Deutscher Bundestag Drucksache 18/4069 18. Wahlperiode 23.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3941 – Bundesförderung der Migrationsberatung für erwachsene Einwanderinnen und Einwanderer Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) ist ein den Integrationskurs ergänzendes Beratungsangebot. Dieses Beratungsangebot ist der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seit vielen Jahren ein großes Anliegen (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7471). Leider ist die MBE bundesweit seit Jahren unterfinanziert: So sollte die MBE im Jahr 2015 zunächst nur 26,3 Mio. Euro erhalten – das sind 4 Mio. Euro weniger , als ihnen die damalige Bundesregierung von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN vor zehn Jahren zur Verfügung gestellt hatte. Erst zum Ende der Haushaltsberatungen stellte die Große Koalition noch einmal zusätzlich 8 Mio. Euro zur Verfügung. Aber auch das wird letztlich nicht ausreichen, um die steigende Nachfrage nach einer qualifizierten Migrationsberatung zu befriedigen. Für das Jahr 2015 erwartet das Bundesministerium des Innern (BMI), dass der Zulauf zur MBE infolge der aktuellen Einwanderungsdynamik auf einem spürbar höheren Niveau als in den Vorjahren liegen werde. Im Jahr 2013 wurde ein Anstieg der Beratungsverfahren um 15 Prozent festgestellt. Diese Tendenz wird sich wohl fortsetzen. Gleichzeitig aber wird die Zahl der geförderten MBE-Stellen nicht erhöht, sondern – im Gegenteil – reduziert. Infolgedessen wird jede Beraterin und jeder Berater künftig 300 Fälle betreuen (früher waren 60 Betreuungsfällen pro Beraterin bzw. Berater vorgesehen) – das ist eine Steigerung um 500 Prozent. Das kann nicht ohne negative Folgen für die Qualität der MBE bleiben. Die Große Koalition hat sich bei der MBE sehr viel vorgenommen: ● Alle Neueinwanderinnen und -einwanderer sollen – gemäß Zielsetzung des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD – eine Erstberatung durch die MBE erhalten. Der Abschluss von sog. IntegrationsvereinbarunDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 19. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. gen soll fortgesetzt werden – obwohl es sich hierbei letztlich nur um rein symbolische Absprachen handelt, die weder die Einwanderinnen und Einwanderer noch die staatlichen Behörden rechtlich bindet. Das BMI schätzt, dass die Zahl der Integrationsvereinbarungen und die damit verbundene Drucksache 18/4069 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Mehrarbeit im Zuge der Umsetzung des Koalitionsvertrages deutlich zunehmen werden. ● Die MBE sollen nicht nur mehr Menschen beraten, sie sollen auch anderweitig deutlich mehr leisten: Das sog. Integrationsmanagement der MBE und deren örtliche Netzwerkarbeit (mit Integrationskursträgern, Ausländerbehörden , Jobcentern, Trägern der Grundsicherung, sonstigen kommunalen Stellen und Regeldiensten sowie mit den Jugendmigrationsdiensten) soll ausgebaut, intensiviert bzw. optimiert werden. ● Darüber hinaus will das BMI, dass die MBE in bestimmten Fällen eine „aufsuchende Beratung“ durchführt (BMI-Schwerpunktepapier für das Haushaltsjahr 2014, S. 74). Die Beratungsstellen weisen darauf hin, dass sie zunehmend von Asylsuchenden konsultiert werden. Auch dies erhöht den Aufwand um ein Vielfaches. 1. In wie vielen Einrichtungen wurde bzw. wird MBE in den Jahren 2009 bis 2014 angeboten (bitte aufschlüsseln)? 2. Über wie viele Personalstellen verfügte die MBE in den Jahren 2009 bis 2014 (bitte aufschlüsseln)? 3. Wie viele Menschen wurden in den Jahren 2009 bis 2014 beraten? Bis einschließlich viertes Quartal 2010 wurden in der Migrationsberatung für erwachsene Einwanderinnen und Einwanderer (MBE) „Quartalsstatistiken“ geführt . Dabei wurde jeder Ratsuchende nur bei einer tatsächlichen Vorsprache im Quartal einmal gezählt. Dieses Erhebungsdesign beschrieb jeweils ausschließlich ein Quartal. Die dort erhobenen Daten eröffneten nicht die Möglichkeit, rechnerische Prognosen für einen über das Quartal hinausgehenden Zeitraum zu erstellen. Aus diesem Grund führt eine Addition der Quartalszahlen nicht zu einem validen Ergebnis. Seit Einführung des „Controlling“ in der MBE mit Beginn des Jahres 2011 wird jeder Fall bis zum Beratungsende mitgezählt, auch wenn der Klient während eines Erfassungszeitraums nicht zur Beratung erscheint. Damit kann nun auch das Beratungsgeschehen eines gesamten Jahres valide dargestellt werden. In der nachfolgenden Tabelle sind für die Jahre 2009 und 2010 jeweils die Quartalswerte (eins bis vier) angegeben, ab dem Jahr 2011 das jeweilige Jahresaufkommen . 2009 2010 2011 2012 2013 2014 597 615 597 593 581 585 2009 2010 2011 2012 2013 2014 518 513 484 470 481 476 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4069 (Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor.) 4. Ist es zutreffend, dass Beraterinnen bzw. Berater in der MBE künftig jeweils 300 Fälle betreuen sollen? Wenn ja, wie will die Bundesregierung die Qualität der MBE gewährleisten, wenn sie zugleich von einer Erhöhung der Mittel für die MBE absieht? In der MBE wird deutlich mehr Beratungsarbeit geleistet. Qualitätsverluste können nicht ausgeschlossen werden. Die Diskrepanz zwischen der Vorgabe von 60 „Betreuungsfällen“ je Vollzeitstelle und der gegenwärtig tatsächlich erbrachten Beratungsleistung von 300 „Fällen“ erklärt sich wie folgt: Die Zahl von 60 Betreuungsfällen betrifft ausschließlich Betreuungen im Case Management (CM). Demgegenüber beinhaltet die Zahl 300 auch solche Fälle, die außerhalb des CM beraten werden. Im Jahr 2013 wurden 158 010 Beratungsfälle über das Controlling-System der MBE erfasst (da zum Teil auch Familienmitglieder beraten werden, waren es insgesamt 239 655 beratene Klienten). Verteilt man die 158 010 Fälle auf 476 Vollzeitstellen, dann entspricht das einer durchschnittlichen Beratungsleistung von mehr als 300 Fällen je Vollzeitstelle. Von den 158 010 Fällen wurden 74 775 Fälle im CM-Verfahren betreut. Bei 476 Beraterstellen entspricht das einer durchschnittlichen Beratungsleistung von mehr als 150 CM-Fällen je Vollzeitstelle. Nur diese Zahl wäre mit der Vorgabe von 60 CM-Fällen zu vergleichen (dies wäre etwa das 2,5-fache Beratungspensum ). Die Leistungsvorgabe von 60 CM-Fällen wurde im Jahr 2007 zusammen mit den Verbänden und Ramboll-Consulting GmbH im Rahmen einer „Personellen Kapazitätsplanung in der MBE“ festgelegt. Nach damaliger Einschätzung sollten durchschnittlich rund 60 Fälle im CM bezogen auf eine Vollzeitstelle betreut werden können (Betreuungsquote 1 : 60). Die Kapazitätsplanung berücksichtigte auch, dass viele Klienten außerhalb eines CM-Verfahrens betreut werden. Die Kapazitätsplanung gründete des Weiteren auf der Annahme, dass ein CM-Verfahren komplett durchgeführt wird und einen vollständigen Förderplan bzw. eine Integrationsvereinbarung sowie ein Abschlussgespräch beinhaltet. Die hier festgestellte, vergleichsweise hohe Zahl von rund 150 CM-Fällen je Vollzeitstelle, relativiert sich zwar dadurch, dass nicht alle CM-Verfahren vollständig durchgeführt werden. 30,7 Prozent der CM-Fälle wurden im Jahr 2013 vorzeitig abgebrochen. Gleichwohl wird die Zahlenvorgabe von 60 Betreuungsfällen je Vollzeitkraft in der Beratungspraxis bei weitem übertroffen. 2009 2010 2011 2012 2013 I 50 321 I 50 581 144 375 204 505 239 655 II 49 400 II 48 321 III 48 441 III 47 111 IV 50 793 IV 46 304 Drucksache 18/4069 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Plant die Bundesregierung die Ankündigungen aus ihrem Koalitionsvertrag a) Gewährleistung einer MBE-Erstberatung für „alle Neuzuwanderinnen und -zuwanderer“, b) „Deutlicher Ausbau“ der Zahl der durch die MBE getroffenen individuellen Integrationsvereinbarungen im Jahr 2015 umzusetzen, und wenn ja, wann, und welche Haushaltsmittel in welcher Höhe hat das BMI hierfür eingeplant? Die Bundesregierung sieht sich den Zielen im Koalitionsvertrag verpflichtet. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel . Die zwischenzeitliche Erhöhung des MBE-Budgets von 26,277 Mio. Euro um 8 Mio. Euro auf 34,277 Mio. Euro im Jahr 2015 erlaubt einen umgehenden Ausbau der Personalausstattung. Damit werden sich auch die Leistungen der MBE mit Beginn des Jahres 2015 verbessern. So kann der aktuelle „Anstau“ von Erstberatungen besser bewältigt werden und die Zahl der Erstberatungen infolge der hohen Zuzugszahlen gesteigert werden. Mit der Personalverstärkung in der MBE werden bei steigendem Klientenaufkommen auch deutlich mehr CM-Verfahren durchgeführt werden als bisher. Eine höhere Zahl von CM-Verfahren schlägt sich in einem verstärkten Abschluss von individuellen Integrationsvereinbarungen nieder. 6. Sollen die MBE die vom BMI angekündigte „aufsuchende Beratung“ durchführen und/oder sollen hierfür Beraterinnen bzw. Berater eingesetzt werden, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) finanziert ? Eine Erweiterung des Angebots durch eine „aufsuchende Beratung (Versorgung ) vor Ort“ für Zuwanderer, die, aus welchem Grund auch immer, die Beratungsstellen nicht selbständig aufsuchen können, wäre nur mit zusätzlichen Personalkosten (mehr hauptamtliches Beratungspersonal) sowie mit Mehrkosten bei den Sachausgaben (etwa für Fahrzeuge, Benzinkosten u. a.) durchführbar. Vor dem Hintergrund stetig steigender Beratungsfälle in den MBE-Beratungsstellen , ist dieses Angebot mit den zur Zeit zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen nicht leistbar. Im Rahmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) sollen Zuwendungen zu Projekten gewährt werden, die darauf abzielen, die soziale Integration von Zuwandererinnen und Zuwanderern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie deren Kinder zu verbessern . Diese Projekte können auch Elemente der aufsuchenden Beratung enthalten . Zuwendungsempfänger können neben Kommunen grundsätzlich alle freigemeinnützigen Träger sein, die einem der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege angehören sowie sonstige gemeinnützige Träger. 7. Welche Zielgruppe soll diese „aufsuchende Beratung“ haben, und wie wird sie von der Bundesregierung definiert? Der EHAP richtet sich an EU-Zugewanderte, deren Lebenslagen durch die Kumulation mehrerer Belastungen gekennzeichnet sind, darunter fehlender Zugang zur Hilfe in besonderen Lebenslagen, unzureichende Sprachkenntnisse und Qualifikationen für den Arbeitsmarkt sowie an deren Kinder und an Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder wohnungslos sind. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4069 8. Warum soll sich die „aufsuchende Beratung“ nur an diese Zielgruppe richten ? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. In welcher Höhe hat die Bundesregierung Haushaltsmittel für „aufsuchende Beratung“ im Jahr 2015 eingeplant? Mit einem finanziellen Volumen von insgesamt rund 92,8 Mio. Euro werden über den EHAP ab September 2015 Projekte in ganz Deutschland gefördert. Die Förderquote von 85 Prozent seitens der EU stockt der Bund um weitere 10 Prozent auf, so dass der Eigenmittelanteil möglicher Projektträger bei 5 Prozent liegt. Voraussetzung für die Bewilligung von Fördermitteln ist die Genehmigung des Operationellen Programms (OP) durch die Europäische Kommission. Das EHAP-OP wurde fristgerecht am 12. September 2014 bei der Europäischen Kommission eingereicht; das Genehmigungsverfahren läuft noch. Es ist derzeit nicht absehbar, wie viele Mittel aus dem BMAS im Jahr 2015 für die Projektförderung benötigt werden. 9. In welchen Städten sollen, wie von der Bundesregierung angekündigt (vgl. Bundestagsdrucksache 18/2470, S. 8), wie viele über das BMAS bzw. über den Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von Armut betroffenen Personen (EHAP) geförderte Beratungsstellen eingerichtet werden, und wie viele Personalstellen sollen im Jahr 2015 geschaffen werden? Kommunen können im Rahmen der EHAP-Förderung Anträge auf eine Zuwendung stellen. Die Anträge werden auf der Grundlage von Auswahlkriterien zur Bewilligung ausgewählt. Die Auswahlkriterien werden sich auf die fachliche Qualität der Anträge, die administrative und fachliche Eignung des Antragstellers sowie auf die Plausibilität der Finanzierungspläne beziehen. Der Schwerpunkt der Förderung wird auf der Finanzierung von zusätzlichen Personalstellen liegen. Die Anzahl der geförderten Personalstellen wird von der Zahl der ausgewählten Vorhaben abhängen. 10. Wie will das BMI die notwendige inhaltliche Kohärenz zwischen der Beratung durch die MBE und die Arbeit der über EHAP bzw. BMAS geförderten Beratungsstellen sicherstellen und regionale Überschneidungen und Doppelarbeit vermeiden? Das Bundesministerium des Innern war in die Vorbereitung des OP für den EHAP einbezogen und ist Mitglied im EHAP-Begleitausschuss, der die Umsetzung des Fonds begleitet und kontrolliert. 11. Möchte die Bundesregierung auch im Jahr 2015 den schon für das Haushaltsjahr 2014 angekündigten Ausbau des Integrationsmanagements der MBE sowie ihrer örtlichen Netzwerkarbeit (mit Integrationskursträgern, Ausländerbehörden, Jobcentern, Trägern der Grundsicherung, sonstigen kommunalen Stellen und Regeldiensten sowie mit den Jugendmigrationsdiensten ) fortsetzen? Erfolgreiche Integrationsarbeit hängt auch von der Vernetzung der jeweiligen Integrationsakteure ab. Die Zusammenarbeit untereinander funktioniert nur bei verlässlichen Vernetzungsstrukturen. Ziel der MBE ist es deshalb nach wie vor, das Integrationsmanagement vor Ort zu verbessern, Impulse zur Vernetzung und Kooperation zu geben und die Zusammenarbeit mit genannten Einrichtungen in- tensiver als bisher zu pflegen und zu nutzen. Drucksache 18/4069 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode a) Wenn ja, welche Maßnahmen sollen hierfür ergriffen werden? Für die Netzwerkarbeit gibt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Trägerverbänden einen Zeitanteil von 15 Prozent der Gesamtarbeitszeit vor. Die Evaluierung der MBE zeigt jedoch, dass infolge der hohen Beanspruchung durch Ratsuchende die Netzwerkarbeit häufig zu kurz kommt. Zumeist wird nicht einmal ein Zeitanteil von 10 Prozent erreicht. Die Erhöhung des Haushaltstitels 684 13 wird in erster Linie dafür eingesetzt, die überlasteten Beratungskräfte bei ihrer Beratungsarbeit zu entlasten. Die Mittelerhöhung wird nicht ausreichen , um den Anteil der Arbeitszeit für Netzwerktätigkeiten in einem spürbaren Maße erhöhen zu können. b) Welche Haushaltsmittel will das BMI hierfür bereitstellen? Die Netzwerkarbeit in der MBE erhält aus dem Titel 684 13 keine gesonderte Finanzierung. Mit den Bundesmitteln werden die MBE-Personalstellen in Form von Pauschalsätzen finanziert. Mit den Personalkosten-Pauschalen sind die Kosten für Netzwerkarbeit abgegolten. Die Zuwendungsbescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an die Träger der MBE enthalten stets eine Aufgabenbeschreibung dahingehend, dass die MBE-Beratungskräfte neben ihrer Beratungstätigkeit auch in kommunalen Netzwerken mitarbeiten müssen. 12. Welche zusätzlichen Maßnahmen möchte die Bundesregierung mit den 8 Mio. Euro finanzieren, die ihr am Ende der Haushaltberatungen zur Verfügung gestellt worden sind (bitte aufschlüsseln)? Die MBE-Förderung beinhaltet die Finanzierung von Personalkosten und Personalgemeinkosten . Mit den zusätzlichen Haushaltsmitteln sollen bundesweit zusätzliche Personalstellen geschaffen werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 13. Wie hat sich das Verhältnis von beratenden Alt- und Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderern in den Jahren 2009 bis 2014 entwickelt vor dem Hintergrund, dass nach 2.3.2 der MBE-Förderrichtlinien (GMBl. 2010 Nummer 13, S. 260 ff.) „prioritär“ Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer beraten werden sollten? In der nachfolgenden Tabelle sind für die Jahre 2009 und 2010 jeweils die Quartalswerte (I bis IV) angegeben, ab 2011 die jeweiligen Jahreswerte. 2009 2010 2011 2012 2013 2014 I 72 %:28 % Altzuw./Neuzuw.* I 72 %:28 % Altzuw./Neuzuw. 69 %:31 % Altzuw. Neuzuw. 66 %:34 % Altzuw Neuzuw. 63 %:37 % Altzuw. Neuzuw. 1. Halbjahr 62 %:38 % Altzuw. Neuzuw. II 72 %:28 % Altzuw./Neuzuw. II 72 %: 28% Altzuw./Neuzuw. III 69 %: 31 % Altzuw./Neuzuw. III 70 %:30 % Altzuw./Neuzuw. IV 70 %:30 % Altzuw./Neuzuw. IV 68 %:32 % Altzuw./Neuzuw. * Altzuw. = Altzuwanderer Neuzuw. = Neuzuwanderer Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4069 Diese Prozentangaben beinhalten sowohl Altzuwanderer, die einen mit Neuzuwanderern vergleichbaren Integrationsbedarf haben (2.3.3 der Förderrichtlinien ), als auch Altzuwanderer mit einer Integrationskursverpflichtung nach § 44a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG [2.3.4 der Förderrichtlinien]) sowie besonders integrationsbedürftige Altzuwanderer (2.3.6 der Förderrichtlinien). 14. Wie viele Personen aus den nachfolgend genannten Gruppen haben in den Jahren 2009 bis 2014 die MBE in Anspruch genommen (bitte aufschlüsseln ): ● Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler (2.3.2 der MBE-Förderrichtlinien ), ● Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer gemäß § 44 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) (2.3.2 der MBE-Förderrichtlinien), ● Altzuwanderinnen und Altzuwanderer mit einem Neuzuwanderern vergleichbaren Integrationsbedarf (2.3.3 der MBE-Förderrichtlinien), ● Altzuwanderinnen und Altzuwanderer mit einer Integrationskursverpflichtung nach § 44a AufenthG (2.3.4 der MBE-Förderrichtlinien), ● freizügigkeitsberechtigte Unionsbürgerinnen und Unionsbürger (2.3.5 der MBE-Förderrichtlinien), ● besonders integrationsbedürftige Altzuwanderinnen und Altzuwanderer (2.3.6 der MBE-Förderrichtlinien), ● Bleibeberechtigte i. S. v. § 23 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 104a AufenthG (2.3.7 der MBE-Förderrichtlinien), ● Zuwanderinnen und Zuwanderer unter 27 Jahren (2.3.8 der MBE-Förderrichtlinien )? ● Spätaussiedler (2.3.2 der MEB-Förderrichtlinien) Spätaussiedler werden als Zielgruppe nicht gesondert erfasst. ● Neuzuwanderer gemäß § 44 AufenthG (2.3.2 der MEB-Förderrichtlinien) Eine jährliche Erfassung der Neuzuwanderer findet erst seit dem Jahr 2011 statt. Für die Jahre 2009 und 2010 gab es eine vierteljährliche Zählweise. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. ● Altzuwanderer mit einem Neuzuwanderern vergleichbaren Integrationsbedarf (2.3.3 der MEB-Förderrichtlinien) Im Controlling der MBE wird nicht danach unterschieden, ob es sich um Altzuwanderer gemäß 2.3.3 oder gemäß 2.3.4 oder 2.3.6 der Förderrichtlinien handelt. Eine jährliche Erfassung der Altzuwanderer findet erst seit dem Jahr 2011 statt. Für die Jahre 2009 und 2010 gab es eine vierteljährliche Zählweise. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 2011 2012 2013 Zahl der Neuzuwanderer 44 323 70 145 87 474 2011 2012 2013 Zahl der Altzuwanderer 100 052 134 360 152 181 Drucksache 18/4069 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ● Altzuwanderer mit einer Integrationskursverpflichtung nach § 44a AufenthG (2.3.4 der MEB-Förderrichtlinien) Integrationskursverpflichtungen werden zwar im MBE-Controlling erfasst; eine Unterscheidung danach, ob es sich um Alt- oder Neuzuwanderer handelt , findet aber nicht statt. ● Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger (2.3.5 der MEB-Förderrichtlinien) Eine jährliche Erfassung findet erst seit dem Jahr 2011 statt. Für die Jahre 2009 und 2010 gab es eine vierteljährliche Zählweise. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Die folgenden Daten wurden fallbezogen erhoben, nicht personenbezogen. ● Besonders integrationsbedürftige Altzuwanderer (2.3.6 der MEB-Förderrichtlinien ) Im Controlling der MBE wird nicht danach unterschieden, ob es sich um Altzuwanderer gemäß 2.3.3 oder gemäß 2.3.4 oder 2.3.6 der Förderrichtlinien handelt. ● Bleibeberechtigte im Sinne von § 23 Absatz Satz 1 i. V. m. § 104a AufenthG (2.3.7 der MEB-Förderrichtlinien) Die Zielgruppe gemäß Nummer 2.3.7. der MBE-Förderrichtlinien wird im Controlling-System der MBE nicht gesondert erfasst. ● Zuwanderer unter 27 Jahren (2.3.8 der MEB-Förderrichtlinien) Eine jährliche Erfassung der Altersgruppen unter den Klienten findet erst seit dem Jahr 2011 statt. Für die Jahre 2009 und 2010 gab es eine vierteljährliche Zählweise. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 15. Wie viele Beratungsvorgänge fanden integrationskursbegleitend statt? Neben der Integrationskursbegleitung findet auch eine Begleitung bei anderen sprachbildenden Maßnahmen, z. B. beim ESF-BAMF-Programm (Europäischer Sozialfonds-Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) statt. 2011 2012 2013 Integrationskursverpflichtungen 10 730 14 776 14 864 Integrationskursberechtigungen 13 997 20 293 22 916 2011 2012 2013 Zahl der Beratungsfälle Unionsbürger 16 617 28 476 40 123 2011 2012 2013 Zahl der Zuwanderer unter 27 Jahre 11 964 16 422 18 058 2011 2012 2013 integrationskursbegleitend 12 757 22 261 25 976 andere Sprachkurse, z. B. ESF-BAMF-Programm 2 014 4 619 5 317 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4069 16. Wie hat sich der sog. Erreichungsgrad (von MBE-Vollzeitstellen: Integrationskursteilnehmerinnen und Integrationskursteilnehmer) in den Jahren 2009 bis 2014 entwickelt? Welche Quote hält das BMI hier für erstrebenswert? Auch hierzu können Jahresvergleiche erst ab dem Jahr 2011 gezogen werden. Aufgrund unterschiedlicher Beratungsbedarfe werden feste Quoten als wenig zielführend erachtet. 17. Inwiefern hält es die Bundesregierung aus integrations- und arbeitsmarktpolitischen Gründen für sachgerecht, arbeitsuchenden Asylbewerberinnen und Asylbewerbern den Zugang zu staatlich organisierten Sprachförderungsangeboten (Integrationskurse, Kurse des Europäischen Sozialfonds und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge) zu eröffnen, damit sie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern können, und wenn nein, warum nicht? Aus Sicht der Bundesregierung ist der frühzeitige Spracherwerb eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine gelingende (Arbeitsmarkt-)Integration. Aus diesem Grund prüft die Bundesregierung derzeit – wie in ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates zu Öffnung der Integrationskurse für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, Ausländerinnen und Ausländer mit humanitären , völkerrechtlichen oder politischen Aufenthaltserlaubnissen sowie Flüchtlinge im laufenden Asylverfahren und Geduldete vereinbart (siehe Bundestagsdrucksache 18/445, S. 12 vom 5. Februar 2014) – auch mit Blick auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag (S. 110), welche Maßnahmen in diesem Bereich sinnvoll und auch finanzierbar sind. An dem ESF-BAMF-Programm zur berufsbezogenen Sprachförderung für Menschen mit Migrationshintergrund können Asylbewerberinnen und Asylbewerber bereits teilnehmen, soweit sie an den Bundesprogrammen „ESF-Integrationsrichtlinie Bund“ oder „ESF-Bundesprogramm für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge II“ teilnehmen. 18. Inwiefern hält es die Bundesregierung aus integrationspolitischen Gründen für sachgerecht, arbeitsuchenden Asylbewerberinnen und Asylbewerbern den Zugang zu staatlich organisierten Beratungsangeboten wie die MBE zu eröffnen? Wenn ja, wann wird die Bundesregierung die notwendigen Schritte unternehmen , um die MBE auch für die Zielgruppe der arbeitsuchenden Asylbewerberinnen und Asylbewerber zu öffnen, und welche zusätzlichen Haushaltsmittel für die MBE hielte die Bundesregierung für diese Zielgruppenerweiterung der MBE für notwendig? Wenn nein, warum nicht? Zur Zielgruppe der MBE gehören: Zuwanderer, die sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten; EU-Bürger; Spätaussiedler, deren Ehegatten und Abkömmlinge ; Bürger im Rahmen der humanitären Aufnahmeaktion der Bundesregie- 2011 2012 2013 Integrationskursteilnehmer je Vollzeitstelle: 27 : 1 47 : 1 55 : 1 rung und bleibeberechtigte Flüchtlinge. Für die Beratung und Versorgung von Asylbewerbern vor Ort sind die Länder zuständig. Drucksache 18/4069 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 19. Wurde die Arbeit der MBE in den Jahren 2009 bis 2014 evaluiert? Die Arbeit der MBE wurde von Anfang 2013 bis Ende 2014 vom Forschungsbereich des Bundesamtes (23FII) evaluiert. Wenn ja, durch wen, und zu welchen Kosten für den Bundeshaushalt, und mit welchem Ergebnis? Wo wurden diese Evaluierungsergebnisse veröffentlicht? Das BAMF-Forschungszentrum führte seit Anfang 2013 eine wissenschaftliche Begleitforschung durch, in der die Sicht der Klienten der MBE auf das Beratungsangebot in den Blick genommen wurde (BAMF-MBE-Klientenbefragung 2014). Ziel war es, die Zielerreichung und die von den Klienten subjektiv wahrgenommene Wirkung der MBE sowie eventuellen Verbesserungsbedarf und Optimierungspotenzial festzustellen. Die telefonisch durchgeführten Interviews wurden von einem externen Befragungsinstitut durchgeführt (Kosten: 147 500 Euro). Die Befragung von rund 1 250 MBE-Klienten fand von Anfang bis Mitte 2014 statt. Wenn nein, warum nicht? Ein Abschlussbericht wird im Laufe des Jahres 2015 vorliegen. 20. Ist das Modellprojekt „individuelle Integrationsvereinbarungen“, wie angekündigt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7471), evaluiert worden? Das Modellprojekt „Integration verbindlicher machen – Integrationsvereinbarungen erproben“ ist evaluiert worden. a) Ist es zutreffend, dass die Bietergemeinschaft aus a) dem Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung GmbH (ies) an der Universität Hannover, b) der Fachhochschule Frankfurt am Main und c) der anakonde GbR den Zuschlag für die Evaluierung erhalten haben ? Das ist zutreffend. b) Zu welchen Kosten kam die Evaluierung zu welchem Ergebnis bzw. welchen Empfehlungen? c) Wurden diese Evaluierungsergebnisse veröffentlicht? Wenn ja, wo? Wenn nein, warum nicht? Die Evaluationsergebnisse und Empfehlungen wurden in zwei Publikationen veröffentlicht. Zum einen wurde der Einsatz der Integrationsvereinbarungen und die Verbesserung der Netzwerkkooperationen im Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung des Modellprojekts „Integration verbindlicher machen – Integrationsvereinbarungen erproben“ ausführlich dargestellt, sowie die Wirksamkeit des Instruments Integrationsvereinbarung dokumentiert. Zum anderen wurde ein Ratgeber für Kommunen und Beratungsstellen „Integrationsvereinbarungen einsetzen – Handlungsleitfaden zur praktischen Umsetzung vor Ort“ herausgegeben. Beide Publikationen können auf der Homepage der Beauftrag- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4069 ten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration heruntergeladen werden. Die Evaluation hat gezeigt, dass die Integrationsvereinbarung als ein auf Freiwilligkeit basierendes Instrument zur Vereinbarung von Integrationszielen eine hohe Akzeptanz vor allem bei Ratsuchenden gefunden hat. Ein weiteres Ergebnis der Evaluation ist, dass die Vernetzung und Koordination der Anbieter von benötigten Integrationsleistungen vor Ort von zentraler Bedeutung ist, damit die getroffenen Vereinbarungen umgesetzt werden können. Die Verbesserung der Netzwerkarbeit war daher wesentlicher Bestandteil des Modellprojekts. Kosten der Integrationsvereinbarungen und der Netzwerkarbeit waren nicht Gegenstand der Evaluation. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333