Deutscher Bundestag Drucksache 18/4054 18. Wahlperiode 20.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bärbel Höhn, Uwe Kekeritz, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3797 – Agrarhandel und Ernährungssouveränität Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2000 hatten sich die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet , die Zahl der Hungernden bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Auch wenn sich die Lage laut Welthungerindex (WHI) verbessert hat, wird das Ziel klar verfehlt werden. Aktuell leiden immer noch 850 Millionen Menschen an Hunger und Unterernährung, die Hälfte davon Kleinbauern, 2,5 Milliarden Menschen sind mangelernährt. Einige Entwicklungs- und Schwellenländer haben deshalb in den letzten Jahren Programme entwickelt, die eine ausreichende und ausgewogene Ernährung der Menschen gewährleisten sollen. Teilweise stehen diese Programme in Konflikt mit internationalen Handelsregeln, wie beispielsweise das indische Nahrungsmittelprogramm , an dem beinahe der im November 2013 mühsam errungene Bali-Kompromiss im Rahmen der Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) zu scheitern drohte. Nachdem die neugewählte indische Regierung den Bali-Beschluss in Frage stellte, wurde Indien von den WTO-Mitgliedern im September 2014 zugesichert, dass die Friedensklausel, die verhindert, dass das indische Nahrungshilfeprogramm zu einem WTO-Streitfall wird, unbefristet gilt, solange es keine Einigung über eine Änderung des WTO-Agrarabkommens im Rahmen der Doha-Runde gibt. Daraufhin ist im November 2014 das sogenannte Bali-Paket von allen Mitgliedern unterzeichnet worden. Bis zur Ratifizierung durch zwei Drittel der Mitglieder wird es nun vorläufig angewendet . Unter dem gegenwärtigen Kompromiss genießen allerdings nur bestehende Nahrungshilfsprogramme Bestandsschutz. Bei Auflage neuer Programme müssen andere Länder vorerst die bisherigen restriktiven WTO-Regeln einhalten. Zudem dürfen bestehende Programme, auch das indische (welches sich bisher auf Reis und Weizen konzentriert), nicht um weitere Lebensmittel erweitert werden. Entscheidend ist deshalb, ob es bald zu einer Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 18. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Anpassung der WTO-Regeln kommt, die den Schwellen- und Entwicklungsländern eine dauerhafte Flexibilität zur Unterstützung kleinbäuerlicher Produzentinnen und Produzenten in Kombination mit Programmen zur Ernährungssouveränität gewährleisten. Drucksache 18/4054 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Abgesehen von dem momentan gefundenen Minimalkompromiss stellen sich auch prinzipielle Fragen zur Flexibilität beziehungsweise Anpassungsfähigkeit an veränderte Rahmenbedingungen der vor 20 Jahren entworfenen WTO-Regeln in Bezug auf die Ernährungssicherung. Nach wie vor orientieren sich die Referenzpreise zur Berechnung der Marktpreisstützung am Beobachtungszeitraum 1986 bis 1988 – ohne Anpassungsmechanismen oder Inflationsbereinigung . Vor dem Hintergrund sich verändernder Agrarmärkte und dem Erstarken neuer Marktakteure aus Schwellenländern stellt sich immer drängender die Frage, wie multi- und bilaterale Handelsregeln geändert werden müssen, um mehr Spielräume für hungerreduzierende staatliche Programme, die gleichzeitig lokale Nahrungsproduzenten fördern, zu erhalten und gegebenenfalls neue zu schaffen. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Übereinkommen der Welthandelsorganisation (WTO) bieten die rechtlichen Rahmenbedingungen für den internationalen Handel. Sie bauen auf den seit dem Jahr 1947 bestehenden Vereinbarungen des Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT) auf und ergänzen diese. Sie unterwerfen erstmalig auch den Agrarhandel völkerrechtlich verbindlichen Regeln und bieten so Rechtssicherheit für alle Handelsbeteiligten. Ziel der Vereinbarungen ist es, Wohlfahrtsgewinne auf Basis der komparativen Kostenvorteile und der internationalen Arbeitsteilung zu erzielen. Kern der Vereinbarungen sind Nichtdiskriminierung und offene Märkte – keineswegs ungezügelter Freihandel. Alle Mitglieder können ihrer Meinung nach geeignete Maßnahmen zur Ernährungssicherung treffen, sofern diese nicht den Grundprinzipien widersprechen. Außerdem lässt das Agrarabkommen gerade wegen des wichtigen Ziels der Ernährungssicherung zusätzlichen Spielraum für die WTO-Mitglieder. Aus der Erkenntnis heraus, dass bestimmte Länder eine schwache Ausgangsposition im System der internationalen Arbeitsteilung haben, gibt es umfangreiche Ausnahmen für Entwicklungsländer im WTO-Recht. Außerdem sind die Mitgliedstaaten gefordert, Entwicklungsländern präferenziellen Marktzugang einzuräumen. Die Möglichkeit, Schutzmaßnahmen gegen unlauteres Verhalten von Staaten und Marktteilnehmern, oder wenn die eigene Wirtschaft benachteiligt oder unmittelbar bedroht ist, zu erlassen, gibt weiteren Spielraum. Die Mitgliedschaft in der WTO ist freiwillig. Die Europäische Union (EU) und die Bundesregierung stehen zu den Zielen der WTO. Sie haben mit umfangreichen Programmen zur Hilfe für den Handel sowie präferenziellen Marktzugangsbedingungen für die Entwicklungsländer ihren Beitrag zur Integration der Entwicklungsländer in den Handel geleistet. Die Umsetzung des Rechts auf Nahrung bleibt im Kern eine Aufgabe der jeweiligen Regierungen. Sie haben dafür zu sorgen und sind dafür verantwortlich, dass die politische Umsetzung der Maßnahmen und Nutzung der verfügbaren Politikinstrumente, die ein Beitrag zur Reduktion von Hunger und Mangelernährung leisten, erfolgt. Das WTO-Regelwerk ist für die Erreichung des Rechts auf Nahrung kein geeignetes Instrument – es stellt lediglich einen der Realität angepassten rechtlichen Rahmen dar. Innerhalb dieses Rahmens nutzt die EU die verfügbaren Spielräume , um Belange der Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern zu berücksichtigen . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4054 1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das globale Agrarhandelsvolumen in den vergangenen 20 Jahren entwickelt (bitte nach Jahren, Wert und Menge auflisten)? Die Entwicklung des Weltagrarhandelswertes zeigt die nachstehende Tabelle. Mengen der diversen Welthandelsgüter werden üblicherweise nicht addiert. Tabelle 1: Entwicklung des Weltagrarhandels, 1994 bis 2013 2. Welche Staaten waren nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den Jahren 1994, 2004 und 2014 die Top-10-Agrarexporteure bzw. Agrarimporteure , und wie hat sich die damit verbundene Verschiebung der Interessen bislang in den WTO-Regeln niedergeschlagen? Die nachstehende Tabelle 2 enthält, wie in der Frage erbeten, die Rangliste der jeweils zehn größten Agrarexport- und Agrarimportstaaten in den Jahren 1994, 2004 und 2013. Daten für das Jahr 2014 sind noch nicht verfügbar. Jahr Wert (Mio. US-$) Agrarexport (fob) Agrarimport (cif) 1994 390 017 413 284 1995 452 685 478 813 1996 477 955 508 600 1997 472 873 501 673 1998 458 577 488 061 1999 438 858 468 810 2000 431 141 461 521 2001 443 380 472 176 2002 470 714 501 392 2003 551 973 584 468 2004 629 501 666 991 2005 686 396 719 600 2006 757 559 783 692 2007 919 047 955 179 2008 1 117 431 1 168 967 2009 1 002 366 1 033 762 2010 1 124 829 1 145 485 2011 1 360 175 1 386 292 2012 1 372 648 1 468 176 2013 1 456 682 1 544 413 Anmerkung: Agrarhandel = „Food“ in der Abgrenzung der WTO nach dem internationalen Warenverzeichnis für die Außenhandelsstatistik (SITC, Abschnitte 0, 1 und 4 sowie Abteilung 22), einschließl. EU-Intrahandel Quelle: WTO Drucksache 18/4054 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tabelle 2: Rangfolge der Agrarexport- und Agrarimportstaaten Anmerkung: wie zur Übersicht zu Frage 1 Quelle: WTO Da es im Kontext der Anfrage um welthandelspolitische Themen geht, wird nachstehend in der Tabelle 3 auch die Rangfolge dargestellt, in der die Europäische Union als Zollunion erscheint. Rangfolge der Agrarexport- und Agrarimportstaaten Mio. US-$ 1994 2004 2013 Agrarexport (fob) USA 50 084 USA 59 789 USA 141 811 Frankreich 34 429 Niederlande 51 020 Niederlande 92 610 Niederlande 30 997 Frankreich 46 686 Deutschland 85 494 Deutschland 21 762 Deutschland 40 280 Brasilien 82 081 Belgien-Luxemburg 15 345 Brasilien 26 953 Frankreich 75 948 Verein. Königreich 14 097 Spanien 26 610 VR China 59 983 Kanada 12 870 Belgien 26 198 Spanien 48 769 Brasilien 12 606 Italien 23 513 Kanada 47 140 Italien 12 373 Kanada 23 186 Belgien 43 068 VR China 12 178 VR China 20 815 Italien 42 332 Agrarimport (cif) Japan 49 495 USA 66 729 USA 122 902 Deutschland 38 445 Japan 52 724 VR China 98 646 USA 34 695 Deutschland 52 577 Deutschland 96 919 Frankreich 25 912 Verein. Königreich 41 437 Japan 71 749 Verein. Königreich 23 300 Frankreich 36 167 Niederlande 65 495 Italien 20 772 Niederlande 33 478 Verein. Königreich 64 215 Niederlande 20 100 Italien 32 974 Frankreich 61 266 Belgien-Luxemburg 14 722 Spanien 24 601 Italien 49 771 Spanien 12 547 Belgien 23 408 Russland 41 760 Russland 10 649 VR China 21 121 Belgien 39 522 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4054 Tabelle 3: Rangfolge im Agrarexport und Agrarimport ohne EU-Intrahandel Quelle: WTO Hieraus wird teilweise deren Positionierung in der WTO deutlich. Die großen und wettbewerbsfähigen Agrarexporteure, auch aus den Entwicklungsländern, setzten auf eine weitgehende Agrarliberalisierung (Cairnsgruppe, vgl. www.wto. org/english/tratop_e/dda_e/negotiating_groups_e.htm), während Länder mit einer kleinräumigen und wenig wettbewerbsfähigen Agrarstruktur (G33-Definition siehe Cairnsgruppe) eher protektionistisch agieren, selbst dann, wenn sie Nettoexporteure von Agrargütern sind. Die Grundposition dieser Länder in der WTO hat sich im Laufe der Doha-Verhandlungen nicht grundlegend geändert. Geändert hat sich die wirtschaftliche Lage einiger Länder. Während die WTO keine Kategorie „Schwellenländer“ kennt und Ausnahmen für Entwicklungsländer sogar von Mitgliedern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), wie Mexiko oder Südkorea, oder von den sogenann- Rangfolge im Agrarexport und Agrarimport Mio. US-$ 1994 2004 2013 Agrarexport (fob) USA 50 084 EU-25 64 230 EU-28 144 699 EU-12 47 900 USA 59 789 USA 141 811 Kanada 12 870 Brasilien 26 953 Brasilien 82 081 Brasilien 12 606 Kanada 23 186 VR China 59 983 VR China 12 178 VR China 20 815 Kanada 47 140 Australien 10 456 Australien 17 887 Argentinien 40 790 Thailand 9 513 Argentinien 16 519 Indien 37 429 Argentinien 8 207 Thailand 12 448 Indonesien 31 939 Malaysia 5 814 Mexiko 10 147 Australien 30 057 Neuseeland 5 226 Malaysia 10 066 Thailand 29 368 Agrarimport (cif) EU-12 58 210 EU-25 83 250 EU-28 147 684 Japan 49 495 USA 66 729 USA 122 902 USA 34 695 Japan 52 724 VR China 98 646 Russland 10 649 VR China 21 121 Japan 71 749 Hongkong 9 480 Kanada 15 780 Russland 41 760 Kanada 8 927 Russland 12 495 Kanada 34 343 Mexiko 6 598 Mexiko 12 439 Rep. Korea 25 285 Rep. Korea 5 883 Rep. Korea 10 987 Mexiko 25 113 Singapur 5 360 Hongkong 8 742 Hongkong 24 374 VR China 5 078 Saudi-Arabien 6 637 Saudi-Arabien 24 118 Drucksache 18/4054 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ten BRICS*-Staaten, wie China, in Anspruch genommen werden könnten, hat sich unter den Industrieländern der Konsens durchgesetzt, dass eine Differenzierung zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern im Rahmen der WTO erforderlich ist. 3. Hält die Bundesregierung die derzeitigen WTO-Regelungen im Agrarabkommen für ausreichend angepasst, um den lokalen Kleinproduzenten in Entwicklungsländern eine dauerhafte, existenzsichernde und wettbewerbsfähige Produktion zu ermöglichen? Wenn nein, warum nicht, und in welchen Punkten nicht? Ja, die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die WTO-Regelungen ausreichen. Sie bieten ausreichenden Spielraum für eine die Agrarentwicklung fördernde Agrarpolitik, begrenzen aber Markteingriffe, die die Agrarentwicklung in Drittstaaten behindern könnten. Es liegt in der Hand der jeweiligen nationalen Regierungen , von den vorhandenen WTO-Regeln Gebrauch zu machen, um die Interessen ihrer landwirtschaftlichen Erzeuger zu schützen. 4. Wie oft hat die Europäische Union (EU) bislang von unter der WTO eingeräumten automatischen Schutzzollklauseln (Special Safeguard Klausel, Zusatzzoll ) für Agrar- und Ernährungsgüter Gebrauch gemacht (bitte nach Jahren und Waren, für die der Zollsatz heraufgesetzt wurde und Abweichung vom ursprünglichen Zollsatz in Prozent auflisten)? Die besondere Schutzklausel wurde mit der Aufnahme des Agrarsektors in die Vereinbarungen des GATT im Rahmen der Uruguay-Runde ausschließlich solchen Produkten zugestanden, für die zum ersten Mal gebundene Zölle im Sinne des GATT festgelegt wurden. Später beitretende Länder hatten im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zur WTO die Möglichkeit, entsprechende Vorbehalte auszuhandeln. Die Auslöseschwelle und die Zollhöhe sind WTO-rechtlich vorgegeben . Die besondere Schutzklausel kommt in der EU ausschließlich für Zucker und Geflügel zur Anwendung. Ein zusammengefasster Überblick über die Zahl der Anwendungen der EU liegt der Bundesregierung nicht vor. 5. In wie vielen Fällen konnten Entwicklungsländer, insbesondere Least Developing Countries, ein Anti-Dumping-Verfahren für Agrarprodukte im Rahmen des WTO-Streitschlichtungsmechanismus gegen Industrieländer eröffnen (bitte nach Jahren, Waren und Ausgang des Verfahrens auflisten)? Verfahren für Handelspolitische Schutzmaßnahmen können nur unter den Bedingungen der einschlägigen WTO-Übereinkommen eröffnet werden. Im Streitbeilegungsverfahren werden Maßnahmen überprüft, wenn ein WTO-Mitgliedstaat der Ansicht ist, dass bei der Einführung der Maßnahmen WTO-Rechte verletzt wurden. Der Bundesregierung liegen die gewünschten Daten über die von Entwicklungsländern durchgeführten Antidumpinguntersuchungen betreffend Agrarprodukte nicht vor. In der gemeinsamen Publikation der Welthandelsorganisation (WTO), des Internationalen Handelszentrums (ITC) und der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) „Word Tariff Profiles 2014“ erfolgte eine Analyse der Antidumping Verfahren. Das Ergebnis ist Tabelle 4 zu entnehmen . * Die Abkürzung „BRICS“ steht für eine Gruppierung aufstrebender Volkswirtschaften, bestehend aus den fünf Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4054 Tabelle 4: Anti-dumping-Maßnahmen nach Produktgruppen in Kraft am 31. Dezember 2014 Quad: Kanada, EU, Japan und USA, G20: Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, China, Indien, Indonesien, Republik Korea, Mexiko, Russische Föderation, Saudi Arabien, Südafrika und Türkei. Quelle: World Trade Organization, International Trade Centre and UNCTAD (2014) „Word Tariff Profiles 2014“, S. 189. Danach liegt der Schwerpunkt von Antidumping-Maßnahmen im Schutz der Industrieproduktion , Agrarprodukte werden nur selten geschützt. Die Mehrheit von Anti-Dumping-Maßnahmen wird von Schwellenländern (G20- ohne QuadStaaten ) erlassen. Nach WTO-Statistiken hat seit dem Jahr 1995 kein „Least Developed Country“ (LDC), das WTO-Mitglied ist, ein Antidumpingverfahren – und damit auch kein Antidumpingverfahren Agrarprodukte betreffend – eröffnet. 6. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der „Gruppe der 77“, mit den Entwicklungsländern auch in der WTO Listen von sogenannten sensiblen Produkten zu klassifizieren, die von zukünftigen Liberalisierungsverpflichtungen ausgenommen werden, so wie es den Partnerländern im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vonseiten der EU ermöglicht wurde? Haben die Entwicklungs- und Schwellenländer nach Auffassung der Bundesregierung genügend Möglichkeiten für Schutzmaßnahmen im Falle von Ernährungskrisen (z. B. über Zollerhöhungen, Exportrestriktionen, gezielte Förderung von Landwirten und Nahrungsmittelproduktion)? Drucksache 18/4054 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Wie oft, von welchen Ländern, und bei welchen Agrar- und Ernährungsgütern wurden welche dieser Schutzmaßnahmen in den letzten zehn Jahren genutzt? Zu Unterfrage 1 Die Gruppe der 77 (G77) gibt es wegen der abweichenden Handelsinteressen innerhalb der WTO nicht. Der angesprochene Vorschlag wurde von der Gruppe der 33 (G33) – vgl. Antwort zu Frage 2 – eingebracht. Die Bundesregierung unterstützt keine dauerhaften Ausnahmen von Senkungsverpflichtungen, da diese negieren würden, dass eine Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit bei bestimmten Produkten möglich ist. Dennoch steht sie möglichen Ausnahmen von den Senkungsverpflichtungen bei Gütern mit besonderer Bedeutung für die Agrarentwicklung in der Doha-Runde durchaus offen gegenüber. Zudem muss eine differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer möglich sein. Der Vorschlag zu „sensiblen Produkten“ muss in Zusammenhang mit anderen Vorschlägen innerhalb und außerhalb der Agrarverhandlungen gesehen werden – dies ist auch die Position der Europäischen Kommission. Weil die bisher bekannten Vorschläge der G33 zu „speziellen Produkten“ und „besonderer Schutzklausel“ eine ausgewogene Bewertung nicht ermöglichen, wartet die Bundesregierung auf verbesserte Verhandlungsangebote. Zu Unterfrage 2 Im allgemeinen Fall wird eine Ernährungskrise durch Knappheit an Agrarerzeugnissen auf dem einheimischen und/oder auf den Weltmärkten gekennzeichnet . Insofern stellt eine Erhöhung von Importzöllen keine geeignete Notmaßnahme dar. Entwicklungs- und Schwellenländer können in Krisensituationen auf den Agrarmärkten Notmaßnahmen unter Berufung auf Artikel XI Absatz 2 Buchstabe a des GATT 1994, in Verbindung mit Artikel 12 des Übereinkommens für die Landwirtschaft, ergreifen und Ausfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse verhindern. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Bei Krisen für die lokale Erzeugung stehen die „globalen Schutzmaßnahmen“ die „Antidumpingmaßnahmen“ und die „Antisubventionsmaßnahmen“ zur Verfügung (vgl. Antwort zu Frage 11). Zu Unterfrage 3 Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 7. Sind die den Entwicklungs- und Schwellenländern eingeräumten Schutzmöglichkeiten qualitativ und quantitativ vergleichbar mit denjenigen, die den Industriestaaten eingeräumten wurden? Wenn nein, warum nicht, und was unternimmt die Bundesregierung, um sich für eine Verbesserung im Sinne der Entwicklungs- und Schwellenländer einzusetzen? Nein. Neben den allen Ländern zugestandenen Schutzmöglichkeiten im Rahmen der WTO-Regeln werden den Entwicklungs- und Schwellenländern im Rahmen des WTO-Agrarabkommens zusätzliche Möglichkeiten eingeräumt, auf Ernährungskrisen zu reagieren. Siehe auch Antwort zu Frage 6 Unterfrage 2. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4054 8. Unterstützt die Bundesregierung Vorschläge der „Gruppe der 77“, in der WTO bei Importfluten von Billiglebensmittel aus Industrieländern oder Dumpingexporten aus Industrie- oder Schwellenländern einen Mechanismus zuzulassen, der sofortige Importrestriktionen oder Zollerhöhungen zum Schutz einheimischer Produzentinnen und Produzenten zulässt, bis der Fall vor dem WTO-Schiedsgericht entschieden wurde? Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die bestehenden WTO-Regeln für die Einführung von handelspolitischen Schutzmaßnahmen ausreichend sind. Zu diesen Maßnahmen gehören die sogenannten globalen Schutzmaßnahmen, die Antidumping- und die Antisubventionsmaßnahmen. Bei Importfluten kämen insbesondere die globalen Schutzmaßnahmen in Betracht. Vorläufige Maßnahmen können bereits kurz nach Eröffnung der Untersuchungen eingeführt werden . Dieser Maßnahmenkatalog hat nach WTO-Recht abschließenden Charakter . Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 9. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag zivilgesellschaftlicher Akteure aus der EU und Afrika, die Beweislast für das Vorhandensein von Dumping bei EU-Agrarexporten in Entwicklungsländer umzukehren und Gegenmaßnahmen der Entwicklungsländer zuzulassen, bis die EU oder im Falle der WTO die entsprechenden Industrieländer zweifelsfrei nachgewiesen haben, dass von ihren Unternehmen kein verbotenes Dumping bei Agrarexporten in Entwicklungsländer begangen wird? Die Bundesregierung hält die bestehenden Regeln für adäquat. Bereits heute müssen die exportierenden Hersteller im Rahmen der Untersuchung nachweisen , dass ihre Exporte nicht gedumpt sind. Die Notwendigkeit für eine Beweislastumkehr wird daher nicht gesehen. 10. Leistet die Bundesregierung Unterstützung für Entwicklungsländer, damit ihre Produktpalette differenzierter wird, die Bedingungen in den Wertschöpfungsketten inklusiver werden und Kleinproduzentinnen und Kleinproduzenten einen höheren Anteil an der Wertschöpfung erhalten? Zahlreiche bilaterale und regionale Vorhaben der deutschen EZ fördern Wertschöpfungsketten , insbesondere agrarische Wertschöpfungsketten. Diese agrarischen Wertschöpfungsketten umfassen sowohl klassische Exportprodukte als auch Grundnahrungsmittel für den lokalen und regionalen Markt. Zielgruppe dieser Vorhaben ist zumeist die ländliche Bevölkerung in den Partnerländern, darunter besonders arme und benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, Klein- und Kleinstunternehmen, Jugendliche und Frauen. Kleinproduzenten und Kleinproduzentinnen werden gezielt eingebunden und befähigt, an Märkten teil zu haben. Die Entwicklung breitenwirksamer inklusiver Geschäftsmodelle und die Erhöhung der Wertschöpfung durch Orientierung auf Qualität, Verarbeitung und Vermarktung ist zentraler Bestandteil dieser Vorhaben. Zudem wird gezielt auch eine Diversifizierung des jeweiligen agrarischen Betriebssystems gefördert. Die qualitative Verbesserung der Ernährungssicherung spielt bei Beratungsmaßnahmen zur Diversifizierung eine herausragende Rolle. Drucksache 18/4054 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Welche Maßnahmen erlauben die derzeitigen WTO-Regeln zum Schutz gegen einen Verfall der Erzeugerpreise und zu so verursachten Ernährungskrisen , die insbesondere kleinbäuerliche ländliche Bevölkerungsschichten betreffen? Hält die Bundesregierung diese für ausreichend, und wenn nein, an welcher Stelle hat sie sich für welche konkreten Änderungen eingesetzt? Zu Unterfrage 1 Hinsichtlich der sich aus dem WTO-Regelwerk ergebenden Möglichkeiten zum Schutz eines (landwirtschaftlichen) Marktes wird auf die Antworten zu Frage 6, Unterfragen 2 und 8, verwiesen. Die Bundesregierung sieht keinen Zusammenhang zwischen einem Verfall von Lebensmittelpreisen mit einer Ernährungskrise , da für die Verbraucher sinkende Preise mit einer Verbesserung der Ernährungssituation verbunden sind. Dies gilt auch für die in der Regel nicht ernährungsautarken Kleinbauern. Erst recht gilt dies für urbane einkommensschwache Bevölkerungsschichten. Zu Unterfrage 2 Die Bundesregierung hält es nicht für effektiv und angemessen, Ziele im Bereich der Einkommens- und Ernährungspolitik durch die Anpassung von Zöllen zu erreichen . 12. Wie sollte ein Handelsaustausch mit Agrar- und Ernährungsgütern zwischen Entwicklungs- und Industrieländern nach Einschätzung der Bundesregierung gestaltet werden, damit er eine positive Rolle bei der Reduzierung von Hunger und Mangelernährung spielen könnte? Die Umsetzung des Rechts auf Nahrung ist eine Verantwortung der nationalen souveränen Regierungen. Den Regierungen stehen grundsätzlich vielfältige Optionen zur Bekämpfung von Unter- bzw. Mangelernährung zur Verfügung. Die wirtschaftliche Situation, aber auch die politischen Bedingungen setzen hier selbstverständlich Grenzen. Es ist daher Aufgabe der jeweiligen Regierung, entsprechende innenpolitische Prioritäten zu setzen. Je freier der internationale Handel von Barrieren ist, umso besser entfaltet sich die Wohlfahrtssteigerung, die sich aus der internationalen Arbeitsteilung ergibt. Um Entwicklungsländer mit niedrigem wirtschaftlichem Entwicklungsstand zu unterstützen, bietet die EU, und damit die Bundesregierung, durch verschiedene Abkommen (z. B. Everything But Arms (EBA), Allgemeines Präferenzsystem (APS), Allgemeines Präferenzsystem Plus (APS+)) solchen Ländern präferenziellen Marktzugang für spezielle Produktmärkte an. Durch erleichternden Handel wird die Möglichkeit eröffnet, in den Ländern Einkommen zu schaffen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass das bestehende Handelssystem ergänzt durch präferenzielle Abkommen einen ausreichenden Maßnahmenkatalog bietet, dass die Regierungen in Entwicklungsländern unterstützt, eigenverantwortlich ihre Strategien zur Reduzierung von Hunger und Unterernährung umzusetzen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 6, 8 und 15 verwiesen. 13. Welche Aspekte des Handels mit Agrar- und Ernährungsgütern spielen nach Einschätzung der Bundesregierung unter den gegenwärtigen handelspolitischen Rahmenbedingungen eine negative Rolle bei der Reduzierung von Hunger und Mangelernährung? Der internationale Handel von Gütern stellt die Verbindung zwischen Über- schussregionen und Bedarfsregionen dar. Auf der Grundlage der Ressourcenausstattung , der Bedürfnisse und der geltenden politischen Rahmenbedingung in Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4054 exportierenden und importierenden Ländern ergibt sich eine mehr oder weniger dichte Handelsverflechtung. Handel generiert nicht nur Einkommen, sondern bietet den Verbrauchern auch ein breiteres Spektrum von Lebensmitteln zu günstigeren Preisen und hat damit grundsätzlich eine positive Rolle bei der Reduzierung von Hunger und Mangelernährung. Aus Sicht der Bundesregierung stehen zudem ausreichend Alternativen innerhalb des geltenden rechtlichen Rahmens zur Verfügung, um nationale Ziele in dem Bereich der Ernährungssicherung zu unterstützen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 6, 8 und 15 verwiesen. 14. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um mögliche negative Auswirkungen des Handels mit Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln auf die Ernährungssouveränität von Entwicklungsländern zu reduzieren? Es wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen 15. Sind der Bundesregierung Länderuntersuchungen bekannt, welche die Auswirkungen von Zollsenkungen auf die Ernährungssituation der Gesamtbevölkerung und der ländlichen Bevölkerungen darstellen? Welche Ergebnisse zeigen diese Untersuchungen? Die Auswirkungen von Zollsenkungen und Liberalisierung auf Ernährungssicherheit werden in zahlreichen Studien untersucht. Entscheidend für die Ernährungssicherheit sind dabei besonders die Auswirkungen auf das Realeinkommen von Bevölkerungsschichten, die keinen Zugang zu ausreichend nahrhaften und vielfältigen Nahrungsmitteln haben. Die Ergebnisse ausgewählter Studien werden hier kurz vorgestellt: Musyoka, M. P., Kavoi, M. M., Omiti, J. M. (2014): Food Consumption Patterns and Distributional Welfare Impact of Import Tariff Reduction on Cereals in Kenya , African Journal of Agricultural and Resource Economics, Volume 9, Number 3, pp. 183–199: Diese Studie analysiert beispielsweise den Effekt von Zollsenkungen der Agrargüter Mais, Weizen und Reis auf das Konsumverhalten von kenianischen Haushalten . Da Zollsenkungen zu einem geringen Inlandspreis von Agrargütern und höherem Realeinkommen führen, können Haushalte eine größere Menge an Lebensmitteln konsumieren. In dem hier modellierten Szenario führen sinkende Preise nicht nur zu einem größeren Konsum der Güter selbst, sondern auch zu einem verstärkten Konsum von Fleisch, Fisch, Früchten und Gemüse und somit zu einer Diversifizierung der Ernährung. Diese Verbesserung ist am stärksten für städtische und einkommensstarke ländliche Haushalte ausgeprägt, die mehr profitieren als einkommensschwache und arme ländliche Haushalte. Taylor, J. E., Yúnez Naude, A., Jesurun-Clements, N. (2010): Does Agricultural Trade Liberalization Reduce Rural Welfare in Less Developed Countries? The Case of CAFTA, Applied Economic Perspectives and Policy, Volume 32, Number 1, pp. 95–116: Am Beispiel der Länder El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua wurden in dieser Studie die Auswirkungen von Zollsenkungen im Rahmen des Central American Free Trade Agreement auf die ländliche Bevölkerung untersucht. Die Zollsenkungen führen dabei zu geringeren Nahrungsmittelpreisen, welche einen Produktionsrückgang und Einkommensverluste in der ländlichen Bevöl- kerung bewirken. In dem hier betrachteten Fall ist der reale Einkommenseffekt für die ländliche Bevölkerung jedoch mehrheitlich positiv, da der positive Effekt Drucksache 18/4054 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode von sinkenden Agrarpreisen die negativen Einkommenseffekte durch geringere Verkaufserlöse aufhebt. Headey, D. (2011). Rethinking the global food crisis: The role of trade shocks. Food Policy, 36(2), 136–146.; Anderson, K., & Nelgen, S. (2012). Trade barrier volatility and agricultural price stabilization. World Development, 40(1), 36–48.; Bouët, A., & Debucquet, D. L. (2012). Food crisis and export taxation: the cost of non-cooperative trade policies. Review of World Economics, 148(1), 209–233: Im Zuge der starken Preisanstiege 2007/2008 haben zahlreiche Nahrungsmittelimporteure kurzzeitig Einfuhrzölle gesenkt, um dadurch den Anstieg auf die lokalen Preise zu dämpfen. Dies war teilweise erfolgreich, hat allerdings auch zu weiteren Preissteigerungen auf den Weltmärkten beigetragen. Dorosh, P. A. (2001). Trade liberalization and national food security: rice trade between Bangladesh and India. World Development, 29(4), 673–689: Diese Fallstudie zur Liberalisierung des Reissektors in Bangladesch und Indien kommt zu dem Schluss, dass durch die verbesserten regionalen Handelsbeziehungen die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und damit die Ernährungssicherheit in Bangladesch erheblich verbessert wurde und Ernteausfälle erfolgreich ausgeglichen werden konnten. Bouët, Antoine; Laborde-Debucquet, David; Dienesch, Elisa; and Elliott, Kimberly (2012) „The Costs and Benefits of Duty-Free, Quota-Free Market Access for Poor Countries: Who and What Matters“, Journal of Globalization and Development : Vol. 3: Iss. 1, Article 5: Diese und weitere Studien untersuchen die Auswirkungen von Liberalisierung, Zollsenkungen und Zugang zu Märkten in Industrieländern auf das Einkommen bzw. die Löhne in Entwicklungsländern. Dabei zeigt sich, dass bei einem erleichterten Marktzugang von „Least Developed Countries“ (LDCs) einzelne Länder stark von sinkenden Zöllen in Industrieländern profitieren können, vor allem wenn ein erheblicher Teil ihrer Wirtschaft Produkte in die EU exportiert (z. B. Textilien aus Bangladesch). Die Öffnung der Märkte großer Schwellenländer (China, Brasilien, Indien) durch Zollsenkungen hat ebenfalls einen positiven Einfluss auf das Einkommen in den LDCs. Insgesamt zeichnen die vorliegenden Untersuchungen sowie ein umfangreicher Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) (Thomas, H. C. (Ed.). (2006). Trade Reforms and Food Security: country case studies and synthesis. FAO) ein sehr differenziertes Bild. Die Auswirkungen von Zollsenkungen werden überwiegend positiv bewertet. Negative Effekte sind allerdings möglich. Das Gesamtergebnis der Regierungsarbeit (governance) hängt von einer Vielzahl von Faktoren und der Ausrichtung der eingesetzten begleitenden Maßnahmen ab. Der Einfluss von Zollsenkungen kann positive wie negative Folgen haben, welches von einer Vielzahl von Faktoren und begleitenden Maßnahmen abhängt. Pauschale Aussagen können daher nicht getroffen werden – stattdessen muss im Einzelfall für das untersuchte Land die Auswirkung auf die Ernährungssicherheit geprüft werden. 16. Was kann die staatlich subventionierte Lagerhaltung nach Auffassung der Bundesregierung generell zur Ernährungssicherheit beitragen (wenn möglich unterschieden nach Notfall, Sozialreserven und Reserven zur Preisintervention )? In welchen Entwicklungsländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine ausreichend große Lagerhaltung von Agrarprodukten, um in Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/4054 Notfällen, bspw. im Falle von Hungerkatastrophen, eine weitgehende Ernährungssicherung leisten zu können? Zu Unterfrage 1 Lagerhaltung für humanitäre Zwecke (Notfall und Sozialreserven) kann helfen, in Zeiten schlechter Ernten und unzureichender Marktversorgung, z. B. infolge extremer Naturereignisse, die Verfügbarkeit und den ökonomischen Zugang zu Lebensmitteln zu verbessern. Lagerhaltung zur Marktpreisstabilisierung oder Abpufferung extrem schwankender Marktpreise hat sich dagegen als nicht effektiv und ineffizient erwiesen. Sie bergen hohe Kosten und Risiken, z. B. Korruptionsanfälligkeit , Verdrängung privater Investitionen und privater Lagerhaltung sowie die Beeinflussung von internationalen Handelsströmen. Die Wirkung auf Ernährungssicherung ist von der Funktion (Notfall- oder strategische Reserve), der Form (physisch oder virtuell) vom Management (staatlich oder privat) und den Bedingungen des Aufkaufs (von heimischen Bauern oder international ), der Subventionierung (Aufkauf zu gestützten bzw. erhöhten Preisen oder Marktpreisen) und der Abgabe (Zielgruppe, Preisminderung) abhängig. Der Aufbau von Reserven aus lokaler und regionaler Produktion ermöglicht in Zeiten extrem schwankender Preise einen verlässlichen und ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln. Dabei muss geprüft werden, für welche Länder Importe effizienter sind und wo Kosten-Nutzen-Effizienz und ausreichend eigene Ressourcen vorhanden sind. In einzelnen Fällen können handelsgestützte Notfallhilfe bzw. finanzielle Notfallreserven kostengünstiger und effektiver sein als nationale oder regionale Lager. Regionale Lagerhaltung für humanitäre Zwecke kann weitere Vorteile aufweisen : Da Krisen meist nur in einzelnen Ländern, selten jedoch in der gesamten Region gleichzeitig vorkommen, sind geringere Lagerbestände nötig, welches die nationalen Kosten reduziert. Auch könnte eine regionale Reserve die regionale Integration fördern, regionale Handelsbeziehungen stabilisieren und dadurch zu weniger Verzerrung regionaler Märkte führen, die vor allem unter abrupten einseitigen Ausfuhrbeschränken leiden. Weiterhin erlaubt eine größere regionale Reserve ein professionelleres Management mit weniger Anfälligkeit für nationale Klientelpolitik. Allerdings stehen diesen Vorteilen auch Herausforderungen gegenüber: Die Koordinierung der Bestände, der Ausgleich von Lasten und Nutzen zwischen den Mitgliedsländern sowie die Schaffung von Regelungen und Mechanismen, die krisenfest sind und nicht einseitig aufgekündigt werden. Zu Unterfrage 2 FAO GIEWS schätzt die gesamten Getreidereserven am Ende des landwirtschaftlichen Jahres für viele Entwicklungsländer anhand von Produktions-, Verbrauchs - und Handelsdaten. Demnach sind die Getreidevorräte u. a. folgender Länder in den letzten Jahren sehr hoch (oberstes Quantil): Argentinien, Armenien , Zentralafrika, China, Dominikanische Republik, Gabun, Gambia, Kasachstan , Kenia, Kambodscha, Marokko, Moldawien, Namibia, Saudi Arabien, Thailand, Tunesien und Uruguay. Hohe Getreidevorräte (zweites Quantil) haben weiterhin Angola, Aserbaidschan, Bolivien, Bhutan, Kap Verde, Indien, Kirgistan , Laos, Myanmar, Mauritius, Nicaragua, Sudan, Tschad, Usbekistan, Vietnam , Südafrika, Sambia. Die Unsicherheit bei der Datenlage erlaubt jedoch keine endgültige Bewertung über den Schutz gegen Notsituationen. Eine Ausnahme bildet Indien, dessen Daten zum Umfang öffentlicher Getreidelagerung im Rahmen großer staatlicher Lagerhaltungsprogramme nachvollziehbar sind. Drucksache 18/4054 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Nennung angemessener Lagerhaltung als „Measure of Implementation“ (MoI) zur Erreichung des Ziels der Hungerreduktion im Rahmen der Sustainable Development Goals (SDGs)? Der Zugang zu Infrastruktur wird als einer von mehreren Indikatoren für das Ziel der Hungerbekämpfung diskutiert. Dabei können geeignete Formen und Techniken der Lagerhaltung verbunden mit einem entsprechend professionellem Management eine wichtige Rolle spielen. Zur optimalen Ausgestaltung der Lagerhaltung wird auf die Antwort zu Frage 16 verwiesen. 18. Welche Länder halten nach Kenntnis der Bundesregierung Nahrungsreserven , wie viele davon sind bei der WTO notifiziert, wie viele davon durch Subventionen aufgebaut, die unter die WTO-Verpflichtung zur Einhaltung von Grenzen (AMS) oder unter die Kürzungsausnahme „de minimis“ fallen , und wie viele davon entsprechen der erlaubten Subventionierung nach Annex 2.3 des WTO-Agrarabkommens? WTO-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, öffentliche Lagerhaltungsprogramme sowie interne Stützung bei der WTO zu notifizieren. Diese Daten sind über die Agriculture Information Management System (Ag-IMS) Datenbank der WTO öffentlich zugänglich. Die verfügbaren Daten erlauben keine Aussagen, welche Lager nur der Notfallversorgung und welche strategischen Zielen dienen bzw. welche durch Subventionen aufgebaut sind. Es gibt kein Land, das notifiziert hat, die erlaubten WTO-Obergrenzen (aggregiertes Stützungsmaß, AMS) für Lagerhaltungsprogramme zu überschreiten. Es sind keine neuen Lagerhaltungsprogramme notifiziert, die nach der Bali-Konferenz im Dezember 2013 gestartet wurden. Beispiele von bei der WTO notifizierten Reserven sind Lager z. B. in Botswana, Sambia, Mali, Sierra Leone, Vietnam, Thailand. Zahlreiche EL verfügen jedoch auch über Reserven, die nicht bei der WTO notifiziert sind, z. B. in Benin, Kenia, Nigeria, Senegal, Tansania, Ghana, etc. (vgl. Antwort zu Frage 16). Tabelle 5: Länder mit öffentlichen Nahrungsmittelreserven Öffentliche Lager Beginn der Lagerhaltungsprogramme vor Dez. 2013 (Bali-Beschluss) Notifizierte „domestic aid“ Notifiziert bei der WTO Nicht notifiziert bei der WTO Mitglied bei regionaler Reserve G33 Antigua und Barbuda Barbados Belize Benin √ Resogest √ Bolivien √ √ Botswana √ (2010) √ Elfenbeinküste √ Resogest √ China √ APTERR √ Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/4054 Kongo, Demokratische Republik Kuba √ √ √ Dominika Dominikanische Republik √ √ El Salvador √ √ Grenada √ √ Guatemala √ √ Guyana √ (2002) √ Haiti Honduras √ √ Indien √ √ Indonesien √ APTERR √ √ Jamaica √ Kenia √ √ Korea √ (2005) √ APTERR √ Madagaskar √ Mauritius √ √ Mongolei √ √ Mosambik √ √ Nicaragua √ √ √ Nigeria √ Resogest √ Pakistan √ √ Panama √ (2003) Peru √ Philippinen √ APTERR √ √ Saint Kitts und Nevis Saint Lucia Saint Vincent und die Grenadinen Senegal √ √ Sri Lanka √ √ Öffentliche Lager Beginn der Lagerhaltungsprogramme vor Dez. 2013 (Bali-Beschluss) Notifizierte „domestic aid“ Notifiziert bei der WTO Nicht notifiziert bei der WTO Mitglied bei regionaler Reserve Suriname Drucksache 18/4054 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tansania √ √ Trinidad und Tobago Türkei √ √ Uganda √ √ Venezuela √ √ Sambia √ √ Simbabwe √ √ ECOWAS-Staaten außerhalb der G33 Burkina Faso √ Resogest √ Cap Verde √ Resogest √ Chad √ Resogest √ Gambia √ Resogest √ Ghana √ Resogest √ Guinea √ Resogest √ Guinea-Bissau √ Resogest √ Mali √ Resogest √ √ Mauretanien √ Resogest √ Niger √ Resogest √ Sierra Leone √ Resogest √ Togo √ Resogest √ APTERR-Mitglieder außerhalb der G33 Brunei √ APTERR √ Kambodscha √ APTERR √ Japan √ APTERR √ √ Laos √ APTERR √ Malaysia √ APTERR √ Myanmar √ APTERR √ Singapur √ APTERR √ Thailand √ APTERR √ Vietnam √ (2008) √ APTERR √ √ (2008) Andere WTO-Mitglieder Albanien √ (2008) √ Öffentliche Lager Beginn der Lagerhaltungsprogramme vor Dez. 2013 (Bali-Beschluss) Notifizierte „domestic aid“ Notifiziert bei der WTO Nicht notifiziert bei der WTO Mitglied bei regionaler Reserve Angola Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/4054 Argentinien √ √ Armenien √ (2005) √ Australien Bahrain Bangladesch √ √ Brasilien √ (2007) √ √ (2007) Burundi √ √ Canada Kamerun √ √ Zentralafrikanische Republik Chile Kolumbien Costa Rica √ (2009) √ √ (2009) Kongo, Demokratische Republik Djibouti √ √ Ecuador √ √ Ägypten √ √ EU √ √ √ Österreich x Belgien x Bulgarien x Kroatien x Cypern x Tschechische Republik x √ √ Dänemark x Estland x √ √ Finnland x Frankreich x Deutschland x √ √ Griechenland x Öffentliche Lager Beginn der Lagerhaltungsprogramme vor Dez. 2013 (Bali-Beschluss) Notifizierte „domestic aid“ Notifiziert bei der WTO Nicht notifiziert bei der WTO Mitglied bei regionaler Reserve Ungarn x √ √ Drucksache 18/4054 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Irland x Italien x Lettland x √ √ Litauen x Luxembourg x Malta x Niederlande x Polen x Portugal x Rumänien x Slowakei x Slowenien x Spanien x Schweden x Vereinigtes Königreich x Russland (WTO-Mitglied seit 2012) √ √ Ruanda √ √ Samoa Salomonen Südafrika √ √ √ Swasiland Schweiz √ √ Taiwan Tadschikistan Tonga Tunesien Ukraine √ √ Vereinigte Arabische Emirate √ √ Uruguay Vereinigte Staaten von Amerika √ Öffentliche Lager Beginn der Lagerhaltungsprogramme vor Dez. 2013 (Bali-Beschluss) Notifizierte „domestic aid“ Notifiziert bei der WTO Nicht notifiziert bei der WTO Mitglied bei regionaler Reserve Vanuatu Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/4054 Quellen der Daten: WTO notifications database at http://agims.wto.org/Pages/Search.aspx 19. Welche Reserven an Grundnahrungsmitteln und anderen Agrarprodukten halten die Bundesrepublik Deutschland und die EU derzeit selbst (bitte nach Reserven zur Ernährungssicherung, Katastrophenschutz und Lagern zur Marktintervention, Preisstabilisierung aufschlüsseln), welche Mittel stellen sie hierfür bereit, und welche Planungen gibt es hierzu für die kommenden Jahre (quantitativ und qualitativ)? Zu Unterfrage 1 Die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Kommission halten derzeit weder Reserven von Grundnahrungsmitteln und anderen Agrarprodukten für eine Marktintervention bzw. Preisstabilisierung noch gibt es Planungen dafür . Im Rahmen der Ernährungsnotfallvorsorge bevorratet die Bundesrepublik Deutschland Getreide, Reis, Hülsenfrüchte und Kondensmilch zur Versorgung der Bevölkerung für den Fall, dass die Nahrungsmittelversorgung in Deutschland durch den Markt in Folge eines Katastrophenereignisses oder einer kriegerischen Auseinandersetzung ernsthaft gefährdet ist. Zum Stichtag 31. Dezember 2014 waren insgesamt 803 600 Tonnen Getreide, Jemen (WTO-Mitglied seit Juni 2014) √ √ Andere Nicht-WTO-Mitglieder Algerien x √ √ x Eritrea x √ √ x Äthiopien x √ √ x Irak x √ √ x Iran x √ √ x Libanon x √ Resogast √ x Summe G 33 8 24 7 31 8 andere WTO-Mitglieder 23 32 21 56 11 alle WTO-Mitglieder 31 56 28 87 19 … außerhalb der WTO – 6 1 6 – … insgesamt 31 62 29 93 19 Anzahl der WTOMitglieder 160 Nicht-WTO-Mitglieder 6 Öffentliche Lager Beginn der Lagerhaltungsprogramme vor Dez. 2013 (Bali-Beschluss) Notifizierte „domestic aid“ Notifiziert bei der WTO Nicht notifiziert bei der WTO Mitglied bei regionaler Reserve 82 700 Tonnen Reis, 40 500 Tonnen Erbsen und Linsen und 4 600 Tonnen Kondensmilch eingelagert. Drucksache 18/4054 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zu Unterfrage 2 Zum Kauf der Nahrungsmittel und zur Finanzierung der Lagerkosten, einschließlich Ein- und Auslagerung, stehen im Haushalt 2015 insgesamt knapp 19 Mio. Euro zur Verfügung. Die Haushaltsmittel werden jährlich neu kalkuliert und vom Parlament beschlossen. Es ist beabsichtigt, die Ernährungsnotfallvorsorge vor dem Hintergrund möglicher Nofallszenarien zu bewerten und fortzuentwickeln . 20. Wie ist der Stand der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWASPilotreserve (PREPARE), die Deutschland im Kontext von G20 unterstützt ? Wie erfolgt das Monitoring eventueller Handels- und Versorgungswirkungen dieser Reserve? Unterstützt die Bundesregierung darüber hinaus Reserven in anderen Ländern oder Regionen, oder plant sie dies? Welche Reserven sind das? Die im Rahmen der französischen G20-Präsidentschaft 2011 vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) und den Staaten der Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) initiierte Initiative „Pre-Positioning for Predictable Access and Resilience“ (PREPARE) hat das Ziel, ein regionales Nahrungsmittellager aufzubauen, welches schnelle und diversifizierte Nahrungsmittelhilfe leisten kann. So soll ein Beitrag zu Ernährungssicherung und Regionaler Wirtschaftlicher Integration geleistet werden. Das Programm soll sowohl zur Preisstabilisierung, als auch für Nothilfe eingesetzt werden. Bis zum Jahr 2023 soll das Lager aufgebaut werden, welches insgesamt aus 411 000 Tonnen Nahrungsmittel besteht, wovon 140 000 Tonnen physische Reserven sein sollen und 271 000 Tonnen über finanzielle Reserven abrufbar gemacht werden sollen. Details für das Monitoring und Management der Reserven sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung unterstützt die Initiative im Rahmen der G20-Verpflichtungen (EU: 56 Mio. Euro, USA 24 Mio. Euro). Weitere Initiativen zur öffentlichen Lagerhaltung werden nicht unterstützt. Aspekte der Lagerhaltung spielen jedoch bei anderen Maßnahmen eine Rolle. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt z. B. die „Plattform on Agricultural Risk Management“ (PARM) über das „Comprehensive Africa Agriculture Development Programme “ (CAADP), um ausgewählte afrikanische Länder dabei zu unterstützen, Risikomanagement in ihre nationalen Förderstrategien zu integrieren. PARM bietet eine Plattform des Erfahrungsaustauschs zwischen den Ländern. 21. Welche Kriterien werden bei ECOWAS an die Beschaffung angelegt, um negative Handels- und Versorgungswirkungen zu vermeiden? Da die Reserve nur einen kleinen Teil des regional produzierten und konsumierten Getreides ausmacht (140 000 Tonnen Notreserve entsprechen etwa 0,3 Prozent der jährlichen Getreideproduktion der ECOWAS-Region), können negative Handels- und Versorgungswirkungen für die Region ausgeschlossen werden. Im Rahmen von PREPARE soll, soweit möglich, regionale und lokale Beschaffung betrieben werden. Während Hirse und Sorghum in Burkina Faso, Mali und Niger in ausreichender Menge produziert werden, wird für die Beschaffung von Mais und v. a. von Reis international gehandelt werden müssen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/4054 22. Welche Effekte wird das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) zwischen der EU und den westafrikanischen Staaten der ECOWAS nach Kenntnis der Bundesregierung auf die lokale Nahrungsmittelproduktion in den betroffenen afrikanischen Staaten haben? Die Bundesregierung geht aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) von positiven Effekten für die lokale Nahrungsmittelproduktion aus. Das WPA garantiert den westafrikanischen Staaten vollständigen zoll- und quotenfreien Zugang zum EU-Markt einschließlich der in Westafrika produzierten Nahrungsmittel. Ohne WPA würden die Staaten mittleren Einkommens lediglich die Präferenzen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU nutzen können (Cote d’Ivoire, Ghana, Cabo Verde, Nigeria). Das APS sieht u. a. höhere Einfuhrzölle für weiterverarbeitete Agrarprodukte vor. Die derzeit als LDCs klassifizierten Staaten sichern sich langfristig den zoll- und quotenfreien Marktzugang in die EU. Des Weiteren ist eine große Anzahl der Agrarexporte aus der EU in die Märkte der westafrikanischen Länder von der Liberalisierung ausgeschlossen (siehe Antwort zu Frage 23). Das WPA enthält ergänzend Schutzinstrumente, welche die westafrikanischen Staaten einsetzen können, um die lokale Nahrungsmittelproduktion und -industrie zu schützen. Diese Instrumente sind u. a. anwendbar, wenn Agrarimporte aus der EU die Nahrungsmittelproduktion und -industrie in Westafrika stören, zu schädigen drohen oder schädigen. Gleichzeitig verpflichtet sich die EU, keine Subventionen für die Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach Westafrika zu gewähren. Darüber hinaus zielt das Engagement der EU und ihren Mitgliedstaaten sowohl im Rahmen der Verhandlungen als auch im Rahmen der begleitenden handelsbezogenen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in Höhe von mindestens 6,5 Mrd. Euro darauf ab, die regionale Integration Westafrikas zu stärken und zwischenstaatliche Handelsbarrieren abzubauen. 23. Welche Agrarprodukte dürfen die Länder der ECOWAS in den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen von der vereinbarten Liberalisierung ausnehmen , um ihre lokalen Produkte zu schützen, und darf die Auswahl dieser Produkte in Zukunft angepasst werden? Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) zwischen der EU und den westafrikanischen Staaten enthält einen Zeitplan für Zollabbauregelungen seitens Westafrikas für Waren mit Ursprung aus der EU. Ausgenommen von dieser schrittweisen Liberalisierung sind sensible, westafrikanische Waren, u. a. zahlreiche Agrarprodukte. Eine vollständige Liste der von der Liberalisierung ausgenommenen Agrarprodukte befindet sich in Anhang 1. Das Abkommen sieht zudem vor, dass die Auswahl der Produkte aufgrund der besonderen Entwicklungsbedürfnisse der westafrikanischen Staaten künftig geändert werden kann. Ergänzend können die Staaten Westafrikas multilaterale und bilaterale Schutzmaßnahmen ergreifen, um ihre Märkte oder im Aufbau verbindliche Industrien vor Störungen, drohenden Schädigungen oder akuten Schädigungen zu schützen oder um Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Diese Instrumente erlauben beispielsweise eine Anhebung des Zolltarifs der jeweiligen Produktgruppe bis zu dem geltenden Meistbegünstigungszollsatz oder die Einführung von Zollkontingenten . Drucksache 18/4054 – 22 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 24. Wann wird die Bundesregierung das gemischte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit ECOWAS dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung vorlegen? Das WPA muss zunächst von der EU und ihren Mitgliedstaaten sowie den westafrikanischen Vertragsparteien unterzeichnet werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten unterzeichneten das WPA am 12. Dezember 2014. Der Unterzeichnungsprozess auf westafrikanischer Seite ist bislang nicht abgeschlossen. Erst wenn alle Vertragsparteien das WPA unterzeichnet haben, können die entsprechenden innerstaatlichen Verfahren zur Ratifizierung oder Genehmigung des Abkommens eingeleitet werden. In Deutschland muss für jedes WPA im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung festgestellt werden, ob für die Ratifikation ein Vertragsgesetz nach Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes erforderlich ist. Die verfassungsrechtliche Prüfung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das Bundesministerium des Innern sowie das Bundesministerium der Finanzen hat ergeben, dass für das WPA der EU mit Westafrika kein Vertragsgesetz erforderlich ist, da Gegenstände der Bundesgesetzgebung nicht berührt sind. 25. Welche Änderungen an den technischen Regelungen zur Lagerhaltung im WTO-Regelwerk hält die Bundesregierung für zielführend im Sinne der Ernährungssicherung, wie z. B. regelmäßige Updates der „Fixed External Reference Prices“ zur Berechnung der Stützung, (automatische) Inflationsanpassung , Definition der „eligible production“ zur Berechnung der Marktpreisstützung eher in Richtung tatsächlich gestützter Menge (Türkei , Indien) anstatt potenziell berechtigter kompletter Menge (EU, USA), Vorgaben für die Währung zur Berechnung der Stützung, Transparenzanreize zur exakten und frühen Notifizierung? Die Frage der Lagerhaltung zur Ernährungssicherung ist WTO-rechtlich komplex und nur im Gesamtkontext des Agrarabkommen zu lösen. Das WTO-Agrarabkommen lässt eine Lagerhaltung zur Ernährungssicherung in unbegrenzter Höhe zu. In der Diskussion sind ausschließlich solche Aufkaufprogramme, die mit einer Preisstützung verbunden sind. Hier muss mit geeigneten Maßnahmen ausgeschlossen werden, dass diese mit handelsverzerrenden Effekten auf den Weltmärkten, insbesondere zu Lasten anderer Entwicklungsländer, verbunden sind. Eine Anpassung des festgeschriebenen externen Referenzpreises würde z. B. alle Obergrenzen für handelsverzerrende Agrarsubventionen in der WTO betreffen. Dies kann Auswirkungen haben, die dem Ziel einer Absenkung handelsverzerrender Subventionen zuwider laufen. Eine solche Anpassung müsste daher mit einer Einigung zum Abbau dieser Subventionen verbunden werden. Grundsätzlich steht die Bundesregierung allen Ansätzen offen gegenüber, allerdings dürfen im Ergebnis die Ziele der WTO, handelsverzerrende Maßnahmen stetig weiter abzubauen und den Handel weiter zu liberalisieren, nicht konterkariert werden. Die Europäische Kommission, die für die EU die Verhandlungen führt, lotet derzeit aus, welche Effekte verschiedene Anpassungen im Agrarabkommen haben könnten. 26. Wie bewertet die Bundesregierung den gefundenen Kompromiss zum „Public Stockholding for Food Security Purposes“ (WT/L/939) vom 27. November 2014, und welche Wirkung kann davon nach Auffassung der Bundesregierung auf die weitere Doha-Runde ausgehen? Die EU und Deutschland hatten den Vorschlag zur Ernährungssicherung wegen seiner möglichen Subventionswirkung kritisch gesehen. Staatlich festgelegte Ankaufpreise können eine Produktionsausweitung befeuern und zu Lagerüber- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 23 – Drucksache 18/4054 schüssen führen, die bei ihrem Verkauf handelsverzerrende Effekte erzeugen. Die jetzige Einigung hat den Charakter einer Zwischenlösung. Sie kommt vor allem Indien entgegen. Indiens Programme sind nun WTO-rechtlich abgesichert . Es handelt sich allerdings nicht um eine Änderung des Agrarabkommens selbst, sondern nur um die Zusicherung, bei Verstößen gegen das Agrarabkommen nicht die Streitschlichtung anzurufen („Due-restraint“-Erklärung – Form von „Friedensklausel“). Es muss sich nun zeigen, ob die Sicherheiten, die Indien abgegeben hatte (regelmäßige und umfassende Notifizierung der Maßnahmen, Verzicht auf Dumping-Exporte) auch eingehalten werden. Auch eine Dauerlösung wird ohne solche Garantien nicht auskommen. Die Einigung mit Indien hat der Doha-Runde neue Impulse verliehen, sie ist daher ausdrücklich zu begrüßen. Es zeigt sich aber auch, dass eine Gesamteinigung nur möglich sein wird, wenn Ambitionen im Hinblick auf die ursprünglichen Ziele bei allen Partnern deutlich gesenkt werden. 27. Wird nach Ansicht der Bundesregierung mit der Fußnote 3 des Dokuments WT/L/939 auch für andere Länder als Indien Raum für neue Nahrungshilfeprogramme geschaffen? Wenn ja, in welcher Form, und worin besteht der Unterschied zu den bisher schon möglichen Programmen zur Lagerhaltung? Das WTO-Agrarabkommen lässt eine Lagerhaltung zur Ernährungssicherung im Rahmen des Anhang II (Green Box), Nummer 3 in unbegrenzter Höhe zu. Beschränkt sind lediglich Programme die handelsverzerrende Elemente aufweisen . Diese müssen als handelsverzerrende Subventionen (Amber Box) notifiziert werden und unterliegen den für die Amber Box geltenden Beschränkungen (vgl. Anhang II Nummer 3 Fußnote 6). Solange diese Grundsätze eingehalten werden, können Programme unbegrenzt aufgelegt werden. Die in Bali vereinbarte Friedensklausel bei Verstoß gegen die in der Amber Box geltenden Beschränkungen bezieht sich allein auf solche Programme, die bereits zum Zeitpunkt der Kompromisslösung in Kraft waren. 28. Hält es die Bundesregierung für richtig, eine gesamte „Food Security Box“ im Rahmen der Doha-Runde zu verhandeln, die neben den Reserven auch andere nationale Maßnahmen zur Ernährungssicherung umfasst? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Der Vorschlag einer „Food Security Box“ wurde bereits zu Beginn der DohaRunde diskutiert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Eine „Food Security Box“ würde eine Neustrukturierung des Agrarübereinkommens erfordern, die den Abschluss der Doha-Runde unmöglich machen würde. Vor diesem Hintergrund lehnt die Bundesregierung eine „Food Security Box“ ab. Drucksache 18/4054 – 24 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 29. Welche Eckpunkte müssten nach Auffassung der Bundesregierung in der angestrebten „permanent solution“ verankert sein? Bleiben die vorläufigen Beschlüsse nach Auffassung der Bundesregierung so lange in Kraft, bis eine permanente Lösung gefunden ist? Gab es eine Verschiebung im Zeitplan, und wenn ja, wurde damit nach Ansicht der Bundesregierung Einigungsdruck aus den Verhandlungen genommen ? Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Zu Unterfrage 1 Es wird auf die Antworten zu den Fragen 25 und 26 verwiesen. Zu Unterfrage 2 Diese Klarstellung erfolgte in Dokument WT/L/939 (vgl. Antwort zu Frage 27). Zu Unterfrage 3 Ja, der Zeitplan wurde insgesamt verschoben. Es ist durchaus möglich, dass an einer permanenten Lösung nun weniger Interesse besteht. Zu Unterfrage 4 Die Bundesregierung hat ein Interesse an einem zügigen Abschluss der DohaRunde . Die positive Stimmung nach dem Abschluss der Verhandlungen zu Handelserleichterungen sollte genutzt werden, um die Gesamtverhandlungen voranzutreiben. 30. Welche Prioritäten setzt die Bundesregierung bei der Erarbeitung des Arbeitsprogramms für den weiteren Verlauf der Doha-Runde bis Juli 2015, und welche Ziele verfolgt sie damit? Die Bundesregierung setzt sich für einen zügigen Abschluss der Doha-Runde ein, bei dem alle drei zentralen Verhandlungssäulen (Agrarfragen, Zollbeseitigungen für Industriegüter und Dienstleistungen) gleichgewichtig behandelt und der Entwicklungsaspekt der Doha-Runde beachtet werden. Daneben ist auch das Thema Ernährungssicherheit aus Sicht der Bundesregierung wichtig, insbesondere mit Blick auf die öffentliche Lagerhaltung von Lebensmitteln. Nach dem Beschluss des Allgemeinen Rates der WTO vom 27. November 2014 soll hierzu bis Ende des Jahres eine abschließende Lösung gefunden werden. 31. Welche Lehren zieht die Bundesregierung aus den langjährigen Verhandlungen mit den AKP-Staaten (AKP – Signaturstaaten des Abkommens von Lomé) über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, und wie werden die dort weitergehenden Bestimmungen in die Doha-Runde und die weiteren handelspolitischen Verhandlungen einfließen? Zu Unterfrage 1 Ziel der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) ist es, nachhaltige Entwicklung und regionale Integration zu fördern und WTO-Konformität herzustellen . Weitgehende Schutzklauseln und asymmetrische Ausgestaltung der Abkommen zugunsten der Entwicklungsländer ermöglichen es den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten), sensible Produkte und Industrien Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 25 – Drucksache 18/4054 zu schützen. Durch den regionalen Charakter der Abkommen – z. B. die Verknüpfung mit dem gemeinsamen Außenzoll der ECOWAS und vereinfachte Ursprungsregeln – werden die regionalen Integrationsbemühungen und das Vorrücken der Staaten auf der Wertschöpfungskette unterstützt. Um die Chancen der WPA nutzen zu können, werden die Staaten über die handelsbezogene Entwicklungszusammenarbeit (Aid for Trade) unterstützt. Zu Unterfrage 2 Auch in den WTO-Verhandlungen wird die Bundesregierung für eine starke Kohärenz zwischen entwicklungs- und handelspolitischen Zielen eintreten und auf eine entwicklungsorientierte Weiterführung der Doha-Verhandlungen hinarbeiten . Andererseits haben die langen Verhandlungen über WPA gezeigt, dass einige Verhandlungspunkte auf multilateraler Ebene gelöst werden müssen (z. B. Agrarsubventionen ). Für den Abschluss der Verhandlungen spielte zudem eine starke politische Führung und die Kapazitäten in den Ländern eine große Rolle. Dies trifft auch auf die WTO-Verhandlungen zu. Die Bundesregierung unterstützt daher im Rahmen von Aid for Trade vor allem durch technische Zusammenarbeit Maßnahmen, um die Verhandlungs- und Handelskapazitäten in Entwicklungsländern weiter auszubauen. 32. Welche weiteren Änderungen an den gegenwärtigen WTO-Regeln – neben der Frage der Lagerhaltung – könnten nach Auffassung der Bundesregierung dazu beitragen, die Effekte des Handels auf die Ernährungssicherheit zu verbessern? An welcher Stelle hat sich die Bundesregierung für entsprechende Änderungen eingesetzt? Zu Unterfrage 1 Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die bestehenden Regeln im Grundsatz ausreichen, um das Ziel der Ernährungssicherung zu erreichen. Freihandel ist der beste Beitrag zur Ernährungssicherung (vgl. Antwort zu Frage 3). Um das Ziel einiger Entwicklungsländer zu unterstützen, die eigene Agrarerzeugung bevorzugt zu entwickeln, könnten Ausnahmen wie im Modalitätenpapier Rev. 4 von 2008 vorgesehen werden. Gerade für den Süd-Süd-Handel und damit auch für Entwicklungsländer ist es aber nicht wünschenswert, wenn einige Entwicklungsländer ihre Agrarmärkte weitgehend abschotten. Deswegen sollte u. a. für solche Produkte, bei denen das betreffende Entwicklungsland Nettoexporteur ist, kein besonderer Schutz infrage kommen. Zu Unterfrage 2 Die Bundesregierung unterstützt die Verhandlungsführung der Europäischen Kommission, die in diesen Fragen eine auf die Kohärenz zwischen Agrar-, Handels - und Entwicklungspolitik ausgerichtete Linie unter Berücksichtigung der Ziele der Doha-Entwicklungsrunde verfolgt. Drucksache 18/4054 – 26 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 33. Hält die Bundesregierung die Stärkung der Agrar- und Nahrungsmittelexporte aus Entwicklungs- und Schwellenländern, etwa über zoll- und quotenfreien Marktzugang, für ein geeignetes Instrument zur Reduktion von Hunger- und Fehlernährung? Auf welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gründet sie ihre Einschätzung ? Zu Unterfrage 1 Die Hauptursache von Hunger und Fehlernährung ist Armut. Für die Frage der Armutsbekämpfung und der dafür notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung kommt es u. a. darauf an, dass ein Land über ausreichende Mittel verfügt, in Infrastruktur, Bildung u. a. entwicklungsrelevante Bereiche zu investieren . Der Export von Gütern, bei denen ein Land über komparative Kostenvorteile verfügt, wie für zahlreiche Agrargüter aus Entwicklungsländern, kann ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Generierung der notwendigen Mittel sein. Diese Einschätzung ist gegründet auf dem ökonomischen Konsens, dass Handel zur Wohlstandssteigerung beiträgt und damit ein Kernelement von Wirtschaftsentwicklung ist. Sie deckt sich mit dem Ziel der Doha-Entwicklungsrunde, die in einer stärkeren Integration der Entwicklungsländer in den Weltmarkt einen Schlüsselbeitrag zu deren Entwicklung sieht (vgl. Doha-Ministererklärung: „International trade can play a major role in the promotion of economic development and the alleviation of poverty. We recognize the need for all our peoples to benefit from the increased opportunities and welfare gains that the multilateral trading system generates.“). Zu Unterfrage 2 Es wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. 34. Welchen Ländern gewährt die EU derzeit einen zoll- und quotenfreien Marktzugang für Agrar- und Ernährungsgüter, und welche Kriterien legt sie hierfür an? Die EU gewährt zoll- und quotenfreien Marktzugang für alle Produkte im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems einseitig für die am wenigsten entwickelten Länder als Beitrag zu deren Entwicklung. Sie gewährt außerdem im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems zoll- und quotenfreien Marktzugang für die präferenzierten Produkte im Rahmen des APS+, wenn die Exportländer die Kriterien, u. a. Ratifizierung und Umsetzung von Internationalen Sozial- und Umweltabkommen, erfüllen. Handelspartner erhalten zoll- und quotenfreien Marktzugang auf Basis bilateraler Verhandlungsergebnisse im Rahmen von Freihandelsabkommen für die entsprechenden Zolllinien. Kriterien für die Auswahl dieser Partner sind außen- und wirtschaftspolitische Interessen. Sensible Produkte können auf beiden Seiten von der Liberalisierung ausgenommen werden (vgl. Abkommen mit Südkorea, Republik Moldau, Georgien und Ukraine). Die Länder der AKP-Regionen sollen unabhängig von gleichwertigen Gegenleistungen im Rahmen von Freihandelsabkommen ebenfalls zoll- und quotenfreien Marktzugang erhalten. Die Basis hierfür sind die langjährigen bilateralen Beziehungen sowie die Vereinbarungen des Cotonou-Abkommens. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 27 – Drucksache 18/4054 35. Wie wird in den gegenwärtigen WTO-Verhandlungen, aber auch in bilateralen Verhandlungen, die Kohärenz mit den Zielen der Ernährungssicherheit , dem Recht auf Nahrung und den MDGs (Millennium Development Goals) beziehungsweise SDGs sichergestellt? Die Bundesregierung achtet bei der Festlegung ihrer Positionen für die Abstimmung im Handelspolitischen Ausschluss, der die Europäische Kommission in ihrer Verhandlungslinie berät, stets auf Kohärenz zwischen ihren verschiedenen auch international vereinbarten Zielen, so auch mit den Zielen der Ernährungssicherheit , dem Recht auf Nahrung und den Millenium Development Goals (MDGs) beziehungsweise Sustainable Development Goals (SDGs). Die Europäische Kommission trifft ihre Entscheidungen im Gremium der Kommissare , bei dem der Kommissar für Kooperation und Entwicklung, Neven Mimica, für Entwicklungsfragen verantwortlich zeichnet. Im Übrigen sei auf die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss „Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung – Beschleunigung des Prozesses zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele“ verwiesen, die betont: „Die EU setzt sich nachdrücklich für ein entwicklungsfreundliches und nachhaltiges Ergebnis der DDA ein“ und weiter „Die EU setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass die EU-AKP-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) (sowie die Verhandlungen mit dem Mercosur und Zentralamerika, der Andengemeinschaft und der Mittelmeerregion) zu entwicklungsfreundlichen und nachhaltigen Ergebnissen führen. Die EU wird ihr Allgemeines Präferenzsystem im Hinblick auf eine wirksame Erhöhung der Ausfuhren der Entwicklungsländer in die EU weiter verbessern. Die EU wird weiter an der Einbeziehung des Handels in die Entwicklungsstrategien arbeiten und nötigenfalls den Entwicklungsländern bei der Durchführung nationaler Reformen helfen“. 36. Hält es die Bundesregierung im Sinne der Ernährungssicherung für sinnvoll , das WTO-Regelwerk, besonders aber das Agrarabkommen, entwicklungspolitisch zu qualifizieren, in dem Kohärenz zu Beschlüssen der Vereinten Nationen oder der Welternährungsorganisation, wie zum Beispiel zu den „Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern“, hergestellt wird, und wenn ja, an welcher Stelle und in welcher Form setzt sie sich hierfür konkret ein? Die Bundesregierung hält es nicht für sinnvoll, eine solche Qualifizierung über handelsbezogene Ausnahmeregelungen für Entwicklungsländer hinaus vorzunehmen . Die genannten Beschlüsse stehen völkerrechtlich neben den WTO-Übereinkommen und haben unabhängig davon ihre Gültigkeit, je nach Bindungswirkung der jeweiligen Vereinbarung. Im Übrigen hält die Bundesregierung Handelsmaßnahmen nur bedingt für geeignet, die o. g. Ziele zu erreichen. Eine solche Qualifizierung würde die WTO-Übereinkommen zudem überfrachten. 37. Sind die Auswirkungen von (bilateralen) Handelsabkommen auf die Ernährungssicherheit und das Recht auf Nahrung, nicht nur zwischen den Vertragspartnern, sondern auch von Drittstaaten, verpflichtender Teil der „Impact Assessments“ der EU vor Handelsabkommen, und wenn nein, warum nicht? Gegenstand des „Sustainability Impact Assessment“ (SIA) sind auch Auswirkungen auf Drittstaaten (Nicht-EU-Staaten). Die Themenschwerpunkte des SIA können der jeweiligen Untersuchung angepasst werden. Ein anschauliches Beispiel ist das laufende Verfahren zur Erstellung eines SIA für ein Freihandels- Drucksache 18/4054 – 28 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode abkommen mit den USA (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft – TTIP). Dort sieht das vorbereitende Gutachten (Inception Report) einen Sektorfokus Landwirtschaft vor. Das SIA ist offen für Kommentare und Anregungen . So haben NRO auch das Thema Ernährungssicherheit angesprochen. Damit gehört dieses Thema auch zum SIA für TTIP. Stellungnahmen sind weiterhin möglich, vgl. www.trade-sia.com/ttip/consultation/. 38. Welche Kriterien gelten insgesamt für die „Sustainable Impact Assessments “ (SIAs), und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass diese immer nur ex ante, nicht aber nach Abschluss eines Abkommens durchgeführt werden? Hielte die Bundesregierung eine Nachhaltigkeitsevaluierung von Handelsabkommen nach Inkrafttreten für sinnvoll, um daraus für künftige Abkommen zu lernen? Die allgemeinen Kriterien für ein SIA ergeben sich aus dem „Handbook for Trade Sustainability Impact Assessment“ (vgl. www.trade.ec.europa.eu/doclib/ docs/2006/march/tradoc_127974.pdf). Im Übrigen werden die Themenschwerpunkte der jeweiligen Untersuchung angepasst (siehe Antwort zu Frage 37). Nach Abschluss eines Freihandelsabkommens findet ein „Ex-post“-Monitoring statt, zuletzt für das Freihandelsabkommen mit Chile im Jahre 2012, derzeit läuft ein Monitoring für das Freihandelsabkommen mit Mexiko. Der Prüfungsgegenstand des „Ex-post“- Monitoring ist ähnlich umfassend wie beim SIA. 39. Hält die Bundesregierung eine Standardisierung im Sinne einheitlicher Vorgaben für alle SIAS für sinnvoll? Wenn ja, mit welchen Indikatoren und mit welcher Methodik, und an welcher Stelle hat sie sich hierfür eingesetzt? Das o. a. Handbuch enthält bereits allgemeine Standards und Kriterien für ein SIA. Im Übrigen werden die Themenschwerpunkte der jeweiligen Untersuchung angepasst. Auf die Antwort zu den Fragen 37 und 38 wird Bezug genommen . 40. Mit welchen Staaten hat die EU in den letzten zehn Jahren bilaterale Handelsabkommen abgeschlossen, die den Agrar- und Ernährungssektor einschließen , welche davon wurden bereits unterzeichnet oder durch das EUParlament , den EU-Rat oder nach Kenntnis der Bundesregierung die nationalen Vertragspartner abschließend ratifiziert, und mit welchen weiteren Staaten werden solche Abkommen gegenwärtig verhandelt oder in Zukunft angestrebt? Mit folgenden Ländern bestehen lt. einer Zusammenstellung der Europäischen Kommission Freihandels- oder Entwicklungspartnerschafts- oder Assoziationsabkommen mit einem Handelsteil oder sind in Verhandlung: Tabelle 6: Status der bilateralen Abkommen der EU Land/Region Art des Abkommens Status Ägypten Assoziationsabkommen – ohne FTA In Kraft seit 1. Juni 2004, Agrar ausgenommen Ägypten Erweiterung der Handelsliberalisierung im Agrar- und Fischereibereich In Kraft seit 1. Juni 2010 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 29 – Drucksache 18/4054 Ägypten Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation Verhandlungsmandat seit Dezember 2011, erste Gespräche 2013, seit dem Verhandlungspause AKP Umwandlung der bestehenden Präferenzregelungen in WTO konforme Freihandelsabkommen Seit 2002 laufen Verhandlungen. Siehe auch CARIFORUM, ESA, Pazifik, EAC, CEEAC, ECOWAS, SADC EAC Wirtschaftspartnerschaftsabkommen Verhandlungen laufen seit 2002 CEEAC/Kamerun Interimabkommen mit Kamerun 2009 gezeichnet , 2014 ratifiziert EU volle Liberalisierung , Kamerun Ausnahmen im Agrarbereich Vorläufige Anwendung seit 4. August 2014 ECOWAS Wirtschaft- und Partnerschaftsabkommen, EU volle Liberalisierung, ECOWAS Ausnahmen im Agrarbereich Zeichnung für EU 10. Juli 14, ECOWAS hat Zeichnung zugestimmt, Ratifizierung läuft. SADC Wirtschaftspartnerschaftsabkommen EU volle Liberalisierung, SADC Ausnahmen im Agrarbereich Verhandlung Juli 2014 abgeschlossen, rechtsförmliche Prüfung läuft Albanien Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen , ohne FTA In Kraft seit 1. April 2009 Algerien Assoziationsabkommen, ohne FTA In Kraft seit 1. September 2005 Andengemeinschaft (Kolumbien, Peru, Ecuador, Bolivien) Handelsabkommen Verhandlungen zu Handelsabkommen abgeschlossen mit Ecuador Beitritt Boliviens möglich Agrarbereich ist eingeschlossen Vorläufige Anwendung Peru seit 1. März 2013, Kolumbien 1. August 2013, Ecuador Verhandlungen im Dezember 2014 abgeschlossen, rechtsförmliche Prüfung Andorra Zollunion – Agrarsektor ausgenommen In Kraft seit 1. Juli 1991 ASEAN Regionales Handelsabkommen Verhandlungsmandat erteilt im April 2007, siehe auch Singapur, Vietnam, Thailand, Malaysia Bosnien und Herzegowina Interimsabkommen über Handel und handelsbezogene Angelegenheiten In Kraft seit 1. Juli 2008 CARIFORUM Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, Agrarsektor in der EU vollständig, in CARIFROM teilweise liberalisiert. Vorläufige Anwendung und Ratifizierung seitens EU März 2009 Chile Assoziationsabkommen und Zusatzprotokoll , Agrarsektor mit Ausnahmen liberalisiert . Handelsteil in Kraft seit 1. Februar 2003 Gesamtabkommen in Kraft seit 1. März 2005 ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen , ohne FTA In Kraft seit 1. Mai 2004 EU-Irak Partnerschafts- und Kooperationsabkommen – ohne Handelsliberalisierung, da kein WTO-Mitglied MFN vereinbart In Kraft seit 11. Mai 2012 Färöer Inseln Handelsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. Januar 1997 Land/Region Art des Abkommens Status Drucksache 18/4054 – 30 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Georgien Assoziationsabkommen mit Handelsabkommen der neuen Generation – vorläufige Anwendung Teilw. vorläufige Anwendung seit 1. September 2014, Ratifizierung läuft Golf-Kooperationsrat Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen – ausgesetzt Indien Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation In Kraft seit April 2007 Iran Verhandlungen zu einem Handels- und Kooperationsabkommen (kein WTO-Mitglied ) – ausgesetzt seit 2005 In Kraft seit Juni 2002 Island Handelsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. April 1973 Israel Assoziationsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. Juni 2000 Israel Erweiterung der Handelsliberalisierung im Agrar- und Fischereibereich In Kraft seit 2010 Japan Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation Mandat erteilt im November 2012 Jordanien Assoziationsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. Mai 2002 Jordanien Erweiterung der Handelsliberalisierung im Agrar- und Fischereibereich In Kraft seit 2007 Jordanien Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation Seit Dezember 2011 Kanada Verhandlungen zu einem Handelsabkommen abgeschlossen, rechtsförmliche Prüfung läuft Mandat erteilt im April 2009 Libanon Interimsabkommen (kein WTO-Mitglied), Ausnahmen im Agrarbereich In Kraft seit 1. März 2003 Libyen Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen – ausgesetzt Mandat seit Juli 2008 ESA Interim-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen Madagaskar, Mauritius, Seychellen und Zimbabwe Seit Mai 2012 vorläufige Anwendung. Malaysia Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation ASEAN-Verhandlungen seit April 2007 Marokko Assoziationsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. März 2000 Marokko Erweiterung der Handelsliberalisierung im Agrar- und Fischereibereich In Kraft seit 2012 Marokko Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation Seit Dezember 2011 MERCOSUR Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation, ausgesetzt zwischen Mandat erteilt 1999 Land/Region Art des Abkommens Status 2004 und 2010 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 31 – Drucksache 18/4054 Mexiko Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft , politische Koordinierung und Zusammenarbeit , Ausnahmen im Agrarbereich , weitere Liberalisierung vorgesehen In Kraft seit 1. Juli 2000 Moldau Assoziationsabkommen mit Handelsabkommen der neuen Generation – vorläufige Anwendung, Agrarbereich eingeschlossen Teilw. vorläufige Anwendung seit 1. September 2014, Ratifizierung läuft Montenegro Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen , ohne FTA In Kraft seit 1. Mai 2010 Norwegen Handelsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. Juli 1973 Palestinänsische Autonomiebehörde Assoziationsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. Juli 1997 Palestinänsische Autonomiebehörde Liberalisierung des Agrarhandels In Kraft seit Januar 2012 Pazifik Interim-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen , Papua Neuguinea und Fidschi Vorläufige Anwendung Fidschi seit Juli 2014, in Kraft mit Papua Neuguinea seit 25. Mai 2011 Republik Korea Freihandelsabkommen der neuen Generation In Kraft seit 6. Oktober 2010 San Marino Zollunion, Agrar eingeschlossen In Kraft seit 1. Dezember 1992 Schweiz Handelsabkommen, Agrarbereich ausgenommen In Kraft seit 1. Januar 1973 Serbien Interimsabkommen über Handel und handelsbezogene Angelegenheiten, einschließlich Agrarbereich Assoziierungsabkommen In Kraft seit 1. Februar 2010 In Kraft seit 1. September 2013 Singapur Handelsabkommen der neuen Generation Verhandlungen abgeschlossen Oktober 2014 Südafrika Handels-, Entwicklungs- und Kooperationsabkommen , Agrar eingeschlossen In Kraft seit 1. Januar 2000 Syrien Kooperationsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. Juli 1977 Syrien Verhandlungen zu einem Assoziationsabkommen – Verhandlungen abgeschlossen – Zeichnung ausgesetzt Verhandlungen seit 2004 abgeschlossen Thailand Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation ASEAN-Verhandlungen seit April 2007 Tunesien Assoziationsabkommen, Agrar ausgenommen In Kraft seit 1. März 1998 Tunesien Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation Mandat seit Dezember 2011 Türkei Zollunion, Agrarbereich ausgenommen In Kraft seit 31. Dezember 1995 Land/Region Art des Abkommens Status Drucksache 18/4054 – 32 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Seit den 90er-Jahren hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die GATT-Vorschrift in Artikel XXIV, dass Freihandelsabkommen nahezu den gesamten Handel umfassen müssen, restriktiv auszulegen ist. Neuere Abkommen liberalisieren daher auch den Agrarbereich nahezu vollständig, ältere Abkommen liberalisierten ihn nur teilweise. Sie enthalten aber Absichtserklärungen, weitere Liberalisierungsschritte zu unternehmen. 41. Welche expliziten Schutzmaßnahmen für den Agrarbereich beinhalten die Vertragstexte der in den letzten zehn Jahren abgeschlossenen EU-Handelsverträge mit Entwicklungs- oder Schwellenländern zur Abwehr von Importen, die die Ernährungssouveränität, die Ernährungssicherheit oder die Existenz armer lokaler Produzentinnen und Produzenten gefährden? Die Vereinbarungen liberalisieren den Agrarbereich nur in dem von beiden Handelspartnern gewünschten Maß. Sie enthalten z. B. Ausnahmen von der Liberalisierung für Agrargüter, die für die Agrarentwicklung von Bedeutung sind, oder lange Übergangsfristen. Sie enthalten auch Regelungen zu Schutzmaßnahmen, sollten nationale Produktionszweige durch Importe gefährdet werden. Darüber hinaus behalten auch die Regelungen des Übereinkommens über Schutzmaßnahmen Gültigkeit. 42. Welche Wirkungen gehen von den in Vorbereitung befindlichen Abkommen CETA und TTIP für den WTO-Prozess aus, und mit welchen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit in Entwicklungs- und Schwellenländern ist im Falle ihrer Umsetzung zu rechnen? Die Bundesregierung kann Auswirkungen auf den WTO-Verhandlungsprozess nicht erkennen. Laut einer Studie des ifo-Instituts und dem Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) Tübingen können die Agrar- und Ernährungssektoren in Entwicklungsländern teilweise Exportchancen durch gesteigerte Nachfrage aus der EU und den USA erwarten, teilweise aber auch Handelsumlenkungen durch Präferenzerosion . Grundsätzlich muss der Umgang mit Standards im TTIP für Entwicklungsländer differenziert betrachtet werden: Für Entwicklungsländer können hohe Standards hohe Anpassungskosten verursachen. Eine Vereinheitlichung von Verfahren, Labels und Standards zwischen EU und USA können aber auch Kosten für Drittlandexporteure senken, z. B. Obst- und Gemüseexporteure aus Marokko oder Ukraine Verhandlungen zu Assoziationsabkommen mit Handelsabkommen der neuen Generation abgeschlossen und gezeichnet, Agrar eingeschlossen Politischer Teil gezeichnet im März, der wirtschaftliche im Juni 2014, Ratifizierung läuft USA Verhandlungen zu einem Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen Mandat im Juni 2013 erteilt Vietnam Verhandlungen zu Handelsabkommen der neuen Generation ASEAN-Verhandlungen seit April 2007 Zentralamerika Assoziationsabkommen, Agrar eingeschlossen In Kraft seit 29. Juni 2012 Land/Region Art des Abkommens Status Kenia, die in die EU und USA exportieren und fähig sind, diese Standards (z. B. SPS) zu erfüllen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 33 – Drucksache 18/4054 43. Mit welchen eigenen Vorschlägen in welchen Bereichen strebt die Bundesregierung weitere Einigungen in der WTO im Hinblick auf die WTOMinisterrunde Ende des Jahres 2015 in Nairobi an, und welche Vorschläge wird sie unterstützen? Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der Europäischen Kommission – als Verhandlungsführer der EU in der WTO – eine ausgewogene Behandlung aller wichtigen Verhandlungsbereiche bei gleichzeitiger Prüfung einer Vereinfachung der Methode für Zollsenkungsverpflichtungen anzustreben. Dabei ist die Entwicklungsdimension als ein zentrales Thema der Doha-Runde zu berücksichtigen . Es wird auf die Antwort zu Frage 30 verwiesen. 44. Wird die Bundesregierung den mit dem Bali-Beschluss aufgegebenen Grundsatz wieder aufgreifen, dass die Doha-Entwicklungsrunde erst dann als abgeschlossen gilt, wenn über alle strittigen Inhalte Einigung erzielt wird, oder wird die Bundesregierung einen nur partiellen Abschluss anstreben ? Grundsätzlich gilt für Doha-Runde, dass diese erst dann abgeschlossen ist, wenn Einigung über alle Verhandlungsbereiche erzielt worden ist (sog. single undertaking ). Das Doha-Mandat sieht aber auch die Möglichkeit von Teil-Einigungen vor (sog. early harvest). Davon hatte man in Bali Gebrauch gemacht. Ob dies noch einmal geschehen wird, ist derzeit offen. Es ist Zielsetzung bei der Festlegung des Post-Bali-Arbeitsprogramms, eine Verständigung für einen Gesamtabschluss der Doha-Runde zu erreichen. 45. Wie schätzt die Bundesregierung die Rolle der EU im Hinblick auf eine mögliche Vermittlung zwischen US- und Schwellenländerinteressen in den Agrarverhandlungen der Doha-Runde ein, und sieht sie eine mögliche Vermittlerrolle der EU durch die gegenwärtigen TTIP-Verhandlungen gefährdet ? In den Agrarverhandlungen gibt es keine einheitlichen Interessen der Schwellenländer . Die EU kann zu einer Kompromissfindung innerhalb der WTO beitragen . Eine Gefährdung des EU-Engagements für einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde – auch im Agrarbereich – durch das TTIP sieht die Bundesregierung nicht. Gesamtherstellung: H. 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