Deutscher Bundestag Drucksache 18/4005 18. Wahlperiode 12.02.2015 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 10. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3883 – Havarie des Tankers „Silver Carla“ in der Nordsee Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Öltankschiff „Silver Carla“ trieb am 12. Januar 2015 manövrierunfähig in der Nordsee. Bei der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Wettersituation mit starkem Sturm und entsprechend hohem Wellengang benötigte das Schiff unverzüglich Hilfe. Zur Koordination der Rettung von Unglücksfällen auf Nordund Ostsee ist seit dem Jahr 2003 das gemeinsame Havariekommando des Bundes und der Küstenländer zuständig und war somit auch mit diesem Fall befasst. Innerhalb von zwei Tagen konnte der Havarist nach Wilhelmshaven in sicheres Fahrwasser geschleppt werden. An Schiff und Meeresumwelt entstand kein Schaden, doch die latente Gefahr, die von einem beladenen havarierten Tanker für die Meeresumwelt ausgeht, ist immens. Nach erfolgreicher Herstellung von Schleppverbindungen mit zwei Schleppern konnte der Havarist erfolgreich von der Küste freigehalten und bis zur Wetterbesserung im freien Seeraum verbleiben. Anschließend konnte die Notschleppverbindung gelöst und an einen anderen Schlepper übergeben werden, der mit Unterstützung durch einen weiteren Schlepper den Havaristen nach Wilhelmshaven brachte. Nach Pressemitteilungen des Havariekommandos (www.havariekommando.de), der gemeinsamen Koordinierungseinrichtung von Bund und Küstenländern für das maritime Unfallmanagement, waren an diesem Einsatz das bundeseigene Mehrzweckschiff „Mellum“, vier Schlepper sowie je ein Hubschrauber der Bundespolizei und der Deutschen Marine beteiligt. Der Schutz der deutschen Küsten und des Weltnaturerbes Wattenmeer vor havarierten Schiffen und vor der Gefahr von Ladung und Treibstoffvorrat ist Ziel des Schutz- und „Sicherheitskonzeptes Deutsche Küste“ der Bundesregierung. Ein wichtiger Baustein dieses Konzeptes ist das Notschleppkonzept, das von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung mit bundeseigenen sowie langfristig gecharterten Notfallschleppern umgesetzt wird. 1. Wo befand sich nach Kenntnis der Bundesregierung der havarierte Tanker „Silver Carla“ zum Zeitpunkt des Maschinenausfalls und in welchem Be- Drucksache 18/4005 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode triebszustand (Fahrt oder Drift über Grund, vorherige und aktuelle Ladung – Art, Menge –, inertisierte Tanks, ausgebrachte Anzahl der Anker und Kettenlängen , mitgeführter Brennstoff – Art und Menge)? Die Verkehrszentrale German Bight Traffic erhielt am 11. Januar 2015 gegen 02:18 Uhr Kenntnis, dass der Tanker „Silver Carla“ aufgrund eines Schadens am Antriebssystem auf Position 54° 06,6'N, 007° 01,0'E manövrierunfähig im Bereich südlich des Verkehrstrennungsgebiets German Bight Western Approach trieb. Das Schiff bewegte sich zu diesem Zeitpunkt unkontrolliert mit einer Geschwindigkeit von 3 bis 4 Knoten in südöstliche Richtung auf die Inseln Langeoog und Spiekeroog zu. Der Tanker war nicht beladen (in Ballast) und war gasfrei (inertisiert). Anker waren nicht ausgebracht. 2. Über welche Notschleppeinrichtungen auf welcher rechtlichen oder technischen Grundlage (Forderung der International Maritime Organization, Flaggenstaat, Klassifikationsgesellschaft, Versicherung, reedereieigenes ISM-System) verfügte nach Kenntnis der Bundesregierung der Havarist? Der Havarist verfügt über ein Emergency Towing System und ein Escorting Pull Back System, welche beide für Lasten bis zu jeweils 200 Tonnen ausgelegt sind und die Anforderungen nach Kapitel II-1 Regel 3 und 4 der Anlage zum Internationalen Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS), der Entschließung der Internationalen Schifffahrts-Organisation (IMOResolution ) MSC. 35(63) vom 20. Mai 1994, der IMO-Resolution MSC.132(75) vom 22. Mai 2002 sowie der relevanten Vorschriften der Klassifikationsgesellschaft American Bureau of Shipping (ABS) erfüllen. 3. Aus welchem Grund hat der Havarist nach Kenntnis der Bundesregierung wann Hilfe durch staatliche Kräfte angefordert? Der Havarist meldete am 11. Januar 2015 um 02:18 Uhr der Verkehrszentrale German Bight Traffic den Maschinenausfall und die Beauftragung von zwei Assistenzschleppern durch den Agenten. Da der Havarist mit 3 bis 4 Knoten in Richtung Küste driftete, wurde der Notschlepper „Nordic“ um 04:00 Uhr von der Verkehrszentrale German Bight Traffic beauftragt, eine Schleppverbindung zum Havaristen herzustellen. 4. Welche Maßnahmen hatte die Schiffsführung des Havaristen nach Kenntnis der Bundesregierung nach dem Maschinenausfall sowie während des Notschleppeinsatzes eingeleitet, geplant oder durchgeführt? Die Schiffsführung hat kooperativ mit der Verkehrszentrale German Bight Traffic , dem Vororteinsatzleiter, den Hilfsschiffen vor Ort, dem Boardingteam und dem Havariestab zusammengearbeitet. Die Schlepper „Bugsier 10“ und „Weser“ wurden über die Agentur des Havaristen beauftragt. 5. Wann erhielt nach Kenntnis der Bundesregierung welche behördliche Einrichtung erstmals Kenntnis von dem Maschinenausfall, und welche Maßnahmen wurden von dieser wann eingeleitet? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4005 Die Erstmeldung lief am 11. Januar 2015 um 02:18 Uhr in der Verkehrszentrale German Bight Traffic des Wasser- und Schifffahrtsamtes Wilhelmshaven auf. Das Maritime Lagezentrum des Havariekommandos wurde am 11. Januar 2015 um 02:48 Uhr von der Verkehrszentrale German Bight Traffic über die Situation des MT „Silver Carla“ informiert. Die Lageentwicklung wurde vom Havariekommando intensiv beobachtet. Am 11. Januar 2015 um 10:00 Uhr übernahm das Havariekommando dann auf Ersuchen der Verkehrszentrale German Bight Traffic die Gesamteinsatzleitung. 6. Welche Wasserfahrzeuge kamen nach Kenntnis der Bundesregierung während der Havarie in welchem Zeitraum aus welchem Grund auf wessen Anweisung mit welcher Aufgabe zum Einsatz (bitte Name, Reederei, bei bundeseigenen oder gecharterten Fahrzeugen: geräteführendes bzw. zuständiges Amt, Abmessungen – Länge, Breite, Tiefgang –, Schleppleistung, Geschwindigkeit angeben)? Die eingesetzten Wasserfahrzeuge sind in tabellarischer Form in der Anlage aufgelistet . 7. Welche Wasserfahrzeuge haben nach Kenntnis der Bundesregierung aus welchem Grund während der Havarie eine Schleppverbindung mit dem Havaristen hergestellt? Notschlepper „Nordic“ 11. Januar 2015 ca. 05:56 Uhr Schleppverbindung zum Bug der „Silver Carla“ ca. 08:20 Uhr Schleppverbindung gebrochen 11. Januar 2015 ca. 10:00 Uhr erneute Schleppverbindung zum Bug der „Silver Carla“ 13. Januar 2015 ca. 01:42 Uhr Schleppverbindung gelöst, nachdem eine Schleppverbindung zum Schlepper „Bugsier 9“ hergestellt war. Das Auslösen des Notschleppers „Nordic“ am frühen Morgen des 13. Januar 2015 war erforderlich, weil ein Schaden an der Schleppwinde aufgetreten war. Schlepper „Bugsier 9“ 13. Januar 2015 ca. 01:10 Uhr Schleppverbindung zum Bug der „Silver Carla“. Schlepper „Bugsier 10“ 11. Januar 2015 ca. 11:12 Uhr Schleppverbindung zum Heck der „Silver Carla“. Die Schleppverbindung bestand bis zum Ende des Einsatzes . Die Fahrzeuge hatten den Auftrag, als Kopf- bzw. Heckschlepper den Havaristen kontrolliert zu halten und zunächst den Sturm abzuwettern und nach einer Wetterberuhigung den Havaristen unter Landschutz zu verholen. Drucksache 18/4005 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Von wem (Besatzung oder Boardingteam) wurde nach Kenntnis der Bundesregierung auf dem Havaristen wann aus welchem Grund eine Schleppverbindung mit welchem Schlepper hergestellt? Am 11. Januar 2015 wurden alle Schleppverbindungen auf dem Havaristen durch die Besatzung der „Silver Carla“ hergestellt (Schleppverbindungen des Notschleppers „Nordic“ und des Schleppers „Bugsier 10“). Für die Herstellung der Schleppverbindung am 13. Januar 2015 zwischen dem Schlepper „Bugsier 9“ und der „Silver Carla“ wurde ein Boardingteam auf dem Havaristen eingesetzt. Angesichts der Lageentwicklung und der Absicht, den Havaristen in Landnähe zu schleppen, wurde vom Havariekommando entschieden, für die Herstellung dieser Schleppverbindung die für diese Aufgabe speziell ausgebildeten und trainierten Kräfte des nationalen Boardingteams zu nutzen. 9. Von welchem Hubschrauber wurde das Boardingteam wann und aus welchem Grund auf dem Havaristen abgesetzt? Das Boardingteam wurde am 13. Januar 2015 von einem Hubschrauber der Deutschen Marine (Typ: Seaking) um ca. 15:50 Uhr auf dem Havaristen abgesetzt , mit dem Auftrag eine Schleppverbindung zum Schlepper „Bugsier 9“ herzustellen . 10. Welches Bergungsunternehmen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung wann vom Havaristen beauftragt, welche Maßnahmen durchzuführen? Dem Havariekommando ist kein Bergungsvertrag bekannt. Von der Agentur des Havaristen, der Firma Sartori & Berger, wurden der Schlepper „Bugsier 10“ und der Schlepper „Weser“ zum Havaristen beordert. Der Schlepper „Bugsier 10“ wurde im Laufe der Lage als Heckschlepper eingesetzt. Die Schiffsführung des Schleppers „Weser“ sah sich aufgrund der Wettersituation nicht in der Lage, mit ihrem Schiff Unterstützung zu leisten. 11. Welcher Notschlepper hatte nach Kenntnis der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Havarie seine Bereitschaftsposition in der Deutschen Bucht aus welchem Grund nicht eingenommen? 12. Aus welchem Grund stand nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem 10. Januar 2015 welcher Notschlepper in welchen Zeiträumen für diese Aufgabe aus welchem Grund nur eingeschränkt oder gar nicht auf der ihm im Notschleppkonzept zugewiesenen Bereitschaftsposition zur Verfügung ? Die Fragen 11 und 12 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Aufgrund eines Schadens an dem Backbord-Antriebssystem stand das Mehrzweckschiff „Neuwerk“ in dem fraglichen Zeitraum für Notschleppaufgaben nicht bzw. nur sehr eingeschränkt (reduzierte Manövrierfähigkeit, geringer Pfahlzug) zur Verfügung. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4005 Anlage W as se rf ah rz eu g N am e Ze itr au m [c a. ] An w ei su ng du rc h Au fg ab e R ee de re i C ha rt er / bu nd es ei ge n Am t Lä ng e [m ] B re ite [m ] Ti ef ga ng [m ] Sc hl ep p- le is tu ng [m t] G es ch w in di gke it [k n] N ot sc hl ep pe r N or di c 11 .0 1. 20 15 02 :3 0 U hr - 13 .0 1. 20 15 01 :4 2 U hr V K Z G B -T S ic he ru ng / au f P os iti on h al te n de s H av ar is te n B ug si er -, R ee de re i- un d B er gu ng sG es el ls ch af t G m bH u nd C o. K G B un de sc ha rte r W SA C ux ha ve n 78 ,0 16 ,4 6, 0 20 0, 0 19 ,9 M eh rz w ec ks ch iff M el lu m 11 .0 1. 20 15 12 :1 2 U hr - 13 .0 1. 20 15 11 :0 5 U hr H av ar ie st ab A nl au fe n H av ar is te n, V or - O rt- K oo rd in at io n un d A bs ic he ru ng bu nd es ei ge n W SA W ilh el m sha ve n 80 ,5 15 ,1 5, 8 10 0, 0 16 ,0 S ch le pp er B ug si er 10 11 .0 1. 20 15 10 :4 0 U hr - 13 .0 1. 20 15 11 :0 5 U hr S ar to ri & B er ge r W H V S ic he ru ng u nd H al te n de s H av ar is te n, a ls H ec ks ch le pp er B ug si er -, R ee de re i- un d B er gu ng sG es el ls ch af t G m bH u nd C o. K G P riv at ch ar te r ni l 32 ,0 12 ,0 6, 1 89 ,5 14 ,2 S ch le pp er W es er 11 .0 1. 20 15 11 :5 1 U hr vo r O rt S ar to ri & B er ge r W H V U nt er st üt zu ng de r S ch le pp er vo r O rt U nt er w es er R ee de re i G m bH P riv at ch ar te r ni l 33 ,5 12 ,5 5, 5 71 ,0 13 ,0 S ch le pp er B ug si er 9 13 .0 1. 20 15 00 :2 0U hr - 13 .0 1. 20 15 11 :0 5 U hr B ug si er -, R ee de re i- un d B er gu ng sG es el ls ch af t G m bH u nd C o. K G N or di c- A bl ös un g B ug si er -, R ee de re i- un d B er gu ng sG es el ls ch af t G m bH u nd C o. K G P riv at ch ar te r ni l 32 ,0 12 ,0 6, 1 89 ,7 14 ,2 Ta be lle z u Fr ag e 6 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333