Deutscher Bundestag Drucksache 18/4024 18. Wahlperiode 16.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Roland Claus, Caren Lay, Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3830 – Bericht über die Weiterleitung von Akten aus der Stasi-Unterlagenbehörde über das Bundesministerium des Innern an die National Security Agency im Jahr 1992 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit Januar 2014 ist der Dokumentarfilm „Land unter Kontrolle“ in verschiedenen Fernsehsendern der Bundesrepublik Deutschland – unter anderem „3sat“ und „ZDF-Info“ – mehrfach ausgestrahlt worden. Der Film ist in der Media- thek von „3sat“ unter dem Datum 27. Januar 2014 in voller Länge abrufbar (www.3sat.de/, Stand: 23. Januar 2015). Der Texttrailer auf der Homepage lautet: „Die Bundesrepublik ist ein überwachtes Land, das beweist der NSA-Skandal. Und es war nie anders. ‚Kulturzeit extra: Land unter Kontrolle‘ blickt auf die bundesdeutsche Geschichte der Überwachung von ihren Anfängen bis heute.“ Folgt man der Sequenz des Films von Minute 19:00 bis Minute 22:06, so hat der seinerzeitige Direktor beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Hansjörg Geiger, im Jahr 1992 eine hochgeheime Anforderungsliste der National Security Agency (NSA) zusammen mit 20 laufenden Aktenmetern „von Hand zu Hand an den Innenminister übergeben“, und dieser „händigte die Akten ungesichtet 1992 den Amerikanern aus“. Dieser Vorgang ist bereits im Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ (Nr. 30/1999, S. 52 bis 53) unter der Überschrift „Spurenvernichtung im Amt“ beschrieben und kommentiert worden. Dort heißt es u. a.: „Die Stasi hatte Beweise dafür gesammelt, dass US-Agenten die Bundesregierung ausspionierten. Doch nach der Wende ließ das Bonner Innenministerium die belastenden Akten von bewaffneten Grenzschützern abholen und nach Washington bringen. Die stählernen Container bargen ein Staatsgeheimnis: 13.088 Seiten Dokumente. […] Kernstück der Sammlung war die sogenannte National Sigint Requirement List (NSRL), ein 4258 Seiten starkes Dokument, in dem die NSA festlegt, in welchen Ländern was abDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 12. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. gehört werden soll.“ Neben der überragenden Bedeutung, die dieser Vorgang für die Geschichte der Aktivitäten der NSA in Deutschland und für die Verbindungen zwischen der NSA und deutschen Behörden im Allgemeinen besitzt, stellen sich im Beson- Drucksache 18/4024 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode deren auch Fragen zur Tätigkeit des seinerzeitigen BStU, Joachim Gauck. Dieser hat in seinem „Ersten Tätigkeitsbericht“ (auf Bundestagsdrucksache 12/5100 vom 11. Juni 1993) unter Punkt 6.7 „Verwendung der Unterlagen für Zwecke der Nachrichtendienste“ erklärt: „Bisher hat es noch keinen Fall gegeben, in dem der Bundesminister des Innern die ersatzlose Herausgabe von Unterlagen angeordnet hat, die das StuG unter engen Voraussetzungen erlaubt.“ (S. 67). Der Widerspruch zum Fakt der Aktenübergabe 1992 ist evident. 1. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die im Dokumentarfilm „Land unter Kontrolle“ aus dem Jahr 2014 und im Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ aus dem Jahr 1999 beschriebene Übergabe von Akten aus dem Bestand des BStU an das Bundesministerium des Innern (BMI) abgelaufen? Die US-Regierung hat die Bundesregierung im April 1992 um Herausgabe amerikanischer Verschlusssachen (VS) gebeten, die das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in seinen Besitz gebracht hatte und die sich daher in den Beständen des BStU befanden. Auf Ersuchen des Bundesministeriums des Innern (BMI) hat der BStU die Unterlagen im Juli 1992 nach § 11 Absatz 2 Satz 3 Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) an das BMI herausgegeben. Nach dieser Norm sind Unterlagen zwischen- oder überstaatlicher Organisationen und ausländischer Staaten, die in die Geheimhaltungsgrade VS-Vertraulich und höher eingestuft sind und zu deren Schutz vor unbefugter Kenntnisnahme die Bundesrepublik Deutschland aufgrund völkerrechtlicher Verträge verpflichtet ist, an den Bundesminister des Innern als nationale Sicherheitsbehörde herauszugeben. Das BMI hat anschließend das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gebeten, die Dokumente auf der Ebene der Dienste an die US-Seite zurückzugeben. Das BfV hat die Unterlagen darauf an das Federal Bureau of Investigation (FBI) übergeben. Ob und ggf. auf welchem Weg die Unterlagen anschließend auf der US-Seite weitergegeben wurden, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 2. Wer hat wem die Weisung zu dieser Übergabe erteilt? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Wer hat die Weisung zu dieser Übergabe entgegengenommen, und wem gegenüber ausgeführt? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Wie erklärt sich die Bundesregierung den Widerspruch zwischen dem Fakt der Aktenübergabe im Jahr 1992 und der Aussage des BStU, Joachim Gauck, vom 11. Juni 1993 (vgl. Bundestagsdrucksache 12/5100), wonach es „keinen Fall“ einer solchen Aktenübergabe an das BMI gegeben habe? Die Aussage im ersten Tätigkeitsbericht des BStU (S. 67), es habe bisher „noch keinen Fall gegeben, in dem der Bundesminister des Innern die ersatzlose Herausgabe von Unterlagen“ angeordnet habe, bezog sich auf Fälle im Sinne von § 25 Absatz 4 StUG (Verwendung von Unterlagen für Zwecke der Nachrichtendienste ). Die vom BMI 1992 geforderte Herausgabe (siehe Antwort zu Frage 1) erfolgte auf der Grundlage von § 11 StUG. Insofern gibt es den behaupteten Widerspruch nicht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4024 5. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass der Beirat des BStU, der laut Bundestagsdrucksache 12/5100 (S. 10 und 76) mit dem BStU den Bericht diskutiert bzw. beraten hat, der Aussage zugestimmt hat, wonach es „keinen Fall“ einer solchen Aktenübergabe an das BMI gegeben habe? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 6. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Weitergabe der Akten an die NSA erfolgt? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 7. Hat es nach der Übergabe der Akten an die NSA eine Zusammenarbeit zwischen der NSA und deutschen Behörden zur Auswertung der Akten gegeben ? Wenn ja, welche Behörden waren einbezogen? Nach Rückgabe der Unterlagen an die US-Seite hat es keine Zusammenarbeit zwischen BfV oder Bundesnachrichtendienst und der NSA zu deren Auswertung gegeben. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333