Deutscher Bundestag Drucksache 18/3779 18. Wahlperiode 20.01.2015 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 16. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3634 – Bekämpfung der Verherrlichung des Nazismus Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage 18 der Abgeordneten Sevim Dağdelen auf Bundestagsdrucksache 18/3519 gab die Bundesregierung an, „jede Verherrlichung des Nationalsozialismus kompromisslos“ abzulehnen. Trotzdem konnte sich sie sich nicht, wie 115 UN-Mitgliedstaaten (UN – United Nations), dazu durchringen, der von Ländern wie Bolivien, Brasilien, Namibia, Venezuela und auch Russland eingebrachten Resolution „Combating glorification of Nazism, neo-Nazism and other practices that contribute to fuelling contemporary forms of racism, racial discriminiation, xenophobia and relatet intolerance“ zuzustimmen. Mit 54 weiteren Staaten (darunter alle Staaten der Europäischen Union – EU) enthielt sich die Bundesrepublik Deutschland der Stimme; drei Staaten (USA, Kanada und Ukraine) stimmten dagegen (www. un.org/en/ga/third/69/docs/voting_sheets/L56.Rev1.pdf). Damit verweigerte die Bundesregierung erneut, wie auf der 60. Plenarsitzung der UN am 20. Dezember 2012 bei der Abstimmung zu Resolution 67/154, die Zustimmung zu einer Resolution zur „Bekämpfung der Verherrlichung des Nazismus, Neonazismus und anderer Praktiken, die zu zeitgenössischen Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz beitragen“. Die Begründung der Bundesregierung lautete in der Antwort auf die Schriftliche Frage 18 auf Bundestagsdrucksache 18/ 3519 „Deutschland hat sich wie in den Vorjahren gemeinsam mit seinen Partnern in der Europäischen Union (EU) der Abstimmung enthalten. Dafür war vor allem ausschlaggebend, dass der Entwurf Personen, die sich in den 1940erJahren für die Unabhängigkeit der baltischen Staaten von der Sowjetunion eingesetzt haben, pauschal eine Verbindung zu den nationalsozialistischen Verbrechen unterstellt. […] Darüber hinaus enthält der Entwurf weitere problematische Formulierungen in Bezug auf das Recht auf Meinungsfreiheit, die Integrität der Vertragsorgane und des Universal Periodic Review-Verfahrens sowie in Bezug auf die Unabhängigkeit des VN-Sonderberichterstatters über zeitgenössische Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz.“ In 48 Punkten bekennen sich die unterzeichnenden Staaten unter anderem vorbehaltlos , die Leugnung des Holocausts zu verurteilen, und sie drücken ihre tiefe Besorgnis über die Verherrlichung des Nazismus aus. Dazu gehören auch Drucksache 18/3779 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode die Verherrlichung ehemaliger Mitglieder der Waffen-SS, einschließlich der Errichtung von Denkmälern und Gedenkstätten, sowie das Abhalten öffentlicher Demonstrationen zu Ehren dieser. Und man stellt sich gegen Praktiken, die das Andenken der unzähligen Opfer der im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschmutzen, insbesondere der Opfer der Verbrechen, die von der SS und denjenigen, die gegen die Anti-HitlerKoalition kämpften und mit der nationalsozialistischen Bewegung kollaborierten , begangen wurden, und Kinder und Jugendliche negativ beeinflussen, und dass dagegen Staaten, die nicht wirksam gegen diese Praktiken vorgehen, gegen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten der UN nach deren Charta und gegen die Ziele und Grundsätze der Organisation verstoßen (www.daccessdds -ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N14/634/66/PDF/N1463466.pdf?OpenElement ). In den letzten Jahren und gerade auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts und der Konfrontation mit Russland haben nach Auffassung der Fragesteller die Versuche sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch der EU zugenommen, den Beitrag der damaligen Sowjetunion, der Roten Armee sowie der Partisaninnen und Partisanen zur Befreiung vom verbrecherischsten System – dem deutschen Faschismus – zu negieren und zu relativierten. Vor diesen Hintergrund ist die Antwort der Bundesregierung auf die Frage nach Veranstaltungen und Aktivitäten im Jahr 2015 anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von der und des Sieges über die Nazidiktatur zu sehen. Darin antwortet die Bundesregierung: „Staatliche Sonderbudgets, etwa vergleichbar zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg in Großbritannien, Frankreich oder Belgien, wurden nach Kenntnis der Bundesregierung aus Anlass des Sieges über den Nationalsozialismus und des 70. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges in keinem Staat eingerichtet bzw. es liegen keine Informationen dazu vor.“ (Antwort auf die Schriftliche Frage 20 der Abgeordneten Sevim Dağdelen auf Bundestagsdrucksache 18/3519). Versuche, den Anteil der Sowjetunion am Sieg über den deutschen Faschismus zu negieren und zu relativieren, werden auch darin deutlich, indem von einem Übergang „von einer braunen Diktatur in eine rote Diktatur mit Gefängnissen und Internierungslagern wie Bautzen, Buchenwald und Hohenschönhausen“ (www.ingowellenreuther.de/im_bundestag.php?article=51) eine faktische Gleichsetzung der Befreierinnen und Befreier mit Nazideutschland vorgenommen wird, weil „weder die Sowjets noch die Nationalsozialisten verteidigt werden [müssen]; denn keins war schlimmer als das andere!“ (www.kas.de/ lettland/de/publications/34890/). Eine entsprechende Gleichstellung erfolgt auch bei dem immer wieder insbesondere von den baltischen Staaten geforderten Verbot sowjetischer Symbole (www.taz.de/1/archiv/print-archiv/ printressorts/digi-artikel/?ressort=au&dig=2008/06/19/a0121&cHash=a7650 37ddf). Eine ähnliche Gleichsetzung vollzog der UN-Botschafter der Ukraine, indem er vor der Abstimmung das „Nein“ der Ukraine zur Resolution A/C.3/ 69/L56/Rev.1 erklärte, dass der Stalinismus viele Menschen im Gulag getötet habe und sowohl Hitler als auch Stalin Kriminelle seien (www.un.org/press/en/ 2014/gashc4124.doc.htm). Mit der Befreiung von der Nazidiktatur wurde die Welt befreit von dem verbrecherischsten System, das die Verantwortung für Millionen Tote als Opfer des Krieges, insbesondere des Vernichtungskrieges im Osten, des Mordens in den Konzentrationslagern, in Zuchthäusern und Gefängnissen und in den damals von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten trug. Die Shoa, das Menschheitsverbrechen der industriellen Vernichtung der Jüdinnen und Juden, ist deutsche Verantwortung. Befreit wurde die Welt durch die Anti-HitlerKoalition . Die Sowjetunion hat den wesentlichen Teil zur Befreiung Europas vom Faschismus geleistet. 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion verloren ihr Leben zwischen Juni 1941 und Mai 1945. Politische Konflikte zwischen Deutschland und Russland sollten nicht auf dem Rücken der in der Roten Armee gegen Nazideutschland kämpfenden Veteraninnen und Veteranen ausgetragen werden. Das betrifft auch die sowjetischen Kriegsgefangenen , denen eine Entschädigung mit der Begründung versagt bleiben soll, es habe auch keine „Entschädigung deutscher Kriegsgefangener durch die Sow- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3779 jetunion oder deren Nachfolgestaaten“ gegeben (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 16 des Abgeordneten Volker Beck (Köln) auf Bundestagsdrucksache 18/1921). 1. Wie genau lautete in dem ursprünglichen Resolutionsentwurf die von Deutschland und „seinen Partnern in der EU“ inkriminierte Formulierung, in der „Personen, die sich in den 1940er-Jahren für die Unabhängigkeit der baltischen Staaten von der Sowjetunion eingesetzt haben, pauschal eine Verbindung zu den nationalsozialistischen Verbrechen unterstellt“ wird, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage 18 auf Bundestagsdrucksache 18/3519 mitteilte? Die problematische Formulierung findet sich in erster Linie in Ziffer 4 der Resolution und lautet: “Expresses deep concern about the glorification, in any form, of the Nazi movement , neo-Nazism and former members of the Waffen SS organization, including by erecting monuments and memorials and holding public demonstrations in the name of the glorification of the Nazi past, the Nazi movement and neoNazism , as well as by declaring or attempting to declare such members and those who fought against the anti-Hitler coalition and collaborated with the Nazi movement participants in national liberation movements”. Eine entsprechende problematische Formulierung findet sich auch in Ziffer 13 und lautet: „Stresses that the practices described above do injustice to the memory of the countless victims of crimes against humanity committed in the Second World War, in particular those committed by the SS organization and by those who fought against the anti-Hitler-coalition and collaborated with the Nazi movement (…)“ 2. Welche konkreten klarstellenden Formulierungen hatte die EU wie in den Vorjahren in den Verhandlungen zu den Nummern 4 und 14 vorgeschlagen, „die Russland als Initiator des Entwurfs allerdings nicht aufgegriffen hat“ (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 18 auf Bundestagsdrucksache 18/3519)? Die EU schlug vor, in Ziffer 4 die Worte „(e)xpresses deep concern about the glorification, in any form, of the Nazi movement and neo-Nazism“ beizubehalten und den Rest zu streichen. Alternativ schlug sie vor, hinter den Worten „and collaborated with the Nazi movement“ die Worte „and were implicated in the commission of war crimes and crimes against humanity“ einzufügen. Zu Ziffer 13 schlug die EU vor, die Worte „in particular those committed by the SS organization and by those who fought against the anti-Hitler-coalition and collaborated with the Nazi movement“ zu streichen. 3. In welcher Nummer der beschlossenen Resolution A/C.3/69/L56/Rev.1 befindet sich eine Formulierung, in der „Personen, die sich in den 1940erJahren für die Unabhängigkeit der baltischen Staaten von der Sowjetunion eingesetzt haben, pauschal eine Verbindung zu den nationalsozialistischen Verbrechen unterstellt“ wird? Der in der Antwort zu Frage 1 wiedergegebene Entwurf wurde im Wortlaut unverändert als VN-Generalversammlungsresolution 69/160 beschlossen, wobei Ziffer 13 des genannten Entwurfs Ziffer 14 der Resolution entspricht. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Drucksache 18/3779 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. In welchen Nummern der beschlossenen Resolution A/C.3/69/L56/Rev.1 befinden sich problematische Formulierungen „in Bezug auf das Recht auf Meinungsfreiheit, die Integrität der Vertragsorgane und des Universal Periodic Review-Verfahrens sowie in Bezug auf die Unabhängigkeit des VNSonderberichterstatters über zeitgenössische Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz“ (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 18 auf Bundestagsdrucksache 18/3519; bitte entsprechend den Kriterien detailliert auflisten)? Die betreffenden Formulierungen zur Meinungsfreiheit befinden sich in Ziffer 9, die Formulierungen zur Integrität der Vertragsorgane und des Universalen Staatenüberprüfungsverfahrens in Ziffer 42 und die Formulierungen zur Unabhängigkeit des VN-Sonderberichterstatters in Ziffern 41 und 43. 5. Inwieweit teilt die Bundesregierung die in Nummer 4 der beschlossenen Resolution A/C.3/69/L56/Rev.1 zum Ausdruck gebrachte tiefe Besorgnis der Unterzeichnerstaaten über die in verschiedenen Staaten bestehende Verherrlichung der nationalsozialistischen Bewegung und der ehemaligen Mitglieder der Waffen-SS, namentlich durch die Errichtung von Denk- und Ehrenmälern und die Veranstaltung öffentlicher Demonstrationen zur Verherrlichung der nationalsozialistischen Vergangenheit, der nationalsozialistischen Bewegung und des Neonazismus sowie dadurch, dass diese Mitglieder und diejenigen, die gegen die Anti-Hitler-Koalition kämpften und mit der nationalsozialistischen Bewegung kollaborierten, zu Mitwirkenden in nationalen Befreiungsbewegungen erklärt werden, oder dass versucht wird, sie dazu zu erklären? 6. Inwieweit teilt die Bundesregierung die in Nummer 14 der beschlossenen Resolution A/C.3/69/L56/Rev.1 vertretene Auffassung, wonach die beschriebenen Praktiken das Andenken der unzähligen Opfer der im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschmutzen, insbesondere der Opfer der Verbrechen, die von der SS und denjenigen, die gegen die Anti-Hitler-Koalition kämpften und mit der nationalsozialistischen Bewegung kollaborierten, begangen wurden, und Kinder und Jugendliche negativ beeinflussen und dass Staaten, die nicht wirksam gegen diese Praktiken vorgehen, gegen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten der UN nach deren Charta und gegen die Ziele und Grundsätze der Organisation verstoßen? Die Fragen 5 und 6 werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Mit den in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 zum Ausdruck gebrachten Vorbehalten teilt die Bundesregierung diese Auffassung. 7. Inwieweit sieht die Bundesregierung in a) dem jährlich im März stattfindenden sogenannten Unabhängigkeitsmarsch der litauischen extremen Rechten anlässlich der Unabhängigkeit Litauens (11. März 1990, Bundestagsdrucksache 17/14603), b) dem anlässlich der Unabhängigkeit Lettlands im Jahr 1991 jährlich im März stattfindenden so genannten Rigamarsch als traditionellem Aufmarsch der SS-Veteranen anlässlich des Gründungstages der lettischen Legion der Waffen-SS, organisiert von der Veteranenorganisation Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3779 „Daugavas Vanagi“ der so genannten Legionäre des Zweiten Weltkriegs (Bundestagsdrucksache 17/14603), c) dem jährlich im Februar stattfindenden „Tag der Ehre“ in Budapest anlässlich der „Schlacht um Budapest“ am 11. Februar 1945 (Bundestagsdrucksache 17/14603), d) dem jährlich im Februar stattfindenden „Lukov Marsch“ in Sofia, einem traditionellen Trauerfackelzug zu Ehren von General Hristo Lukov, der vom „Bulgarischen Nationalbund“ (BNS) veranstaltet wird (Bundestagsdrucksache 17/14603), e) dem jährlich im Januar stattfindenden Gedenkmarsch anlässlich des Geburtstages des Antisemiten und Nazikollaborateurs Stepan Bandera und der „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN, Bundestagsdrucksache 18/863), f) dem jährlich im November stattfindenden „Heldengedenken“ („RudolfHess -Gedenkmarsch“) in Wunsiedel (www.endstation-rechts-bayern. de/2014/11/aus-neonazi-heldengedenken-wird-wunsiedler-spendenlauf/), g) den Denkmälern für Faschisten bzw. Nazikollaborateure wie für den ungarischen „Reichsverweser“ Miklós Horthy (www.german-foreignpolicy .com/de/fulltext/59004), h) den Straßenumbenennungen wie z. B. in Kroatien nach Mile Budak, dem Chefpropagandisten der faschistischen Ustaša und zeitweiligen Außenminister Kroatiens während der Nazikollaboration (www.germanforeign -policy.com/de/fulltext/59004), i) dem Mausoleum für den faschistischen Kriegsverbrecher Rodolfo Graziani, der zunächst „Aufstandsbekämpfung“ in Libyen betrieb, in Äthiopien Geiseln erschießen und Giftgas einsetzen und noch gegen Ende des Zweiten Weltkriegs nicht kollaborationswillige Italiener exekutieren ließ (www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59004) das Andenken der unzähligen Opfer der im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschmutzt, insbesondere der Opfer der Verbrechen, die von der SS und denjenigen, die gegen die Anti-HitlerKoalition kämpften und mit der nationalsozialistischen Bewegung kollaborierten , begangen wurden, wodurch Kinder und Jugendliche negativ beeinflusst werden, und inwieweit teilt die Bundesregierung die in Nummer 14 vertretene Auffassung, dass Staaten, die nicht wirksam gegen diese Praktiken vorgehen, gegen die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten der UN nach deren Charta und gegen die Ziele und Grundsätze der Organisation verstoßen ? Die Fragen 7a bis 7i werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung tritt jeder Beschmutzung des Andenkens der Opfer der im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit entschieden entgegen. Zur Problematik des in der Frage wiedergegebenen Wortlauts der Ziffer 14 der VN-Generalversammlungsresolution 69/160 wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 8. In welcher Formulierung sieht die Bundesregierung eine pauschale Verurteilung „alle[r] [Mitglieder] baltischer Verbände“, die „unter nationalsozialistischem Kommando gegen die Rote Armee gekämpft haben“ in Punkt 14 (nicht Punkt 13 wie in der Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Andrej Hunko – siehe Plenarprotokoll 18/75, Anlage 30, Antwort zu Frage 51 – fälschlicherweise behauptet) der beschlossenen Fassung der Resolution A/C.3/69/L.56/Rev.1? Auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. Drucksache 18/3779 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Inwieweit teilt die Bundesregierung bezugnehmend auf § 4 der beschlossenen Resolution A/C.3/69/L.56/Rev.1 die Auffassung, dass mit dem Versuch , Mitglieder und diejenigen, die gegen die Anti-Hitler-Koalition kämpften und mit der Nazibewegung kollaborierten, zu Mitwirkenden in nationalen Unabhängigkeitsbewegungen zu erklären, einer Politik der Relativierung und einer Verharmlosung der Politik jener Kräfte Vorschub geleistet wird, die bereit waren, die Interessen der Nazis denen der AntiHitler -Koalition vorzuziehen und die ihre nationalen Eigeninteressen mit der Unterordnung unter dieHerrschaft der Nazis verbanden, was oftmals mit antisemitischen Pogromen und Mordaktionen einherging? Der Umgang mit der eigenen Geschichte ist vor allem Aufgabe der betroffenen Gesellschaften und Regierungen. Zur Problematik des Wortlauts der Ziffer 4 der VN-Generalversammlungsresolution 69/160 wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 10. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es um den 75. Jahrestag des Kriegsausbruchs 1939 relativ still war, weil „möglicherweise der Erste Weltkrieg in seiner Erinnerung plötzlich den Zweiten Weltkrieg überlagert. Und das verbindet sich in unseren geschichtskulturellen Überlegungen ja auch immer gleich mit der Frage von Schuld und Entlastung: Könnte es vielleicht sein, dass der Run der Besinnung auf den Ersten Weltkrieg damit zu tun hat, dass er uns von der Schuld am Zweiten Weltkrieg stärker entlastet?“ (www.deutschlandradiokultur.de/deutschegeschichte -der-bewaeltigungsweltmeister.976.de.html?dram:article_id= 296214)? Die Bundesregierung ist sich ihrer immerwährenden Verantwortung bewusst, an die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes zu erinnern und seiner Opfer zu gedenken, und fördert daher insbesondere dauerhaft Gedenkstätten, die sich der Aufarbeitung dieser Verbrechen und dem Gedenken an die Opfer widmen. Das große Interesse für den Ersten Weltkrieg im Jahr 2014 steht dazu in keinem Kontrast, sondern ist vielmehr ein Zeichen eines allgemein wachsenden Geschichtsverständnisses und damit positiv zu bewerten. Im Jahr 2014, hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, stießen in Deutschland die diesbezüglichen zahlreichen, sehr vielfältigen Veranstaltungen der freien Träger, Kommunen, Länder und des Bundes auf große Resonanz. Das gesteigerte öffentliche Interesse ist nach hiesiger Auffassung unter anderem damit zu erklären , dass das Wissen um die Brutalität des Ersten Weltkriegs sowie das Gedenken an die Millionen Opfer der industrialisierten Materialschlachten und Hungersnöte bislang in der deutschen Gesellschaft vergleichsweise wenig präsent waren. Aus diesem gesteigerten Interesse den Schluss zu ziehen, dass damit eine Entlastung von der Schuld Deutschlands an Angriffskriegen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Kriegsverbrechen während des NS-Regimes verbunden sei, ist abwegig. Im Gedenkjahr 2015, in dem das Ende des Zweiten Weltkrieges wie auch die Befreiung der meisten Konzentrationslager sich zum 70. Mal jähren, wird die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg sicherlich auch in den Medien und in der Öffentlichkeit wieder stärker in den Fokus treten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/3779 11. Welche Veranstaltungen zum 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 hat die Bundesregierung im Inland im Jahr 2014 in Eigenregie durchgeführt (bitte entsprechend den Jahren nach Ressort , Veranstaltung, Ort und Kosten einschl. der Haushaltstitel, aus denen die Kosten gedeckt werden, auflisten)? a) An welchen Veranstaltungen hat die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel teilgenommen? b) Welche Bundesminister haben an den entsprechenden Gedenkveranstaltungen teilgenommen? c) An welchen Veranstaltungen hat nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundespräsident Joachim Gauck teilgenommen? 12. Welche Veranstaltungen zum 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 hat die Bundesregierung im Ausland im Jahr 2014 in Eigenregie durchgeführt (bitte entsprechend den Jahren nach Ressort , Veranstaltung, Ort und Kosten einschl. der Haushaltstitel, aus denen die Kosten gedeckt werden, auflisten)? a) An welchen Veranstaltungen hat die Bundeskanzlerin teilgenommen? b) Welche Bundesminister haben an den entsprechenden Gedenkveranstaltungen teilgenommen? c) An welchen Veranstaltungen hat nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundespräsident teilgenommen? 13. In welcher Höhe hat die Bundesregierung finanzielle Mittel für eigene Veranstaltungen im Rahmen des Gedenkens anlässlich des 75. Jahrestages des deutschen Überfalls auf Polen am 1. September 1939 zur Verfügung gestellt (bitte entsprechend nach In- und Ausland und nach Jahren getrennt angeben)? Die Fragen 11 bis 13 werden wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Ungeachtet der Tatsache, dass der Überfall auf Polen und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Umfeld des 1. September 2014 bei zahlreichen bi- und multilateralen Begegnungen thematisiert wurden, entspricht es dem Verständnis der Gedenkstättenkonzeption des Bundes, dass die Bundesregierung die Aufarbeitung von Geschichte sowie entsprechende Gedenkveranstaltungen nicht in Eigenregie durchführt, sondern deren Konzeption und Durchführung den fachkundigen (insbesondere bundesunmittelbaren) Einrichtungen der politischen, historischen und kulturellen Bildung überlässt. Dies garantiert, dass kein staatlich verordnetes Geschichtsbild, sondern ein wissenschaftlich fundiertes und gesellschaftlich verankertes Erinnerungswesen gefördert wird. 14. Wieso hat die Bundesregierung anlässlich des 70. Jahrestages kein staatliches Sonderbudget, vergleichbar zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg , eingerichtet (s. Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 18/3519)? Die Bundesregierung stellt im Jahr 2015 aus dem Bundeshaushalt für Veranstaltungen anlässlich des 70. Jahrestages der KZ-Befreiung in den bundesgeförderten KZ-Gedenkstätten zusätzliche Projektfördermittel in angemessenem Umfang bereit. Zudem unterstützt die Bundesregierung Aktivitäten der institutionell durch den Bund geförderten Einrichtungen zum 70. Jahrestag der KZBefreiung über die diesen Einrichtungen jährlich aus dem Bundeshaushalt gewährten Zuwendungen. Drucksache 18/3779 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. Inwieweit plant die Bundesregierung, analog zu „100 Jahre Erster Weltkrieg “ (www.ersterweltkrieg.bundesarchiv.de/), ein entsprechendes Internetportal zu „70 Jahre Befreiung von der Nazidiktatur“, oder inwieweit unterstützt und fördert sie ein solches Portal wie das des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. zu „100 Jahre Erster Weltkrieg“ (www.100-jahre-erster-weltkrieg.eu/index.php?id=4624) anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung? Wenn die Bundesregierung keine derartigen Planungen hat, warum nicht? Auf dem zentralen Online-Portal der Bundesregierung ist seit Januar 2014 die Themenseite „Erinnern und Gedenken“ (www.bundesregierung.de/gedenken) freigeschaltet. Sie bündelt Informationen über das Erinnern an beide Weltkriege und an Gewaltherrschaft und enthält – Berichte über Gedenkveranstaltungen mit Beteiligung von Mitgliedern der Bundesregierung und anderer Verfassungsorgane; – Artikel über vom Bund (BKM) geförderte Orte des Erinnerns; – Reden und historische Dokumente. Darüber hinaus informieren Links zu einschlägigen Einrichtungen wie dem Deutschen Historischen Museum, der Bundeszentrale für politische Bildung oder den KZ-Gedenkstätten und Mahnmalen über das NS-Unrecht. Außerdem gibt es auf dieser Seite Hinweise auf Veranstaltungen und Ausstellungen, die aus Anlass von Jahrestagen stattfinden. 16. Welche Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Befreiung vom und des Sieges über den deutschen Faschismus führt die Bundesregierung im Inland im Jahr 2015 über die in ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 18/3519 angeführten Aktivitäten und Veranstaltungen Dritter hinaus in Eigenregie durch (bitte entsprechend den Jahren nach Ressort, Veranstaltung, Ort und Kosten einschl. der Haushaltstitel , aus denen die Kosten gedeckt werden, auflisten)? a) An welchen Veranstaltungen wird die Bundeskanzlerin teilnehmen? b) Welche Bundesminister werden an den entsprechenden Gedenkveranstaltungen teilnehmen? c) An welchen Veranstaltungen wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundespräsident teilnehmen? 17. Welche Veranstaltungen zum 70. Jahrestag der Befreiung vom und des Sieges über den deutschen Faschismus führt die Bundesregierung im Ausland im Jahr 2015 über die in ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 18/3519 angeführten Aktivitäten und Veranstaltungen Dritter in Eigenregie durch (bitte entsprechend den Jahren nach Ressort, Veranstaltung, Ort und Kosten einschl. der Haushaltstitel, aus denen die Kosten gedeckt werden, auflisten)? a) An welchen Veranstaltungen wird die Bundeskanzlerin teilnehmen? b) Welche Bundesminister werden an den entsprechenden Gedenkveranstaltungen teilnehmen? c) An welchen Veranstaltungen wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundespräsident teilnehmen? 18. In welcher Höhe stellt die Bundesregierung insgesamt finanzielle Mittel für eigene Veranstaltungen im Rahmen des Gedenkens für Veranstal- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/3779 tungen speziell zum 70. Jahrestag im Jahr 2015 zur Verfügung (bitte entsprechend nach In- und Ausland und nach Jahren getrennt angeben)? Die Fragen 16 bis 18 werden wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zur Beantwortung wird auf die Antwort zu den Fragen 11 bis 13 verwiesen. 19. Welche Organisationen (Nichtregierungsorganisationen, staatliche Institutionen , Museen etc.) fördert die Bundesregierung bezüglich welcher Veranstaltungen mit finanziellen Mitteln, die sich speziell mit dem Gedenken an den 70. Jahrestag der Befreiung vom und des Sieges über den deutschen Faschismus befassen (bitte entsprechend den Jahren nach Datum, Organisation und finanziellen Mitteln auflisten)? Zahlreiche von der Bundesregierung geförderte Einrichtungen der historischen, politischen und kulturellen Bildung führen Veranstaltungen und Ausstellungen zum Ende des Zweiten Weltkrieges durch. Zu nennen sind hier insbesondere die umfangreichen Veranstaltungen der acht bundesgeförderten KZ-Gedenkstätten, die anlässlich der Befreiung der Konzentrationslager im April/Anfang Mai 2015 stattfinden werden. Exemplarisch seien hier auch die Ausstellung der Stiftung Deutsches Historisches Museum „1945 – Niederlage. Befreiung. Neuanfang. Zwölf Länder Europas nach dem Zweiten Weltkrieg“, die von Ende April bis Ende Oktober 2015 gezeigt wird, genannt sowie die Ausstellung der Stiftung Topographie des Terrors „Kriegsende 1945 in Deutschland – Zwischen Zerstörung und Terror“, die von Dezember 2014 bis November 2015 in Berlin präsentiert wird. Die für die Veranstaltungen der bundesgeförderten Einrichtungen verwandten Mittel sind hier nicht im Einzelnen bekannt, da diese grundsätzlich aus dem laufenden Haushalt der Einrichtungen bestritten werden. Anders verhält es sich in Bezug auf die Feierlichkeiten der bundesgeförderten KZ-Gedenkstätten , für die zusätzliche Fördermittel in angemessenem Umfang bereitgestellt werden. 20. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse über Veranstaltungen, die die Bundesländer anlässlich des 70. Jahrestages organisieren bzw. durchführen , und in welcher Höhe werden finanzielle Mittel für die Veranstaltungen zur Verfügung gestellt (bitte entsprechend den Bundesländern nach Jahren auflisten)? Die Bundesregierung verfügt diesbezüglich über keine Kenntnisse. 21. Inwiefern ist das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) in die Erinnerungsarbeit zum Gedenken an 70 Jahre Befreiung vom und Sieg über den deutschen Faschismus sowie 70 Jahre bedingungslose Kapitulation der faschistischen Wehrmacht eingebunden? Die Bundeswehr steht nicht in der Tradition der Wehrmacht des Zweiten Weltkrieges . Sie nimmt nicht an Veranstaltungen teil, die den Eindruck erwecken könnten, eine entsprechende Tradionspflege zu betreiben. In der Ausbildung von Offizier- und Unteroffizieranwärtern sowie angehenden Stabsoffizieren/Generalstabsoffizieren ist die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des „Dritten Reiches“, der Wehrmacht und des Zweiten Weltkrieges regelmäßiges Thema in den Lehrplänen. Drucksache 18/3779 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 22. Inwieweit wird es nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des Gedenkens anlässlich 70 Jahre Befreiung vom und Sieg über den deutschen Faschismus spezielle Veranstaltungen zu diesem Thema in Liegenschaften der und durch die Bundeswehr geben (bitte mit Kurzangabe des Themas, ggf. die Veranstalter, die Art der Veranstaltung, den Ort und Zeitpunkt, die Art der Unterstützung sowie die bereitgestellten finanziellen Mittel aufführen )? Spezielle Veranstaltungen zum Jahrestag sind nach jetzigem Stand weder im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr noch im Militärhistorischen Museum in Dresden geplant. Informationen über darüber hinausgehende Aktivitäten in weiteren Liegenschaften der Bundeswehr liegen der Bundesregierung nicht vor. 23. Welche Publikationen planen Dienststellen des BMVg speziell anlässlich des Gedenkens an 70 Jahre Befreiung vom und Sieg über den deutschen Faschismus sowie 70 Jahre bedingungslose Kapitulation der faschistischen Wehrmacht? Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) als nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums der Verteidigung plant keine aktuelle Publikation zu diesem Thema. Unabhängig von Jahrestagen leistet diese Dienststelle eine intensive Forschungsarbeit zum Zweiten Weltkrieg. 24. Inwiefern ist das Auswärtige Amt in die Erinnerungsarbeit zum Gedenken an die Befreiung vom und Sieg über den deutschen Faschismus eingebunden ? Das Auswärtige Amt ist immer dann eingebunden, wenn die Gestaltung der internationalen Beziehungen im Mittelpunkt steht bzw. in wesentlichen Teilaspekten berührt wird. Dies gilt auch für die Erinnerung an den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus. 25. In welcher Höhe sind Mittel der Bundeszentrale für politische Bildung für das Jubiläumsjahr anlässlich des 70. Jahrestages eingeplant? Die Bundeszentrale für politische Bildung setzt für neue Angebote und für die Aktualisierungen bestehender Angebote aus Anlass des 70. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges rund 1,34 Mio. Euro ein. Diese neuen Angebote und Aktualisierungen ergänzen ein umfangreiches, bestehendes Spektrum an Büchern, didaktischen Materialien, Online-Dossiers und Multimediaangeboten zu den Themenfeldern Nationalsozialismus, NS-Diktatur, Holocaust, Zweiter Weltkrieg und Erinnerungskultur sowie -politik. 26. Welche Veranstaltungen sind seitens der Bundeszentrale für politische Bildung für das Jahr 2015 bezüglich des 70. Jahrestages geplant, und welche friedenspolitischen und antimilitaristischen Organisationen werden an den Veranstaltungen beteiligt? Folgende Veranstaltungen sind für das Jahr 2015 geplant: – 5. Internationale Konferenz zur Holocaust-Forschung: „Danach. Der Holo- caust als Erfahrungsgeschichte 1945 – 1949“, 5. bis 27. Januar 2015, Berlin Kooperationspartner: Universität Flensburg, Humboldt Universität zu Berlin Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/3779 – Fachtagung „Katastrophe, Katyn, Katharsis – Polen zwischen Deutschland und Russland 1939-1941“, 9. Mai 2015, Berlin Kooperationspartner: Willy Brandt Zentrum für Deutschland- und Europastudien der Universität Breslau – Konferenz „Aufarbeitung der Vergangenheit – Ein Projekt am Ende? Gedenkstättenarbeit und historisches Lernen im 21. Jahrhundert“, 10. bis 12. September 2015 Kooperationspartner: Beauftragte für Kultur und Medien, Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora – 59. bundesweites Gedenkstättenseminar 2014: „70 Jahre nach der Befreiung – Was können Gedenkstätte leisten“, 18. bis 20. Juni 2015, Dachau Kooperationspartner: Stiftung Topographie des Terrors, Stiftung und Gedenkstätte Dachau, Max Mannheimer Zentrum – Fachtagung „Holocaust ein Thema für Kinder“ (Datum steht noch nicht fest) Kooperationspartner: Humboldt Universität zu Berlin, Anne Frank Zentrum Berlin – Fachtagung „,Opa war in Ordnung‘. Erinnerungspolitiken der extremen Rechten“, 7. bis 8. Mai 2015, Köln Kooperationspartner: NS- Dokumentationszentrum der Stadt Köln. 27. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Tag der Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar als Tag des Gedenkens „der Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns und Völkermordes erinnert und der Millionen Menschen“ gedenkt, „die durch das nationalsozialistische Regime entrechtet, verfolgt, gequält oder ermordet wurden“, wofür symbolhaft „das Konzentrationslager Auschwitz, das am 27. Januar 1945 befreit wurde und in dem vor allem solche Menschen litten, die der Nationalsozialismus planmäßig ermordete oder noch vernichten wollte“ steht (www.archiv.jura.uni-saarland.de/BGBl/TEIL1/1996/19960017.1.HTML)? 28. Inwieweit wird am 27. Januar nach Auffassung der Bundesregierung somit „aller Opfer eines beispiellosen totalitären Regimes [gedacht]: Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuellen, politisch Andersdenkenden sowie Männern und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftlern, Künstlern, Journalisten, Kriegsgefangenen und Deserteuren , Greisen und Kindern an der Front, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und der Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden. Wir erinnern damit an unvorstellbares Menschheitsverbrechen, an Völkermord und systematisch betriebenen Massenmord. Und wir bekennen zugleich unsere besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus , Rassismus und Intoleranz.“ (www.bundesregierung.de/ nn_1514/Content/DE/Bulletin/2008/01/10-1-btpr-gedenkstunde.html)? 29. Inwieweit steht der 27. Januar vordergründig nicht für das Gedenken an all diejenigen, die in den Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition kämpften, Partisaninnen und Partisanen sowie Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer in allen okkupierten Gebieten, die Millionen von KZ-Häftlingen (KZ = Konzentrationslager), Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, Sinti und Roma, politischen Gegnern und sonstigen „Feinden“ befreiten? Die Fragen 27 bis 29 werden wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Drucksache 18/3779 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ergibt sich aus der Proklamation des Bundespräsidenten vom 3. Januar 1996 (BGBl. I S. 17). Danach dient dieser Tag dem Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns und Völkermords und an die Millionen Menschen, die durch das nationalsozialistische Regime entrechtet, verfolgt, gequält oder ermordet wurden . Symbolhaft für diesen Terror steht das Konzentrationslager Auschwitz, das am 27. Januar 1945 befreit wurde. 30. Inwieweit plant die Bundesregierung, den 8. Mai zu einem nationalen Gedenktag an die Befreierinnen und Befreier vom deutschen Faschismus zu erklären? Entsprechende Planungen bestehen nicht. 31. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, zusätzlich zum Weltflüchtlingstag einen nationalen Gedenktag für Opfer von Flucht und Vertreibung einzuführen? Die Bundesregierung hat in ihrer Sitzung am 27. August 2014 beschlossen, ab dem Jahr 2015 jährlich am 20. Juni den „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ zu begehen (vgl. BGBl. I 2014, S. 1599). Flucht und Vertreibung sind auch Teil der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Millionen Menschen mussten im Kontext des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges ihre Heimat verlassen. Am „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ wird künftig der weltweiten Opfer von Flucht und Vertreibung, ebenso wie den deutschen Vertriebenen gedacht. Hierdurch wird deutlich gemacht , dass der Wille und die Kraft zu Versöhnung und Neuanfang, der gemeinsame Aufbau und Zusammenhalt in der Gesellschaft das Fundament bilden, auf dem Deutschland heute Menschen aus 190 Nationen eine Heimat bietet. 32. Inwieweit sind nach Auffassung der Bundesregierung auch jene Personen „Opfer des Nationalsozialismus“, die Betroffene der im Sinne der Verfügung der in Kapitel XIII der Potsdamer Beschlüsse von 1945 durchgeführten „Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben , nach Deutschland“ sind? Der Zweite Weltkrieg und die nationalsozialistische Vernichtungs- und Expansionspolitik führte u. a. zu der als „Potsdamer Abkommen“ bekannten Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin vom 2. August 1945, die unter Punkt XIII eine „Ordnungsmäßige Überführung deutscher Bevölkerungsteile“ vorsah. Tatsächlich kam es in Umsetzung dieser Vereinbarung zu Vertreibungen von Millionen Deutschen aus den früheren preußischen Ostprovinzen und den Siedlungsgebieten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Die Bundesregierung ist sich des schweren Schicksals und der zahlreichen Entbehrungen der vertriebenen Deutschen bewusst. Die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, hat daher in ihrer Rede anlässlich des Tages der Heimat am 30. August 2014 angekündigt, das Thema Flucht und Vertreibung auch in Zukunft und auch für kommende Generationen lebendig halten zu wollen. Eine Zuordnung von einzelnen Kriegsfolgeschicksalen zu bestimmten Opfergruppen ist dafür allerdings nicht geboten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/3779 33. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass nach dem 21. Juni 1941 neben den Zivilisten sowjetische „Kriegsgefangene Opfer eines Vernichtungskrieges [waren], der im Zeichen mörderischer Unterdrückung und brutaler wirtschaftlicher Ausbeutung stand“ (www.btgbestellservice .de/pdf/20099800.pdf), wie er gegenüber anderen Kriegsgefangenen nicht existierte, weil z. B. der „Treibstoff für die Tötungsmaschinerie in Auschwitz, das Giftgas Zyklon B […] vorab an sowjetischen Kriegsgefangenen – man muss es so sagen – getestet worden“ war und „[m]ehr als die Hälfte aller sowjetischen Kriegsgefangenen, über 3 Millionen Menschen […] in deutschem Gewahrsam elendig zugrunde gegangen “ sind (www.bundestag.de/bundestag/praesidium/reden/2014/001/ 261296)? 34. Inwieweit besteht nach Auffassung der Bundesregierung auch eine Singularität der Naziherrschaft durch deren Umgang mit den sowjetischen Kriegsgefangen, wie er sich unter anderem in dem Befehl vom 8. September 1941 von Generalleutnant Hermann Reinecke, nach dem „der bolschewistische Soldat jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat nach dem Genfer Abkommen verloren“ hat (www.1000dokumente.de/ index.html?c=dokument_de&dokument=0090_gef&object=facsimile&st =&l=de), ausdrückt? 35. Inwieweit stellt die Bundesregierung die Singularität der Nazidiktatur zumindest bezüglich der Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen in Frage, wenn sie die Ableistung einer Entschädigung für die sowjetischen Kriegsgefangen ablehnt, weil: „[e]ine Entschädigung sowjetischer Kriegsgefangener durch die Bundesrepublik Deutschland hat es in diesem Rahmen allerdings ebenso wenig gegeben wie eine Entschädigung deutscher Kriegsgefangener durch die Sowjetunion oder deren Nachfolgestaaten.“ (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 16 des Abgeordneten Volker Beck (Köln) auf Bundestagsdrucksache 18/1921)? 36. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Entschädigung sowjetischer Kriegsgefangener angesichts der Annexion der Krim durch Russland nicht in Betracht kommt, da Wladimir Putin sich „ins Fäustchen lachen“ würde (www.focus.de/politik/deutschland/unionempoert -ueber-gruene-kriegsgefangene-entschaedigen_id_4147903.html), und inwieweit besteht für die Bundesregierung ein Zusammenhang zwischen der Anerkennung der an den ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen begangenen Verbrechen als NS-Unrecht (inklusive Gewährung eines symbolischen finanziellen Anerkennungsbetrages für diese Opfergruppe ) und dem derzeitigen politischen Verhältnis zwischen Deutschland und Russland? 37. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es gerade in der aktuellen Situation „ein gutes Signal an die Völker der ehemaligen Sowjetunion [wäre], dass wir ihnen dankbar sind, dass sie uns vom Hitlerfaschismus und von den Nationalsozialisten befreit haben und dass Konflikte, die wir außenpolitisch an anderer Stelle haben, nichts damit zu tun haben, dass wir ihnen diesen Dank auch in Zukunft schulden“ (www.gedenkortlebensraumpolitik .de/bundesregierung-lehnt-entschaedigung-sowjetischerkriegsgefangener -ab/), wenn 70 Jahre nach der Befreiung vom und dem Sieg über den deutschen Faschismus auch die sowjetischen Kriegsgefangenen endlich entschädigt werden? Die Fragen 33 bis 37 werden wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass im Zweiten Weltkrieg von Deutschen furchtbares Unrecht begangen worden ist. Dies betraf nicht zuletzt die damaligen sowjetischen Kriegsgefangenen. Dem Austausch hierzu mit Russland sowie anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion wird von der Bundesregierung Drucksache 18/3779 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode große Bedeutung beigemessen. Dieser Austausch wird nicht durch aktuelle politische Entwicklungen infrage gestellt. Rechtlich ist das Los von Kriegsgefangenen Teil der Kriegs- und Kriegsfolgeschäden , die nach internationaler Gepflogenheit bei den zwischenstaatlichen Reparationszahlungen berücksichtigt werden. Die Siegermächte entnahmen nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Basis der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz vom August 1945 Vermögenswerte aus ihren jeweiligen Besatzungszonen und verwerteten das während des Krieges beschlagnahmte deutsche Auslandsvermögen . Im Moskauer Protokoll vom 22. August 1953 hat die Sowjetunion mit Wirkung für Gesamtdeutschland auf weitere Reparationsleistungen verzichtet. Eine abschließende Regelung mit Bezug auf Deutschland, und damit auch für Reparationsforderungen ehemaliger Kriegsgegner, brachte überdies der „2+4-Vertrag“ vom 12. September 1990. Für eine weitere Zahlung besteht daher keine rechtliche Grundlage. Eine von den Fragenstellern behauptete Singularität der Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener (im Vergleich zu Kriegsgefangenen anderer Nationen) lässt sich aus der in Frage 35 zitierten Passage, die auf die Deutschen in sowjetischer Kriegsgefangenschaft rekurriert, nicht herleiten. § 11 Absatz 3 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, der Kriegsgefangenschaft als Rechtsgrundlage für Leistungen der Stiftung ausschließt , gilt unterschiedslos für Kriegsgefangene jeglicher Nationalität. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333