Deutscher Bundestag Drucksache 18/3820 18. Wahlperiode 26.01.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Cornelia Möhring, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3640 – Rückforderungen von Netzbetreibern an landwirtschaftliche Betriebe Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut einem Artikel mit dem Titel „Müssen Landwirte die Einspeisevergütung zurückzahlen?“ im Internetmagazin „top agrar online“ vom 28. November 2014 droht in Schleswig-Holstein über hundert Landwirtinnen und Landwirten die Rückzahlung der Vergütung gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die sie für eingespeisten Solarstrom erhalten haben (vgl. www. topagrar.com). Der Netzbetreiber, die Schleswig-Holstein Netz AG, habe festgestellt , dass ein Teil der Betreiber ihre Anlagen nicht bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) gemeldet hätte. Dieser kleine Formfehler habe große Auswirkungen : Die Landwirtinnen und Landwirte sollen nach Angaben des Magazins die komplette Vergütung vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme bis heute bzw. bis zu dem Datum zurückzahlen, an dem sie die Anlage angemeldet haben. Statt der sonst üblichen Vergütung in der Höhe von etwa 10 bis 19 Cent (ct), je nach Inbetriebnahmedatum , pro Kilowattstunde (kWh) wolle der Netzbetreiber nur den Börsenstrompreis von 3 bis 5 ct/kWh zahlen, wie es das EEG in diesem Fall vorsieht. Diese Zahlung reiche für die Finanzierung der Anlage nicht aus, einige Betreiber ständen vor dem Ruin. Auch die Banken seien laut Marktbeobachtern sehr besorgt, erläutert „top agrar online“. Bislang seien Anlagen betroffen, die nach dem 1. April 2012 in Betrieb gegangen sind, dem Datum, an dem die EEG-Novelle 2012 in Kraft trat. Rückforderungen belaufen sich laut einem im Artikel zitierten Rechtsanwalt auf 10 000 bis über 700 000 Euro pro Betreiber, einige ständen „vor einer Katastrophe“. Seiner Einschätzung nach hätten viele Landwirtinnen und Landwirte und selbst die Elektroinstallateure die Bedeutung der Meldung bei der BNetzA schlicht unterschätzt und sie vergessen oder nicht ernst genommen in der Annahme, dass es sich um reine Statistik handele. Er schließe aber nicht aus, dass die Schleswig-Holstein Netz AG auch eine Mitschuld träfe. Andere Netzbetreiber hätten sich vor der Auszahlung der Vergütung die Bestätigung der BNetzA vorlegen lassen. Die Schleswig-Holstein Netz AG habe das nicht oder nicht Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 20. Januar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. konsequent gemacht, führt der Artikel zur Auffassung des Rechtsanwalts aus, der den Angaben zufolge über hundert Mandantinnen und Mandanten in dieser Sache berät. Drucksache 18/3820 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Ist der Bundesregierung der Sachverhalt bekannt? Der Bundesregierung ist der Fall bislang nur aus der Presse bekannt. Vergleichbare Fälle in der Vergangenheit betrafen nach Auskunft der Bundesnetzagentur in der Regel lediglich verspätete Registrierungen, die entweder zu einem verzögerten Förderungsbeginn oder aber im Rahmen der Jahresendabrechnung zu einer Rückforderung geführt haben. Zur Vermeidung solcher Probleme ist es geübte Praxis der Bundesnetzagentur, aktiv auf die Anlagenbetreiber zuzugehen und auf die Folgen hinzuweisen, wenn im Ausnahmefall Unstimmigkeiten im Registrierungsprozess zutage treten. Wenn wie vorliegend überhaupt kein Registrierungsversuch unternommen wurde, können solche Unstimmigkeiten jedoch nicht auffallen. 2. Wie viele Betriebe sind nach Kenntnis der Bundesregierung von dem Problem betroffen? Aktuell liegen weder der Bundesregierung noch der Bundesnetzagentur Daten über die Anzahl betroffener Anlagenbetreiber vor. 3. Um welche Vergütungssumme handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Rückforderungen insgesamt? 4. Welche Auswirkung auf die EEG-Umlage hätten ggf. die Rückzahlungen der Landwirte und Landwirtinnen? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Aktuell liegen der Bundesregierung sowie der Bundesnetzagentur keine eigenen Daten über die Höhe geltend gemachter Rückforderungen vor. Welche Auswirkungen die Rückzahlungen auf die EEG-Umlage hätten, kann daher derzeit nicht quantifiziert werden. Das finanzielle Volumen für die Anlagenbetreiber kann im Einzelfall beträchtlich sein. Mit Blick auf die EEG-Umlage dürften die Beträge allerdings als gering einzustufen sein. 5. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Rechtsauffassung des Netzbetreibers in dieser Sache korrekt? In welchem Umfang der Netzbetreiber durchsetzbare Rückzahlungsansprüche geltend machen kann, kann ohne nähere Kenntnis der Umstände der Einzelfälle nicht beantwortet werden. Im Allgemeinen gilt Folgendes: Seit dem 1. Januar 2009 sind Betreiber neuer Photovoltaik-Anlagen verpflichtet, die Inbetriebnahme ihrer Anlage bei der Bundesnetzagentur zu melden. Seit Inkrafttreten des EEG 2012 am 1. Januar 2012 ist die Rechtsfolge von Verstößen gegen diese Pflicht ausdrücklich geregelt. Solange Anlagenbetreiber von Anlagen , die ab dem 1. Januar 2012 in Betrieb genommen wurden, die erforderlichen Daten nicht an die Bundesnetzagentur übermittelt haben, reduziert sich ihr Vergütungsanspruch für den eingespeisten Strom nach § 17 Absatz 2 Nummer 1 EEG 2012 auf den Monatsmarktwert. Erst mit Erfüllung der Meldepflicht besteht ein Vergütungsanspruch in voller Höhe. Das EEG 2014 führt diese Regelung in § 25 Absatz 1 Nummer 1 fort, wobei die fehlende Meldung aller Anlagen , die ab dem 1. August 2014 in Betrieb genommen worden sind, nunmehr zur Reduzierung des Förderanspruchs auf null führt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3820 Korrespondierend hierzu verpflichtet § 57 Absatz 5 EEG 2014 (vormals § 35 Absatz 4 EEG 2012) den Netzbetreiber zur Rückforderung, wenn eine höhere als die gesetzlich vorgesehene Förderung ausgezahlt worden ist. Diese starke Sanktionierung versäumter Meldungen im EEG ist erforderlich, um das System des sog. atmenden Deckels umzusetzen. Hiernach wird die Förderung der Photovoltaik (und seit dem 1. August 2014 auch jene für Windenergieanlagen an Land und Biomasseanlagen) in Abhängigkeit vom Zubau neuer Anlagen abgesenkt. Je höher der Zubau ist, desto stärker wird die Förderung abgesenkt. Für die Funktionsfähigkeit dieses Mechanismus muss der tatsächliche Anlagenzubau soweit wie möglich vollständig erfasst werden. Aufgrund der hohen Dynamik im Photovoltaik-Segment erfolgt die Berechnung der Vergütungsabsenkung hier vierteljährlich. Daher ist gerade auch die zeitnahe Erfassung der einzelnen Anlagen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme von Bedeutung. Erforderlich ist somit eine wirksame Sanktionierung fehlender Meldungen, wie sie im EEG vorgesehen ist. Würden Anlagen in relevanter Anzahl bzw. Größe nicht oder nicht rechtzeitig gemeldet, sind zu hoch berechnete Fördersätze die Folge und damit eine Kostenwirkung für die Allgemeinheit. 6. Ist die Meldung der Anlagen mit Kosten verbunden? Besteht also die Möglichkeit, dass durch Nichtmeldung Kosten gespart werden sollten, oder ist tatsächlich nur eine Nachlässigkeit der Landwirtinnen und Landwirte zu vermuten? Die Meldung von Photovoltaikanlagen und anderen Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bei der Bundesnetzagentur war und ist auch derzeit nicht gebührenpflichtig. Insofern fällt bei Anlagenbetreibern bzw. Installateuren nur ein sehr geringer individueller Aufwand zur Erfüllung der Meldepflicht an. 7. Könnte nach Auffassung der Bundesregierung eine Nachmeldung das Versäumnis der Landwirte und Landwirtinnen in der Art heilen, dass auf die Rückforderungen verzichtet werden kann? Eine rückwirkende Heilung des Verstoßes durch Nachmeldung bzw. ein pauschaler Verzicht auf Rückforderungen ist nach den in der Antwort zu Frage 5 genannten Rechtsgrundlagen im EEG nicht vorgesehen. Danach wirkt die Meldung der Anlage nur für die Zukunft und für Netzbetreiber besteht eine Pflicht zur Rückforderung überzahlter Beträge. 8. Hält die Bundesregierung die Rückforderungen für angemessen, angesichts des vergleichsweise geringen Versäumnisses und der teilweise gravierenden Folgen für die Betreiber? Es handelt sich bei der Meldepflicht aus den in der Antwort zu Frage 5 genannten Gründen nicht um eine bloße Formvorgabe, sondern um ein wesentliches Element des Fördermechanismus. Insofern ist die im EEG vorgesehene Sanktionierung für Meldeversäumnisse im Grundsatz angemessen. Dies gilt auch für die Rückforderungspflicht der Netzbetreiber. Nur hierdurch kann gewährleistet werden, dass die Stromverbraucherinnen und -verbraucher nicht stärker belastet werden, als es die Vergütungsbestimmungen des EEG vorsehen. Drucksache 18/3820 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Trifft nach Auffassung der Bundesregierung den Netzbetreiber eine Mitschuld , da dieser sich vor der Auszahlung der Vergütungen offensichtlich keine Bestätigungen der BNetzA vorlegen lassen hat (bitte begründen)? Nach den in der Antwort zu Frage 5 genannten Regelungen sowie der Anlagenregisterverordnung vom 1. August 2014 (BGBl. I S. 1320), die die Einzelheiten der Datenübermittlung regelt, ist der Anlagenbetreiber verantwortlich für die Erfüllung der Meldepflichten. Der Netzbetreiber ist nach dem EEG und der Anlagenregisterverordnung grundsätzlich nicht verpflichtet, Anlagenbetreiber auf die Meldepflicht hinzuweisen. In der Praxis ist es gleichwohl üblich, dass die Anschlussnetzbetreiber Anlagenbetreiber und Installateure auf den Zusammenhang zwischen der Meldung im Photovoltaik-Meldeportal bzw. seit 1. August 2014 im Anlagenregister der Bundesnetzagentur und der Vergütung hinweisen. Viele Netzbetreiber verlangen dementsprechend mit der Meldung der Inbetriebnahme der Anlage eine Erklärung , dass die Meldung bei der Bundesnetzagentur erfolgt ist, oder die Vorlage einer Registrierungsbestätigung. Dass dies in den vorliegenden Fällen nicht passiert ist, führt jedoch wegen der eindeutigen Zuordnung der Meldepflicht in die Verantwortungssphäre des Anlagenbetreibers nach Auffassung der Bundesregierung grundsätzlich nicht zum Ausschluss von Rückforderungsansprüchen des Netzbetreibers. Den Netzbetreiber trifft damit keine Hinweispflicht gegenüber dem Anlagenbetreiber . Gleichwohl muss er regelmäßig das Vorliegen der Voraussetzungen des Förderanspruchs prüfen. Entsprechend hat er gegen seinen vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber nur in dieser Höhe einen Erstattungsanspruch. Beträge, die über den gesetzlich vorgesehen Umfang hinaus in den Ausgleichsmechanismus eingeflossen sind und damit die EEG-Umlage ungerechtfertigt belasten, müssen zurückgefordert werden (vgl. § 57 Absatz 5 EEG 2014). In diesem Kontext muss auch geprüft werden, ob die Übermittlung der erforderlichen Daten an das Photovoltaik-Meldeportal bzw. seit 1. August 2014 das Anlagenregister erfolgt ist. Zahlt ein Netzbetreiber über einen längeren Zeitraum Abschläge auf die EEG-Förderung, ohne das Vorliegen der Meldung zu prüfen, verstößt er gegen seine Pflichten aus dem EEG-Ausgleichsmechanismus. Inwieweit Anlagenbetreiber aus dieser Pflichtverletzung trotz der fehlenden Hinweispflicht ihnen gegenüber (Schaden-)Ersatzansprüche ableiten können, müssen im Zweifel die Zivilgerichte entscheiden. 10. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in anderen Bundesländern die Praxis, sich vor der Auszahlung der Vergütungen eine Bestätigung der BNetzA über die Meldung der Anlagen vorlegen zu lassen? Wenn ja, wo? Oder ist dies unüblich? Üblich ist es, dass die Anschlussnetzbetreiber Anlagenbetreiber und Installateure auf den Zusammenhang zwischen der Meldung im Meldeportal der Bundesnetzagentur und der Vergütung hinweisen. Viele Netzbetreiber verlangen mit der Meldung der Inbetriebnahme der Anlage eine Erklärung, dass die Meldung bei der Bundesnetzagentur erfolgt ist. Einige verlangen eine Kopie der Meldebestätigung der Bundesnetzagentur. Insgesamt dürfte die Vorgehensweise bei den über 800 Anschlussnetzbetreibern aber uneinheitlich sein. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/3820 11. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Gesprächen zwischen zuständigen Ministerien und bzw. oder der BNetzA und dem Bauernverband Schleswig -Holstein e. V. zum Thema? Wenn ja, welchen Inhalt haben sie, und welche Ergebnisse wurden erzielt? Zwischen der Bundesnetzagentur und dem Schleswig-Holsteinischen Bauernverband hat es zu dem Thema bislang keine Gespräche gegeben. Über Gespräche auf Ebene der Landesministerien ist der Bundesregierung nichts bekannt. 12. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die betroffenen Betreiber in dieser Sache zu unterstützen? Wenn ja, wie? Eine Unterstützung durch die Bundesregierung ist angesichts der gesetzlichen Ausgestaltung im EEG nicht möglich. Es ist wünschenswert, dass der Netzbetreiber mit den Betroffenen Lösungen erarbeitet, die Härten bei der Rückabwicklung abmildern. Entsprechend könnte auf privatrechtlicher Ebene durch Vergleich, ggf. unter Einschaltung der Clearingstelle EEG, eine gestreckte Rückabwicklung über den verbleibenden Vergütungszeitraum der Anlagen erfolgen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333