Deutscher Bundestag Drucksache 18/3973 18. Wahlperiode 09.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3807 – Konsequenzen aus dem Tarifstreit zwischen der GEMA und der Berliner Fête de la Musique Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit dem Jahr 1995 findet in Berlin die Fête de la Musique statt. Alljährlich treten auf ca. 100 Standorten Musizierende verschiedenster Musikrichtungen auf. Vorbild für dieses große Volksfest ist die Fête de la Musique in Paris, die erstmals im Jahr 1982 stattfand. Der Grundgedanke dahinter ist, Laien wie Profis vielfältiger Musikrichtungen auftreten zu lassen und dabei einen kostenfreien Zugang zu gewähren. Einen kommerziellen Charakter hat die Fête de la Musique nicht. Inzwischen gibt es eine große Anzahl an Ablegern in 50 verschiedenen deutschen Städten und Gemeinden. Finanziert wird die Fête de la Musique in Berlin zu 25 Prozent aus Mitteln des Landes Berlin und zu 75 Prozent aus Mitteln der Stiftung der Deutschen Klassenlotterie. Die Finanzierung der Fête de la Musique für das Jahr 2015 und darüber hinaus gestaltete sich jedoch als problematisch und kurzzeitig stand die Veranstaltung sogar vor dem Aus (www.berliner-zeitung.de/berlin/gemaerhoeht -gebuehren-f-te-de-la-musique-droht-in-berlin-das-aus,10809148, 28291870.html). Hintergrund ist die Erhöhung der Lizenzgebühren, die die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) von den Veranstaltern der Fête de la Musique verlangt hat. Seit 2001 galt zwischen der GEMA und der Fête Company eine Sondervereinbarung , die von einer Besucheranzahl von 90 000 ausging. Dabei war es egal, ob das Fest 150 000 Menschen besuchten oder schlechtwetterbedingt nur 10 000. Für den Veranstalter bedeutete dies vor allem Planungssicherheit. Im Mai 2014 wurde diese Sondervereinbarung von der GEMA aufgekündigt. Des Weiteren gibt es Streit darum, ob die Fête de la Musique als Straßenfest oder als Konzert einzuordnen ist. Auf die Bemessung der Lizenzgebühren hat das große Auswirkungen. Der Tarif für Unterhaltungsmusik auf Konzerten ist im Vergleich deutlich teurer. In beiden Tarifen ist eine Mindestvergütung vorgeseDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 5. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. hen. Aber im Tarif U-ST gilt die Angemessenheitsregelung/Härtefallnachlassregelung . Nach der GEMA-Härtefallregelung ist geregelt, dass die maximal zu zahlende Vergütung 10 Prozent der Eintrittsgelder und der sonstigen Einnahmen , wie z. B. Sponsorengelder, Spenden, Werbeeinnahmen und sonstige Zu- Drucksache 18/3973 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode schüsse, nicht übersteigen darf bzw. ein grobes Missverhältnis dann gegeben ist, wenn die in Rechnung gestellte Pauschalvergütung 10 Prozent der Bruttokartenumsätze aus den Eintrittsgeldern zzgl. sonstiger Entgelte übersteigt. Aber im Tarif U-K gilt die Angemessenheitsregelung/Härtefallnachlassregelung nicht. Die GEMA beharrt darauf, die Fête de la Musique als Konzert der Unterhaltungsmusik und damit in den Tarif U-K einzustufen. Dabei ignoriert sie aber völlig, dass dieser Tarif auf kommerzielle Konzerte zugeschnitten ist und nicht auf eine nichtkommerzielle Veranstaltung, wie die Fête de la Musique es ist. Diesen Streit von der zuständigen Schiedsstelle zu klären, lehnte der Berliner Senat aufgrund der dann anfallenden Kosten ab. Inzwischen konnte die Finanzierung der Fête de la Musique bis zum Jahr 2017 durch Einsparungen gerettet werden. Doch das Vorgehen der GEMA hat Auswirkungen auf die verschiedenen Ableger in anderen deutschen Städten, die nun auch mit einer massiven Erhöhung rechnen müssen. Die GEMA zeigt erneut ein wenig sensibles und äußerst einseitiges Vorgehen, das sowohl die Interessen der Veranstalter und der Besucherinnen und Besucher als auch die Bedeutung der Fête de la Musique für die Kulturlandschaft komplett außer Acht lässt. Es stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die GEMA Straßenfeste als Konzerte einordnet und umgekehrt. Auch zeigt sich erneut , wie schwierig es für Veranstalter ist, sich gegen die willkürlich wirkenden Tarifentscheidungen der GEMA zur Wehr zu setzen. Dass ein anderes Vorgehen möglich ist, zeigt das Beispiel Frankreich. Dort sind Veranstaltungen der Fête de la Musique komplett von Lizenzgebühren der französischen Urheberrechtsgesellschaft SACEM befreit. Zugleich obliegt die Aufsicht über die GEMA dem Deutschen Patent- und Markenamt als einer dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nachgeordneten Bundesbehörde. Es liegt also auch in der Verantwortung der Bundesregierung, das Vorgehen der GEMA zu beurteilen. Letztlich wird an diesem Beispiel erneut offenbar, wie nötig eine umfassende Reformierung des Systems der Verwertungsgesellschaften in Deutschland ist. 1. Welche Kriterien muss nach Kenntnis der Bundesregierung eine Veranstaltung erfüllen, um als Straßenfest zu gelten und somit unter den Tarif U-ST der GEMA für Unterhaltungsmusik bei Bürger-, Straßen-, Dorf- und Stadtfesten , die im Freien stattfinden, zu fallen? 2. Hält die Bundesregierung die Einordnung der Veranstaltungen der Fête de la Musique in den Tarif U-ST der GEMA für angemessen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? 3. Welche Kriterien muss nach Kenntnis der Bundesregierung eine Veranstaltung erfüllen, um als Konzert der Unterhaltungsmusik und somit unter den Tarif U-K der GEMA für Konzerte der Unterhaltungsmusik und Wortkabarett zu fallen? 4. Hält die Bundesregierung die Einordnung der Veranstaltungen der Fête de la Musique in den Tarif U-K der GEMA für angemessen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 1 bis 4 werden gemeinsam beantwortet. Nach Kenntnis der Bundesregierung sieht die GEMA Konzerte als Veranstaltungen der Unterhaltungsmusik mit Musikern an, bei denen Musik für eine vorran- gig zu diesem Zweck versammelte Hörerschaft erklingt und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Bei Bürger-, Straßen-, Dorf- und Stadtfesten stünden da- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/3973 neben auch andere Gesichtspunkte, wie etwa die Bewirtung mit Speisen und Getränken oder Verkaufsstände, im Mittelpunkt der Veranstaltung. Nach Informationen der Staatsaufsicht über die Verwertungsgesellschaften beim Deutschen Patent- und Markenamt enthält der Tarif U-K derzeit keine entsprechende Definition des Begriffs „Konzert“. Dazu hat die Staatsaufsicht über die Verwertungsgesellschaften bereits im Dezember 2014 die GEMA um Stellungnahme gebeten und angeregt, den Anwendungsbereich des Tarifs U-K insoweit klarer zu fassen. Ob eine auf Grundlage eines bestimmten Tarifs im Einzelfall geltend gemachte Vergütung für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke dem Grunde und der Höhe nach angemessen ist, hat die Bundesregierung nicht zu beurteilen. Diese Aufgabe obliegt im Streitfall den ordentlichen Gerichten. 5. Welche Kriterien muss nach Kenntnis der Bundesregierung eine Veranstaltung erfüllen, um als GEMA-vergütungsfrei zu gelten? 6. Hält die Bundesregierung die Einordnung der Veranstaltungen der Fête de la Musique als GEMA-vergütungsfrei für möglich und für angemessen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Der Urheber ist an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen, der aus seinem Werk gezogen wird, und zwar bei jeder einzelnen urheberrechtlich relevanten Nutzung seines Werkes; vgl. § 11 Satz 2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Eine urheberrechtlich relevante Nutzung ist auch die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken auf Veranstaltungen, also etwa auf Konzerten oder im Rahmen von Bürger-, Straßen-, Dorf- und Stadtfesten; vgl. § 15 Absatz 2 und 3 UrhG. Derartige Nutzungen sind grundsätzlich nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers zulässig, also regelmäßig nur mit einer entgeltlichen Lizenz. Dieser Grundsatz gilt auch für entsprechende Nutzungen im Rahmen der Fête de la Musique. Die GEMA hat aufgrund gesetzlicher Vorgaben im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz dafür Sorge zu tragen, dass die von ihr repräsentierten Urheber angemessen an allen urheberrechtlich relevanten Nutzungen partizipieren. 7. Hält die Bundesregierung die Höhe der im Tarif U-K der GEMA festgesetzten Mindestsätze für angemessen? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? 8. Hält die Bundesregierung es für angemessen, dass im Tarif U-K der GEMA die Angemessenheitsregelung keine Anwendung findet? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Drucksache 18/3973 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Hält die Bundesregierung es für angemessen, dass für die Berechnung der Lizenzkosten die Bruttoumsätze aus Eintrittsgeldern zzgl. Entgelte als Grundlage genommen werden, nicht die Nettoumsätze? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 7 bis 9 werden gemeinsam beantwortet. Wie bereits in der Antwort zu den Fragen 1 bis 4 ausgeführt, hat die Bundesregierung nicht zu bewerten, ob Tarife von Verwertungsgesellschaften über die Vergütung, die sie aufgrund der von ihnen wahrgenommenen Rechte und Ansprüche fordern, angemessen sind. Diese Aufgabe obliegt im Streitfall der Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz und nachfolgend den ordentlichen Gerichten. 10. Bis wann plant die Bundesregierung, einen Vorschlag für die Reformierung des Systems der Verwertungsgesellschaften in Deutschland vorzulegen? 11. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Demokratisierung der Binnenstrukturen der Verwertungsgesellschaften? 12. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Überprüfung und Billigung von Tarifen? 13. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Überprüfung und Billigung der Einordnung beispielsweise von Veranstaltungen in bestimmte Tarife? 14. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften? 15. Welche Pläne hat die Bundesregierung bezüglich der Transparenzpflichten von Verwertungsgesellschaften gegenüber ihren Mitgliedern? Die Fragen 10 bis 15 werden gemeinsam beantwortet. Die Fragen betreffen die kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften . Dieser Bereich wurde auf Unionsebene mit der am 10. April 2014 in Kraft getretenen Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheberund verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt (VG-Richtlinie) harmonisiert. Die VG-Richtlinie ist bis zum 10. April 2016 in deutsches Recht umzusetzen. Die Bundesregierung beabsichtigt, dazu im Jahr 2015 einen Gesetzentwurf vorzulegen . Das insoweit federführende Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird die mit den Fragen angesprochenen Punkte in diesem Kontext prüfen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333