Deutscher Bundestag Drucksache 18/4011 18. Wahlperiode 13.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sigrid Hupach, Jan Korte, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3876 – Ausgestaltung des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung hat einen bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung mit einem Schwerpunkt auf den „deutschen Vertriebenen “ eingeführt, der erstmals am 20. Juni 2015 begangen werden soll. Zur Ausgestaltung dieses Gedenktages gibt es eine Reihe von Fragen. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Mitte des Jahres 2014 waren nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit 56,7 Millionen Menschen auf der Flucht; viele als Flüchtlinge im Ausland, der größere Teil als Vertriebene im eigenen Land. Flucht und Vertreibung sind aber auch Teil der europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert. Millionen Menschen mussten im Kontext des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges ihre Heimat verlassen. Die Vertreibung der europäischen Juden fand ihr grauenvolles Ende in den Vernichtungslagern. Auch Millionen Deutsche mussten schließlich aufgrund von Flucht, Vertreibung, Zwangsumsiedlung und Deportation ihre angestammte Heimat verlassen. Die historische Aufarbeitung dieser Ereignisse sowie die Erinnerung und das Gedenken an die Opfer werden von der Bundesregierung nachhaltig unterstützt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung am 27. August 2014 beschlossen , dass ab dem Jahre 2015 jährlich am 20. Juni der Opfer von Flucht und Vertreibung gedacht werden soll. Mit dem Datum 20. Juni knüpft die Bundesregierung an den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen (VN) an und erweitert das Flüchtlingsgedenken um das Schicksal der Vertriebenen. Durch den „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ soll auch deutlich gemacht werden, dass der Wille und die Kraft zu Versöhnung und NeuDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. anfang, zu gemeinsamem Aufbau und Zusammenhalt in der Gesellschaft das Fundament bilden, auf dem unser Land heute Menschen aus 190 Nationen eine Heimat bietet. Drucksache 18/4011 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Seit wann wurde die Idee eines bundesweiten Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung verfolgt? Welche Initiativen für einen solchen Gedenktag sind der Bundesregierung bekannt, die vor der Initiative der sächsischen CDU aus dem Jahr 2001 zu datieren sind (Fraktion der CDU im sächsischen Landtag, Antrag „Vertreibung gedenken – Versöhnung erreichen“, Landtagsdrucksache 3/5341, 14. November 2001)? 2. War der Bundesregierung bereits vor Januar 2002, als das Bundesministerium des Innern durch den damaligen sächsischen Innenminister Klaus Hardraht unterrichtet wurde (vgl. Brief von Klaus Hardraht an Dr. Otto Schily – Stellungnahme des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zum Antrag der Fraktion der CDU, Landtagsdrucksache 3/5341, Aktenzeichen 45-0141.53/168), eine Initiative für einen Gedenktag zu Flucht und Vertreibung bekannt? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Seit vielen Jahren wurde gefordert, einen nationalen Gedenktag für die Vertriebenen zu schaffen. Die Initiative für einen Gedenktag ging dabei maßgeblich auf den Bund der Vertriebenen (BdV) zurück. Entsprechende Forderungen des BdV sind der Bundesregierung jedenfalls seit der ersten Jahreshälfte 2001 bekannt. 3. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass die landesweiten Gedenktage zu Flucht und Vertreibung in Bayern, Hessen und Sachsen bewusst in das zeitliche Umfeld vom Tag der Heimat gelegt wurden, anstatt sich dem Beschluss des Deutschen Bundestages zu einem Gedenktag am 20. Juni als Ausdruck eines erweiterten Gedenkens anzuschließen? 4. Wie wird sich der Gedenktag auf Bundesebene von denen auf Landesebene in Bayern, Hessen und Sachsen unterscheiden? Die Fragen 3 und 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Hessische Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation , der Bayerische Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation und der Sächsische Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung beziehen sich ausweislich der jeweiligen Proklamationstexte auf das Schicksal der Heimatvertriebenen und Aussiedler. Der von der Bundesregierung beschlossene „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ knüpft an den Weltflüchtlingstag der VN an und erweitert das in diesem angelegte Gedenken an Flüchtlinge, Binnenvertriebene, Staatenlose und Rückkehrer auf der ganzen Welt um das Schicksal der Vertriebenen. 5. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der möglichen außenpolitischen Wirkung der mit dem Tag der Heimat verknüpften Gedenktage zu Flucht und Vertreibung auf Landesebene gegenüber Polen und Tschechien? Die Entscheidung zur Einführung des Gedenktages hat nach Kenntnis der Bundesregierung nicht zu negativen Reaktionen in Tschechien und Polen geführt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4011 6. Warum rückte die Bundesregierung zwischen 2011 (Beschluss vom 10. Februar 2011) und 2013 (Beschluss vom 13. Juni 2013) vom ursprünglich favorisierten Datum 5. August ab und wählte den 20. Juni? Welche Rolle spielten außenpolitische Bedenken dabei? Bei den genannten Beschlüssen handelt es sich um Beschlüsse des Deutschen Bundestages und nicht der Bundesregierung. Die Bundesregierung knüpft mit ihrer Entscheidung für den 20. Juni als Gedenktag an die Entscheidung der VN-Generalversammlung vom 4. Dezember 2000 (VN-Resolution 55/76) an, den 20. Juni zum Weltflüchtlingstag zu erklären. Dieser umfasst auch die Betroffenengruppe „von Flüchtlingen, Binnenvertriebenen , Staatenlosen und Rückkehrern auf der ganzen Welt“ und bildet damit den geeigneten Rahmen für das Gedenken an Flucht und Vertreibung als Teil unserer europäischen Geschichte. 7. Welche anderen Gedenktagesdaten wurden von der Bundesregierung neben dem 5. August und dem 20. Juni diskutiert? Wenn andere Gedenktagesdaten diskutiert wurden, warum wurden sie verworfen ? Es wurden in Vorbereitung des Kabinettbeschlusses vom 27. August 2014 neben dem 20. Juni keine weiteren Daten für den Gedenktag diskutiert. 8. Wie wird sich der Gedenktag a) vom bisher zentralen Vertriebenengedenken, dem Tag der Heimat und b) vom Volkstrauertag unterscheiden? Bei der seit 1950 jährlich stattfindenden zentralen Veranstaltung zum „Tag der Heimat“ handelt es sich um eine Veranstaltung des Bundes der Vertriebenen und nicht der Bundesregierung. Der Volkstrauertag wird als besonderer Gedenktag für die Opfer beider Weltkriege und der Gewaltherrschaft begangen. In der Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland, der Neuen Wache in Berlin, wird alljährlich am Volkstrauertag der Opfer durch eine stille Kranzniederlegung gedacht. In einem schlichten Zeremoniell werden durch den Bundespräsidenten und die Repräsentanten der anderen Verfassungsorgane des Bundes sowie des Landes Berlin, des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. und den Generalinspekteur der Bundeswehr Kränze niedergelegt. Ansprachen werden nicht gehalten. Die Bundesregierung plant, am Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung jährlich eine Gedenkstunde mit Reden und einer musikalischen Umrahmung durchzuführen. Eine Kranzniederlegung ist nicht geplant. Die würdige Begehung des Gedenktages soll Gelegenheit bieten, die Themen Flucht und Vertreibung im gesellschaftlichen Bewusstsein zu stärken und historisches und aktuelles Geschehen zu vergegenwärtigen. Drucksache 18/4011 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Ist eine zentrale Veranstaltung für den Gedenktag am 20. Juli 2015 geplant ? Welche Überlegungen gibt es bezüglich eines Ortes für eine zentrale Gedenkveranstaltung ? Ja, für den 20. Juni 2015 ist eine zentrale Gedenkstunde geplant (siehe Antwort zu Frage 8). Sie wird am 20. Juni 2015 im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums in Berlin stattfinden. 10. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung darüber hinaus für die konkrete Ausgestaltung des Gedenktages, und mit welchen Kooperationspartnern ist sie im Gespräch? Die Planungen zur Durchführung des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung sind noch nicht abgeschlossen. 11. Wurde die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ als von der Bundesregierung eingesetztes Expertengremium zum Thema beratend um Auskunft zum Gedenktagesdatum oder zur Ausgestaltung gebeten? Wird der Bund der Vertriebenen als Opfervertretung in die Planungen einbezogen ? Auf die Antwort zu Frage 10 wird hingewiesen. Die Bundesstiftung Flucht, Vertreibung , Versöhnung wurde hinsichtlich des Gedenktagdatums nicht eingebunden (siehe auch Antwort zu Frage 7). Eine Einbindung hinsichtlich der Ausgestaltung ist bisher nicht erfolgt. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius, wurde über die bisherigen Planungen unterrichtet. 12. Gibt es über die bereits genannten Institutionen hinaus weitere staatliche und nichtstaatliche Akteure, die in die Planungen für den Gedenktag eingebunden werden sollen (bitte mit Auflistung der einbezogenen Akteure)? Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. 13. Wie werden im Sinne der „Versöhnung“ beispielsweise Polen und Tschechien mit eingebunden? Gab es im Rahmen der Planungen des Gedenktages Konsultationen vonseiten der Bundesregierung mit Vertretern der Republik Polen und der Tschechischen Republik? Wenn ja, wann, in welchem Umfang und auf welchen politischen Ebenen? Wenn nein, warum nicht? Vertreter der Republik Polen und Tschechien wurden im Rahmen der Planungen durch das Auswärtige Amt und die deutschen Botschaften in Prag und Warschau unterrichtet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4011 14. Aus welchem Haushaltstitel stammen die 75 000 Euro für den Gedenktag , die bei der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses am 13. November 2014 laut Hartmut Koschyk zugesagt worden sein sollen (www.koschyk.de/allgemein/koschyk-foerderung-von-aussiedlern-undnationalen -minderheiten-bleibt-2015-auf-bisherigem-niveau-19943.html), und wofür soll dieses Geld ausgegeben werden? Zur Finanzierung des Gedenktages hat der Haushaltsausschuss in der Bereinigungssitzung am 13. November 2014 im Einzelplan 06 des Bundesministeriums des Innern (Kapitel 06 01 Titel 532 47) einen Ansatz in Höhe von 75 000 Euro für das Jahr 2015 ausgebracht. Die Mittel sind zur Deckung der im Rahmen der Gedenkstunde entstehenden Kosten gedacht (z. B. Anmietung der Räumlichkeit , Ausgestaltung der Räumlichkeit). 15. Wie gedenkt die Bundesregierung, die historische Kontextualisierung für den Gedenktag sicherzustellen? Wie werden die Ursachen von Flucht und Vertreibung der Deutschen vermittelt werden? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Gesamtherstellung: H. 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