Deutscher Bundestag Drucksache 18/3773 18. Wahlperiode 19.01.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3475 – Beobachtung von Funktionsträgern und sonstigen Bürgern der DDR durch westdeutsche Nachrichtendienste Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Geschichte des Kalten Krieges und mit ihr die Geschichte der deutschdeutschen Beziehungen zwischen 1949 und dem 3. Oktober 1990 ist auch eine Geschichte der gegenseitigen geheimdienstlichen Beobachtung und Überwachungen . Das ausufernde und exzessive Überwachungsinteresse des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), das sich vor allem gegen seine eigenen Bürgerinnen und Bürger richtete , aber auch das Überwachungsinteresse der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) gegen Bürgerinnen und Bürger und politische und sonstige Führungsgruppen westlicher Staaten, ist durch die Öffnung der Archive der Geheimdienste der DDR weitgehend aufgeklärt. Anders sieht es dagegen mit Antworten zu Fragen aus, mit welchen Mitteln und mit welcher Begründung die Geheimdienste der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1949 und dem 3. Oktober 1990 Menschen und Einrichtungen in der DDR beobachtet und überwacht haben. Bereits die Organisation Gehlen, der Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND), verfügte 1953 für seine Informationsbeschaffung über zwei getrennte, aber miteinander verwobene Apparate: „Die militärische und wirtschaftliche Aufklärung gegen die DDR wurde von der Dienststelle 50 D koordiniert, welche die politische Spionage der Dienststelle 40 organisatorisch unterstützte. Beide Apparate griffen auf ein Agentennetz zurück, das von etwa einem Dutzend Außenstellen unterhalten wurde.“ (Bodo Hechelhammer (Hg.), bearbeitet von Ronny Heidenreich, Dokumente der „Organisation Gehlen“ zum Volksaufstand am 17. Juni 1953, Berlin 2013 – MFGBND 6). Im Beschaffungsauftrag des BND hatte neben der UdSSR nur die DDR fast durchgehend die Priorität 1 (laut offizieller Definition: „Höchstes Interesse. Absolut vorrangiger Ansatz von Kapazität und Mitteln.“, vgl. u. a. Erich Die Antwort wurde namens des Bundeskanzleramtes mit Schreiben vom 15. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Schmidt-Eenboom: Schnüffler ohne Nase. Der BND – die unheimliche Macht im Staate. Düsseldorf (u.) 1993, S. 55). Diese Priorität wird nicht zuletzt auch in der Struktur der Abteilung 1 „Operative Aufklärung“ sichtbar: Allein drei Referate der Unterabteilung 12 „Sowjetblock“ waren für die Arbeit mit Agen- Drucksache 18/3773 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ten gegen die DDR zuständig, davon zwei Referate für Militärspionage. (vgl. ebd., S. 74 ff.). In den für den Zeitraum Oktober 1955 bis Oktober 1989 durch das zuständige MfS-Referat IX/1 erstellten monatlichen Berichten für die Vorbereitung von Strafverfahren gegen mutmaßliche West-Spione in der DDR werden insgesamt 1 382 durch das MfS überführte tatsächliche oder vermeintliche West-Spione benannt (vgl. Paul Maddrell: Im Fadenkreuz der Stasi: Westliche Spionage in der DDR. Die Akten der Hauptabteilung IX, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte , Band 61, Heft 2, S. 141 bis 171, 4/2013). Während der britische Historiker Paul Maddrell also etwa 1 400 Zuträger westlicher Geheimdienste zählt, kamen bereits vor einigen Jahren die deutschen Historiker Armin Wagner und Matthias Uhl anhand von freigegebenen BND-Akten allein für den Bereich der gegen die Nationale Volksarmee gerichteten westdeutschen Spionage zu einer konservativ geschätzten Gesamtzahl von etwa 10 000 Personen (vgl. Armin Wagner/Matthias Uhl: BND contra Sowjetarmee. Westdeutsche Militärspionage in der DDR. Berlin 2007). Erst am 5. Februar 1990 gab der Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung die Einstellung der „G-10-Maßnahmen“ gegen Privatpersonen mit DDRKontakten bekannt. Am 31. März 1990 wurde das MfS aufgelöst. Der frühere DDR-Innenminister Peter-Michael Distel trat jedoch noch im September 1990 mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, „daß noch immer Agenten des Bundesnachrichtendienstes in Ostberliner Ministerien unentdeckt sitzen.“ (zit. nach ebd., S. 81). Nach eigenen Aussagen gegenüber den Fragestellern wurde der frühere Vorsitzende des Ministerrats der DDR, Hans Modrow, in der Umbruchphase der DDR vom damaligen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl auf das Thema der Überwachung der Kommunikation des Bundeskanzlers vonseiten der DDR angesprochen , die daraufhin auch eingestellt worden sei. Hans Modrow war vom 13. November 1989 bis 12. April 1990 der vorletzte Vorsitzende des Ministerrates der DDR. Später war er Abgeordneter im Bundestag (1990 bis 1994) und im Europaparlament (1999 bis 2004). Er war Ehrenvorsitzender der PDS und ist jetzt Vorsitzender des Ältestenrates der Partei DIE LINKE. Laut einem Schreiben vom damaligen Bundesminister des Innern, Hans-Peter Friedrich, vom 13. März 2014 wurden von 1965 bis 2012 über Hans Modrow durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Informationen erhoben. Erst „mit Umstellung der Beobachtungskriterien des BfV betreffend die Partei ‚DIE LINKE.‘ und deren Mitglieder Ende des Jahres 2012 wurde diese Erhebung eingestellt.“ Da die gesammelten Informationen als zeitgeschichtlich bedeutsam eingestuft wurden, müssten sie dementsprechend ans Bundesarchiv (BArch) abgegeben werden. Die Daten seien gesperrt worden und dürften daher nicht mehr durch das BfV genutzt oder vernichtet werden. Ein Übergabeverfahren an das BArch sei eingeleitet worden. Für eine Aufklärung der Geschichte des Kalten Krieges und der gegenseitigen geheimdienstlichen Beobachtung und Überwachung der beiden deutschen Staaten wäre es wichtig, mehr über die Tätigkeiten westdeutscher Geheimdienste in diesem Zusammenhang zu erfahren. Es handelt sich um ein abgeschlossenes Kapitel deutscher, europäischer und internationaler Geschichte, eine stärkere Beleuchtung auch der Rolle der westdeutschen Geheimdienste in dieser Geschichte sollte also möglich sein. Die Fragesteller räumen der Bundesregierung im Interesse einer umfassenden Beantwortung der Fragen eine mögliche Fristverlängerung ein. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3773 Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g 1. Die Fragen aus der Kleinen Anfrage beziehen sich auf die Aktivitäten der bun- desdeutschen Nachrichtendienste bzw. ihrer Vorläuferorganisationen zwischen 1946 und 1990 gegenüber der ehemaligen DDR bzw. der Sowjetischen Besatzungszone. Der grobe Umfang des einschlägigen Unterlagenmaterials, der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage von gewisser Relevanz sein könnte und daher grundsätzlich in Betracht käme, konnte annähernd wie folgt festgestellt werden: Bundesnachrichtendienst (BND) ca. 22 laufende Meter, Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mehr als 28 000 Vorgänge (zum Großteil in mikroverfilmter Form), Bundesministerium des Innern ca. fünf laufende Meter und Bundeskanzleramt ca. drei laufende Meter. Zur Beantwortung der Fragen müssten die zu sichtenden Unterlagen einer ersten Relevanzprüfung hinsichtlich der Fragestellungen unterzogen werden, woran sich die Auswertung der als einschlägig identifizierten Aktenbestände anschließen würde. Der weit überwiegende Teil des zu sichtenden Unterlagenbestandes müsste händisch ermittelt werden. Angesichts des Umfangs der zu sichtenden Unterlagen und der Notwendigkeit der überwiegend manuellen Recherche ist eine umfassende Beantwortung zahlreicher Einzelfragen in der für die Beantwortung Kleiner Anfragen üblichen Zeit nicht möglich. Auch die von den Fragestellern eingeräumte Fristverlängerung reicht dafür nicht aus. Allein zur annähernden Abschätzung des groben Unterlagenumfangs, der für die Beantwortung der Kleinen Anfrage von gewisser Relevanz sein und daher grundsätzlich in Betracht kommen könnte, war diese Verlängerung der Beantwortungsfrist notwendig. Trotz der Fristverlängerung ist eine Identifizierung des konkret für die Beantwortung der Fragen in Betracht kommenden Unterlagenbestandes nicht abschließend möglich, weil dies nur im Rahmen einer inhaltlichen (Gesamt-)Auswertung der Unterlagen festgestellt werden kann. 2. Es besteht grundsätzlich ein verfassungsmäßiger Anspruch auf Informationsgewährung durch die Bundesregierung. Aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung , an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und mit dem grundsätzlich eine Pflicht der Bundesregierung zur unverzüglichen , vollständigen und wahrheitsgemäßen Antwort korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161, Beschluss vom 1. Juli 2009 – 2 BvE 5/06 –). Die Antwortpflicht der Bundesregierung unterliegt aber Grenzen. Für deren grundsätzliche Bestimmung gibt die verfassungsrechtliche Verteilung der Staatsfunktionen auf Parlament und Regierung wichtige Anhaltspunkte. Die nähere Grenzziehung bedarf jeweils der Würdigung im Einzelfall (BVerfG, a. a. O.). Jedenfalls steht die Antwortpflicht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit . Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt (BVerfG, a. a. O., S. 197): „Es sind alle Informationen mitzuteilen, über die die Regierung verfügt oder die sie mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung bringen kann. Da sich der parlamentarische Informationsanspruch im Hinblick auf die mögliche politische Bedeutung auch länger zurückliegender Vorgänge auf Fragen erstreckt, die den Verantwortungsbereich früherer Bundesregierungen betreffen, können die Bundesregierung zudem im Rahmen des Zumutbaren Rekonstruktionspflichten treffen.“ Die Vorbemerkung der Fragesteller weist ausdrücklich darauf hin, dass die vorliegende Kleine Anfrage auf „eine Aufklärung der Geschichte des Kalten Krieges und der gegenseitigen geheimdienstlichen Beobachtung und Überwachung der beiden deutschen Staaten“ zielt. In diesem Zusammenhang bemerken die Fragesteller zudem, dass es sich bei den „Tätigkeiten westdeut- scher Geheimdienste“ in diesem Zusammenhang „um ein abgeschlossenes Kapitel deutscher, europäischer und internationaler Geschichte“ handelt. In- Drucksache 18/3773 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sofern ist nicht ersichtlich, welche mögliche politische Bedeutung die der Kleinen Anfrage zugrunde liegenden Themenkomplexe aktuell noch haben und insofern Rekonstruktionspflichten der Bundesregierung auslösen können . Die Aktivitäten der bundesdeutschen Nachrichtendienste bzw. ihrer Vorläuferorganisationen zwischen 1946 und 1990 gegenüber der ehemaligen DDR bzw. der Sowjetischen Besatzungszone betreffen einen bis zum 7. Oktober 1949 noch nicht und seit dem 3. Oktober 1990 nicht mehr existierenden Staat. Seit dem 3. Oktober 1990 können in demjenigen Teil des Bundesgebiets , der bis dahin die DDR bildete, schon aufgrund der gesetzlichen Aufgabenzuweisungen der Nachrichtendienste keine nachrichtendienstlichen Aktivitäten mehr stattfinden, die dem zwischen 1946 und 1990 stattgefundenen Vorgehen vergleichbar wären, weshalb diese für eine aktuelle politische Kontrolle der Bundesregierung ohne Belang sind. Die Bundesregierung sieht sich daher nicht verpflichtet, die Aktivitäten der Nachrichtendienste der Bundesrepublik bzw. ihrer Vorgänger gegenüber der DDR bzw. der Sowjetischen Besatzungszone im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage aufzuarbeiten . 3. Die Bundesregierung sieht in den Aktivitäten der bundesdeutschen Nachrichtendienste gegenüber der ehemaligen DDR ebenfalls ein wichtiges Element in der Geschichte des Kalten Krieges, das der wissenschaftlichen Erforschung bedarf. Die Bundesregierung sieht es aber nicht als ihre Aufgabe an, diesen Aspekt der Geschichte zu erforschen. Dies bleibt der Wissenschaft vorbehalten. Grundlage dieser Forschung müssen allerdings die Unterlagen der betreffenden Behörden sein, wie dies ja auch für die Erforschung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der Fall ist. Die Beantwortung von Fragen durch die Bundesregierung kann diese Arbeit mit den Originalunterlagen nicht ersetzen. Die Bundesregierung ist auch weiterhin bereit, entsprechende Forschungsvorhaben zur Aufarbeitung von Aktivitäten der bundesdeutschen Nachrichtendienste gegenüber der ehemaligen DDR nach Kräften zu unterstützen. 4. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren wichtige Schritte unternommen , um der Wissenschaft auch bislang unter Verschluss gehaltene Unterlagen zugänglich zu machen. Mit der Novellierung des § 9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) im Jahre 2010 wurde eine Regelung zur zeitlich gestaffelten Öffnung von Verschlusssachen der Bundesbehörden – und damit auch der bundesdeutschen Nachrichtendienste – nach Maßgabe bestimmter Eckpunkte geschaffen, die eine bessere Erschließung der Unterlagen durch Historiker, Journalisten und die Öffentlichkeit ermöglicht. So wurde in den vergangenen drei Jahren bereits eine Vielzahl von Verschlusssachen aus den Jahren von 1949 bis 1965 offengelegt. Diese Arbeiten werden in den kommenden Jahren kontinuierlich fortgesetzt (vgl. § 9 Absatz 2 Nummer 2 VSA). Die Offenlegung von Verschlusssachen der Bundesbehörden und damit auch der bundesdeutschen Nachrichtendienste stößt allerdings dort auf Grenzen, wo nach den Vorschriften des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes eine fortdauernde Notwendigkeit der Beibehaltung der Verschlusssacheneigenschaft bei VS-VERTRAULICH und höher eingestuften Verschlusssachen gegeben ist. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Funktionsfähigkeit der Dienste durch Offenlegung der Verschlusssachen beeinträchtigt werden könnte. Im Unterschied zum MfS, dessen wissenschaftliche Erforschung vermutlich auch nach nunmehr 25 Jahren noch nicht als abgeschlossen gelten kann, nehmen die bundesdeutschen Nachrichtendienste im Interesse der Sicherheit dieses Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger ihre Aufgaben weiterhin wahr. Unterlageninhalte, die diese Arbeit zukünftig gefährden könnten, können daher nicht öffentlich gemacht werden. Die Bundesregierung und die ihr unter- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3773 stehenden Nachrichtendienste sind aber darum bemüht, den Umfang solcher Unterlageninhalte so gering wie möglich zu halten. 5. Zugangsmöglichkeiten zu Unterlagen bestehen nach Maßgabe des Bundesarchivgesetzes (BArchG). Danach hat jedermann das Recht, Anträge auf Akteneinsicht zu stellen. Diese Möglichkeit wurde in den vergangenen Jahren seitens der Wissenschaft und der Medien verstärkt genutzt. Schließlich haben die Nachrichtendienste regelmäßig und auch in Sonderaktionen Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben, um eine wissenschaftliche Aufarbeitung bestimmter Themen zu befördern. So hat etwa der BND bereits in den vergangenen Jahren umfangreiche Unterlagen , vor allem zur DDR, an das Bundesarchiv abgegeben (Bestand B 206). Dies umfasst die folgende Berichterstattung des BND zur politischen Lage: Lageberichte Ost (1970 bis 1975), Lageberichte SBZ (1962 bis 1967), Politische Lage DDR (1970 bis 1974), Berichterstattung zur SBZ/DDR (chronologisch , 1963 bis 1990), Berichterstattung zur SBZ/DDR (thematisch, 1974 bis 1990). Folgende Unterlagen zur wirtschaftlichen Lage wurden ebenfalls vom BND abgegeben: Arbeitsmittel: Erkenntnisse über wirtschaftlich relevante Objekte in der DDR: Basismaterial zu meist volkseigenen Betrieben (VEB) von A bis Z (1945 bis 1990), Erkenntnisse über wirtschaftlich relevante Objekte in der DDR: Basismaterial zu meist volkseigenen Betrieben (VEB) nach Industriezweigen (1945 bis 1981). Schließlich wurden auch bereits nachstehende Arbeitsmittel und Berichterstattungen der militärischen Auswertung des BND abgegeben: Standortkartei DDR (1950 bis 1991), Standorte der Grenztruppen der DDR (1975 bis 1989), Dokumentation Grenzsperranlagen an der innerdeutschen Grenze (ca. 1975 bis 1990) sowie Aufzeichnungen Militär – Standort-Objekt-Lagepläne (STOL) und Infrastruktur militärischer Einrichtungen in der DDR (ca. 1975 bis 1989). Allerdings sind noch nicht alle archivwürdigen Alt-Unterlagen des BND archivisch erschlossen, so dass sich darin möglicherweise noch relevantes Material befinden könnte. An das Archiv des BND in der Vergangenheit und künftig abgegebene archivwürdige Unterlagen werden weiterhin kontinuierlich erschlossen. 6. Im BND erforscht die Unabhängige Historikerkommission derzeit die Entstehungs - und Frühgeschichte des BND sowie sein Personal- und Wirkungsprofil von 1945 bis 1968 einschließlich des Umgangs mit seiner Vergangenheit . Die Ergebnisse der Arbeit dieser Kommission, bei der auch der Aufklärung der DDR durch den BND eine wichtige Rolle zukommen wird, liegen noch nicht umfänglich vor und können im Rahmen der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage nicht vorweg genommen oder in Teilen hier dargestellt werden . Ein erstes Beispiel für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik ist die von den Fragestellern zitierte Studie von Ronny Heidenreich, Dokumente der „Organisation Gehlen“ zum Volksaufstand am 17. Juni 1953, Hrsg. Bodo Hechelhammer, Berlin 2013 (MFGBND 6). Darüber hinaus hat der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen ein Forschungsprojekt mit dem Arbeitstitel „Die Konfrontation von MfS und BND in der frühen Bundesrepublik und DDR“ initiiert. 1. Von wann bis wann wurde Hans Modrow von welchem westdeutschen Nachrichtendienst beobachtet bzw. Informationen über ihn erhoben (bitte nach Jahren und Diensten und Art der Erfassung aufschlüsseln), und was war der Anlass für die jeweilige nachrichtendienstliche Beobachtung? Der BND hatte den Auftrag, die Bundesregierung über alle relevanten poli- tischen, wirtschaftlichen, militärischen und technologischen Vorgänge in der Drucksache 18/3773 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode DDR zu informieren. Dazu zählte auch die Berichterstattung über Funktionsträger im Partei- und Staatsapparat. Im Rahmen dieser Aufgabenzuweisung hat der BND zu Dr. Hans Modrow Erkenntnisse gesammelt und ausgewertet. Laut Aktenlage hat der BND zu Dr. Hans Modrow vom Juli 1958 bis zum April 1990 Erkenntnisse gewonnen. Es wurden Informationen zur Person (Kurzbiografie, Lebenslauf, politischer Werdegang, politische Aktivitäten, Reisen, Auszeichnungen , Einschätzungen zur Stellung innerhalb des Partei- und Staatsapparates der DDR) erhoben. Weiterhin wurden Informationen zu seinen Funktionen in der DDR, zu Aktivitäten im Ausland und in der DDR erfasst. Vom BfV wurden von 1965 bis zum 1. März 2013 Informationen zu Dr. Hans Modrow erhoben. Die Informationserhebung erfolgte im Zusammenhang mit tatsächlichen Anhaltspunkten für linksextremistische Bestrebungen und erfasste den Zeitraum seit dem Jahr 1951. Die Beobachtung von Dr. Hans Modrow wurde zum 1. März 2013 eingestellt, da er weder Mitglied noch Funktionär eines offen extremistischen Zusammenschlusses der Partei DIE LINKE. ist. Dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst (MAD) liegen keine Erkenntnisse zu Dr. Hans Modrow vor. 2. Wurden nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung und Informationserhebung der Person Hans Modrow eingesetzt, wann wurden diese Mittel eingesetzt, um welche nachrichtendienstlichen Mittel handelte es sich dabei , von welchem Nachrichtendienst wurden sie eingesetzt, und wer hat diese Maßnahmen jeweils angeordnet, veranlasst oder genehmigt (bitte nach Jahren und Diensten aufschlüsseln)? Der BND hat zu Dr. Hans Modrow sowohl mit offenen als auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln Informationen erhoben. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln zählen die Erkenntnisgewinnung mit Hilfe menschlicher Quellen und die technische Beschaffung. Seitens des BfV hat es keinen gezielten Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die Person Dr. Hans Modrow gegeben. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich Informationen in den Unterlagen befinden, die durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen andere Beobachtungsobjekte des BfV gewonnen wurden. Des Weiteren können auch Informationen von Landesämtern für Verfassungsschutz (LfV) enthalten sein, die durch deren Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die PDS oder andere Beobachtungsobjekte gewonnen wurden. Bezüglich des MAD wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Wie viele personenbezogene Vorgänge gegen Bürgerinnen und Bürger der DDR bzw. der sowjetischen Besatzungszone gab es vonseiten der westdeutschen Nachrichtendienste (Organisation Gehlen 1946 bis 1956, BfV ab 1950, BND und Militärischer Abschirmdienst – MAD ab 1956) im Zeitraum von 1946 bis zum 3. Oktober 1990 insgesamt, und welche nachrichtendienstlichen Mittel wurden dabei eingesetzt (bitte nach Jahren, Anzahl der personenbezogenen Vorgänge und jeweils eingesetzten nachrichtendienstlichen Mitteln – mindestens basierend auf den Jahresberichten von BND, BfV und MAD von 1956 bis 1991 aufschlüsseln)? Mit dem 3. Oktober 1990 sind die Bürger der DDR zu Staatsbürgern der Bundesrepublik geworden. Zuvor haben die Organisation Gehlen (1946 bis 1956) und von 1956 bis April 1990 der BND im Rahmen ihres Aufklärungsauftrages zu Funktions- und Mandatsträgern des Staats- und Parteiapparates der sowjetischen Besatzungszone und später der DDR zu ca. 26 000 Personen Informationen erhoben. Der BND hat außerdem Informationen zu ca. 18 500 Angehörigen der Nationalen Volksarmee (NVA) erfasst sowie zu ca. 27 000 Personen, die er- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3773 kannte Mitarbeiter des MfS waren. Das BfV führte und führt ausschließlich personenbezogene Vorgänge zu Personen, bei denen Anhaltspunkte dafür vorlagen bzw. vorliegen, dass sie Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unterstützten bzw. unterstützen oder im Auftrag eines fremden Nachrichtendienstes gegen die Bundesrepublik Deutschland tätig wurden bzw. werden. Darunter konnten bis 1990 auch Bürger der damaligen DDR fallen. Wie viele personenbezogene Vorgänge im Sinne der Fragestellung vom BfV insgesamt angelegt wurden, kann nicht mehr festgestellt werden, da ein Großteil der Unterlagen in der Vergangenheit aufgrund gesetzlicher Bestimmungen vernichtet wurde. Die jährlichen Verfassungsschutzberichte des BfV enthalten keine Angaben zur Zahl der konkreten personenbezogenen Vorgänge. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Wegen der gesetzlichen Bestimmungen zur Löschung von personenbezogenen Daten liegen für den angefragten Zeitraum im MAD keine Daten mehr vor. 4. Wie viele der in der Frage 3 genannten Vorgänge wurden jeweils vom BfV, BND, MAD oder einer ihrer Vorläuferdienste durchgeführt? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Nach welchen Kriterien (Voraussetzungen, Gründe und Ziele) wurde eine Beobachtung und Informationserhebung gegenüber der politischen Führung der DDR durch westdeutsche Nachrichtendienste veranlasst, und zu welchen Veränderungen kam es hier im Zeitraum von 1949 bis zum 3. Oktober 1990? a) Wurden die jeweiligen Mitglieder und Kandidaten des Politbüros der DDR beobachtet, bzw. nach welchen Kriterien wurden Mitglieder und Kandidaten des Politbüros beobachtet? b) Wurden die jeweiligen Mitglieder und Kandidaten des Zentralkomitees (ZK) der SED beobachtet, bzw. nach welchen Kriterien wurden Mitglieder und Kandidaten des ZK beobachtet? c) Wurden die jeweiligen SED-Kreisleitungen der DDR beobachtet, bzw. nach welchen Kriterien wurden SED-Kreisleitungen beobachtet? d) Wurden die jeweiligen SED-Bezirksleitungen der DDR beobachtet, bzw. nach welchen Kriterien wurden SED-Bezirksleitungen beobachtet? e) Wurden die jeweiligen Mitglieder der Volkskammer der DDR beobachtet , bzw. nach welchen Kriterien wurden Mitglieder der Volkskammer beobachtet? 6. Gab es zeitweise oder für den gesamten Zeitraum bis zum 3. Oktober 1990 eine Schwelle in der politischen Hierarchie der DDR, ab der eine Beobachtung seitens westdeutscher Nachrichtendienste quasi automatisch einsetzte, und wo lag gegebenenfalls diese Schwelle? Die Fragen 5 und 6 werden im Zusammenhang beantwortet. Im Auftrag des BND lag es, zu leitenden Funktionären in Partei und Staat Lebensdaten, Werdegang , Auszeichnungen, Reisen, weitere personenbezogene Daten und Kontakte zu Dritten zu erfassen. Beim Aufbau des Parteiapparates wurden Informationen grundsätzlich ab der Ebene der ZK-Abteilungen erhoben. Beim Aufbau des Staatsapparates interessierten Informationen zur Volkskammer, zum Staatsrat, zum Ministerrat sowie den Einzelministerien oder sonstigen zentralen Organen des Staatsapparates. Eine nachrichtendienstliche Bearbeitung durch die Spionageabwehr des BfV fand grundsätzlich nur zu Personen statt, die als Angehö- rige oder Agenten von Nachrichtendiensten gegen die Bundesrepublik Deutsch- Drucksache 18/3773 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode land eingesetzt waren. Zu diesem Personenkreis gehörten vor allem ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS (Führungsoffiziere, Offiziere im besonderen Einsatz (OibE), Reisekader u. a.) und des Militärischen Nachrichtendienstes der DDR („Verwaltung Aufklärung“). Mitglieder und Kandidaten des Politbüros und des Zentralkomitees der SED, die SED-Kreisleitungen und SED-Bezirksleitungen sowie Mitglieder der Volkskammer waren keine Zielobjekte der Spionageabwehr . Das BfV hat in der Vergangenheit im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung auch Informationen über die sog. Westarbeit der SED gesammelt. Dies betraf grundsätzlich auch Informationen zu Personen aus der politischen Führung sowie der Massenorganisationen der ehemaligen DDR. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 7. Gab es eine Arbeitsteilung westdeutscher Nachrichtendienste bezüglich der Beobachtung bestimmter Zielpersonen, z. B. im Hinblick auf ihre Tätigkeit in der DDR oder ihre Tätigkeit im Bereich der Auslandskontakte der DDR, und wie sah eine solche Arbeitsteilung gegebenenfalls aus? Die Aufgabenwahrnehmung des BND fand auf Grundlage seiner Zuständigkeit statt. Das BfV war und ist im Geltungsbereich des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) für die Abwehr sicherheitsgefährdender oder geheimdienstlicher Aktivitäten gegen die Bundesrepublik Deutschland zuständig. Insofern war die Spionageabwehr des BfV auf dem Gebiet der DDR nicht operativ tätig. Eine Arbeitsteilung bezüglich der Beobachtung einzelner Zielpersonen, abhängig von deren jeweiligem Aufenthalt , hat es – soweit bislang ermittelbar – nicht gegeben. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 8. Welche Massenorganisationen und Parteien der DDR neben der SED wurden zwischen 1949 und dem 3. Oktober 1990 von westdeutschen Nachrichtendiensten in welcher Form beobachtet (bitte nach Organisationen und Zeitraum der Beobachtung aufgliedern)? Der BND hatte im gefragten Zeitraum seine Informationsbeschaffung auf alle Massenorganisationen und den gesamten Parteiapparat der DDR einschließlich der Blockparteien ausgerichtet. Wie in der Antwort zu Frage 5 ausgeführt, hat das BfV im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung auch Informationen über die sog. Westarbeit von SED und Massenorganisationen der DDR gesammelt. 9. Wurden Funktionäre von Massenorganisationen und Parteien der DDR neben der SED beobachtet, nach welchen Kriterien erfolgte eine Beobachtung , und gab es eine bestimmte (wenn ja, welche) hierarchische Schwelle, ab der Funktionäre solcher Massenorganisationen und Parteien beobachtet wurden (bitte nach Massenorganisationen, Parteien, jeweiligen Funktionären bzw. Funktionen aufschlüsseln)? Auf die Antworten zu den Fragen 5 und 8 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3773 10. Gab es zwischen 1949 und dem 3. Oktober 1990 Beobachtungen und Informationserhebungen durch westdeutsche Nachrichtendienste im Bereich von a) Betrieben der DDR, b) der Wissenschaft der DDR, c) den Medien der DDR, d) den Kirchen der DDR, e) den Kultureinrichtungen der DDR, f) den Wissenschaftseinrichtungen der DDR, und nach welchen Kriterien wurden Personen bzw. Organisationen zur Beobachtung ausgewählt? Für den BND wird auf die Nummer 5 der Vorbemerkung verwiesen. Bezüglich des BfV ist anzumerken, dass die in der Frage genannten Einrichtungen keine Zielobjekte der Spionageabwehr des BfV waren, auch wenn im Einzelfall im Rahmen von Abwehroperationen Informationen hierzu anfallen konnten. Im Übrigen wird dazu auch auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 11. Wie viele Personen wurden in den in Frage 10 unter den Buchstaben a bis f genannten Bereichen zwischen 1949 und dem 3. Oktober 1990 durch westdeutsche Nachrichtendienste beobachtet (bitte nach Bereichen aufschlüsseln )? Eine nachrichtendienstliche Bearbeitung durch die Spionageabwehr des BfV fand grundsätzlich nur zu solchen Personen statt, die als Angehörige oder Agenten von Nachrichtendiensten gegen die Bundesrepublik Deutschland eingesetzt waren. Personen in den in Frage 10 genannten Bereichen waren keine Zielobjekte der Spionageabwehr. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung sowie auf die Antworten zu den Fragen 3 und 10 verwiesen. 12. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die Annahmen von Wagner/ Uhl zur militärischen Spionage des BND gegen die Nationale Volksarmee sowie sowjetische Truppen in der DDR zu (bitte begründen)? Eine Bewertung der Annahmen der genannten Autoren ist nur in Kenntnis der einschlägigen Akten möglich. Die Bundesregierung sieht sich daher nicht in der Lage und sieht es auch nicht als ihre Aufgabe an, Bewertungen wissenschaftlicher historischer Arbeiten vorzunehmen. Dies bleibt der Wissenschaft vorbehalten . Insofern wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung (insbesondere Nummer 2) verwiesen. 13. Wurden nach dem 9. November 1989 auch Mitglieder von Bürgerrechtsgruppen und neuer, unabhängiger Parteien in der DDR von westdeutschen Nachrichtendiensten beobachtet, und wenn ja, um welche Gruppen und welchen Zeitraum handelt es sich hierbei, auf welcher Bewertung beruhte deren Beobachtung, und wer ordnete diese an? Die Beantwortung der Fragen 13, 14 und 16 erfolgt im Zusammenhang. Im November 1989 hat der BND seine operative Aufklärung zu den neuen politischen Parteien in der DDR eingestellt. Die Einstellung der technischen Erfassung erfolgte im Januar 1990, ebenso die Einstellung der DDR-Briefkontrolle. Am 15. Februar 1990 hat der BND durch seinen Präsidenten gegenüber den parla- Drucksache 18/3773 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode mentarischen Gremien erklärt, dass die operative Bearbeitung der neuen Parteien und Foren – dem Demokratisierungsprozess Rechnung tragend – ausgeschlossen sei. Der BND hat die Aufklärung der DDR endgültig im April 1990 eingestellt. Das BfV hat keine Bürgerrechtsgruppen oder Parteien in der DDR beobachtet. Dass einzelne Personen, die wegen Spionageverdachts bearbeitet wurden, auch Mitglieder in einer dieser Organisationen waren, ist aber nicht auszuschließen. 14. Wurden Mitglieder des „Runden Tisches“ in der DDR durch westdeutsche Nachrichtendienste beobachtet, und wenn ja, um welche Mitglieder handelte es sich hierbei, in welchem Zeitraum fand die Beobachtung statt, auf welcher Bewertung dieser Mitglieder beruhte sie, und wer ordnete diese an? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. 15. Wurde Hans Modrow ab November 1989 als Vorsitzender des Ministerrates der DDR von westdeutschen Nachrichtendiensten beobachtet? Wenn ja, welcher Nachrichtendienst beobachtete Hans Modrow mit welchen Mitteln, welche Gefahr ging von Hans Modrow aus, und was war der Anlass für seine Beobachtung? Während der Amtszeit von Dr. Hans Modrow als Vorsitzender des Ministerrates wurde eine sensitive Information ausgewertet, die aus der Zeit kurz vor dem Ende der Amtszeit von Erich Honecker stammt, wonach in der DDR gegen Dr. Hans Modrow der Vorwurf des Hochverrates erhoben worden sei. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 16. Wurde Lothar de Maizière während seiner Amtszeit als letzter Ministerpräsident der DDR vom 12. April bis 2. Oktober 1990 von westdeutschen Nachrichtendiensten beobachtet? Wenn ja, welcher Nachrichtendienst beobachtete Lothar de Maizière mit welchen Mitteln, welche Gefahr ging von Lothar de Maizière aus, und was war der Anlass für seine Beobachtung? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. 17. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über ein Treffen von Hans Modrow und den damaligen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl am 3. Februar 1990 in Davos, bei dem Dr. Helmut Kohl Hans Modrow um ein Ende seiner Kommunikationsüberwachung durch Nachrichtendienste der DDR gebeten haben soll, und gibt es zu diesem Treffen eine Aktennotiz? Der Bundesregierung liegen hierzu – soweit bislang ermittelbar – keine Erkenntnisse vor. 18. Welcher westdeutsche Nachrichtendienst oder welche andere Sicherheitsbehörde der Bundesrepublik Deutschland hat die Kommunikationsüberwachung vom damaligen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl wann entdeckt? Im Jahre 1990 gelangte das BfV an Informationen, wonach u. a. der damalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl der Kommunikationsüberwachung durch das MfS unterlag. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/3773 19. Hat nach Kenntnissen der Bundesregierung die Kommunikationsüberwachung von Dr. Helmut Kohl durch die Nachrichtendienste der DDR nach diesem Treffen in Davos aufgehört, und welcher westdeutsche Nachrichtendienst oder welche andere Sicherheitsbehörde hat das Ende der Überwachung geprüft und bestätigt? Auf die Antwort zu Frage 17 wird verwiesen. 20. Hat sich im Gegenzug an der Beobachtung und Überwachung von Hans Modrow durch westdeutsche Nachrichtendienste nach dem Treffen in Davos etwas geändert, und wenn ja, zu welchen Änderungen ist es gekommen ? Auf die Antwort zu Frage 15 wird verwiesen. 21. In welcher Form und mit welchen Mitteln wurde Hans Modrow während seiner Tätigkeit als Abgeordneter im Deutschen Bundestag im Zeitraum von 1990 bis 1994 durch welche westdeutschen Nachrichtendienste beobachtet ? 22. In welcher Form und mit welchen Mitteln wurde Hans Modrow während seiner Tätigkeit als Abgeordneter im Europäischen Parlament im Zeitraum von 1999 bis 2004 durch welche westdeutschen Nachrichtendienste beobachtet? Die Fragen 21 und 22 werden im Zusammenhang beantwortet. Das BfV hat Dr. Hans Modrow während seiner Tätigkeit als Abgeordneter im Deutschen Bundestag im Zeitraum von 1990 bis 1994 und während seiner Tätigkeit als Abgeordneter im Europäischen Parlament im Zeitraum von 1999 bis 2004 ohne den gezielten Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel beobachtet. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass Erkenntnisse aus der nachrichtendienstlichen Beobachtung anderer Beobachtungsobjekte des BfV oder Erkenntnisse von LfV aus deren nachrichtendienstlicher Beobachtung der PDS bzw. anderer Beobachtungsobjekte in der Akte enthalten sind. 23. Wie viele Funktionsträger oder sonstige Bewohner der DDR waren nach Kenntnis der Bundesregierung von den „G-10-Maßnahmen“ gegen westdeutsche Privatpersonen mit DDR-Kontakten betroffen? Der Gesetzgeber hat bereits in der Erstfassung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 1968 sowie in den nachfolgenden Novellierungen strenge Datenhaltungsregelungen zu aus G10- Beschränkungsmaßnahmen erlangten Daten festgelegt. So war die Durchführung von Beschränkungsmaßnahmen stets an einen konkreten Zweck gebunden. Sofern die durch diese Maßnahmen erlangten Daten zur Zweckerreichung nicht mehr erforderlich waren, waren und sind sie gemäß den gesetzlichen Vorgaben unter Beaufsichtigung eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, zu vernichten bzw. unwiederbringlich zu löschen. Aus diesen Gründen verfügen BND und BfV sowie deren Fachaufsichtsressorts nicht (mehr) über die für eine Beantwortung der Frage notwendigen Informationen. Entsprechend konnten zu dem in der Fragestellung bezeichneten Personenkreis in den betreffenden Archiven (soweit erschlossen) keine Unterlagen ermittelt werden. Drucksache 18/3773 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 24. Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung die Aussage des damaligen DDR-Innenministers Peter Michael Distel zu, dass sich noch im September 1990 „Agenten des Bundesnachrichtendienstes in Ostberliner Ministerien “ befanden, und wenn ja, um wie viele Personen in welchen Funktionen handelte es sich dabei? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. 25. Welche Aktenbestände mit Informationen zur Beobachtung von Funktionsträgern und sonstigen Bewohnern der DDR durch westdeutsche Nachrichtendienste existieren in den entsprechenden Bundesministerien, Bundesbehörden und Bundesarchiven (z. B. BArch, BfV, BND, Auswärtiges Amt, Bundeskanzleramt, Stasiunterlagenbehörde), und welchen Umfang haben diese Dokumente (bitte nach Aufbewahrungsort und Umfang in laufenden Metern aufschlüsseln)? Es wird auf die Nummer 1 der Vorbemerkung der Bundesregierung sowie auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 26. Wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils wo und unter welchen Voraussetzungen Akteneinsicht möglich? Eine Aktensicht ist, soweit es sich um Registraturgut der Bundesregierung bzw. der betreffenden Bundesbehörden handelt, unter den Voraussetzungen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) sowie nach § 5 Absatz 8 BArchG und, soweit es sich um Archivgut des Bundesarchivs handelt, nach den Vorschriften des BArchG möglich. Hinzuweisen ist im hier interessierenden Zusammenhang jedoch auf die Bereichsausnahme für Nachrichtendienste in § 3 Absatz 8 IFG: „Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, […] 8. gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nummer 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnehmen.“ Diese Bereichsausnahme gilt nach der Rechtsprechung auch für Unterlagen der Nachrichtendienste, die in anderen Behörden (wie beispielsweise dem Bundeskanzleramt oder dem Bundesministerium des Innern) im Rahmen von deren Rechts- und Fachaufsicht vorgehalten werden. Der BND hat in erheblichem Umfang Unterlagen an das Bundesarchiv abgegeben , die dort unter der Bezeichnung B 206 einsehbar sind. Zudem befinden sich weitere Unterlagen beim BND, die derzeit noch nicht deklassifiziert sind und zu denen nach den gesetzlichen Vorschriften des BArchG auf Antrag Zugang gewährt wird. Auf Antrag offengelegte Unterlagen sind im BND einsehbar. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333