Deutscher Bundestag Drucksache 18/3792 18. Wahlperiode 21.01.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Inge Höger, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3683 – Haltungsbedingungen in Zoos Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In Deutschland gibt es hunderte zoologische Einrichtungen, vom kleinen privat geführten Tierpark bis hin zum öffentlich subventionierten Großstadtzoo. Generell müssen Zoos den Erfordernissen des Tierschutzgesetzes, der EU-ZooRichtlinie und des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) bzw. der entsprechenden Landesgesetze genügen. Nach § 42 Absatz 3 Nummer 7 BNatSchG sind Zoos verpflichtet, einen Beitrag zum Schutz bedrohter Arten zu leisten. Allerdings befürchten Tierschutzverbände , dass dies aufgrund mangelhafter Richtlinien und fachlich ungenügender Kontrollen häufig nicht der Fall sei. Während die Bundesregierung angibt, dass es in Deutschland 400 Zoologische Gärten gibt (Kleine Anfrage „Tierschutz in Zoologischen Gärten“ auf Bundestagsdrucksache 17/12235), gehen Expertinnen und Experten aus Tierschutzund Zooverbänden von über 650 nach dem BNatSchG genehmigungspflichtigen zoologischen Einrichtungen aus. Recherchen von Tierschutzverbänden, wie dem „EU Zoo Report 2011“, zufolge, ist dies darauf zurückzuführen, dass bislang noch nicht alle genehmigungspflichtigen Zoos genehmigt seien. Seit Jahren nimmt die Kritik von Tierschützerinnen und Tierschützern an den Haltungsbedingungen der Tiere in Zoos zu. Dies wurde zuletzt anhand der öffentlichen Debatte über das aktuelle Säugetiergutachten („Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft – BMEL) deutlich. Die beteiligten Tierschutzverbände kritisieren, dass ihnen verschiedene für die Beurteilung der Zootierhaltung wichtige Dokumente, wie z. B. die Husbandry Guidelines der European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) und die Zuchtbücher der Europäischen Erhaltungszuchtprogramme (EEP), während des Überarbeitungsprozesses vorenthalten wurden. Diese Dokumente ermöglichen unter anderem eine Beurteilung der Zootierhaltung, von Nachzuchterfolgen und des Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 19. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Beitrags zum Artenschutz. Kritisiert wird vonseiten der Tierschutzverbände auch, dass Zootiere mittels Gabe von Psychopharmaka, Hormonen und Beschneiden von Flügeln an die Drucksache 18/3792 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Haltungsbedingungen in Zoos angepasst werden, ähnlich wie dies teilweise in der landwirtschaftlichen Tierhaltung der Fall ist. Dabei stellen sowohl irreversible als auch reversible Methoden, mit denen Vögel flugunfähig gemacht werden, nach Ansicht von Tierärztinnen und Tierärzten sowie Juristinnen und Juristen einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. 1. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wonach nicht alle zoologischen Einrichtungen, die nach § 42 BNatSchG genehmigungspflichtig wären , auch genehmigt sind (bitte begründen)? Nicht nur die klassischen, unter wissenschaftlicher Leitung stehenden Tierparks, sondern viele Tierhaltungen in Deutschland erfüllen die Voraussetzungen eines Zoos nach § 42 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Der Bundesregierung liegen keine Informationen aus den Bundesländern dazu vor, dass nicht alle nach § 42 Absatz 2 BNatSchG genehmigungspflichtigen Zoos genehmigt sind. 2. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Kritik von Tierschutzverbänden , die die Vorgaben des aktuellen Säugetiergutachtens („Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren“ des BMEL) als nicht wissenschaftlich erarbeitet ansehen, da ihnen wichtige Dokumente, wie beispielsweise die Husbandry Guidelines der EAZA sowie EEP-Zuchtbücher, vorenthalten wurden (vgl. Stellungnahme der Tierschutzverbände am Säugetiergutachten, April 2013, www.prowildlife.de)? 3. Liegen dem BMEL die Husbandry Guidelines der EAZA sowie die EEPZuchtbücher , die eine Beurteilung der Zootierhaltung, von Nachzuchterfolgen und des Beitrags zum Artenschutz ermöglichen, vor, und wo sind sie nach Kenntnis der Bundesregierung öffentlich einsehbar? Die Fragen 2 und 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Husbandry Guidelines der EAZA (Europäischer Zoo- und Aquarienverband ) und Zuchtbücher des EEP (Europäisches Erhaltungszuchtprogramm) liegen dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nicht vor. Es lag in der Verantwortung der sachverständigen Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Säugetiergutachtens, die verfügbare wissenschaftliche Literatur auszuwerten, zu diskutieren und bei der Formulierung der Haltungsanforderungen zu berücksichtigen. Die Bundesregierung ist der Auffassung , dass das Säugetiergutachten den aktuellen verfügbaren wissenschaftlichen und tierhalterischen Kenntnisstand umfassend berücksichtigt. 4. Ist nach Einschätzung der Bundesregierung der regelmäßige bzw. dauerhafte Einsatz von Psychopharmaka bei Zootieren mit dem Tierschutzgesetz und der EU-Zoo-Richtlinie vereinbar (bitte begründen)? Die Zulässigkeit der Arzneimittelverabreichung, einschließlich so genannter Psychopharmaka, ist zunächst eine arzneimittelrechtliche Frage. Gemäß Arzneimittelgesetz dürfen grundsätzlich nur für die jeweilige Tierart und vorliegende Indikation zugelassene Arzneimittel angewendet werden. Die Anwendung von nicht für die jeweilige Tierart und Indikation zugelassenen Tierarzneimitteln ist nur nach strengen Maßstäben im Einzelfall und nach tierärztlicher Bewertung zulässig. Die Bewertung der Konformität einer Arzneimittelanwendung mit den arzneimittelrechtlichen Vorgaben obliegt den zuständigen Behörden der Länder. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3792 Ein dauerhafter und routinemäßiger Einsatz von „Psychopharmaka“ – etwa Beruhigungsmittel – zur Kompensation ungeeigneter Haltungsbedingungen verstößt nach Auffassung der Bundesregierung gegen die Vorgaben des Tierschutzgesetzes (TierSchG). § 2 Nummer 1 TierSchG schreibt vor, dass das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen ist. Entsprechendes gilt in Bezug auf § 42 Absatz 3 Nummer 1 BNatSchG, der vorgibt, dass bei der Haltung von Tieren in Zoos den biologischen und den Erhaltungsbedürfnissen der jeweiligen Art Rechnung getragen wird. Ein dauerhafter Einsatz von „Psychopharmaka“, um damit beispielsweise eine Tierhaltung zu ermöglichen, die der Art und den Bedürfnissen des Tieres nicht entspricht, steht hierzu im Widerspruch. 5. Inwieweit hält die Bundesregierung eine bundesweite Abfrage für sinnvoll, um ein Gesamtbild über die Gabe von Psychopharmaka in Zoos zu bekommen und bewerten zu können (bitte begründen), bzw. gab es eine solche Abfrage der Bundesregierung schon, und wie sind die Ergebnisse daraus? Eine bundesweite Abfrage fand bislang nicht statt und ist nicht geplant. Die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln oder der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben obliegt den Behörden der Länder. Die Bewertung der Rechtskonformität der Arzneimittelanwendung muss dabei einzelfallbezogen erfolgen. Die zuständigen Behörden können die für ihre Aufgabenerfüllung erforderlichen Angaben in den der Überwachung unterliegenden Betrieben und Einrichtungen erheben. Für eine bundesweite Abfrage wird insofern kein Bedarf gesehen. 6. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Vögel jedes Jahr in deutschen Zoos flugunfähig gemacht werden? Wenn ja, um wie viele Vögel welcher Art handelt es sich dabei (bitte jährlich ab 2010 auflisten)? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 7. Hält die Bundesregierung die Herbeiführung der Flugunfähigkeit bei den in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln für vereinbar mit den geltenden Tierschutzregelungen ? Was ist dabei zu beachten? 8. Was gedenkt die Bundesregierung gegen die in einigen Zoos gängige Praxis des Flugunfähigmachens (z. B. in Frankfurt, www.fr.online.de vom 25. März 2014 „Peta kritisiert Zoos“) zu unternehmen? Die Fragen 7 und 8 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Gemäß § 6 TierSchG ist „das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres“ verboten. Zwar sind im Gesetz verschiedene Ausnahmetatbestände vorgesehen, das Flugunfähigmachen von Vögeln gehört jedoch nicht dazu. Damit ist dieser Eingriff, wenn er mit einer Amputation von Körperteilen oder Entnahme von Geweben einhergeht, nur dann zulässig, wenn er „im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten“ ist. Drucksache 18/3792 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Beim routinemäßigen Flugunfähigmachen von Vögeln handelt es sich um eine zootechnische Maßnahme und nicht um eine „tierärztliche Indikation im Einzelfall “. Insofern verstößt eine solche Praxis gegen das TierSchG. Die Durchsetzung der Tierschutzregelungen obliegt den zuständigen Behörden der Länder. 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Nachzuchten bedrohter Arten (Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES Anhang 1 und 2) aus deutschen Zoos von 2010 bis heute für Auswilderungszwecke exportiert wurden (bitte nach Arten, Jahr und Auswilderungsregion auflisten)? Im Zeitraum von 2010 bis heute wurden von deutschen Zoos Nachzuchten von durch CITES geschützten Arten aus Deutschland in Drittstaaten für Auswilderungszwecke ausgeführt. Es handelt sich um 20 Exemplare der Art Balistar (Leucopsar rothschildi), Anhang I, die im Jahr 2011 nach Indonesien ausgeführt wurden, um als Zuchtstock das Programm zur Erhaltung der Population in Bali zu unterstützen. 10. Wie viele und welche von deutschen Zoos gezüchteten Tiere konnten nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2000 erfolgreich ausgewildert werden (bitte nach Jahr, Arten, Anzahl und Tierparks auflisten)? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 11. Wie viel Geld wird nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich von deutschen Tierparks für In-situ-Artenschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt (bitte ab 2010 jährlich nach Tierparks auflisten)? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 12. Wie häufig werden nach Kenntnis der Bundesregierung überschüssige oder unerwünschte Zootiere getötet (bitte nach Arten, Anzahl und Tierparks auflisten)? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 13. Inwieweit stellt das neue Säugetiergutachten sicher, dass eine Tötung gesunder Zootiere nicht mehr stattfinden kann? Das Säugetiergutachten trifft zur Tötung gesunder Zootiere im Einzelfall folgende Aussage: „Auch bei kontrollierter Zucht ist es bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten des Verbleibes von nachgezüchteten Tieren nicht immer auszuschließen, dass sich in Einzelfällen die Frage nach der Tötung ohne Verwertung solcher Tiere stellt. Diese Tötung kann aber immer nur eine ultima ratio sein, wenn eine tierschutzgerechte Haltung, ggf. im Rahmen einer anderweitigen Unterbringung, faktisch ausgeschlossen ist. Ob für diesen Ausnahmefall ein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes zur Rechtfertigung gegeben ist, bedarf der sorgfältigen Prüfung. In Zweifelsfällen ist eine derartige Entscheidung der für die Einrichtung verantwortlichen Person in Zoos und Tiergehegen in einer frühzeitig einbezogenen beratenden Tierschutzkommission, an der zumindest der zustän- dige Tierpfleger, der betreuende Tierarzt und der Amtstierarzt und ggf. der Kurator zu beteiligen sind, nach sorgfältiger Erwägung aller Faktoren zu erörtern Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3792 und abzustimmen. Die Entscheidungsfindung ist zu dokumentieren.“ (Zitat aus dem Gutachten über Mindestanforderungen von Säugetieren vom 7. Mai 2014, S. 18) 14. Wie viele aus der Eierproduktion stammende, männliche Küken werden nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich in den Zoos und Tiergärten der Bundesrepublik Deutschland verfüttert? Wie schätzt die Bundesregierung diese Futtermittelgabe ein, wenn das Verbot des Tötens männlicher Küken bundesweit eingeführt würde? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse darüber, wie viele aus der Eierproduktion stammende männliche Küken jährlich in den Zoos und Tiergärten der Bundesrepublik Deutschland verfüttert werden. Bestimmte Tierarten sind für eine artgemäße Ernährung auf die Verfütterung von ganzen Tieren bzw. Tierkörpern angewiesen, da das arttypische Ernährungsspektrum insbesondere für die Verdaulichkeit und Verträglichkeit des Futters u. a. das Vorhandensein von Haaren , Federn und anderen gewöllebildenden Strukturen voraussetzt. Insbesondere bei Tieren, die sich in freier Wildbahn fast ausschließlich von kleinen bis mittelgroßen Vögeln oder Säugetieren ernähren, kann dieser Bedarf unter anderem auch durch die in der Eierproduktion anfallenden männlichen Eintagsküken gedeckt werden. Nach Beenden des Tötens männlicher Eintagsküken liegt es an den Tierhaltern, für diese Tierarten auch weiterhin eine artgemäße Ernährung sicherzustellen . 15. Wie viele Tiere aus Zirkusbetrieben und privater Haltung wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2010 in den Zoos und Tiergärten der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen, und um welche Tierarten handelt es sich dabei? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333