Deutscher Bundestag Drucksache 18/4006 18. Wahlperiode 11.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annalena Baerbock, Oliver Krischer, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3817 – Position der Bundesregierung zu den Plänen über eine Energieunion und zur Mitteilung der Europäischen Kommission „Eine Investitionsoffensive für Europa“ Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Angesichts der anhaltenden Krise in der Ukraine und dem aktuellen Spannungsverhältnis zur Russischen Föderation unter Präsident Vladimir Putin hat sich in der Europäischen Union eine energiepolitische Diskussion über die Versorgung mit Energieträgern aus Drittstaaten entwickelt. Ausschlaggebend dafür war ein Positionspapier des ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk – unterstützt durch die Äußerungen vom britischen Premier David Cameron und der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, indem vor allem eine gemeinsame Gaseinkaufstrategie sowie bessere Gasbevorratung vorgeschlagen wurde. Zudem hat der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Maroš Šefčovič zum Vize-Präsidenten der Europäischen Kommission für den neuen Geschäftsbereich „Energieunion“ ernannt. Aufgabe von ihm soll die Schaffung einer europäischen Energieunion durch die Verknüpfung von Infrastruktur, Durchführung der europäischen Gesetzgebung und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sein. Zudem soll durch Diversifizierung der Energiequellen und eine gemeinsame Einkaufsstrategie von Energierohstoffen die europäische Versorgungssicherheit gestärkt werden. Neben den genannten Punkten sollen die im Oktober 2014 beschlossenen Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu den Klima- und Energiezielen bis zum Jahr 2030 koordiniert und umgesetzt werden . Neben diesen Schwerpunkten lässt die Europäische Kommission jedoch Maßnahmen im Bereich Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien vermissen. Doch nur so kann sich Europa von Energierohstoffabhängigkeiten lösen und die europäische Souveränität stärken. Parallel zu den ersten Überlegungen für eine Energieunion hat der neue EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Mitteilung „Eine InvestitionsDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 6. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. offensive für Europa“ vorgelegt, ein entsprechender Verordnungsvorschlag wird am 13. Januar 2015 folgen. Mit Hilfe eines neuen Europäischen Fonds für strategische Investitionen sollen zusätzliche Investitionsmittel für langfristige europäische Investitionsprojekte mobilisiert und Investitionshindernisse abge- Drucksache 18/4006 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode baut werden. Die nationalen Regierungen aller EU-Mitgliedstaaten haben bereits Vorschläge für Projekte unterbreitet, die mit Hilfe dieser Investitionsmittel finanziert werden sollen. 29 Prozent aller eingereichten Projekte betreffen dabei den Bereich der „Energieunion“. Auch die Bundesregierung hat eine Liste mit deutschen Projektvorgaben eingereicht, die jedoch vorab weder mit dem Deutschen Bundestag noch mit dem Bundesrat diskutiert bzw. abgestimmt wurde. 1. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Plänen der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Einkaufsgemeinschaft für Gas, und welche eigenen Konzepte zur Stärkung der nationalen und europäischen Gasversorgungssicherheit verfolgt die Bundesregierung mit welchem Zeitplan? Ein konkreter Vorschlag seitens der Europäischen Kommission zur Schaffung einer Einkaufsgemeinschaft für Erdgas liegt derzeit nicht vor. Ein solcher Vorschlag müsste zunächst eingehend geprüft und innerhalb der Europäischen Union abgestimmt werden. Eine Einkaufsgemeinschaft, die im Widerspruch zu den marktwirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Grundprinzipien stünde, lehnt die Bundesregierung ab. Zur Stärkung der Gasversorgungssicherheit misst die Bundesregierung neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Hebung der Energieeinsparpotenziale der schnellen Verwirklichung des Energiebinnenmarktes höchste Priorität bei. Diese stärkt die Gasversorgungssicherheit und wird auch die Verhandlungsposition europäischer Erdgasunternehmen gegenüber Erdgaslieferanten effektiv verbessern. Darüber hinaus bleibt die Diversifizierung der Bezugsquellen und Transportwege bedeutsam. 2. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Vorstellung, dass die Europäische Kommission künftig als ehrlicher Makler in Verhandlungen zu Energieimporten zwischen einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten agieren möchte? Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 23./24. Oktober 2014. Dieser hat sich unter anderem darauf verständigt, zur Stärkung der Verhandlungsposition der EU den Beschluss zur Einrichtung eines Mechanismus für den Informationsaustausch über zwischenstaatliche Energieabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern umfassend zu nutzen. Zudem werden die Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen angehalten, der Kommission relevante Informationen zukommen zu lassen und während der gesamten Verhandlungen deren Unterstützung einzuholen, auch in Bezug auf die Ex-ante-Bewertung der Frage, ob die zwischenstaatlichen Abkommen mit den Rechtsvorschriften der EU und ihren Prioritäten im Bereich Energieversorgungssicherheit vereinbar sind. 3. Welche Position vertritt die Bundesregierung zu dem Vorschlag, dass europäische Energieversorger künftig dazu angehalten bzw. rechtlich verpflichtet werden sollen, Gasreserven aus Gründen der Versorgungssicherheit vorzuhalten ? 4. Wird die Bundesregierung für die Erdgasbevorratung eigene gesetzliche Rahmen setzen, und falls ja, wie sollen diese konkret aussehen, und in welchem Zeithorizont sollen diese verabschiedet werden? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs ge- meinsam beantwortet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4006 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat ein Gutachten vergeben mit dem Titel „Möglichkeiten zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit und der Krisenvorsorge durch Regelungen der Speicher (strategische Reserve, Speicherverpflichtungen), einschließlich der Kosten sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Markt“. Die Studie soll im Mai 2015 abgeschlossen sein und als Grundlage einer politischen Entscheidung dienen, ob und ggf. welche Maßnahmen getroffen werden sollen. Auch auf europäischer Ebene wird derzeit die Frage geprüft, ob Gasreserven aus Gründen der Versorgungssicherheit vorzuhalten sind. 5. Teilt die Bundesregierung die Besorgnis der Fragesteller, dass aufgrund der relativ niedrigen und unverbindlichen europäischen und nationalen Zielvereinbarungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz die Überlegungen der Europäischen Kommission für eine Energieunion die Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern weiterhin hoch bleibt oder sogar zunehmen wird (bitte begründen)? Der Europäische Rat vom 23./24. Oktober 2014 hat sich auf ein verbindliches Ziel für einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 27 Prozent bis 2030 und ein indikatives Ziel von zunächst mindestens 27 Prozent Energieeinsparungen bis 2030 verständigt. Er hat dies zudem mit dem Auftrag verknüpft, das Energieeffizienzziel bis zum Jahr 2020 mit Blick auf eine Anhebung auf 30 Prozent zu überprüfen. Die Umsetzung dieser Ziele wird einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung der Energieimportabhängigkeit der EU leisten. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf ihre Antwort zu den Fragen 4 und 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Position der Bundesregierung zu den Verhandlungen und Ergebnissen für eine neue EU-Energieund Klimastrategie“ (Bundestagsdrucksache 18/3368 vom 28. November 2014). 6. Hält die Bundesregierung den Bau der Gaspipeline South Stream für gescheitert , und welche Auswirkungen hat dies ihrer Ansicht nach gegebenenfalls auf die „Gasstrategie“ im Rahmen der Energieunion? Die Entscheidung über die Gaspipeline South Stream obliegt den beteiligten Unternehmen . Die Realisierung des Projekts muss jedoch im Einklang mit den Regeln des europäischen Binnenmarktes stehen. Mit der Entscheidung, South Stream nicht zu bauen, gewinnt der „Südliche Korridor“, über den Erdgas aus dem kaspischen Raum über die Türkei in Mitgliedstaaten der Europäischen Union transportiert werden soll, für die Erdgasversorgung Europas an Bedeutung . 7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des heutigen Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, wonach die Europäische Union „ihre fossilen Energiealternativquellen wie z. B. Kohle und Schiefergas voll nutzen“ (www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-krise-polen-fordert-euenergieunion -gegen-russland-a-965441.html) müsse (bitte begründen)? Die Entscheidung über den Energiemix liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten . Dazu gehört auch die Frage, inwieweit heimische fossile Energieträger wie Kohle und Schiefergas genutzt werden. Um die langfristen EU-Klimaziele zu erreichen, müssen aus Sicht der Bundesregierung in Europa vor allem die erneuerbaren Energien ausgebaut und Energie eingespart werden. Fossile Energieträger werden auf absehbare Zeit für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit eine wichtige Rolle spielen. Die Einsatzzeiten werden durch den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien allerdings deutlich zurückgehen. Hinsichtlich Drucksache 18/4006 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode des Einsatzes fossiler Kraftwerke in Kombination mit der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) wird sich erst im Laufe der Demonstrationsphase und nach Evaluierung aller Erkenntnisse zeigen, wie und in welchem Umfang und möglicherweise mittels welcher Maßnahmen die CCS-Technologie weiterverfolgt werden sollte. 8. Beabsichtigt die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung neben dem EU-Gasstresstest weitere „Stresstests“, und falls ja, welche und wann? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über etwaige Absichten der Europäischen Kommission, weitere „Stresstests“ durchzuführen. 9. Erwägt die Bundesregierung im Rahmen der Europäischen Union Optionen , um Investitionen von Drittstaatsunternehmen in die Energieinfrastruktur der europäischen Mitgliedstaaten zu reglementieren? a) Wenn ja, welche Optionen sind dies? b) Welche Kriterien prüft die Bundesregierung in diesem Zusammenhang ? Nein. 10. Welche eigenen Vorstellungen und Ziele verfolgt die Bundesregierung im Rahmen der Diskussion um eine „neue Governance“ für den Energiemarkt , und welche Rolle sollen Regulierungsbehörden wie z. B. ACER (Agency for the Cooperation of Energy Regulators) nach Ansicht der Bundesregierung dabei zukünftig spielen? Für den Erfolg der Energieunion ist es aus Perspektive der Bundesregierung essentiell , dass die einzelnen Säulen der Energieunion eng miteinander verzahnt und klar auf das Erreichen der mittel- und langfristigen Klima- und Energieziele ausgerichtet werden. Maßnahmen in den einzelnen Säulen müssen konsistent mit den Zielen aller anderen Säulen ausgestaltet sein und eine kohärente Gesamtstrategie bilden. Der EU-Energiebinnenmarkt für Strom und Gas ist der Kernbereich für die europäische Integration im Energiesektor, und sollte daher zentrales Element der Energieunion sein. Ein funktionierender und wettbewerbsfähiger Energiebinnenmarkt ist der entscheidende Treiber für wettbewerbsfähige Energiepreise, verbesserte Versorgungssicherheit, mehr Energieeffizienz und die kosteneffiziente Integration der erneuerbaren Energien. Aus Sicht der Bundesregierung sollte die Energieunion darüber hinaus einen klaren Fokus auf die Umsetzung der Beschlüsse des Europäischen Rates vom 23./24. Oktober 2014 zu den Klima- und Energiezielen bis 2030 legen. Die Beschlüsse müssen in einen stabilen Handlungsrahmen überführt werden, zu dem eine verlässliche und robuste Governance gehört („2030-Governance“). Diese muss Anreize für ambitionierte nationale Beiträge für den Ausbau erneuerbarer Energien und Energieeffizienz schaffen und die Erfüllung der Klima- und Energieziele bis 2030 sicherstellen. Eine verlässliche und robuste 2030-Governance ist eine wichtige Voraussetzung, um mittel- bis langfristige Investitions- und Planungssicherheit für den Energiesektor zu schaffen. Im Rahmen der Vorbereitungen des Aktionsprogramms der Europäischen Kommission zur Energieunion wird eine übergreifende Governance für die Energieunion diskutiert, die alle fünf von Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič genannten Säulen der Energieunion adressiert (Energieunions-Governance). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4006 In diesem Zusammenhang wird auch diskutiert, zusätzliche Indikatoren für Bereiche einzuführen, in denen bislang keine quantitativen EU-Zielvorgaben bestehen . Aus Sicht der Bundesregierung ist eine klare Differenzierung zwischen der Governance in Bereichen mit quantitativen EU-Zielvorgaben und der Governance in Bereichen ohne solche Vorgaben notwendig. Wichtig ist zudem, dass kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand verursacht und die Kompetenzverteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten gewahrt bleibt. Eventuelle Indikatoren sollten so ausgestaltet werden, dass sie die Energiewende unterstützen. Zur Rolle der Regulierungsbehörden im Rahmen der Governance hat die Bundesregierung noch keine Positionierung festgelegt. 11. Wie gedenkt die Bundesregierung dem Wunsch der Europäischen Kommission und vieler anderer Mitgliedstaaten nach mehr Koordinierung der nationalen Energiepolitik besser nachkommen zu können, und welches Ressort soll diese Koordinierung federführend leisten? Mit Blick auf künftige gesetzgeberische Maßnahmen sollte die Energieunion aus Sicht der Bundesregierung auf eine schrittweise und ausgewogene Angleichung und Konvergenz der nationalen Energiepolitiken durch verstärkte Koordinierung abzielen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Kernbereichen der Integration (insbesondere Energiebinnenmarkt) und den Energiemix betreffenden Bereichen, die mehr Flexibilität benötigen (Energiemix liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten). Eine EU-rechtlich eingeführte Vorgabe im Rahmen einer Energieunions-Governance muss die im Lissabon-Vertrag festgelegte Kompetenzverteilung beachten. Die freiwillige regionale Zusammenarbeit sollte gestärkt werden. Über die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Bundesregierung kann erst auf Grundlage konkreter EU-rechtlicher Vorgaben entschieden werden. Unabhängig von den zukünftigen EU-rechtlichen Vorgaben zur „Energieunions-Governance“ steht die Bundesregierung in intensivem Austausch mit den Nachbarländern, um eine sachgerechte Koordinierung der nationalen Energiepolitiken in einem zusammenwachsenden Energiebinnenmarkt sicherzustellen. 12. Welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung im Rahmen einer möglichen Novellierung der Ökodesign-Richtlinie und Energieverbrauchskennzeichnungsrichtlinie , und hält die Bundesregierung beide Richtlinien für geeignet, um eine nachhaltige Senkung der europäischen Energienachfrage zu erreichen? Mit der EU-Top-Runner-Strategie leistet die EU einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der europäischen Effizienzziele. Durch ein koordiniertes Zusammenwirken der europäischen Instrumente Ökodesign und Energieverbrauchskennzeichnung werden gezielte Anreize zur Steigerung der Energieeffizienz bei Produkten gesetzt. Zum einen werden für diese Produkte Mindestanforderungen für einen niedrigen Energieverbrauch gesetzt. Zum anderen machen farbige Effizienzskalen den Energieverbrauch der Produkte für die Verbraucher sichtbar und sorgen so für mehr Wettbewerb zwischen den Herstellern. So werden allein die fünf in 2013 verabschiedeten Produktgruppen (u. a. Heizungen, Warmwasserbereitung , Staubsauger) den Energieverbrauch im Jahr 2020 europaweit jährlich um ca. 700 TWh reduzieren. Die Bundesregierung wird sich im Rahmen der EU-Verhandlungen zur Novellierung der EU-Energieverbrauchskennzeichnungsrichtlinie dafür einsetzen, dass die Kennzeichnung für die Verbraucher aussagekräftig gestaltet, die Entscheidungsprozesse beschleunigt und die EUTop -Runner-Strategie gestärkt werden. Die Verhandlungen der Bundesregie- rung wurden als Sofortmaßnahme in den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) eingestellt. Drucksache 18/4006 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Welche über diese Richtlinien hinausgehenden Maßnahmen schlägt die Bundesregierung vor, um die europäische Energienachfrage langfristig zu senken? Der EU-Rahmen für Ziele und Instrumente bezüglich der Steigerung der Energieeffizienz ist bis zum Jahr 2020 festgelegt. Darüber hinaus hat sich der Europäische Rat vom 23./24. Oktober 2014 zunächst auf ein Ziel von mindestens 27 Prozent Energieeinsparungen bis 2030 verständigt und dies mit dem Auftrag verknüpft, dieses Ziel bis zum Jahr 2020 mit Blick auf eine Anhebung auf 30 Prozent zu überprüfen. Eine abschließende Festlegung ist wesentlich für Entscheidungen über künftige europäische Maßnahmen. Mit der Umsetzung des am 3. Dezember 2014 durch die Bundesregierung beschlossenen NAPE sammelt Deutschland wichtige Erfahrungen mit der Implementierung neuer und verbesserter Ansätze zur Effizienzsteigerung, die – unter Berücksichtigung des Initiativrechts der Europäischen Kommission – ggf. später auch auf europäischer Ebene Anwendung finden könnten. 14. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Forderungen Großbritanniens und der Tschechischen Republik, wonach das zu entwickelnde europäische Governance-System für die Energiepolitik vor allem den gemeinsamen Fortschritt bei Energiesicherheit, Nachhaltigkeit und den Binnenmarkt fokussieren sollte, statt die Details der Implementierung von Energiepolitik zu verfolgen? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die Umsetzung der auf dem Europäischen Rat vom 23./24. Oktober 2014 beschlossenen Klima- und Energieziele bis 2030 im Zentrum der derzeit in der EU diskutierten energiepolitischen Governance steht. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen. 15. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Forderungen Großbritanniens und der Tschechischen Republik, wonach das zu entwickelnde europäische Governance-System für die Energiepolitik dafür Sorge tragen soll, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union realistische und glaubwürdige langfristige Treibhausgasreduktionspläne vorlegen sollen? Der Europäische Rat vom 23./24. Oktober 2014 hat sich unter anderem auf ein verbindliches Ziel zur Minderung der Treibhausgasemissionen geeinigt. Die Emissionen sollen bis 2030 innerhalb der EU um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Dieses Ziel wird in Nummer 2 der Schlussfolgerungen für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich durch den Emissionshandel und nationale Ziele für die Sektoren außerhalb des Emissionshandels umgesetzt werden . Damit wird das aktuell bestehende rechtsverbindliche Regime zur Treibhausgasminderung fortgesetzt. Das in Nummer 6 der Schlussfolgerungen angelegte sogenannte Governance-System stützt sich unter anderem auf vorhandene Berichtspflichten im Klimabereich. Dieses System ergänzt den oben genannten rechtsverbindlichen Rahmen für Treibhausgasminderungen. 16. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Forderungen Großbritanniens und der Tschechischen Republik, wonach das zu entwickelnde europäische Governance-System für die Energiepolitik geringe Steuerung aufweisen und nichtlegislativ sein soll, damit die Mitgliedstaaten der Europäischen Union frei über ihren Energiemix entscheiden können? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass ein verlässliches GovernanceSystem einer noch zu schaffenden rechtlichen Grundlage bedarf. Dies ist zur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4006 verlässlichen Umsetzung der beschlossenen 2030-Zielvorgaben und aus Gründen der Investitionssicherheit notwendig sowie erforderlich, wenn den Mitgliedstaaten neue oder veränderte Berichtspflichten auferlegt werden sollen. 17. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Forderungen Großbritanniens und der Tschechischen Republik, wonach das zu entwickelnde europäische Governance-System für die Energiepolitik vor allem auch den Verwaltungsaufwand verringern soll, oder befürchtet sie, dass es hierdurch auch zu Koordinierungslücken der europäischen Energiepolitik kommen kann (Quelle für Frage 14 bis 17: www.theguardian.com/ environment/2015/jan/06/uk-accused-hypocrisy-plans-limit-enforcementeu -climate-goals?CMP=share_btn_tw)? Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich das Vorhaben der Europäischen Kommission, den Verwaltungsaufwand des Governance-Systems zur Umsetzung des Klima- und Energierahmens 2030 gegenüber dem bis 2020 geltenden Rechtsrahmen zu verringern. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass das Governance -System (mit den in den Antworten zu den Fragen 10, 11, 14, 15 und 16 beschriebenen Zielsetzungen) effektiv und effizient ist. 18. Mit welchen eigenen Vorschlägen ist die Bundesregierung wann in die Debatte um die Energieunion gegangen, und welche Ressortabstimmungen innerhalb der Bundesregierung gingen diesem Prozess voran? Die Bundesregierung hat, wie die anderen Mitgliedstaaten auch, an der Vorbereitung der Beschlüsse des Europäischen Rates im Juni 2014 und im Oktober 2014, die auch Aussagen zur Energieunion enthalten, mitgewirkt. Anfang 2015 hat die Bundesregierung ein ressortabgestimmtes Positionspapier zur Energieunion an die Kommission und die Mitgliedstaaten übermittelt. 19. Anhand welcher konkreten Kriterien hat die Bundesregierung die bei der „Special Task Force on Investment in the EU“ eingereichten Investitionsprojekte ausgewählt? Die Auswahl der Investitionsprojekte erfolgte anhand der folgenden von der Task Force fixierten fünf Auswahlkriterien: ● Europäischer Mehrwert ● Wirtschaftliche Viabilität ● Die begründete Erwartung, dass die Projekte innerhalb der nächsten drei Jahre begonnen werden können ● Hebelungspotenzial in Bezug auf die Finanzierung ● Größe und Skalierbarkeit Der Prozess der Zusammenstellung der Liste war dabei jedoch iterativ und konnte im Rahmen der zeitlichen Vorgaben lediglich zum Ziel haben, exemplarisch Projekte zu identifizieren (s. auch die Antwort zu Frage 31). 20. Wann wurde die Projekteliste an die Special Task-Force gesendet? Die Zusammenstellung deutscher Investitionsprojekte wurde am 27. November 2014 dem Sekretariat der Task Force übersandt. Im Übrigen wird hierzu auf das Plenarprotokoll 18/75 Anlage 2 vom 17. Dezember 2014 verwiesen. Drucksache 18/4006 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 21. Welche Vertreterinnen und Vertreter der Privatwirtschaft wurden vorab konsultiert (bitte auflisten)? Die Kommissionspläne basieren maßgeblich auf der Idee, private Investitionen zu mobilisieren. Deshalb fanden Gespräche auf verschiedenen Ebenen statt. Die Arbeit der Bundesregierung wurde und wird durch den regelmäßigen Austausch mit Vertretern des Privatsektors bereichert. Die Task Force selber absolvierte am 24. November 2014 ein formelles Treffen, welches spezifisch der Konsultation mit dem Privatsektor gewidmet war. Die Teilnehmerliste der Vertreter der Privatwirtschaft findet sich im Bericht der Task Force auf Seite 72. 22. Aus welchen Gründen war für die Bundesregierung neben § 4 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) nicht auch § 4 Absatz 2 Nummer 2 EUZZBG bei der Beteiligung des Deutschen Bundestages einschlägig, wonach die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag Dokumente und Informationen über Initiativen, Stellungnahmen , Konsultationsbeiträge, Programmentwürfe und Erläuterungen der Bundesregierung für Organe der Europäischen Union übersendet und mit der Europäischen Kommission ein solches Organ der Europäischen Union Mitglied der Special Task Force war? Der Task Force oblag es, einen ersten Beitrag für eine Diskussion der Minister zum Thema Investitionen im ECOFIN am 9. Dezember 2014 zu geben. Beim ECOFIN fand hierzu auf Grundlage des Berichts der Task Force und der dazu gehörigen Liste ein Gedankenaustausch statt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung dem Bundestag die beiden Dokumente im Zuge der Vorberichterstattung nach § 4 Absatz 4 EUZBBG übersandt. Die Organe der Union werden abschließend in Artikel 13 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union benannt. Die Task Force ist nicht enthalten. Die von den anderen Mitgliedstaaten der Task Force gemeldeten Projekte sind in dem Bericht der Task Force aufgeführt, der dem Bundestag von der Bundesregierung im Zuge der dargelegten Vorberichterstattung übermittelt wurde. 23. Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag die von ihr bei der Special Task Force eingereichten Dokumente über die deutschen Investitionsprojekte noch im Nachgang zu übersenden, oder erachtet die Bundesregierung mit der Übersendung der von der Special Task Force zusammengestellten Gesamtprojektliste ihre Übersendungs- und Berichtspflichten als erledigt? Die von der Bundesregierung eingereichte Zusammenstellung deutscher Investitionsprojekte ist in der europaweiten Liste der Task Force vollständig enthalten . Diese liegt dem Deutschen Bundestag seit dem 5. Dezember 2014 vor (vgl. Plenarprotokoll 18/75 Anlage 2 vom 17. Dezember 2014). 24. Wie erklärt die Bundesregierung, dass auf der Liste der Investitions-Pipeline Projekte im Offshore-Bereich aufgeführt sind, deren Refinanzierung über das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geplant ist? Mögliche Investitionsvorhaben wurden anhand der in der Antwort zu Frage 19 aufgeführten Kriterien ausgewählt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4006 25. Beabsichtigt die Bundesregierung oder ein anderer Investor, wie in der Projektliste aufgeführt, den Bau eines LNG-Terminals (Terminal für Flüssiggas ) in Schleswig-Holstein (Haitabu), und wenn nein, wieso findet sich dieses Projekt auf der Liste? 28. Welche Planungsfortschritte und Gespräche mit der Bundesregierung hat es innerhalb der letzten Monate gegeben, dass sich das Projekt „Haitabu“ als „not only important for the security of supply in Germany but also in the neighbouring countries“ (Projektliste) erwiesen hat? Die Fragen 25 und 28 werden wegen des engen sachlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung ist inzwischen bekannt geworden, dass es in der Privatwirtschaft Überlegungen für ein LNG-Terminal in Deutschland gibt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass LNG in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung der Bezugsquellen und zur Versorgungssicherheit leisten kann. 26. Beabsichtigt die Bundesregierung, an einem anderen Ort eine LNG-Infrastruktur aufzubauen, und falls ja, wann und wo? Die Entscheidung über Investitionen in LNG-Infrastruktur müssen die beteiligten Unternehmen treffen. Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde noch keine endgültige Investitionsentscheidung für ein solches Projekt in Deutschland getroffen . 27. Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Auslastungsgrad bestehender LNG-Terminals in Europa bei nur ca. 20 Prozent liegt (Bundestagsdrucksache 18/1299), und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für die Wirtschaftlichkeit für potenzielle LNG-Terminals in Deutschland? Der Bundesregierung ist bekannt, dass in Europa die Kapazitäten der Regasifizierungsanlagen für LNG insgesamt nur zu rund einem Viertel ausgelastet sind. Für die Wirtschaftlichkeit potenzieller LNG-Terminals ist vor allem die erzielbare Kapazitätsauslastung relevant, die ihrerseits von der künftigen Entwicklung der internationalen Preise für LNG im Verhältnis zu den hiesigen Erdgaspreisen bzw. der Konditionen der von den Unternehmen zu schließenden Bezugs- und Absatzverträge mitbestimmt wird. 29. Aus welchen Ländern würde nach Einschätzung der Bundesregierung LNG-Gas für ein derartiges Terminal geliefert werden (bitte Reihenfolge mit den zu erwartenden Mengen angeben)? Die Entscheidung über die Bezugsquellen von Erdgas liegt bei den Unternehmen . Nach Angaben der „Internationalen Gas Union“ haben Ende des Jahres 2013 weltweit 17 Länder LNG exportiert. Acht weitere Länder haben zuvor bezogenes LNG re-exportiert. 30. Welche Auswirkungen hat nach Einschätzung der Bundesregierung ein dauerhafter Ölpreis unter 100 Dollar/Barrel auf die auf dem Weltmarkt verfügbaren LNG-Mengen in den nächsten fünf bis zehn Jahren? Seit einigen Monaten ist ein Preisrückgang für LNG festzustellen. Zugleich ist ein Rückgang der Ölpreisbindung bei Abnahmeverträgen für LNG zu beobach- Drucksache 18/4006 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ten. Tendenziell führt ein Preisrückgang bei Energierohstoffen zu verminderter Explorationstätigkeit. Da jedoch Öl und Gas nur beschränkt gegeneinander substituierbar sind und weitere Einflussfaktoren eine Rolle spielen, sind keine gesicherten Prognosen über die künftige Verfügbarkeit von LNG auf den Weltmärkten möglich. 31. Hat die Bundesregierung im Zuge der Projektfindung für die InvestitionsPipeline auch Projekte für Energieeffizienz und Energieeinsparung vorgeschlagen , und wenn ja, wie erklärt sie, dass keines dieser Projekte ausgewiesen ist, obwohl die Senkung der Energienachfrage zentraler Baustein der Energieunion sein soll? Nein. Der Prozess der Zusammenstellung der Liste von Investitionsvorhaben war iterativ und konnte im Rahmen der zeitlichen Vorgaben lediglich zum Ziel haben, exemplarisch Projekte aus den verschiedenen, von der Task Force als relevant erachteten Sektoren zu identifizieren. Ein Schwerpunkt lag auf der Identifizierung von Projekten, die wegen bestehender Hemmnisse bisher nicht in Angriff genommen wurden, aber kurzfristig realisierbar wären. Zu unterstreichen ist, dass die in der Liste benannten Projekte nicht automatisch finanziert werden und umgekehrt nicht benannte Projekte von einer Finanzierung damit nicht ausgeschlossen sind. Insofern hat die Liste illustrativen Charakter. Die Übung war weder vollständig noch konklusiv. Sie stellte den Beginn, nicht den Abschluss der europäischen Investitionsinitiative dar. 32. Unterstützt die Bundesregierung Pläne, wonach auch Atomprojekte wie Hinkley Point C auf der Investitions-Pipeline aufgeführt sind und mithilfe europäischer Investitionsmittel finanziert werden sollen, und wenn nein, was unternimmt die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass diese Mittel in eine sichere und nachhaltige Energieversorgung investiert werden? 33. Unterstützt die Bundesregierung Pläne, wonach auch neue Kohlekraftwerksprojekte auf der Investitions-Pipeline aufgeführt sind und mithilfe europäischer Investitionsmittel finanziert werden sollen, und wenn nein, was unternimmt die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass diese Mittel in eine sichere und nachhaltige Energieversorgung investiert werden? 34. Unterstützt die Bundesregierung Pläne, wonach auch kommerzielle CCSProjekte auf der Investitions-Pipeline aufgeführt sind und mithilfe europäischer Investitionsmittel finanziert werden sollen, und wenn nein, was unternimmt die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass diese Mittel in eine sichere und nachhaltige Energieversorgung investiert werden? Die Fragen 32 bis 34 werden gemeinsam beantwortet. Die von der Task Force zusammengestellte Liste von Investitionsvorhaben war ein erster Schritt, um die Transparenz in Bezug auf Investitionstätigkeiten in der EU zu erhöhen. Die in der Liste benannten Projekte werden nicht automatisch finanziert und umgekehrt sind nicht benannte Projekte von einer Finanzierung nicht ausgeschlossen. Die Bundesregierung hatte keinen Einfluss auf die Benennung von Projekten durch Dritte. Es kann folglich auch nicht daraus geschlossen werden, dass die Bundesregierung sämtliche auf der Liste der Task Force stehenden Projekte unterstützt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333