Deutscher Bundestag Drucksache 18/3716 18. Wahlperiode 09.01.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3471 – Umsetzung des Gesamtkonzepts für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 22. September 2014 hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig, in Anwesenheit des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, auf einer Presseveranstaltung ein Gesamtkonzept gegen sexuelle Gewalt von Kindern und Jugendlichen vorgestellt (das Gesamtkonzept wurde auf der Veranstaltung ausgelegt). Am 14. November 2014 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht (Bundestagsdrucksache 18/2954) verabschiedet. In ihrem Gesamtkonzept gegen sexuelle Gewalt von Kindern und Jugendlichen stellt die Bundesfamilienministerin zutreffend fest: „Allerdings knüpfen strafrechtliche Verfolgung und Sanktionen immer an die Straftat an und haben den Täter im Blick. Unser Ziel muss es deshalb sein, darüber hinaus zu gehen und den Schutz vor sexueller Gewalt noch stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Wichtig sind Maßnahmen, die ansetzen, bevor etwas passiert. Wir müssen dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu sexueller Gewalt kommt. In einem Gesamtkonzept für den Kinderschutz muss daher neben den strafrechtlichen Komponenten der Fokus auch auf Verbesserungen bei der Prävention vor Gewalt und bei Hilfen und Beratung liegen.“ Einen in der Zielsetzung ähnlichen Antrag hatte die fragenstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem Antrag „Kinder schützen – Prävention stärken“ (Bundestagsdrucksache 18/2619) am 24. September 2014 in den Deutschen Bundestag eingebracht. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 7. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein schreckliches Verbrechen und in hohem Maß gesellschaftlich geächtet. Betroffene Mädchen und Jungen leiden oft ihr Leben lang unter den Folgen. Es ist daher unsere Pflicht, unsere Drucksache 18/3716 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen und durch direktes Eingreifen und schnelle Hilfen die Folgen der Tat so gut wie möglich aufzufangen. Sexuelle Gewalt findet nicht am Rande der Gesellschaft statt. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, dem mit einem umfassenden Ansatz begegnet werden muss. Hier bedarf es sowohl struktureller Veränderungen, als auch der Verantwortungsübernahme einer jeden und eines jeden Einzelnen. Das Schweigen, das die Betroffenen gebrochen haben und das Tabu, das mit dem Runden Tisch aufgedeckt wurde, darf nie wieder Einzug halten. Gerade weil es keine einfachen und schnellen Antworten gibt, setzen wir auf ein umfassendes Gesamtkonzept für den Schutz unserer Kinder. In den Grenzen der Zuständigkeiten oder Professionen zu denken wird diesem Anspruch nicht gerecht. Ein gerechtes Strafverfahren mit möglichst geringen Belastungen für Betroffene wird nur gelingen, wenn eine ausreichende psychosoziale Begleitung sichergestellt ist. Ein umfassender Schutz vor Gewalt bedarf guter Schutzkonzepte in Einrichtungen, Haltung und Sicherung der Rechte der Kinder auf der anderen Seite, aber auch konsequenter Ahndung der Taten. Eines geht nicht ohne das andere. Alle Akteure müssen daher enger zusammenrücken, Hand in Hand arbeiten. Gerade deshalb ist es wichtig, dass alle voneinander wissen und dass die jeweiligen Maßnahmen gut aufeinander abgestimmt sind. 1. In welcher Form wurde das auf der Presseveranstaltung am 22. September 2014 ausgelegte „Gesamtkonzept für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt“ bisher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, bzw. soll dieses künftig zugänglich gemacht werden, und inwieweit wird dies dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zur Verfügung gestellt? 2. Wann und in welcher Form wurde das ausgelegte „Gesamtkonzept für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt“ mit anderen Bundesministerien abgestimmt? 3. Wann wurden welche Beratungen in den Folgewochen nach der Vorstellung des Gesamtkonzepts, wie angekündigt, mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, den Bundesressorts, Bundesländern, Verbänden und den Betroffenen aufgenommen, und zu welchem Ergebnis sind diese bisher gekommen? Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Gesamtkonzept zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt wurde im Rahmen eines Pressegespräches im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) öffentlichkeitswirksam vorgestellt . Das Konzept bedarf einer breiten Abstimmung, die schrittweise erfolgt, genau wie die eigentliche Umsetzung. Das BMFSFJ hat alle zuständigen Bundesressorts sowie die Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder und den Betroffenenbeirat beim Ergänzenden Hilfesystem für den familiären Bereich über das Gesamtkonzept informiert. Vorbereitend hat im Mai 2014 ein Workshop unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten, dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und den zuständigen Bundesressorts stattgefunden. Im nächsten Schritt soll das Gesamtkonzept im Rahmen der Sitzungen der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung, in dem Vertreterinnen und Vertreter der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3716 Bundes, der Länder, von Verbänden und auch Betroffene teilnehmen, beraten und daraufhin auch dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden. Im Rahmen der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen unter den fünf Säulen des Gesamtkonzeptes arbeiten die jeweils zuständigen Bundesressorts eng zusammen . Die ersten Umsetzungsschritte wurden bereits öffentlichkeitswirksam vollzogen. 4. Wann wird die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur dritten Opferrechtsreform in den Deutschen Bundestag einbringen, um die psychosoziale Prozessbegleitung für Opfer im Strafprozess zu stärken? Durch welche gesetzlichen Regelungen will die Bundesregierung den Minderjährigen qualifizierte Fachkräfte im Strafverfahren zur Seite stellen? Zur Umsetzung der Opferschutzrichtlinie 2012/29/EU wurde am 10. September 2014 der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) an Länder und Verbände versandt. Die Einbringung des Gesetzentwurfs in den Deutschen Bundestag ist für Frühjahr 2015 vorgesehen. Ein wesentliches Ziel des Referentenentwurfs ist die Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung. Damit soll Opfern schwerer Straftaten Beistand vor, während und nach der Hauptverhandlung ermöglicht werden. Vorgesehen ist ein Rechtsanspruch auf kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung für die in § 397a Absatz 1 Nummer 4 und 5 der Strafprozessordnung (StPO) genannten Personen, also für Kinder und Jugendliche sowie vergleichbar schutzbedürftige Personen als Opfer schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten. Sonstige Opfer schwerer Gewalt- und Sexualdelikte (Personen, die in § 397a Absatz 1 Nummer 1 bis 3 StPO) sollen ebenfalls kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung erhalten, wenn nach Ansicht des Gerichts dies im Einzelfall erforderlich ist. Die Umsetzung des Anspruchs auf psychosoziale Prozessbegleitung obliegt den Ländern. Der Referentenentwurf kann online abgerufen werden unter: www.bmjv.de/ SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2014/20140911_RefE_Opferschutz.html. 5. Durch welche gesetzlichen Regelungen will die Bundesregierung sicherstellen , dass Ermittlungsbehörden und Jugendämter künftig enger kooperieren ? Die Bundesregierung plant eine gesetzliche Regelung im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG). Die Regelung soll beim Bestehen eines dringenden Tatverdachts einer Sexualstraftat eine verbesserte Kooperation und einen intensiven Informationsaustausch von Ermittlungsbehörden und Jugendämtern festschreiben, wenn der Verdächtige mit Minderjährigen im engen beruflichen oder familiären Kontakt steht. 6. Wann und wie wird die Bundesregierung eine Diskussion über die angemessene Ausstattung der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden mit den Bundesländern anstoßen? Das Gesamtkonzept wird im Rahmen der Umsetzung innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. In diesen Abstimmungsprozess wird auch diese Frage einbezogen werden. Drucksache 18/3716 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einbringen, um Kindern und Jugendlichen einen uneingeschränkten Anspruch auf Beratung der Kinder- und Jugendhilfe auch ohne Kenntnis ihrer Eltern einzuräumen? Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde vereinbart, die Umsetzung des Abschlussberichts „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeitsund Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ in dieser Legislaturperiode weiter voranzubringen. Der Abstimmungsprozess zum Gesamtkonzept (vgl. die Antwort zu den Fragen 1 bis 3) ist noch nicht abgeschlossen, so dass zum Zeitplan noch keine näheren Informationen vorliegen. 8. Wie gedenkt die Bundesregierung, den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs darin zu unterstützen, die Entwicklung von Schutzkonzepten in Einrichtungen weiter voranzutreiben? Wird die Bundesregierung vergleichbare Regelungen für ähnliche Einrichtungen und Angebote für Kinder und Jugendliche außerhalb der Kinderund Jugendhilfe schaffen? Wenn ja, bis wann sollen entsprechende Gesetzentwürfe in den Deutschen Bundestag eingebracht werden? Wenn nein, warum nicht? Die Einführung von Schutzkonzepten in Einrichtungen und Institutionen ist eine wichtige Empfehlung des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits - und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“. Das BMFSFJ wird gemeinsam mit dem Unabhängigen Beauftragten weiter daran arbeiten, diese Empfehlung insbesondere im schulischen Rahmen umzusetzen. Dies geschieht beispielsweise durch eine engere Verzahnung der bundesweiten Präventionsinitiative „Trau Dich!“ des BMFSFJ mit der Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ des Unabhängigen Beauftragten. Die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit, weitere Gesetzentwürfe einzubringen. Der Unabhängige Beauftragte hat bereits mit vielen Dachorganisationen der Zivilgesellschaft – beispielsweise den Wohlfahrtsverbänden und Kommunalen Spitzenverbänden, den Kirchen oder dem Deutschen Olympischen Sportbund – Vereinbarungen zur Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jungen in ihren Zuständigkeitsbereichen getroffen. Die Bundesregierung unterstützt den Unabhängigen Beauftragten darin, diese Vereinbarung weiterzuentwickeln und neue Partner zu gewinnen. 9. Welchen Beitrag wird die Bundesregierung leisten, um das Thema sexuelle Gewalt neben der Sexualerziehung systematisch in die Ausbildungsgänge der Lehrerinnen und Lehrer und der Erzieherinnen und Erzieher zu integrieren ? Gemeinsam mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat das BMFSFJ Ende 2012 die oben genannte bundesweite Präventionsinitiative gestartet . Die Projektförderung wurde nun um weitere vier Jahre verlängert und auch erweitert: Neben der Fortschreibung der bisherigen Aktivitäten, wird die Nachhaltigkeit gesichert, indem das Thema „Schutz vor sexueller Gewalt“ in den Ausbildungsgängen und in der Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte in Schule und Kitas verankert werden soll. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3716 10. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einbringen, um im Rahmen der Regelungen zur Betriebserlaubnis für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gesetzlich klarzustellen, dass Schutzkonzepte nicht nur in neuen, sondern auch in bestehenden Einrichtungen Anwendung finden müssen? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 und im Übrigen auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 71 der Abgeordneten Katja Dörner vom 27. Juni 2013 auf Bundestagsdrucksache 17/14397 verwiesen. 11. Bis wann wird die Bundesregierung gemeinsam mit dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und den verantwortlichen Bundesländern und Kommunen ein Konzept erarbeiten, wie die vorhandenen Kompetenzen der spezialisierten Fachberatung für Betroffene und ihre Angehörigen vor Ort besser genutzt, die Vernetzung der Beratungsstellen durch eine Bundeskoordination unterstützt und dadurch Versorgungslücken geschlossen werden können? Spezialisierte Fachberatungsstellen leisten wichtige Arbeit für Betroffene und ihre Angehörige. Um die vorhandenen Kompetenzen besser zu nutzen, wird das BMFSFJ gemeinsam mit den zuständigen Akteuren ein Konzept zur Einrichtung einer Bundeskoordinierungsstelle entwickeln. Erste Umsetzungsschritte hierzu sind bereits erfolgt. 12. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einbringen, um die Regelsysteme im Bereich der Gesundheitsversorgung und der Opferentschädigung für Betroffene sexueller Gewalt zu verbessern? Wenn nicht, warum nicht? Die staatliche Entschädigung für Opfer von Gewalttaten nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) ist Teil des Sozialen Entschädigungsrechts. Unter dem Aspekt der Rechtseinheitlichkeit dieses Rechtsgebiets und unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes sind Änderungen und Verbesserungen im Leistungsspektrum für einzelne Personengruppen nicht möglich, vielmehr müssen die entsprechenden Regelungen für alle Betroffenen gelten. Bei der im Koalitionsvertrag (S. 74) vorgesehenen Reform des Rechts der Sozialen Entschädigung und der Opferentschädigung werden wichtige Erkenntnisse zum Bedürfnis vieler Gewaltopfer insbesondere nach sofortigen Hilfen und einem schnellen Zugang zu Leistungen, die u. a. bei den Beratungen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ deutlich wurden, berücksichtigt werden. Zur Umsetzung des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag wird in dieser Legislaturperiode ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt werden. Im Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung von Betroffenen sexueller Gewalt hat der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ in seinem Abschlussbericht 2011 zudem festgestellt, dass die bestehende Gesetzeslage es grundsätzlich ermöglicht, dass Betroffene angemessene psychotherapeutische und andere Leistungen zur Krankenbehandlung erhalten . Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung. Zur Sicherstellung der bedarfsgerechten, flächendeckenden und gut erreichbaren medizinischen Versorgung sieht der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zudem eine Reihe von Maßnahmen vor. So werden zum Beispiel die Regelungen für die Zu- und Nie- Drucksache 18/3716 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode derlassung von Ärztinnen und Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten weiterentwickelt. Insbesondere werden die Anreize zur Niederlassung in unterversorgten und strukturschwachen Gebieten sowie zum Abbau von Überversorgung weiter verbessert. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird u. a. beauftragt, zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung, die Psychotherapie-Richtlinie zu überarbeiten. 13. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einbringen, um mit einer Informationsverpflichtung sicherzustellen , dass Kinder und Jugendliche und ihre Eltern über Risiken beim Umgang mit digitalen Medien umfassend informiert und aufgeklärt sind? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 14. Zu welchen Ergebnissen ist die Überprüfung der Regelungen zum Kinderund Jugendschutz gekommen (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Aktuelle Fragen zur Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendschutzes “, Antwort zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 18/911)? Sollten noch keine Ergebnisse vorliegen, warum nicht, bzw. bis wann werden diese vorliegen? Hinsichtlich der Ergebnisse der Überprüfung ist auf das „49. StrÄnG – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht“ (Strafergänzungsgesetz) hinzuweisen. Das Gesetz ist vom Deutschen Bundestag und Deutschen Bundesrat bereits beschlossen worden, und soll demnächst in Kraft treten. 15. Welches Ressort ist zuständig für das Jugendschutzgesetz (JuSchG)? Innerhalb der Bundesregierung ist für das JuSchG das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend federführend zuständig. 16. Aus welchem Grund sollte das JuSchG bei der angekündigten Überprüfung der Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz nicht überprüft werden (siehe Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 auf Bundestagsdrucksache 18/911)? Das Bundesrecht differenziert nach jeweils zu schützenden Gütern. Schutzgut der medienrechtlichen Vorschriften des Jugendschutzgesetzes ist der Jugendmedienschutz , d. h. der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor der Konfrontation mit Medieninhalten, die jugendbeeinträchtigend (§§ 11 ff. JuSchG) oder jugendgefährdend (§ 15 i. V. m. §§ 17 ff. JuSchG) sind. Der weitergehende Schutz der sexuellen Selbstbestimmung oder des Persönlichkeitsrechts von Kindern und Jugendlichen wird über das Strafgesetzbuch inzwischen umfassend sichergestellt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3716 17. Erwägt die Bundesregierung zur weiteren Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (ETS 201, sog. Lanzarote-Konvention) Änderungen in der Strafprozessordnung, um minderjährige Opfer im Strafprozess stärker zu schützen? Wenn ja, bis wann sind welche Änderungen geplant? Wenn nein, warum nicht (Frage bitte getrennt beantworten)? Mit der beabsichtigten Einführung der psychosozialen Prozessbegleitung im Rahmen des dritten Opferrechtsreformgesetzes soll der Opferschutz im Strafverfahren weiter ausgebaut werden. Um den Bedürfnissen kindlicher und jugendlicher Opfer im besonderen Maße gerecht zu werden, ist ein Rechtsanspruch auf kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung grundsätzlich für diese beiden Gruppen vorgesehen. Zudem soll mit dem dritten Opferrechtsreformgesetz auch den Anforderungen aus Artikel 31 Buchstabe a des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch nachgekommen werden. Die darin vorgesehene bessere Information des Verletzten über das durch seine Anzeige in Gang gesetzte Verfahren wurde bei der Formulierung der vorgeschlagenen Regelungen zu den Informationsrechten in der Strafprozessordnung berücksichtigt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 18. Erwägt die Bundesregierung zur weiteren Umsetzung der LanzaroteKonvention , die Regelungen zur Vorlage eines (erweiterten) polizeilichen Führungszeugnisses auf Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie Anbieter von Dienstleistungen für Kinder und Jugendliche auszuweiten (Kinderbetreuung im Bereich des Tourismus, der Kinder- und Jugendreiseunternehmen , der Kinderkliniken oder ähnliche medizinische Einrichtungen )? Wenn ja, bis wann? Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung das unterschiedliche Schutzniveau bei Tätigkeiten, die in vergleichbarer Weise geeignet sind, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen (Frage bitte getrennt beantworten )? Ein zentraler Regelungsbereich des Bundeskinderschutzgesetzes ist der Ausschluss einschlägig Vorbestrafter von Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe (§ 72a des Achten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VIII), seine Fassung ist auch das Ergebnis einer breiten Diskussion im Rahmen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“. Um dem besonderen Schutzbedürfnis von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf Sexualstraftaten Rechnung zu tragen, verpflichtet die Vorschrift die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sicherzustellen, dass in der Kinder- und Jugendhilfe keine Personen tätig sind, die wegen einschlägiger Straftaten verurteilt worden sind. Das Bundeskinderschutzgesetz gewährleistet zudem eine verbesserte Zusammenarbeit und schafft die gesetzliche Voraussetzung für einen effektiven Austausch von Informationen aller für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in allen Lebensbereichen relevanten Akteure z. B. in der Kinder- und Jugendhilfe, im Gesundheitsbereich oder in der Justiz. Die Bundesregierung untersucht derzeit die Wirkungen des Bundeskinderschutzgesetzes und wird dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2015 einen Bericht über die Evaluationsergebnisse vorlegen. Auf der Grundlage die- ser Ergebnisse wird die Bundesregierung den Kinderschutz weiterentwickeln und, falls erforderlich, auch im Hinblick auf eine Vereinheitlichung des Schutz- Drucksache 18/3716 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode niveaus in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Kinderrechte mit den Ländern in den Austausch treten bzw. im Rahmen der Bundeskompetenzen die notwendigen Schritte ergreifen. 19. Erwägt die Bundesregierung zur weiteren Umsetzung der LanzaroteKonvention die bereichsspezifischen gesetzlichen Regelungen, wie privacy by design als Grundeinstellung, zu ändern, um damit höhere Datenschutzstandards festzulegen, um damit missbräuchlichen Zugriff und die Veröffentlichung von Bilddaten in der digitalen Welt (insbesondere durch soziale Netzwerke) zu verhindern? Wenn ja, wann, und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? In den derzeit stattfindenden Verhandlungen über den Entwurf einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung) wird auch eine Regelung zum „Datenschutz durch Technik und datenschutzfreundliche Voreinstellungen“ beraten. Sie soll nach dem Willen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch für nicht in der Europäischen Union niedergelassene Unternehmen gelten. Der Entwurf der Europäischen Kommission, der Beschluss des Europäischen Parlaments und der aktuelle Stand der Beratungen im Rat der Europäischen Union unterscheiden sich zwar im Detail noch voneinander, sie verpflichten aber alle für die Datenverarbeitung Verantwortlichen zu datenschutzfreundlichen Voreinstellungen . Da die Datenschutz-Grundverordnung nach ihrem Inkrafttreten in den Mitgliedstaaten unmittelbar gelten soll, sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, in der Zwischenzeit Änderungen am deutschen Datenschutzrecht vorzunehmen. 20. Hat sich die Bundesregierung zur weiteren Umsetzung der LanzaroteKonvention bei den Zulassungsgremien der gemeinsamen Selbstverwaltung dafür eingesetzt, dass in den Regionen, in denen alle Kassensitze für Ärzte und Psychotherapeuten besetzt sind und der therapeutische Bedarf für traumatisierte Kinder und Jugendliche nicht gedeckt werden kann, ausreichende Sonderbedarfszulassungen ermöglicht werden? Wenn ja, wann, und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Die Entscheidung über die Erteilung von Sonderbedarfszulassungen obliegt den Zulassungsausschüssen nach § 96 des des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Zulassungsausschüsse werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie den Ersatzkassen jeweils für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung oder für Teile des Bezirks (Zulassungsbezirk) zur Beschlussfassung und Entscheidung in Zulassungssachen errichtet. Es ist Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die näheren Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher zur Deckung eines zusätzlichen lokalen oder qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarfs notwendigen Vertragsarztsitze zu beschließen. Nach den entsprechenden Vorgaben in der Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA kommt einer Sonderbedarfszulassung wegen eines zusätzlichen qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs u. a. für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten oder bei Vorliegen einer Zusatzqualifikation und Abrechnungsmöglichkeit für die Be- handlung von Kindern und Jugendlichen in Betracht, wenn die ärztlichen oder Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3716 psychotherapeutischen Tätigkeiten des qualifizierten Inhalts in dem betreffenden Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit, auf die fachlichen Bewertungen und Entscheidungen der Zulassungsausschüsse über Anträge auf die Erteilung von Sonderbedarfszulassungen Einfluss zu nehmen. Gegen Entscheidungen der Zulassungsausschüsse können die am Verfahren beteiligten Ärzte und Einrichtungen , die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesausschüsse der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen den Berufungsausschuss anrufen. 21. Hat sich die Bundesregierung zur weiteren Umsetzung der LanzaroteKonvention bei den zuständigen Ärzte- und Psychotherapeutenkammern dafür eingesetzt, dass vermehrt Aus-, Fort- und Weiterbildungen in der Traumatherapie angeboten werden, um unter ärztlichen und psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die Bereitschaft zu steigern, von sexuellem Missbrauch Betroffene als Patientinnen und Patienten anzunehmen? Wenn ja, wann, und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hat bereits im Kontext des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten thematisiert. Im September 2012 haben die Bundespsychotherapeutenkammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband, die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung Rahmenempfehlungen zur Verbesserung des Informationsangebots, der Zusammenarbeit in der Versorgung von Opfern sexuellen Missbrauchs und des Zugangs zur Versorgung vorgelegt. Sie thematisieren u. a. die Verbesserung der Verfügbarkeit von bestehenden Therapieangeboten , die Weiterentwicklung der Therapieangebote und die Qualitätsanforderungen an spezialisierte Therapeuten. Es obliegt der Selbstverwaltung der ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Berufsgruppen , die Umsetzung der begonnenen Maßnahmen regional sowie überregional weiter voranzubringen. 22. Aus welchen Mitteln werden die im Gesamtkonzept gegen sexuelle Gewalt von Kindern und Jugendlichen erwähnten Maßnahmen – so sie Kosten verursachen – finanziert (bitte einzeln auflisten), und wurde der Mittelansatz zur Umsetzung der angekündigten Maßnahmen für die Jahre 2015 und Folgejahre (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Aktuelle Fragen zur Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendschutzes“, Antworten zu den Fragen 13 und 14 auf Bundestagsdrucksache 18/911) dazu erhöht? Die Ausgaben zur Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des Gesamtkonzeptes zum Schutz gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen werden überwiegend über den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) – insbesondere aus dem Programm „Schutz von Kindern und Jugendlichen“ – finanziert. Innerhalb dieses Programms plant die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren ca. 18 Mio. Euro für den Schutz von Kindern und Jugendlichen gegen sexuelle Gewalt und Hilfen für Betroffenen zur Verfügung zu stellen (ohne Berücksichtigung des Ergänzenden Hilfesystems). Drucksache 18/3716 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der zweite Halbsatz der Frage nimmt Bezug auf die Frage 13 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Aktuelle Fragen zur Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendschutzes“. Dort wird allerdings auf die Ausgaben des Bundes für den gesamten Kinder- und Jugendschutz Bezug genommen (KJP-Programm „Schutz von Kindern und Jugendlichen“). Das Gesamtkonzept zum Schutz gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen bildet nur einen Teil dessen ab. Insofern ist ein direkter Vergleich zu den in der Frage 13 dargestellten Ausgaben nicht aussagekräftig. Dem Unabhängigen Beauftragen für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs stehen jährlich Personal- und Sachmittel in Höhe von ca. 2,5 Mio. Euro zur Verfügung . Hinzu kommen Kosten für das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch des Unabhängigen Beauftragten von jährlich bis zu 500 000 Euro, die aus dem KJP getragen werden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333