Deutscher Bundestag Drucksache 18/4017 18. Wahlperiode 17.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3903 – Gruppe der EU9 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut der Europäischen Kommission ist eine „EU9 group“ aus neun Innenministerien der Europäischen Union damit befasst, Maßnahmen gegen „ausländische Kämpfer“ zu entwickeln und umzusetzen (Antwort der Europäischen Kommission , E-005638/2014). Diese Gruppe arbeite dabei eng mit dem Anti-TerrorKoordinator der Europäischen Union zusammen. Der Rat der Europäischen Union sei nicht Teil des Prozesses der „EU9“. Unbekannt ist aber, wer die Einrichtung der Gruppe überhaupt anregte und über welche Aufgaben und Kompetenzen diese verfügt. Laut dem Anti-Terror-Koordinator der Europäischen Union sei deren Gründung in den Jahren 2013 und 2014 auf eine belgisch-französische Initiative erfolgt (www.statewatch.org/news/2015/jan/eu-2014-10-10- 13971-report-implementation-ct-strategy.pdf). Demnach vereine die von Belgien geführte, weitgehend unbekannte Gruppe die neun am meisten vom Phänomen „ausländischer Kämpfer“ betroffenen Staaten. Bei Treffen würden Informationen über Bedrohungen ausgetauscht und gemeinsame Maßnahmen verabredet . Es kann nach Ansicht der Fragesteller davon ausgegangen werden, dass dabei die halbjährlichen Empfehlungen des Anti-Terror-Koordinators der Europäischen Union zu neuen Maßnahmen gegen Terrorismus eine große Rolle spielen. Im Juli 2014 hatten die „EU9“ die verstärkte Nutzung des Schengener Informationssystems (SIS II), gezielte Grenzkontrollen, mehr Informationsaustausch mit der Polizeiagentur der Europäischen Union „Europol“ und die „praktische Kooperation“ beschlossen. Allerdings ist unklar, welchen Rang solche Beschlüsse von lediglich neun Innenministerien überhaupt haben. Laut dem Anti-Terror-Koordinator der Europäischen Union würden diese dann auf Ebene der Europäischen Union „beworben“ („promoted“). Die Maßnahmen richten sich aber nicht nur gegen „ausländische Kämpfer“, sondern führen auch zu mehr Überwachung und damit zu weitgehenden Einschränkungen von Bürger- und Freiheitsrechten. Formate wie die „EU9“ sind geeignet, die Durchsetzung der Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 16. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Maßnahmen ohne eine ausreichende gesellschaftliche Debatte oder demokratische Kontrolle zu beschleunigen. Drucksache 18/4017 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Bei der sog. EU 9-Gruppe handelt es sich um eine Reihe von Treffen der Innenminister der EU-Mitgliedstaaten Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Niederlande, Schweden und Spanien (inzwischen auch Österreich, Polen und Italien), welche seit Mitte 2013 zumeist im Vorfeld oder am Rande der Justiz- und Innenräte stattfanden, um sich zu dem Phänomen der sog. foreign fighters auszutauschen. Die Treffen finden auf Einladung Belgiens statt, welches auch den Teilnehmerkreis der durch das Phänomen der sog. foreign fighters am stärksten betroffenen EU-Mitgliedstaaten bestimmte. Üblicherweise nehmen an den Treffen zudem die Europäische Kommission und der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung teil. Ziel der Treffen ist es, eine stärkere Koordination der EU-Mitgliedstaaten zu denjenigen Aspekten des Themenbereiches foreign fighters zu erreichen, die sowohl eine enge Kooperation zwischen den EU-Mitgliedstaaten als auch innerhalb des Rates der Europäischen Union erfordern. Die Treffen haben sich als impulsgebend für Aktivitäten erwiesen, die auf Ebene der Europäischen Union (EU) weiterverfolgt werden. Die Ministertreffen fanden bislang wie folgt statt: Juni, Oktober und Dezember 2013 sowie Mai und Juni 2014 in Brüssel, Juli 2014 in Mailand und Dezember 2014 in Brüssel. Deutschland war auf allen Treffen vertreten. 1. Wann wurde die „EU9 group“ nach Kenntnis der Bundesregierung gegründet , und wer gehört bzw. gehörte ihr an? 2. Von wem und auf welche Weise wurden die teilnehmenden Staaten bestimmt ? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 3. Über welche Aufgaben und Kompetenzen verfügt die Gruppe? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 4. Inwiefern existieren weitere Unterarbeitsgruppen, Sekretariate oder sonstige Einrichtungen im Rahmen der „EU9“? Es bestehen keine Einrichtungen im Sinne der Frage, da es sich um keine institutionalisierte Gruppe, sondern um eine Kooperation einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten handelt, die im Rahmen der üblichen exekutiven zwischenstaatlichen Zusammenarbeit stattfindet. 5. Welche Aufgabe kommt dem Anti-Terror-Koordinator der Europäischen Union im Rahmen der „EU9“ zu? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Über seine Teilnahme an den Treffen hinaus nimmt der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung keine spezifischen Aufgaben wahr. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4017 6. Welche Treffen haben nach Kenntnis der Bundesregierung seit ihrer Gründung stattgefunden? 7. Wer richtete diese jeweils aus? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 8. Welche Tagesordnungspunkte hatten die Treffen? Die Treffen wurden von Belgien nicht anhand einer festgelegten Tagesordnung geleitet, sondern dienten vielmehr dem offenen Austausch über die jeweils aktuelle Gefährdungslage im Zusammenhang mit dem Phänomen der sog. foreign fighters sowie über die einschlägigen Aspekte der Thematik, wie beispielsweise den Grenzschutz, den bilateralen und europäischen Informationsaustausch , die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und die Prävention von Radikalisierung und Rekrutierung. 9. Zu welchen der Treffen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Agenturen, Behörden, Regierungen eingeladen? Nach Kenntnis der Bundesregierung waren zu dem Treffen im Dezember 2013 auch Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Kanadas und Australiens und zu dem Treffen im Mai 2014 Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Jordaniens, Marokkos, Tunesiens und der Türkei eingeladen. 10. Welche Beschlüsse wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Treffen jeweils gefasst? Bei den Treffen wurden keine formalen Beschlüsse gefasst, jedoch einigten sich die teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten auf dem am Rande des Informellen Justiz - und Innenrates von Mailand stattfindenden Treffen im Juli 2014 auf gemeinsame Schlussfolgerungen. In diesen sprachen sich die teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten für eine systematische und koordinierte Nutzung bereits existierender Möglichkeiten zum Informationsaustausch aus, wobei die Nutzung des Schengener Informationssystems, gezielte Grenzkontrollen, die Übermittlung von Informationen an Europol, der Informationsaustausch allgemein sowie zwischen nationalen Behörden im Kontext der sog. foreign fighters und praktische Kooperationen herausgestellt wurden. Zudem wurde eine Initiative des EUKommissars für Migration, Inneres und Bürgerschaft begrüßt, ein Treffen mit der Industrie organisieren zu wollen, um den Herausforderungen durch Radikalisierung im Internet künftig besser begegnen zu können. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 11. Wo und von wem wurde nach Kenntnis der Bundesregierung daraufhin für deren Übernahme auf Ebene der Europäischen Union „geworben“? Belgien hat die in der Antwort zu Frage 10 erwähnten Schlussfolgerungen im Nachgang allen EU-Mitgliedstaaten als Ratsdokument zur Kenntnis gebracht. Drucksache 18/4017 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Was ist der Bundesregierung über die Haltung anderer Mitgliedstaaten der „EU9“ bekannt, Diensteanbieter im Internet dazu zu verpflichten, Hintertüren zum Abhören verschlüsselter Kommunikation vorzuhalten, und wer trug hierzu mit welchem Inhalt bereits vor? Der Bundesregierung liegen keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor. Eine Verpflichtung von Diensteanbietern zum Einbau von „Hintertüren“ war nicht Gegenstand der besagten Treffen. 13. Was ist der Bundesregierung über die Haltung anderer Mitgliedstaaten der „EU9“ bekannt, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung trotz ablehnendem Votum des Parlaments der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofes wieder einzuführen, und wer trug hierzu bei der „EU9“ mit welchem Inhalt bereits vor? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat sich bislang Österreich dafür ausgesprochen , dass die Vorbereitungen einer neuen Richtlinie zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten aufgenommen werden. Die Haltung Österreichs war jedoch nicht Gegenstand der besagten Treffen. 14. In welchem Format haben sich die Innenministerien welcher Mitgliedstaatten der Europäischen Union nach Kenntnis der Bundesregierung nach den Anschlägen in Frankreich am 7. Januar 2015 in Paris getroffen? Bei dem Treffen der Innenminister am 11. Januar 2015 in Paris haben die Innenminister folgender EU-Mitgliedstaaten teilgenommen: Frankreich, Lettland, Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Italien, Niederlande, Polen, Großbritannien und Schweden. Darüber hinaus war der EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft und der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung sowie der US-Justizminister und der Staatssekretär im US Department of Homeland Security bei dem Treffen anwesend. a) Wie kam nach Kenntnis der Bundesregierung die Auswahl der nach Information der Fragesteller zehn anwesenden Innenminister der Europäischen Union zustande? Die Einladung zu dem Treffen der Innenminister am 11. Januar 2015 nach Paris ist durch das französische Innenministerium erfolgt. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis davon, nach welchen Kriterien die Auswahl der Gäste erfolgt ist. b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, aus welchem Grund nach Information der Fragesteller Österreich nicht an dem Treffen teilnahm ? Auf die Antwort zu Frage 14 wird verwiesen. 15. Nach welchem Verfahren wurde nach Kenntnis der Bundesregierung eine Sondersitzung des Ständigen Ausschusses für die innere Sicherheit (COSI) am 20. Januar 2015 anberaumt? Das Verfahren über die Einberufung von Ratsgremien richtet sich nach der Geschäftsordnung des Rates. Über die Einberufung von Ratsgremien entscheidet die Präsidentschaft. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4017 a) Welche einzelnen Themen zu „Terrorismus“ standen auf der Tagesordnung ? Die Tagesordnung ergibt sich aus dem Dokument 5352/15 JAI 27 COSI 6 vom 16. Januar 2015. b) Welche Beschlüsse wurden gefasst? Die Ergebnisse der Sitzung ergeben sich aus den Drahtberichten BRUEEU Nr. 181 und Nr. 182 vom 22. Januar 2015. 16. Inwiefern sieht auch die Bundesregierung, wie in der Erklärung von Innenministern der Staaten Frankreich, Belgien, Spanien, Polen, Großbritannien bereits im September 2014 unterzeichneten Absichtserklärung zur beschleunigten Durchsetzung eines PNR-Abkommens der Europäischen Union (PNR – Passenger Name Record, Fluggastdatensatz) (www.nopnr.org/ mitgliedstaaten-wollen-auch-ohne-eu-pnr-datenaustausch-von-reisedaten/) niedergelegt, ein Defizit, das behoben werden muss? Gegenstand der Absichtserklärung ist nicht ein EU-PNR-Abkommen, sondern der Entwurf einer Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zur Bekämpfung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität (EUPNR -Richtlinienentwurf – COM(2011) 32 final), der derzeit dem Europäischen Parlament (EP) vorliegt. Angesichts der aktuellen Entwicklung in Syrien und im Irak sowie der damit verbundenen von zurückkehrenden terroristischen Kämpfern ausgehenden Gefahr müssen den Sicherheitsbehörden alle geeigneten Instrumente zur Verfügung stehen, um nach den Anschlägen in Brüssel und Paris weitere Anschläge in Europa zu verhindern. Nach Überzeugung der Bundesregierung kann ein EUPNR -System zusätzlich zur Nutzung von API-Daten einen Mehrwert für die Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität (z. B. Drogenhandel und Schleusungen) darstellen, denn PNR-Daten können der besseren und frühzeitigeren Feststellung von Reisebewegungen (einschließlich Ausreisen) dienen und somit Rückschlüsse auf den (vergangenen oder geplanten) Aufenthalt in Terrorcamps ermöglichen. 17. Inwiefern war diese Erklärung nach Kenntnis der Bundesregierung bereits auf Treffen der G6 beraten worden, zumal die unterzeichnenden Staaten allesamt Mitglieder der G6 sind? Die in Frage 16 genannte Absichtserklärung war kein Thema bei den Sitzungen der vorangegangenen G6-Treffen. 18. Welche existierenden nationalen bilateralen und EU-Regelungen könnten aus Sicht der Bundesregierung zur beschleunigten Durchsetzung eines PNR-Abkommens der Europäischen Union genutzt werden (bitte komplett aufzählen)? Es gibt weder nationale bilaterale noch EU-Regelungen, die „zur beschleunigten Durchsetzung“ des EU-PNR-Richtlinien-Entwurfs genutzt werden könnten. Vielmehr hängt der weitere Zeitplan maßgeblich davon ab, wann das Europäische Parlament eine Stellungnahme zum Richtlinienentwurf beschließen wird. Drucksache 18/4017 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 19. Votiert die Bundesregierung für die Verarbeitung von Fluggastdaten auch auf Flügen innerhalb der Europäischen Union, und wenn ja, aus welchem Grund? Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung zu dieser Frage ist noch nicht abgeschlossen. Der vom Rat für Justiz und Inneres im April 2012 mehrheitlich gebilligte Richtlinienentwurf sieht dies jedoch als Option vor. 20. Was ist der Bundesregierung über Vorschläge oder Pläne bekannt, ein Auslieferungsabkommen der Europäischen Union mit den USA zu schließen? Zu aktuellen Vorhaben oder Plänen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Auf das Abkommen vom 25. Juni 2003 zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung wird hingewiesen . 21. Was ist der Bundesregierung über Pläne bekannt, eine „Sicherheitserklärung “ zwischen der Europäischen Union und den USA abzuschließen, und worum handelt es sich dabei? a) Wann und wo wurde diese „Sicherheitserklärung“ bislang beraten? b) Welche Behörden wären „Partner“ einer solchen „Sicherheitserklärung “? c) Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung eine solche „Sicherheitserklärung “ für erforderlich oder entbehrlich? Ohne Spezifizierung ist keine Antwort möglich. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333