Kosten für das Notlagenpräparat nicht aus eigener Tasche zu tragen haben, wenn die „Pille danach“ nicht mehr verschreibungspflichtig ist? Nach dem geltenden Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln, soweit sie ärztlich verordnet werden (§ 24a Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V). Zu diesen Mitteln gehört die „Pille danach“. Die Bundesregierung wird prüfen, welche Konsequenzen für die Erstattungsfähigkeit sich aus der Entlassung aus der Verschrei- bungspflicht ggf. ergeben. Drucksache 18/3690 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Welche Möglichkeiten prüft die Bundesregierung, um die grundsätzlich mit der Rezeptfreiheit einhergehenden Möglichkeit zur Werbung in der breiten Öffentlichkeit zu regulieren oder zu unterbinden? Konkrete Überlegungen für eine diesbezügliche Änderung des Heilmittelwerbegesetzes gibt es derzeit nicht. Eine Werbung für Notfallkontrazeptiva müsste auch nach der Entlassung aus der Verschreibungspflicht den Anforderungen der auf den Kreis der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel beschränkten Publikumswerbung genügen und wäre nur in engen Grenzen zulässig. Das Heilmittelwerbegesetz enthält auch für diese Arzneimittel eine Vielzahl von Verboten und Beschränkungen der Werbung, die einer Irreführung der Anwenderinnen und einem Fehlgebrauch der Arzneimittel entgegen wirken. 13. Inwiefern kommt es nach Kenntnis der Bundesregierung nach der Anwendung von Ulipristal häufiger zu unerwünschten Wirkungen als nach der Anwendung von Levonorgestrel? Es wurde eine Recherche in der Nebenwirkungsdatenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM (UAW-Datenbank) zu Ulipristal und Levonorgestrel (jeweils als Notfallkontrazeptivum) mit dem Stichtag 23. Dezember 2014 durchgeführt. Berücksichtigt wurden alle in der Nebenwirkungsdatenbank des BfArM registrierten Berichte über Verdachtsfälle zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) aus dem Inland. Berücksichtigt wurden nur Fälle, in denen Ulipristal bzw. Levonorgestrel (jeweils als Notfallkontrazeptivum ) in Bezug auf die UAW als verdächtig oder interagierend gemeldet wurde. Insgesamt liegen 257 Verdachtsfälle über UAW bei der Anwendung von Ulipristal sowie 183 Verdachtsfälle über UAW bei der Anwendung von Levonorgestrel (jeweils als Notfallkontrazeptivum) in der UAW-Datenbank vor. Meldungen über UAW-Verdachtsfälle werden dem BfArM aus verschiedenen Quellen berichtet: durch pharmazeutische Unternehmer, durch die Arzneimittelkommission der Heilberufe, direkt durch niedergelassene oder in Krankenhäusern tätige Ärztinnen und Ärzte oder auch durch Patientinnen und Patienten. Es muss beachtet werden, dass es sich um UAW-Verdachtsfälle handelt, dass also ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist. Ferner lassen sich auf der Grundlage von Spontanberichten keine Aussagen darüber machen, wie häufig eine bestimmte UAW unter der Anwendung eines Arzneimittels vorkommt , und auch vergleichende Angaben darüber, wie viel mal häufiger eine bestimmte UAW bei einem Arzneimittel im Verhältnis zu einem anderen auftritt, sind anhand solcher Berichte nicht möglich. Für weitergehende Informationen zu möglichen Nebenwirkungen wird auf die entsprechenden Packungsbeilagen der jeweiligen Arzneimittel verwiesen. 14. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine mögliche teratogene und eine mögliche abortive Wirksamkeit von Ulipristal? Die Bundesregierung hat Kenntnis über den im Ausschuss für Humanarzneimittel bei der EMA kontrovers geführten Diskurs. Nach Ansicht des BfArM reichen die vorliegenden Daten zur Teratogenität insgesamt nicht aus, um hieraus klare Schlussfolgerungen für die Sicherheit der Anwendung beim Menschen ziehen zu können. Auch im Hinblick auf eine Beurteilung der möglichen abortiven Wirkung sind die Daten sehr begrenzt. Aufgrund seines Wirkmechanismus und aufgrund von Tierversuchen könnte ellaOne® theoretisch in vielfach höherer als der zur Notfallkontrazeption bestimmungsgemäß eingesetz- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3690 ten Dosis auch abtreibend wirken. Da insofern aufgrund unzureichender Daten eine teratogene bzw. abortive Wirkung nicht völlig ausgeschlossen werden kann, hatte Deutschland sich im Ausschuss für Humanarzneimittel gegen eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht ausgesprochen. Eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten hatte diese Bedenken allerdings nicht geteilt. 15. Sind die Fachinformation bzw. die „Zusammenfassung der Merkmale“ von ellaOne® (www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_ Product_Information/human/001027/WC500023670.pdf) und die Gebrauchsinformation nach Kenntnis der Bundesregierung diesbezüglich aktuell , und falls nicht, wann werden sie nach Kenntnis der Bundesregierung geändert? Im Rahmen des europäischen Verfahrens zur Entlassung von EllaOne® als Notfallkontrazeptivum aus der Verschreibungspflicht wurde die Fach- und Gebrauchsinformation aufgrund der begrenzt zur Verfügung stehenden Daten im Hinblick auf Erkenntnisse zu möglichen Sicherheitsbedenken bei Exposition während der Schwangerschaft ergänzt. Die finalen Texte der Fach- und Gebrauchsinformation werden nach Verabschiedung durch die Europäische Kommission veröffentlicht. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333