Deutscher Bundestag Drucksache 18/3717 18. Wahlperiode 12.01.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3495 – Abstrakte Bedrohungen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit Jahren begründet die Bundesregierung Auslandseinsätze der Bundeswehr unter anderem auch mit der Notwendigkeit, einen Beitrag gegen „abstrakte Bedrohungen “ leisten zu wollen. Auch im neuen Antrag zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Operation OPERATION ACTIVE ENDEAVOUR (OAE) im Mittelmeer (Bundestagsdrucksache 18/3247) heißt es: „[…] Die Bedrohung der Allianz durch im Mittelmeer operierenden Terrorismus wird weiterhin als abstrakt bewertet […]“. Mit dem nun vorliegenden Antrag zur OAE würde – sofern der Deutsche Bundestag dem mehrheitlich zustimmt – die Bundeswehr nun schon das zwölfte Jahr in Folge militärische Präsenz unter dem Argument, einen „Beitrag zu Abwehr des maritimen, gegen das Bündnis gerichteten Terrorismus zu leisten“, ausüben. 1. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der „abstrakten Bedrohung“, bzw. was sind für die Bundesregierung die Charakteristika einer „abstrakten Bedrohung“? Ohne eine abschließende Definition geben zu wollen, versteht die Bundesregierung unter einer „abstrakten Bedrohung“ eine Situation, in der ein Staat, eine Organisation oder eine Gruppe grundsätzlich über die Fähigkeit verfügt und die Absicht verfolgen könnte, deutsche oder verbündete Streitkräfte oder andere Personen oder Organisationen anzugreifen, gleichzeitig aber keine konkreten Anzeichen für einen bevorstehenden Angriff vorliegen. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 8. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/3717 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Welche Ursachen „abstrakter Bedrohungen“ kennt und definiert die Bundesregierung ? Abstrakte Bedrohungen können unterschiedliche Ursachen haben. Sie entstehen heute unter anderem in zerfallenden und zerfallenen Staaten, durch das Wirken des internationalen Terrorismus und von terroristischen und diktatorischen Regimen , insbesondere bei deren Zerfall oder bei Umbrüchen, sowie durch kriminelle Netzwerke. 3. Wie häufig kam es im Rahmen der OAE bisher zu einem konkreten Vorfall, d. h. wie oft nahm die „abstrakte Bedrohung“ konkrete Formen an, und wie sah diese aus? Und wie wurde der konkreten Bedrohung dann operativ begegnet? Grundsätzlich stellt jeder illegale Transport von Waffen, Munition, Sprengmitteln sowie illegalen Substanzen über das Mittelmeer eine abstrakte Bedrohung für NATO-Staaten bzw. deren Streitkräfte dar. Bisher musste noch keine an der Operation Active Endeavour beteiligte deutsche Einheit militärische Maßnahmen zur Abwehr einer konkreten Bedrohung ergreifen. 4. Wo, d. h. auf welchen Meeren und in welchen Regionen dieser Welt, sieht die Bundesregierung aktuell „abstrakte Bedrohungen“, die die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Bündnispartner direkt gefährden oder gefährden könnten? Wie sehen diese „abstrakten Bedrohungen“ aus und welche militärischen sowie welche nichtmilitärischen Maßnahmen ergreift die Bundesregierung in diesem Kontext? Welche „abstrakten Bedrohungen“ bzw. „abstrakten Sicherheitsrisiken“ bestehen insbesondere für a) die Bundesrepublik Deutschland und b) ihre Bündnispartner mit militärischer und/oder terroristischer Qualität, für c) die Bundesrepublik Deutschland und d) ihre Bündnispartner mit ökonomischer Qualität (Handelswege, Rohstoffe, Absatzmärkte etc.), für e) die Bundesrepublik Deutschland und f) ihre Bündnispartner in Form einer Einschränkung des westlichen Werteexports? Die Teilfragen der Frage 4 werden wegen des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Abstrakte Bedrohungen lassen sich geografisch nicht eindeutig einzelnen Regionen zuordnen. Vielmehr können „abstrakte Bedrohungen“ aufgrund der fortgeschrittenen Globalisierung grundsätzlich in vielen Teilen der Welt bestehen. Die Qualität der Bedrohung hängt dabei je nach Region maßgeblich mit dem außen- und sicherheitspolitischen Engagement der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bündnispartner zusammen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3717 Eine Einschränkung des „westlichen Werteexports“ wird von der Bundesregierung nicht als abstrakte Bedrohung klassifiziert. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob auch „nichtwestliche “ Staaten „abstrakte Bedrohungen“ an ihren Grenzen oder sogar fernab ihrer Grenzen wahrnehmen? Wenn ja, welche? Die Bundesregierung geht davon aus, dass auch „nicht-westliche Staaten“ abstrakte Bedrohungen wahrnehmen. Hierüber führt sie allerdings keine Aufstellungen . 6. Akzeptiert die Bundesregierung die eventuell von „nichtwestlichen“ Staaten wahrgenommenen „abstrakten Bedrohungen“, und unter welchen Voraussetzungen erachtet es die Bundesregierung als legitim, wenn diese „nichtwestlichen “ Staaten auf die wahrgenommenen „abstrakten Bedrohungen“ ihrer Sicherheit mit militärischer Präsenz oder gar militärischen Aktivitäten jenseits ihrer Landesgrenzen reagieren (bitte begründen)? Die Bundesregierung kann keine pauschale Aussage darüber treffen, ob sie die durch einen anderen Staat erfolgte Bewertung einer Situation als „abstrakte Bedrohung “ teilt oder nicht. Militärische Aktivitäten jenseits der eigenen Grenzen sind grundsätzlich dann legitim, wenn sie im Einklang mit den geltenden Normen des Völkerrechts stehen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333