Deutscher Bundestag Drucksache 18/3777 18. Wahlperiode 20.01.2015 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 16. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dağdelen, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3599 – Suche nach dem Kriegsverbrecher Alois Brunner Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Simon Wiesenthal Center Jerusalem hat den als Kriegsverbrecher gesuchten Alois Brunner mit der Begründung, Alois Brunner sei seit dem Jahr 2009 tot, von seiner Suchliste genommen. Damit endet eine der längsten Suchen nach einem Täter der NS-Vernichtungspolitik ohne den Täter zur Rechenschaft gezogen zu haben. Alois Brunner war ab dem Jahr 1938 Mitarbeiter der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien und hier Stellvertreter des Leiters Adolf Eichmann. In dieser Funktion und später auch aus der Berliner Zentrale des Eichmannreferats heraus organisierte Alois Brunner die Verdrängung, später Deportation, Ghettoisierung und Vernichtung der Juden aus Wien, Berlin, Saloniki, Paris und anderen Gebieten Frankreichs. Alois Brunner perfektionierte das System der Entrechtung , Ausbeutung und Deportation der Juden und gilt neben Eichmann als einer der wichtigsten Organisatoren des Vernichtungsprozesses. Das Simon Wiesenthal Center macht Alois Brunner für die Ermordung von ca. 130 000 Jüdinnen und Juden verantwortlich. Nach dem Jahr 1945 soll Alois Brunner bis 1954 unter dem Namen Alois Schmaldienst in Essen gelebt haben und dann nach Syrien gegangen sein. Unklar ist, warum Alois Brunner in der Bundesrepublik Deutschland bis 1954 nicht gefunden und festgenommen werden konnte bzw. mit welcher Intensität nach ihm gefahndet wurde. In Syrien soll Alois Brunner für den dortigen Geheimdienst gearbeitet haben. In den achtziger Jahren hat Alois Brunner sich in mehreren Interviews mit deutschsprachigen Zeitungen ohne jede Reue zu seiner Vergangenheit und seiner Beteiligung am Holocaust geäußert. Im Jahr 1989 soll durch Vermittlung von Beate und Serge Klarsfeld von syrischer Seite erwogen worden sein, Alois Brunner an die DDR zu überstellen, um ihm dort den Prozess zu machen. Durch das Ende der DDR im Jahr 1990 ist es dazu nicht gekommen und es ist nicht bekannt, ob die Bundesregierung sich in diesem Zusammenhang um eine Überstellung bemüht hat. Immer wieder gab es Gerüchte, Alois Brunner hätte nach 1945 Kontakte zu westlichen Nachrichtendiensten und auch zur Organisation Gehlen bzw. ihrem Drucksache 18/3777 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nachfolger, dem Bundesnachrichtendienst (BND), gehabt. Vonseiten der Bundesregierung wurden diese Kontakte bzw. eine Mitarbeit von Alois Brunner im BND immer bestritten. Umfangreiche Akten zur Person Alois Brunners wurden im BND laut Aktenlage zwischen 1994 und 1997 gelöscht (vgl. Neues Deutschland vom 23. Juli 2011). In der Rest-BND-Akte zu Alois Brunner findet sich dennoch u. a. der Hinweis, dass der ehemalige BND-Vizepräsident Volker Foertsch „persönliches Wissen“ habe, dass Alois Brunner „ehemaliger MA“ (Mitarbeiter) in Damaskus gewesen sei. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g 1. Der Fall Alois Brunner und die damit verbundenen Gerüchte, Spekulationen und Hinweise aus den verschiedensten Quellen waren in den vergangenen Jahren mehrfach Gegenstand Parlamentarischer Anfragen (Bundestagsdrucksache 17/7451 und Plenarprotokoll 17/138). Im bisherigen Ergebnis konnten aus den vorhandenen Unterlagen zahlreiche der kolportierten Behauptungen weder bestätigt noch widerlegt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die vom Bundesnachrichtendienst (BND) berufene Unabhängige Historikerkommission zur Erforschung seiner Frühgeschichte (UHK) sich auch des Falls Alois Brunner annehmen wird. Deren Forschungsergebnisse bleiben abzuwarten. Dessen ungeachtet hat die Bundesregierung die vorliegende Kleine Anfrage nachstehend auf Grund der erschlossenen Akten beantwortet. Der BND verfügte bis mindestens 1994 über Unterlagen, die fast ausschließlich aus den Jahren 1957 bis 1964 stammten. In diesen waren Informationen zu Alois Brunner, dessen persönlichem Umfeld und zu dessen Leben, Verbindungen und Geschäften in Damaskus enthalten, die der BND von Verbindungsleuten und Gesprächspartnern erhalten hatte. Der BND selbst unterhielt zu keiner Zeit direkte Verbindungen zu Alois Brunner. Im Jahr 1994 wurde im BND eine Löschungsüberprüfung der Unterlagen vorgesehen. Der genaue Zeitpunkt der hierauf erfolgten Vernichtung der Unterlagen ist indes mangels aussagefähiger Nachweise nicht mehr bestimmbar. 2. Wie bereits mehrfach anlässlich anderer Parlamentarischer Anfragen zu historischen Themen (u. a. Bundestagsdrucksache 18/1942, Nummer 7 der Vorbemerkung der Bundesregierung) erwähnt, ist das Archiv des BND weiterhin nicht vollständig erschlossen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass im Verlauf der weiter laufenden Erschließungsarbeiten bislang nicht bekannte Dokumente zum Anfragegegenstand gefunden werden könnten. 1. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den mutmaßlichen Tod von Alois Brunner vor, und auf welche Quellen stützt sich die Bundesregierung bei diesen Erkenntnissen? 2. Wann und wo ist Alois Brunner nach Erkenntnissen der Bundesregierung gestorben? 3. Wann hat die Bundesregierung erstmals vom Tod Alois Brunners erfahren? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegt keine offizielle Bestätigung des Todes von Alois Brunner vor. Hinweise auf seinen möglichen Tod und entsprechende Gerüchte gab es bereits in der Vergangenheit. Beispielsweise hatte das Auswärtige Amt im Dezember 1992 aufgrund einer Meldung der Deutschen Welle über den mutmaßlichen Tod Alois Brunners in Damaskus (Syrien) berichtet. Dem BND lag Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3777 ebenfalls eine Pressemeldung von Dezember 1992 dazu vor. Diese Meldungen konnten jedoch nicht bestätigt werden. Wann die Bundesregierung erstmals Informationen über den angeblichen Tod Alois Brunners erhalten hat, ist nicht mehr feststellbar. 4. Haben bundesdeutsche Behörden bzw. Ämter Auslieferungsersuchen für Alois Brunner an die syrische Regierung gestellt? Wenn ja, wann erstmals und wann zuletzt? Die Bundesregierung hat die syrische Regierung am 18. Dezember 1984 um Auslieferung ersucht. Auf die Antwort zu Frage 14 wird verwiesen. 5. Lagen der Bundesregierung seit dem Jahr 1949 Kenntnisse, Hinweise oder Informationen zum Aufenthaltsort des gesuchten Kriegsverbrechers Alois Brunner vor, und wenn ja, welche Kenntnisse, Hinweise oder Informationen lagen ihr wann vor, und wie wurden sie im Sinne der Ergreifung von Alois Brunner genutzt? Seit dem Jahr 1961 gab es immer wieder Hinweise auf mögliche Aufenthaltsorte von Alois Brunner, u. a. auch auf Damaskus in Syrien. In diesem Zusammenhang standen deutsche Sicherheitsbehörden mit verschiedenen nationalen und internationalen Sicherheitsbehörden im Austausch. Spätestens seit dem Jahr 1961 ist Alois Brunner auch Gegenstand von Ermittlungsmaßnahmen deutscher Strafverfolgungsbehörden mit dem Ziel der Festnahme und Überstellung nach Deutschland. Zuständig für die Verfahren gegen Alois Brunner sind die Länder-Staatsanwaltschaften in Köln und Frankfurt am Main. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat keine eigenen strafrechtlichen Ermittlungen im Auftrag einer Staatsanwaltschaft gegen Alois Brunner geführt, sondern die Länderverfahren u. a. im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion und als zuständige Stelle für die internationale Zusammenarbeit in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten unterstützt (vgl. hierzu im Einzelnen die Antwort zu Frage 11). 6. Wann und wie oft konferierte nach Kenntnis der Bundesregierung Reinhard Gehlen, der Leiter der Organisation Gehlen und erster Präsident des BND, mit Konrad Adenauers Kanzleramtschef Hans Globke über Alois Brunner, und welchen Inhalt hatten diese Gespräche konkret? Unterlagen über Gespräche mit entsprechenden Inhalten konnten nicht festgestellt werden. 7. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Rolle Reinhard Gehlens oder anderer Mitarbeiter der Organisation Gehlen bzw. des BND im Fall Alois Brunner, insbesondere bei dessen Flucht nach Syrien? Aus den der Bundesregierung zur Verfügung stehenden Akten ist nicht ersichtlich , dass Reinhard Gehlen oder andere Mitarbeiter der Organisation Gehlen bzw. des BND im Fall Alois Brunner, insbesondere im Hinblick auf dessen Flucht nach Syrien, eine Rolle gespielt haben. Drucksache 18/3777 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Ist Alois Brunner 1954 zuerst nach Saudi Arabien geflüchtet oder nach Ägypten, und wann kam er nach Kenntnis der Bundesregierung auf welchen Wegen und mit wessen Wissen und Unterstützung genau nach Syrien? Einem Bericht des Generalkonsulats Damaskus (Syrien) vom April 1964 zufolge kam Alois Brunner ca. 1953/1954 über Kairo (Ägypten) nach Damaskus. Zum zweiten Teil der Frage liegen keine Erkenntnisse vor. 9. Hatte Alois Brunner nach Kenntnis der Bundesregierung noch andere Aliasnamen als Alois Schmaldienst und Georg Fischer, und wenn ja, welche waren dies? Neben den in der Frage angegebenen Alias-Namen Alois Schmaldienst und (Dr.) Georg (Waldemar) Fischer wird aktuell nach Alois Brunner mit folgenden, über die in der Fragestellung hinausgehenden Alias-Namen gefahndet: Alois Fescoer; Klaus Fischer und Franz Kolar. Darüber hinaus ist der Bundesregierung noch der Alias-Name „Linden“ bekannt geworden. 10. Welche deutschen Sicherheitsbehörden haben zu welchem Zeitpunkt nach Alois Brunner gefahndet bzw. versucht, Erkenntnisse über ihn zu erlangen? Bei der Fahndung nach Alois Brunner handelt es sich um Länderverfahren in der Zuständigkeit der Staatsanwaltschaften in Frankfurt am Main und in Köln. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das BKA haben diese Länderverfahren im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten unterstützt. Auf die Antwort zu den Fragen 5 und 11 wird verwiesen. Hinsichtlich des BND wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 11. Welche nationalen und internationalen Haftbefehle gegen Alois Brunner existierten, und in welcher Form unterstützten die Bundesregierung oder deutsche Sicherheitsbehörden die jeweiligen Justizbehörden (bitte nach Datum des Haftbefehls, ausstellender Justizbehörde, Art der Unterstützung aufschlüsseln)? Gegen Alois Brunner bestehen auf nationaler Ebene Haftbefehle des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 1987 (ersetzte einen Haftbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 1. August 1961) sowie vom Amtsgericht Köln vom 10. Oktober 1984. Am 19. Januar 1987 leitete das BKA auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Köln vom selben Tag weltweit die internationale Fahndung nach Alois Brunner zur Festnahme zum Zwecke der Auslieferung ein. Das Ersuchen enthielt wegen des mutmaßlichen Aufenthalts in Syrien einen expliziten Hinweis an INTERPOL Damaskus zu einem möglichen Aufenthaltsort Alois Brunners in Damaskus. Auf Antrag der Staatsanwaltschaften Köln und Frankfurt am Main veröffentlichte das INTERPOL-Generalsekretariat (IPSG) in Paris (jetzt Lyon) am 1. August 1987 ein internationales Fahndungszirkular Rot („Rotecke“). Dieser Rotecke liegen die zuvor genannten Haftbefehle der Amtsgerichte Köln und Frankfurt am Main zugrunde. Das BKA unterstützte die zuständigen Justizbehörden im Rahmen der internationalen Fahndung in der Folgezeit bei der Abklärung von Hinweisen und Spuren in Australien, Südafrika sowie mehreren Staaten in Südamerika, darunter u. a. Argentinien, Brasilien, Peru, Uruguay und Venezuela. Auf Antrag der zuständigen Staatsanwaltschaften in Köln und Frankfurt am Main wurde die von IPSG veröffentlichte Rotecke im März 1996 um den Hin- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3777 weis ergänzt, dass die vorgenannten Staatsanwaltschaften für die Ergreifung Alois Brunners eine Belohnung in Höhe von 500 000 DM ausgelobt hatten. Der Bundesregierung liegen keine vollständigen Erkenntnisse über Haftbefehle vor, die in anderen Staaten ergangen sind. In Österreich sind ein Strafbefehl des Landgerichts für Strafsachen in Wien aus dem Jahr 1961 sowie ein Europäischer Haftbefehl des Landgerichtes Wien vom 24. Februar 2005 erlassen worden. Der Bundesregierung bekannt ist darüber hinaus eine österreichische Fahndungsnotierung vom 26. Juli 1990, aktualisiert am 25. März 2014. Außerdem ist der Bundesregierung eine französische Fahndungsnotierung vom 12. August 1988 bekannt, aktualisiert am 3. September 2008 und zurückgenommen am 4. August 2014. Ein Europäischer Haftbefehl des Gerichtshofes in Paris vom 3. September 2008 ist nicht mehr existent, da das Ersuchen am 4. August 2014 zurückgenommen und zwischenzeitlich aufgehoben wurde. Die französischen und die österreichischen Justizbehörden wurden bei den internationalen Fahndungsmaßnahmen nach Alois Brunner von deutschen Stellen unterstützt. In diesem Zusammenhang bestanden auf Grundlage eines französischen Ersuchens vom 12. August 1988 sowie eines österreichischen Ersuchens vom 26. Juli 1990 nationale Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung. 12. Gab es Bitten anderer Staaten an die Bundesregierung, bei der Suche nach Alois Brunner behilflich zu sein, wann gab es solche Bitten, und wenn ja, von wem und wie ist die Bundesregierung mit diesen Bitten jeweils aus welchen Gründen umgegangen? Die Regierungen in Österreich, Frankreich und den USA haben sich regelmäßig nach dem Sachstand des deutschen Auslieferungsersuchens erkundigt, ohne an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) konkrete Unterstützungsbitten zu richten. 13. Welche in- und ausländischen Auslieferungsgesuche im Falle Alois Brunner existierten nach Kenntnis der Bundesregierung? Die Staatsanwaltschaft Köln hat auf der Grundlage des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 10. Oktober 1984 wegen des Verdachts des Mordes die Auslieferung betrieben. Die Bundesregierung hat die Arabische Republik Syrien am 28. November 1984 um Auslieferung ersucht. Darüber hinaus ist der Bundesregierung bekannt, dass die DDR Alois Brunner Ende 1986 zur Fahndung ausgeschrieben und am 17. Mai 1990 ein Auslieferungsersuchen an Syrien gestellt hat. Auch Israel und Österreich sollen bereits im Jahr 1961 Auslieferungsersuchen gestellt haben. 14. Gab es seitens der Bundesregierung Gespräche mit der syrischen Regierung , nachdem bekannt wurde, dass sich Alois Brunner möglicherweise in Syrien aufhalte, wann wurden diese Gespräche gegebenenfalls geführt, und welches Ergebnis hatten sie? Die auf allen Ebenen geführten Gespräche mit syrischen Stellen führten durch eine gezielte Blockadehaltung der syrischen Gesprächspartner nicht zur Festnahme Alois Brunners oder der Bestätigung dessen Aufenthalts in Syrien. Auch nach Gerüchten über Alois Brunners Tod bzw. seinen angeblichen Aufenthalt in Südamerika (1984/1985) wurden wiederholt Gespräche geführt, ohne Ergebnisse zu liefern. Eine neuerlich intern diskutierte Initiative zu Gesprächen mit Drucksache 18/3777 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode syrischen Stellen über eine Feststellung des Aufenthaltsorts Alois Brunners im Jahr 2000 wurde unter Hinweis auf die bisherigen Erfahrungen und im Hinblick auf die von Experten prognostizierte Erfolgslosigkeit nicht weiter verfolgt. 15. War es der damaligen Bundesregierung bekannt, dass 1989 über eine Auslieferung Alois Brunners von Syrien in die DDR verhandelt wurde, und hat die Bundesregierung an diese Verhandlungen nach dem 3. Oktober 1990 in irgendeiner Art angeknüpft? Wenn ja, wie, und wenn nein, warum nicht? Der Bundesregierung wird die Fahndung der DDR nach Alois Brunner von 1986 bzw. das Auslieferungsersuchen vom Mai 1990 spätestens im Zusammenhang mit der Überleitung von DDR-Verträgen mit Syrien (hier: Vertrag über Rechtshilfe aus dem Jahr 1970) im Rahmen der Wiedervereinigung bekannt geworden sein. Akten der Generalstaatsanwaltschaft der DDR wurden 1992 von der Staatsanwaltschaft Berlin zur Auswertung übernommen. Verhandlungen über die später erfolgte Außerkraftsetzung des Vertrages im Jahr 1970 wurden wegen der Angelegenheit Alois Brunner verzögert. 16. Gab es nach Kenntnissen der Bundesregierung einen Kontakt bzw. eine Arbeitsbeziehung von Alois Brunner zu einem deutschen Nachrichtendienst , oder hat es vonseiten deutscher Nachrichtendienste eine Schutzfunktion gegenüber der Person Alois Brunner gegeben, die eine Ergreifung und Anklage Alois Brunners als Kriegsverbrecher verhinderte? In den vorhandenen Unterlagen lassen sich keine direkten Kontakte von Mitarbeitern der Nachrichtendienste des Bundes zu Alois Brunner erkennen. Auch enthalten sie keine Hinweise auf entsprechende Arbeitsbeziehungen oder gar durch Nachrichtendienste des Bundes wahrgenommene Schutzfunktionen für Alois Brunner. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 17. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung Kontakte ausländischer Nachrichtendienste zu Alois Brunner, die diesen möglicherweise vor einer Enttarnung und Festnahme geschützt haben, und welche Dienste hatten nach Kenntnis der Bundesregierung Kontakte zu Alois Brunner? Wie in der Antwort zu Frage 38c ausgeführt, soll Alois Brunner durch syrische Stellen geschützt worden sein. Es besteht daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit , dass dies auch Kontakte zu syrischen Nachrichtendiensten umfasst hat. 18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Identität eines ehemaligen deutschen Geheimagenten im Nahen Osten, der laut „SPIEGEL ONLINE“ vom 1. Dezember 2014 (www.spiegel.de/politik/ausland/naziverbrechen -alois-brunner-stellvertreter-eichmanns-ist-tot-a-1005980.html#) die Information gegeben haben soll, dass Alois Brunner seit 2009 tot ist? Die Bundesregierung hat zur Identität der angefragten Person keine Erkenntnisse . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3777 19. Für welche deutsche Behörde hat nach Kenntnis der Bundesregierung der ehemalige deutsche Geheimagent im Nahen Osten (www.spiegel.de/politik/ ausland/nazi-verbrechen-alois-brunner-stellvertreter-eichmanns-ist-tot-a- 1005980.html#) gearbeitet (bitte unter Angabe der Dienstorte und Dienstzeiträume )? Auf die Antwort zu Frage 18 wird verwiesen. 20. Trifft nach Kenntnis der Bundesregierung der Bericht des „FOCUS“ vom 6. Dezember 2014 zu (www.focus.de/politik/deutschland/begraben-insyrien -deutscher-ex-polizist-klaerte-tod-des-ns-verbrechers-alois-brunnerauf _id_4326640.html), nach dem es sich nicht um einen Geheimdienstmitarbeiter , sondern um einen ehemaligen Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) handeln soll? Auf die Antwort zu Frage 18 wird verwiesen. 21. Hatte besagter deutscher Geheimagent bzw. der ehemalige BKA-Mitarbeiter nach Kenntnissen der Bundesregierung Kontakte zu Alois Brunner, und waren diese Kontakte dienstlicher Art? Auf die Antwort zu den Fragen 16 und 18 wird verwiesen. 22. Bei welcher Bundesbehörde liegen nach Kenntnis der Bundesregierung Meldungen des besagten Geheimagenten bzw. BKA-Beamten zu Alois Brunner vor (bitte unter Angabe der Behörde und der Daten der Meldungen )? Auf die Antwort zu Frage 18 wird verwiesen. 23. Hat der deutsche Geheimagent bzw. der ehemalige BKA-Mitarbeiter sich nach Kenntnis der Bundesregierung mit seinem Wissen an seine Dienststelle gewandt, und welche Maßnahmen wurden von dieser gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt daraufhin unternommen (bitte unter Angabe des jeweiligen Datums)? In den zur Verfügung stehenden Akten zu Alois Brunner konnten entsprechende Informationen nicht festgestellt werden. Da der Bundesregierung die Identität des in der Frage genannten anonymen Hinweisgebers nicht bekannt ist, sind weitere gezielte Recherchen in anderen Akten nicht möglich (vgl. die Antwort zu Frage 18). 24. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, inwieweit der ehemalige SS-Sturmbannführer Dr. Wilhelm Beisner, der als Waffenhändler in Damaskus tätig war, Kontakte zu Alois Brunner pflegte, und wenn ja, welche sind dies? Einer dem BKA aus dem Jahr 1962 vorliegenden Information zufolge soll zwischen Alois Brunner und einem „Dr. Beissner“ (sic) eine enge geschäftliche Verbindung bestanden haben. Weitere Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. Drucksache 18/3777 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 25. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der ehemalige SS-Sturmbannführer Dr. Wilhelm Beisner für den BND tätig war? Wenn ja, in welchem Zeitraum war Dr. Wilhelm Beisner in welcher Funktion und mit welchen Aufgaben für den BND tätig? Trifft es zu, dass Dr. Wilhelm Beisner als V-Mann unter dem Decknamen Bertram für den BND aktiv war? Im Interesse der Funktions- und Arbeitsfähigkeit des BND äußert dieser sich grundsätzlich aus Gründen des Staatswohls nicht zu seinen nachrichtendienstlichen Verbindungen. Der BND ist für eine effektive Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags darauf angewiesen, dass er Informationen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, von Dritten erhält. Dies ist nur möglich, wenn er diesen Personen absolute Vertraulichkeit zusagt und für Einhaltung dieser Vertraulichkeit Sorge trägt. Grundsätzlich ist die Offenlegung der Identität von Quellen geeignet, die künftige Anwerbung von Quellen und damit auch die Möglichkeit der Informationsgewinnung zu erschweren. Nur in wohl begründeten Ausnahmefällen äußert sich der BND zu nachrichtendienstlichen Verbindungen. Eine derartige Ausnahme wird angenommen bei Personen, die als NS-belastet gelten können, und soweit das historische Aufklärungsinteresse die Belange des Quellenschutzes überwiegt. Die Offenlegung von nachrichtendienstlichen Verbindungen mit vorhandener NS-Belastung erfolgt in diesen Fällen im Interesse des Staatswohls, um Forschung, wissenschaftliche Auseinandersetzung und Geschichtsaufarbeitung zu ermöglichen (Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes – GG) sowie dem Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 GG Rechnung zu tragen. Bei Dr. Wilhelm Beisner überwiegt das historische Aufklärungsinteresse die Belange des Quellenschutzes. Dr. Wilhelm Beisner ist aufgrund seines Ranges als SS-Sturmbannführer und Mitarbeiter des SD im Reichssicherheitshauptamt als NS-belastet im Sinne der Kontrollratsdirektive Nr. 38 anzusehen. Aufgrund seines Geburtsjahrganges (1911) ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen , dass Dr. Wilhelm Beisner verstorben ist und daher keine Persönlichkeitsrechte mehr zu berücksichtigen sind. Dr. Wilhelm Beisner wurde von 1957 bis zu einem hier nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt und dann erneut von 1981 bis 1994 als nachrichtendienstliche Verbindung des BND genutzt. Dabei trug er den Decknamen Bertram. Dr. Wilhelm Beisner war zur Aufklärung politischer und wirtschaftlicher Sachverhalte in verschiedenen nordafrikanischen Staaten eingesetzt. 26. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die engen geschäftlichen Kontakte von Alois Brunner mit Franz Rademacher (DIE WELT vom 21. August 2011 „Warum tilgte der BND die Akte des Eichmann-Helfers?“), dem ehemaligen SS-Obersturmführer und Judenreferenten des Auswärtigen Amtes, und wenn ja, welche sind dies? In den derzeit zur Verfügung stehenden einschlägigen Akten konnten keine entsprechenden Erkenntnisse festgestellt werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3777 27. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass der ehemalige SS-Obersturmbannführer Franz Rademacher für den BND tätig war? Wenn ja, in welchem Zeitraum war Franz Rademacher in welcher Funktion und mit welchen Aufgaben für den BND tätig? Es liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 28. Ist der Bundesregierung bekannt, ob Hans-Joachim Rechenberg, der ehemalige Pressereferent in Joseph Goebbels’ Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, in der Nachkriegszeit in seiner Funktion als V-Mann des BND in Syrien Kontakt zu Alois Brunner gehabt hat oder Kenntnis über dessen Aufenthaltsort hatte und inwieweit er diese Informationen im BND weitergab? Wie in der Antwort zu Frage 25 ausgeführt, äußert sich der BND nur in wohl begründeten Ausnahmefällen zu seinen nachrichtendienstlichen Verbindungen. Bei Hans-Joachim Rechenberg wird eine derartige Ausnahme gemacht. HansJoachim Rechenberg ist aufgrund seiner herausgehobenen Stellung während der NS-Zeit als Pressereferent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda als NS-belastet eingestuft worden. Aufgrund seines Todes im Jahr 2007 stehen der Offenlegung keine Persönlichkeitsrechte des Hans-Joachim Rechenberg entgegen. Den bislang erschlossenen Unterlagen im BND-Archiv ist nicht zu entnehmen, dass es einen Kontakt zwischen Hans-Joachim Rechenberg und Alois Brunner gegeben hat. Aus weiteren Unterlagen geht jedoch hervor, dass Hans-Joachim Rechenberg spätestens seit Anfang 1961 darüber unterrichtet war, dass sich Alois Brunner in Damaskus (Syrien) aufhielt. Ob diese Informationen durch ihn an den BND weitergegeben wurden, ist den bislang erschlossenen Unterlagen nicht zu entnehmen. 29. Wie viele Akten liegen nach Kenntnis der Bundesregierung beim BND und/oder beim Bundesarchiv zur Person Alois Brunner noch vor, und wurden bzw. werden diese Akten auch von der Unabhängigen Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des BND bzw. der Organisation Gehlen gesichtet? Beim Bundesarchiv liegen im Bestand B 162 (Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen) zwölf Akten mit Unterlagen zu Alois Brunner vor. Darüber hinaus sind zwei Akten im Bestand DP 3 (Generalstaatsanwalt der DDR) sowie eine Akte im Bestand B 453 (Bundesamt für Justiz – BfJ) vorhanden. Die Auswertung dieser Akten durch die UHK zur Aufarbeitung der Geschichte des BND ist geplant. Bezüglich der BND-Akten wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Darüber hinaus qualifizieren sich noch acht Sachakten zu anderen Themen, die fragmentarische Informationen zu Alois Brunner enthalten. Der UHK sind sämtliche Unterlagen, die für das Forschungsvorhaben von Relevanz sind, zugänglich. 30. Haben sich durch Recherchen im Zusammenhang der Arbeit der Unabhängigen Historikerkommission neue Erkenntnisse oder Akten zur Person Alois Brunner oder mit seiner Person im Zusammenhang stehenden Vorgängen gefunden, und was ist gegebenenfalls der Inhalt dieser Akten? Die Ergebnisse der Kommission liegen noch nicht vor, und können im Rahmen der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage nicht vorweggenommen werden. Die Drucksache 18/3777 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Arbeit der UHK dauert noch an. Im Übrigen wird auf die in der Antwort zu Frage 29 erwähnten acht Sachakten verwiesen. 31. Wie bewertet die Bundesregierung die Aktennotiz in der Rest-BND-Akte zu Alois Brunner, wonach der ehemalige BND-Vizepräsident Volker Foertsch „persönliches Wissen“ habe, dass Alois Brunner „ehemaliger MA“ in Damaskus gewesen sei? Auf der Grundlage der bislang bekannten Unterlagen geht die Bundesregierung weiterhin davon aus, dass Alois Brunner kein Mitarbeiter des BND war. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf die im Plenarprotokoll 17/138 des Deutschen Bundestages vom 9. November 2011, S. 16442, Anlage 19 wiedergegebene Antwort des Staatsministers Eckart von Klaeden auf die Mündliche Frage 42 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (Bundestagsdrucksache 17/7583). 32. Wurde dem Hinweis über das „persönliche Wissen“ des ehemaligen BNDVizepräsidenten Volker Foertsch entsprechend nachgegangen? Wenn ja, wann ist dies in welcher Form und mit welchem Ergebnis geschehen ? Wenn nein, warum nicht? In den Unterlagen ist kein Hinweis darauf enthalten, dass der Aktenvermerk, Volker Foertsch verfüge über „persönliches Wissen“, wonach Alois Brunner ehemaligen BND-Mitarbeitern in Damaskus bekannt gewesen sei, Folgemaßnahmen nach sich gezogen hätte. Die Gründe hierfür sind der Bundesregierung nicht bekannt. 33. Befindet sich im BND-Archiv noch das Tonband über ein Gespräch Reinhard Gehlens mit dem ehemaligen Abgeordneten Dr. Rudolf Vogel (CDU), das am 12. September 1960 stattfand (Neues Deutschland vom 23. Juli 2011), und konnte dessen Inhalt mittlerweile geprüft werden? Wenn ja, welchen Inhalt hatte das Gespräch? Wenn nein, was ist aus welchen Gründen wann mit dem Tonband geschehen , und wer trägt dafür die Verantwortung? Das in der Frage beschriebene Tonband ist der Bundesregierung nicht bekannt. Es sind auch keine Unterlagen vorhanden, die über den Verbleib oder die Umstände der Vernichtung diese Tonbands Auskunft geben könnten. 34. Konnten auch die Filmaufnahmen aus der BND-Akte zu Alois Brunner ausgewertet werden, und wenn ja, welche Erkenntnisse, insbesondere über Dr. Rudolf Vogel und über dessen mutmaßliche Rolle als Fluchthelfer von Alois Brunner (FAZ.net vom 9. Februar 2013, ZEIT ONLINE vom 6. April 2006), ließen sich daraus gewinnen? Die in der Frage beschriebenen Filmaufnahmen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/3777 35. Trifft es zu, dass der Waffenhändler K.-H. S., mit dem Alois Brunner auf einem Foto in Damaskus zu sehen ist, für den BND tätig war (ARD vom 7. Oktober 2013 „Nazis im BND. Neuer Dienst und alte Kameraden“) und dass seine BND-Akte angeblich bis zum Jahr 2035 geschlossen bleibt? Wenn ja, a) in welchem Zeitraum war K.-H. S. in welcher Form für den BND tätig, b) warum bleibt die Akte bis zum Jahr 2035 verschlossen? Wenn nein, was stimmt dann? Zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nimmt die Bundesregierung in der Regel weder zu nachrichtendienstlichen Verbindungen ihrer Nachrichtendienste noch zu ihren Mitarbeitern und deren nachrichtendienstlichen Aktivitäten öffentlich Stellung. Dies gilt auch dann, wenn die betreffende Person keine nachrichtendienstliche Verbindung ist oder war oder der Vorgang zeitlich weit zurückliegt, weil sonst in allen übrigen Fällen aus der Verweigerung der Antwort auf die Tätigkeit als nachrichtendienstliche Verbindung im Wege des Umkehrschlusses geschlossen werden könnte (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3259, Antwort der Bundesregierung zu Frage 2a). Der Quellenschutz stellt für die Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste einen überragend wichtigen Grundsatz dar. Die öffentliche Bekanntgabe der Identität von Quellen gegenüber Unbefugten würde sowohl die staatliche Fürsorgepflicht gegenüber den Betroffenen als auch deren Persönlichkeitsrechte verletzen. Der BND ist für eine effektive Erfüllung seines gesetzlichen Auftrags darauf angewiesen , dass er Informationen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, von Dritten erhält. Dies ist nur möglich, wenn er diesen Personen absolute Vertraulichkeit zusagt und für die Einhaltung dieser Vertraulichkeit und den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte Sorge trägt. Gleichzeitig ist die Offenlegung der Identität von Quellen geeignet, die künftige Anwerbung von Quellen und damit auch die Möglichkeit der Informationsgewinnung zu erschweren. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte würde daher für die Auftragserfüllung des BND erhebliche Nachteile zur Folge haben. Sie kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Nur in wohl begründeten Ausnahmefällen weicht die Bundesregierung von diesem Grundsatz ab. Insoweit wird auf die Antwort zu den Fragen 25 und 28 verwiesen. Nach sorgfältiger Abwägung dieses Einzelfalls der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits, dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen andererseits und den Interessen der Nachrichtendienste ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass die Beantwortung zu Frage 35 nicht offen geschehen kann. Dabei ist der Umstand, dass die Antwort hinterlegt wird, weder als Bestätigung noch als Verneinung des angesprochenen Sachverhaltes zu werten. Die Antwort ist als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern (BMI) zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem Verschlussgrad „VS-Vertraulich“ eingestuft. Sie wird in dieser Form an die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt.* * Das Bundeskanzleramt hat die Antwort als „VS – Vertraulich“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Drucksache 18/3777 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 36. War Alois Brunner nach Kenntnis der Bundesregierung in Waffengeschäfte verwickelt? Wenn ja, in welcher Form? Dazu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 37. Liegen nach Kenntnis der Bundesregierung Akten beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zur Person Alois Brunner vor, und wenn ja, wie viele sind dies, und wurden bzw. werden diese Akten auch von der Unabhängigen Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des BfV gesichtet? Beim BfV wurden Informationen zu Alois Brunner im Umfang eines Aktenordners veraktet. Die Inhalte dieser Akte sind nicht Gegenstand des Untersuchungsauftrages der Unabhängigen Historikerkommission des BfV. Eine Sichtung durch die UHK des BfV fand deshalb nicht statt. 38. Existieren Akten zu Alois Brunner oder Hinweise auf ihn in Akten des Auswärtigen Amtes oder anderer Ministerien und Behörden, und wenn ja, a) wo in jeweils welchem Umfang (bitte nach laufenden Metern angeben ), Im Auswärtigen Amt liegen Akten zu Alois Brunner alias Dr. Georg Fischer im Umfang von ca. 0,4 lfm vor, im BMJV und im BMI existieren einzelne Blätter, der Umfang im BfJ beträgt ca. 0,16 lfm. Im BKA liegen zur Person Alois Brunner umfangreiche Aktenbestände vor. Da die Fahndung nach ihm bis heute nicht offiziell eingestellt ist, ergibt sich allein aus seiner in elektronischer Form vorliegenden Kriminalakte ein Datenbestand von mehr als 700 Blatt, dies entspräche bei einem möglichen Papierausdruck einem Umfang von ca. vier Aktenordnern . Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 29 und 37 verwiesen. b) wurden diese Akten bereits von Historikern oder Mitarbeitern der jeweiligen Ministerien und Behörden ausgewertet oder ist dies zumindest geplant, Die im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts archivierten Akten wurden bereits ausgewertet. Sie stehen zur wissenschaftlichen Ausarbeitung offen. Die Akten des BMJV wurden dem Bundesarchiv zur Verfügung gestellt, der Vorgang des BfJ wurde nicht ausgewertet. Die im BKA vorliegenden Aktenbestände wurden bislang nicht wissenschaftlich ausgewertet. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung sowie die Antwort zu den Fragen 29 und 37 verwiesen. c) welchen Inhalt haben die Akten, und geht aus ihnen hervor, seit wann die Bundesregierung Kenntnis von Alois Brunners Aufenthaltsort hatte? Die im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts verwahrten Akten befassen sich u. a. mit den Maßnahmen deutscher Regierungs- und Justizbehörden, Nachrichten über den Aufenthalt Alois Brunners – insbesondere in Syrien – zu verifizieren und seine Auslieferung nach Deutschland zu erwirken sowie Bemühungen Deutschlands im Ausland zur Unterstützung des deutschen Anliegens, Alois Brunners habhaft zu werden. Im Jahr 1962 erachtet das Generalkonsulat Damaskus (Syrien) den vermuteten Aufenthalt Alois Brunners in Syrien für ca. 1953/1954 als wahrscheinlich. Da Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/3777 Alois Brunner nicht im Besitz eines deutschen Passes war, hatte er bis dahin keinen Grund, sich bei der deutschen Auslandsvertretung wegen einer Passverlängerung zu melden. In den Akten des BMJV sind einzelne Hinweise auf Alois Brunner zur Fortgeltung des Rechtshilfeabkommens zwischen der DDR und Syrien nach dem Jahr 1990 enthalten. Der Vorgang des BfJ beinhaltet die Koordination zwischen den deutschen Landesjustizbehörden und dem Auswärtigen Amt im Zusammenhang mit der Stellung des Aushilfeersuchens vom 18. Dezember 1984. Die Akten des BKA enthalten polizeilich relevante Informationen bzw. Maßnahmen , die im Rahmen der Zentralstellenfunktion und als zuständige Stelle für die internationale Zusammenarbeit in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten zur Unterstützung der Länderermittlungsverfahren angefallen sind. In den Akten des BMI und des BfV sind u. a. Schreiben ausländischer Dienste, Quellenmeldungen, Presseberichte erfasst. Hierzu wird im Übrigen auf die Antworten zu den Fragen 5, 9, 10, 11, 13, 17 und 24 verwiesen. Das Auswärtige Amt und deutsche Auslandsvertretungen sind laufend Hinweisen über angebliche Aufenthalte Alois Brunners nachgegangen oder haben bei syrischen Behörden demarchiert. Für den Zeitraum zwischen 1964 und Anfang der 80er-Jahre sind allerdings entsprechende Aktivitäten nicht dokumentiert. Syrische Stellen negierten stets die Identität Alois Brunners als Dr. Georg Fischer und hielten dessen Aufenthalt in Syrien für einen „Mythos der Presse“. Die Botschaft Damaskus berichtete demgegenüber von persönlichem Schutz für Alois Brunner durch syrische Stellen, insbesondere nach dem zweiten Anschlag auf Alois Brunner im Jahr 1980. Eine offizielle Bestätigung für den Aufenthalt von Alois Brunner in Syrien konnte nicht erlangt werden. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 sowie 10 bis 14 verwiesen. 39. Existierten Akten zu Alois Brunner oder Hinweise auf ihn in Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, und wenn ja, a) in welchem Umfang (bitte nach laufenden Metern angeben), b) wurden sie bereits ausgewertet, c) welchen Inhalt haben die Akten? Beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik existieren Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zu Alois Brunner. Sie haben einen Umfang von ca. 1 800 Seiten (ca. 0,70 lfm). Auswertungen der Unterlagen erfolgten durch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt am Main, das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, das BKA, acht Medienvertreter sowie zehn Forscher. Der überwiegende Teil der Unterlagen besteht aus Materialien (Kopien) aus der Zeit vor 1945, welche die Verbrechen von Alois Brunner dokumentieren bzw. belegen. Weiter enthalten sind Dokumente vom Nürnberger Prozess gegen NS-Verbrecher , eine Auswertung des Eichmann-Prozesses durch das MfS hinsichtlich neuer Anhaltspunkte für Verbrechen Alois Brunners, zahlreiche Zeitungsausschnitte über Alois Brunner, u. a. über seinen Aufenthalt in Syrien, Kenntnisse über das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden der Bundesrepublik und deren Versuche vor 1962, den Aufenthaltsort von Alois Brunner zu ermitteln mit dem Ziel den Haftbefehl durchzusetzen sowie Bemühungen von Serge und Beate Klarsfeld um Auslieferung von Alois Brunner aus Syrien an die DDR. Drucksache 18/3777 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Alois Brunner ist in weiteren Unterlagen (insgesamt sechs Signaturen) des MfS enthalten. Hier handelt es sich jedoch nur um jeweils wenige Seiten, die Alois Brunner betreffen und auch nur um Durchschriften von Unterlagen, welche bereits im o. g. Vorgang vorhanden sind. 40. Haben die Bundesregierung oder deutsche Sicherheitsbehörden bzw. damit von deutschen Stellen Beauftragte mit Alois Brunner im Rahmen des Eichmann-Prozesses Kontakt aufgenommen oder wurden von Alois Brunner kontaktiert? Wenn ja, durch wen geschah eine solche Kontaktaufnahme, zu welchem Zeitpunkt, auf welche Art und mit welchem Ziel und Ergebnis? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 41. Kann die Bundesregierung den Inhalt von MfS-Akten bestätigen, aus denen hervorgeht, dass Alois Brunner angeboten habe, in die Bundesrepublik Deutschland zu kommen, um sich dort zu stellen und zugunsten seines ehemaligen Vorgesetzten und Freundes Adolf Eichmann auszusagen, die Bundesregierung dies jedoch abgelehnt habe (ARD vom 7. Oktober 2013)? Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dies aus heutiger Sicht? In den MfS-Unterlagen finden sich Kopien von westlichen Zeitungsausschnitten , in denen gemeldet wird, dass Alois Brunner angeboten habe, sich in der Bundesrepublik zu stellen. Das MfS hatte über diesen Sachverhalt keine Kenntnisse (oder hat diese jedenfalls nicht dokumentiert). Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333