Deutscher Bundestag Drucksache 18/3702 18. Wahlperiode 07.01.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3615 – Gegenwärtige Erkenntnisse zur Fortführung des Vereinsverbots der PKK (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/3491) Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages wurde ein auf den 16. Oktober 2014 datierter schriftlicher „Bericht des Bundesministerium des Innern zu gegenwärtigen Erkenntnissen zur Fortführung des Vereinsverbots der PKK“ vorgelegt. Darin kommt das Bundesministerium des Innern (BMI) zu dem Schluss, das PKK-Verbot sei weiterhin ein „unverzichtbares Regulativ der Gefahrenabwehr “, da ein Gewaltverzicht der PKK-Führung für Europa lediglich taktisch motiviert sei. Festgestellt wird vom BMI, dass die PKK „zunehmend erfolgreich in dem Bemühen“ sei, „Kämpfer für Syrien“ – also für den Kampf gegen den terroristischen „Islamischen Staat“ und andere djihadistische Gruppierungen – zu rekrutieren. Das „Gefährdungspotential, das von dieser Personengruppe ausgeht“, sei quantitativ zwar geringer, qualitativ aber nicht anders zu bewerten als das der djihadistischen Syrien-Kämpfer“, meint das BMI. Mit der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/3491 erkundigte sich die Fraktion DIE LINKE., wie die Bundesregierung zu diesen Schlussfolgerungen gekommen sei und wie diese Einschätzungen zu verstehen seien. Doch die Bundesregierung wich vielfach einer konkreten Beantwortung der Fragen aus, so dass sich nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller die Notwendigkeit einer Nachfrage und des teilweise erneuten Stellens der Fragen ergibt. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung bleibt dabei, Rekrutierungen und andere Unterstützungsleistungen für den bewaffneten Kampf terroristischer Gruppen zu missbilligen Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verhindern. Die Bundesregierung hält insoweit an ihrem Standpunkt fest, nicht zwischen vermeintlich „guten“ und „bösen“ Terroristen zu unterscheiden. Ferner geht sie weiterhin davon aus, dass die Ereignisse in Syrien die derzeitige Agenda der Arbeiterpartei Kurdistans Drucksache 18/3702 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode (PKK) dominieren und gleichsam überlagern, sich an der Zielsetzung und den zur Durchsetzung dieser Ziele von der PKK gewählten Mitteln nichts geändert hat. Die PKK setzt ihre terroristische und gegen die territoriale Integrität anderer Staaten gerichtete Agenda fort. Das Gefährdungspotenzial an der Waffe und Sprengstoffen ausgebildeter terroristischer Kämpfer ist in allen Fällen vergleichbar. Unterschiede ergeben sich in der Frage der Motivation und der Zielrichtung derartiger Kämpfer. Hier geht die Bundesregierung derzeit nicht von bewaffneten Angriffen durch PKK-Kämpfer in Deutschland oder gegen deutsche Ziele aus. Angriffe gegen Ziele des NATOPartners Türkei – die unverändert auf dem Plan der PKK stehen – werden von der Bundesregierung jedoch ebenfalls missbilligt und im Rahmen der Möglichkeiten deutscher Sicherheitsbehörden verhindert. Diese Einschätzung teilt die Bundesregierung mit den obersten deutschen Gerichten. 1. Ist die Bundesregierung der Auffassung, ihre Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/3491 über die seit dem Jahr 2011 geführten Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche PKK-Mitglieder nach § 129b des Strafgesetzbuches (StGB) und die Aufschlüsselung von 4 400 Ermittlungsverfahren mit PKK-Bezug seit 2004 nach Ländern beantworte die Frage 1 der Kleinen Anfrage („Was genau meint die Bundesregierung mit der im BMI-Bericht getroffenen Feststellung, ,[ü]ber 100 verurteilte PKK-Funktionäre seit 1996 und mehr als 4500 Strafverfahren mit PKK-Bezug seit 2004 sprechen für sich‘, und wofür genau sprechen diese Zahlen nach Meinung der Bundesregierung ?“) sowie die Unterfragen 1a bis 1f, und wenn ja, wie kann die Bundesregierung den Bezug der genannten Ermittlungsverfahren zu den 100 seit dem Jahr 1996 verurteilten PKK-Funktionären erläutern? Wenn nein, fragen wir die Bundesregierung erneut mit der Bitte um detaillierte Beantwortung: a) aufgrund welcher Straftatbestände wurde die Masse der genannten PKK-Funktionärinnen und PKK-Funktionäre verurteilt, b) wie viele dieser Verurteilungen von über 100 PKK-Funktionärinnen und PKK-Funktionären seit dem Jahr 1996 erfolgten allein aufgrund von Verstößen gegen das PKK-Verbot, c) wie viele der PKK-Funktionärinnen und PKK-Funktionäre, die aufgrund von Straftaten verurteilt wurden, die sie nach der Gewaltverzichtserklärung von Abdullah Öcalan und der PKK für Europa im Jahr 1996 begangen haben sollen, wurden wegen ihrer nachweislichen individuellen Beteiligung an Gewalttaten oder terroristischen Straftaten (und nicht aufgrund bloßer Mitgliedschaft in einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung nach §§ 129 und 129a/b StGB) verurteilt, d) wie viele der 4 500 seit dem Jahr 2004 geführten Strafverfahren mit PKK-Bezug betrafen vereinsrechtliche Verstöße gegen das PKK-Verbot, e) wie viele der 4 500 seit dem Jahr 2004 geführten Strafverfahren mit PKK-Bezug betrafen Straftaten, die bei der Umsetzung des PKK-Verbots erfolgten (also z. B. Widerstandsdelikte bei Polizeimaßnahmen aufgrund von Verstößen gegen das PKK-Verbot), f) für wie aussagekräftig bezüglich der von ihr behaupteten Notwendigkeit einer Beibehaltung des PKK-Verbots sieht die Bundesregierung die von ihr benannten Zahlen an angesichts dessen, dass es sich nur um Ermittlungsverfahren und nicht um Verurteilungen handelt und keine Aufschlüsselung nach Straftatbeständen vorzuliegen scheint, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3702 g) sollte die Bundesregierung bislang keine entsprechenden Statistiken führen, inwieweit befürwortet sie eine entsprechende Evaluation der bisherigen Strafverfahren mit PKK-Bezug im Hinblick auf eine Bewertung der bisherigen und weiteren Sinnhaftigkeit des Vereinsverbots der PKK? Die Bundesregierung ist der Auffassung, Frage 1 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/3491 beantwortet zu haben. In ihrer Antwort differenziert die Bundesregierung zwischen Ermittlungsverfahren mit PKK-Bezug allgemein und der Verurteilung von PKK-Funktionären. Als Funktionäre werden in der Antwort Führungskader der PKK bezeichnet. Der überwiegende Teil der über 100 PKK-Führungskader wurde wegen so genannter Organisationsdelikte gemäß §§ 129a (bis 1997), 129 (bis 2010) sowie 129a/b (seit 2011) des Strafgesetzbuchs (StGB) verurteilt. In den Urteilen wird insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass Führungskader maßgeblich für die Aufrechterhaltung und den Fortbestand einer Vereinigung verantwortlich sind bzw. dazu beitragen. Demgegenüber werden in den 4 400 Ermittlungsverfahren PKK-Mitglieder, Aktivisten und -Sympathisanten wegen entsprechender Einzeldelikte, die je nach Schwere der Tat von Verstößen gegen das Vereinsgesetz bis hin zu Brandstiftung oder schwerer Körperverletzung reichen, strafrechtlich verfolgt und nicht wegen des möglichen Verdachts der Unterstützung einer (kriminellen, terroristischen oder ausländischen terroristischen) Vereinigung oder gar Mitgliedschaft in ihr. Diese differenzierte Strafverfolgung geht nicht zuletzt einher mit den Ausführungen des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2010 zur Bewertung der PKK als ausländische terroristische Vereinigung, in denen der entscheidende Senat „mit Blick auf die große Zahl der in Deutschland für die PKK und ihre Nachfolgesowie Teilorganisationen aktiven Personen zwar nicht verkennt, dass nach dieser Maßgabe der Kreis potentieller Beschuldigter unter Umständen deutlich größer werden und der Unrechtsgehalt der Tat sowie das Maß des Verschuldens stark unterschiedlich zu bewerten sein kann. Diesen Umständen wird […] im Einzelfall angemessen Rechnung zu tragen sein.“ Weiter differenzierende Statistiken zu den bei den Ländern geführten Strafverfahren und hinsichtlich der Verurteilungen liegen dem Bund nicht vor. 2. Woraus leitet die Bundesregierung aus der in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/3491 in Frage 2 zitierten Äußerung von KCK-Exekutivratsmitglied Murat Karayilan, „überall auf der Welt solle die Erde beben“, im Zusammenhang mit seiner gleichfalls zitierten Aufforderung, vor die Tore internationaler Organisationen zu marschieren und vom Widerstand in Kobani zu berichten, einen Aufruf zur Gewalt ab? a) Inwieweit sind der Bundesregierung Gewalttaten von PKK-Anhängerinnen und Anhängern infolge dieses Aufrufes bekannt geworden? b) Inwieweit lässt sich aus dem Aufruf Murat Karayilans an die kurdische Jugendorganisation Komalen Ciwan, an die Front zu kommen und gegen den Islamischen Staat zu kämpfen, ein taktisches Verhältnis der PKK zur Gewalt in Europa ableiten, nach dem die Bundesregierung explizit gefragt wurde? 3. Inwieweit lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung aus dem von ihr in ihrer Antwort zu Frage 2 nach Belegen für ein taktisches Verhältnis der PKK zur Gewalt in Europa genannten Aufruf der Co-Vorsitzenden der KCK, Bese Hozat, alle Kurden sollten sich erheben, nach Rojava strömen und Teil des Widerstandes werden, ein solches von der Bundesregierung behauptetes taktisches Verhältnis der PKK zur Gewalt in Europa erkennen? Drucksache 18/3702 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Fragen 2 und 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Aufgrund der Entwicklungen im türkisch-syrischen Grenzgebiet Ende September /Anfang Oktober 2014 und den bereits bekannten Aufrufen der PKK-Führungsfunktionäre Murat Karayilan und Bese Hozat kam es unmittelbar zu zahlreichen spontanen (Besetzungs-)Aktionen durch kurdische Aktivisten. Mobilisierend ausgewirkt hat sich für die Vielzahl der Veranstaltungen ersichtlich der am 23. September 2014 in der türkischsprachigen PKK-Nachrichtenagentur „Firat News Agency“ (ANF) erschienene Artikel „Ciwanen Azad ruft die kurdische Jugend in Europa zu aktiven Aktionen auf“. Neben der Aufforderung zu „aktiven Aktionen“ sollten sich zudem Jugendliche in ihren Städten selbstständig organisieren und eigenverantwortlich koordinierte Aktionen durchführen. Befeuert worden sind die vielfältigen Aktionen offensichtlich auch dadurch, dass zu jenem Zeitpunkt die an der Grenze zur Türkei liegende syrische Stadt Ain al-Arab (kurdisch: Kobane) massiv vom Islamischen Staat (IS) angegriffen wurde. In Deutschland kam es daraufhin zu Aktionen ● vor und in Fernseh- und Rundfunkanstalten ● an Flughäfen ● an Bahnhöfen ● an Geschäftsstellen und Büroräumen von deutschen Parteien ● sowie zu einer Reihe von weiteren Demonstrationen vor türkischen und ame- rikanischen konsularischen Vertretungen. Darüber hinaus wurden in zahlreichen deutschen Städten Aufzüge und Kundgebungen durchgeführt, die mit Ausnahme veranstaltungstypischer Straftaten (Zeigen verbotener Symboliken, Skandieren verbotener Parolen) weitgehend störungsfrei verliefen. Das Verhalten ist taktischer Natur, weil der PKK aufgrund der Bindung ihrer Ressourcen und ihrer momentanen Ausrichtung auf Nord-Syrien Unruhe und erhöhter Verfolgungsdruck im Rest Europas ungelegen kommt und sie daher auf friedliche Verläufe der Aktionen drängt sowie unfriedliche Verläufe kritisiert. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die PKK jederzeit zu einem anderen Vorgehen in der Lage ist. Hierzu wird auf die Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksachen 18/3267, Antwort zu den Fragen 6a und 6b und 17/13072, Antwort zu Frage 5 verwiesen. 4. Welche Belege für eine Zugehörigkeit der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), mit deren Anschlägen auf zivile Einrichtungen in der Westtürkei die Bundesregierung unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Urteile das der PKK unterstellte Agieren gegen den Gedanken der Völkerverständigung herleitet, zur PKK sind der Bundesregierung bekannt? a) In wie vielen und welchen der seit 2011 geführten Verfahren nach § 129b StGB gegen mutmaßliche Kader der PKK konnte nach Kenntnis der Bundesregierung in welcher Form der Beweis der Zugehörigkeit der TAK zur PKK erbracht werden, und inwieweit fand dieser Nachweis in rechtskräftigen Urteilen Eingang? Hinsichtlich der rechtlichen Würdigung der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) wird auf das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg gegen A. I. K. vom 13. Februar 2013 und den entsprechenden Revisionsbeschluss des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 6. Mai 2014 verwiesen, wonach die TAK als Teilorganisation der PKK festgestellt wurde. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3702 b) Welche Äußerungen der PKK bezüglich der TAK sind der Bundesregierung bekannt? Aus taktischen Gründen distanziert sich die PKK offiziell von der TAK. Murat Karayilan wies in einem Interview mit der prokurdischen Nachrichtenagentur ANF im November 2010 alle Spekulationen zurück, die TAK hätten Verbindungen zur PKK. Die TAK sei eine eigenständige Organisation und niemand könne die PKK für die Gewaltaktionen der TAK verantwortlich machen. c) Welche Äußerungen der TAK bezüglich ihres Verhältnisses zur PKK sind der Bundesregierung bekannt? Die im Jahr 2004 gegründete TAK ist eigenen Angaben zufolge aus den „Volksverteidigungskräften “ (HPG), dem bewaffneten Arm der PKK, hervorgegangen. Wie sie in ihrer so genannten Gründungserklärung an die Öffentlichkeit mitteilte , hätte man eine Zeit lang innerhalb der PKK gekämpft, sich dann jedoch von der Organisation getrennt und die TAK gegründet, da PKK und HPG zu schwach erschienen. d) Ist der Bundesregierung bekannt, dass die TAK auf der Terrorliste der EU als eigenständige Organisation und anders als KADEK und Kongra Gel explizit nicht als aka („also known as“, auch bekannt als) der PKK aufgeführt werden (www.eur-lex.europa.eu „Council implementing regulations No 790/2014“ vom 22. Juli 2014), und wenn ja, was leitet die Bundesregierung daraus bezüglich einer Zugehörigkeit der TAK zur PKK ab? Im Amtsblatt der Europäischen Union vom 11. Dezember 2012, Nr. L 337 werden PKK und TAK auf der Terrorliste der EU als eigenständige Organisationen aufgeführt. Eigenen Angaben zufolge sind die TAK im Jahr 2004 aus den Volksverteidigungskräften der PKK hervorgegangen (vgl. Antwort zu Frage 4c). Offiziell distanziert sich die PKK stets von der TAK, ebenso auch die TAK von der PKK; beide Organisationen reklamieren Eigenständigkeit. Signifikant ist zudem , dass die TAK den auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan als ihren „Führer“ bezeichnen und diesen auch oftmals explizit in ihren Tatbekennungen grüßen. e) Wann und wo fand nach Kenntnis der Bundesregierung der letzte eindeutig der TAK zuzuordnende Anschlag statt, und inwieweit lässt sich daraus die Auffassung der Bundesregierung ableiten, dass der Kampf der PKK „mit terroristischen Mitteln“ unbeschadet des Friedenskurses anhält? Die TAK hat sich verschiedentlich öffentlich zu Anschlägen bekannt. Sie bekannte sich – in einer im Internet veröffentlichten Erklärung vom 4. November 2010 – zu einem am 31. Oktober 2010 verübten Selbstmordanschlag auf einen Polizeibus auf dem Taksim-Platz in Istanbul, bei dem der Attentäter, Vedat Acar, ums Leben kam und 32 Personen verletzt wurden. Der Anschlag wurde von Murat Karayilan scharf kritisiert, da die PKK zu jenem Zeitpunkt eine einseitige Waffenruhe ausgerufen hatte und sich in Gesprächen mit der türkischen Regierung, den so genannten Oslo-Gesprächen, befand. Am 20. September 2011 wurde im Regierungsviertel von Ankara ein Autobombenanschlag verübt, bei dem drei Personen starben und 34 schwer verletzt wurden . Die TAK bekannte sich in einer im Internet veröffentlichten Erklärung vom 22. November 2011 zu diesem Anschlag. In aller Regel schiebt die PKK-Führung nach einem erfolgten Anschlag die Verantwortung auf die TAK und kritisiert deren Gewaltaktionen in der Öffentlich- Drucksache 18/3702 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode keit. Die Androhung von militanten Aktionen „mit terroristischen Mitteln“ ist nach hiesiger Bewertung zentraler Bestandteil des Kampfes der PKK. f) Inwieweit ist die Bundesregierung angesichts der Notwendigkeit, vor entsprechenden Verfahren die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 129b StGB erteilen zu müssen, der Auffassung, dass die alleinige Bezugnahme auf höchstrichterliche Urteile zum Nachweis des Agierens der PKK gegen den Gedanken der Völkerverständigung genügt? Die Bundesregierung hat ihre in der Bundestagsdrucksache 18/3491 dargelegte Einschätzung nicht auf eine „alleinige Bezugnahme auf höchstrichterliche Urteile “ gestützt. 5. Handelt es sich nach Ansicht der Bundesregierung bei den Volksverteidigungseinheiten YPG, den Frauenverteidigungseinheiten YPJ und der Partei der Demokratischen Union PYD in Rojava/Nordsyrien um terroristische Vereinigungen oder Teilorganisationen einer terroristischen Vereinigung? a) Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung diese Auffassung? b) Wenn nein, inwieweit sieht die Bundesregierung dann ein Problem darin , wenn die PKK in der Bundesrepublik Deutschland Mitglieder für die YPG rekrutiert haben soll? Die Fragen 5, 5a und 5b werden gemeinsam beantwortet. Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei den in Frage 5 genannten Gruppierungen bzw. Organisationen um terroristische Vereinigungen (oder Teilorganisationen hiervon) nach § 129b StGB handelt, ist der Entscheidung durch unabhängige Gerichte in einem gerichtlichen Strafverfahren vorbehalten. Hinsichtlich der Rekrutierung von Kämpfern in Deutschland wird auf die Vorbemerkung verwiesen. c) Ist der Bundesregierung bekannt, dass den YPG neben Mitgliedern der PYD auch Mitglieder sozialdemokratischer und christlich-assyrischaramäischer Parteien sowie vor allem Parteilose angehören (www. kurdistan-report.de „Die Verteidigungskräfte von Rojava – YPG/YPJ“ sowie www.aymennjawad.org „Christian Militia and Political Dynamics in Syria“ vom 23. Februar 2014), und wenn ja, woraus leitet die Bundes regierung ihre Behauptung ab, bei den YPG handele es sich um den militärischen Arm der PYD? d) Ist der Bundesregierung bekannt, dass die YPG den Verteidigungskommissionen der drei Kantone von Rojava – Cazira, Kobani und Afrin – unterstehen und nicht der PYD (www.civaka-azad.org/pdf/info7.pdf „Aus der Kraft der eigenen Bevölkerung – Die Revolution in Rojava schreitet voran“, März 2014), und wenn ja, woraus leitet die Bundesregierung ihre Behauptung ab, bei den YPG handele es sich um den militärischen Arm der PYD? Die Fragen 5c und 5d werden gemeinsam beantwortet. Die Kommentierung von Unterstellungsverhältnissen in Syrien ist nicht Aufgabe der Bundesregierung. Die im September 2003 gegründete Partei der Demokratischen Union (PYD) erkennt in ihrer Satzung sowohl den inhaftierten PKKFührer Abdullah Öcalan als Anführer sämtlicher Kurden als auch den KONGRA GEL als die höchste legislative Gewalt des kurdischen Volkes an. Nach einer Meldung in der Nachrichtensendung des ehemaligen PKK-Fernsehsenders „Nuce TV“ vom 7. Mai 2013 bestätigte der Co-Vorsitzende der PYD in einem Interview mit dem britischen Fernsehsender BBC diese Sichtweise mit der Formulierung , Öcalan sei nicht nur ein Führer der PKK, sondern ein Kurdenführer. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3702 Die Gründung der „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) erfolgte am 26. Oktober 2011 durch die PYD zum Schutze der von überwiegend Kurden bewohnten Gebiete in Syrien. Eine Gründungserklärung der YPG wurde am 19. Juli 2012 veröffentlicht und die Bekanntgabe der Gründung der YPG erfolgte während des syrischen Bürgerkrieges ebenfalls durch die PYD. Die YPG unterstehen offiziell dem so genannten Hohen Kurdischen Komitee, welches aus insgesamt zehn Mitgliedern besteht, davon jeweils fünf Mitglieder vom „Kurdischen Nationalrat “ und von der PYD. Unter Einbeziehung der vorliegenden Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die YPG der militärische Arm der PYD ist. 6. Inwieweit ist die Bundesregierung der Auffassung, ihre Antwort „Die in Frage 5 zitierte Feststellung ist Ausdruck einer phänomendifferenzierten Bewertung. Unbeschadet der Tatsache, dass es sich bei PKK und IS um ausländische terroristische Vereinigungen handelt, sind die (potentiellen) Konsequenzen hieraus abzuleitender inländischer Aktivitäten unterschiedlich zu bewerten“ ist eine Antwort zu den Fragen 5 und 5a bis 5i nach dem ihrer Meinung nach von kurdischen Syrien-Kämpfern gegen den IS ausgehenden „Gefährdungspotential“ in Deutschland? a) Kann die Bundesregierung erläutern, worin die „phänomendifferenzierte Bewertung“ besteht, und welche Phänomene in welcher Form differenziert bewertet wurden? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. b) Welche (potentiellen) Konsequenzen bezüglich inländischer Aktivitäten im Einzelnen leitet die Bundesregierung aus der Einstufung von PKK und IS als ausländische terroristische Organisationen ab, und wie bewertet sie diese? Die Einstufung als ausländische terroristische Vereinigung erfolgt durch die deutsche Gerichtsbarkeit, die Konsequenzen ergeben sich aus dem Strafrecht. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. c) Hält die Bundesregierung es prinzipiell für begrüßenswert, wenn sich PKK-nahe Kräfte dem IS in Syrien und dem Irak entgegenstellen? Wenn nein, warum nicht? d) Welche rechtlich oder politisch begründeten Bedenken und Befürchtungen hat die Bundesregierung, wenn sich in Deutschland lebende Kurdinnen und Kurden – und andere hier lebende Personengruppen – dem bewaffneten Widerstand gegen den IS in Syrien oder dem Irak anschließen ? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. e) Geht nach Meinung der Bundesregierung ein Gefährdungspotential für das Bundesgebiet, Bundesbürgerinnen und Bundesbürger oder deutsche Institutionen im Ausland oder sonstige Belange der Bundesrepublik Deutschland von den für Syrien von der PKK rekrutierten Kämpferinnen und Kämpfern aus, und wenn ja, für wen oder was, und woraus leitet die Bundesregierung dieses Gefährdungspotential ab? Unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppierung bzw. Organisation weist eine Person, die in Syrien oder im Irak an Kampfhandlungen teilgenommen und/oder sich in einem Ausbildungslager aufgehalten hat, ein deutliches Gefährdungspotenzial auf. Mit dem in einem Lager erworbenen Wis- Drucksache 18/3702 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sen sowie entsprechenden Kampferfahrungen verfügen diese Personen über das Potenzial, schwere Personen- und Sachschäden mit erheblicher öffentlicher Resonanz in Deutschland zu verursachen bzw. dieses Potenzial auch an andere Personen weiterzugeben. Kämpfer der PKK, die bislang aus dem Kampfgebiet zurückgekehrt sind, engagieren sich in der Regel weiterhin für die PKK in Europa. Einige von ihnen übernehmen Kaderfunktionen innerhalb der Jugendorganisation. Derzeit gibt es aber keine Hinweise darauf, dass die Rückkehrer Gewaltaktionen in Europa planen, zumal die PKK Europa als Rückzugsraum für finanzielle und politische Aktivitäten betrachtet. Dennoch darf der Aspekt, dass es sich bei den Rückkehrern um Personen mit Kampferfahrung handelt, nicht vernachlässigt werden. f) Sind der Bundesregierung Aufrufe kurdischer bzw. PKK-naher Organisationen zu Anschlägen und Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den IS bekannt, und wenn ja, welche? Nein. Es liegen Hinweise vor, dass vor allem in kurdischen und jesidischen Kreisen , teilweise aber auch in schiitischen Gruppen, eine wachsende Bereitschaft gibt, mit Gewalt gegen erkannte Salafisten im öffentlichen Raum vorzugehen. Dies betrifft insbesondere öffentlichkeitswirksame Aktionen, wie beispielsweise Da’wa-Teams oder Verteilaktionen der „Lies“-Kampagne, die mittlerweile als Propaganda des IS wahrgenommen werden. g) Hat die Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse über eine Beteiligung von kurdischen Syrien-Rückkehrerinnen und Syrien-Rückkehrern an Gewalt- oder sonstigen einschlägigen Straftaten in Deutschland, und wenn ja, welche? Nein. h) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Motivation und Ideologie kurdischer Syrien-Kämpferinnen und Syrien-Kämpfer gegen den IS, und inwieweit lässt sich aus dieser Motivation und Ideologie ein Gefährdungspotential im Falle ihrer Rückkehr nach Deutschland ableiten ? Anfang Oktober 2014 hat ein in Deutschland rekrutierter PKK-Anhänger, der bei den bewaffneten Einheiten der PKK in Syrien eingesetzt war, in einer Videobotschaft aus einem Militärlager in Syrien folgenden Aufruf ins Internet gestellt: „Nach dem Aufruf Serok Apos bin ich der Selbstverwaltung in Rojava beigetreten , um die demokratischen Werte hier zu schützen. Ebenso rufe ich alle Jugendlichen in Deutschland und Europa auf, beizutreten und nach Rojava zu kommen, um die Selbstverwaltung und die Demokratie zu schützen.“ Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333