Deutscher Bundestag Drucksache 18/4070 18. Wahlperiode 23.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Sigrid Hupach, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3972 – Zur Lage HIV-positiver Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die medizinische Situation von Menschen mit HIV (Humanes ImmundefizienzVirus ) hat sich in den letzten 15 Jahren massiv verbessert. HIV-Infizierte sind chronisch erkrankte Menschen mit einer behandelbaren Erkrankung, die zwar mit Einschränkungen leben, deren Situation, soweit sie die lebensnotwendigen Medikamente rechtzeitig und dauerhaft erhalten, nicht mehr als dramatisch zu bezeichnen ist. Das Absinken der Viruslast unter die Nachweisgrenze, zumeist nach wenigen Wochen, die mittlerweile sehr gute Verträglichkeit und schließlich die hohe Wirksamkeit der Medikamente mit der Folge einer annähernd normalen Lebenserwartung, die das Erreichen der Dienstaltersgrenze wahrscheinlich macht, macht es notwendig, von einem Wandel von HIV/Aids zu sprechen. Vielfach wird es auch als „neues Aids“ (Prof. Dr. Martin Dannecker) bezeichnet. Doch die alten Bilder, Vorurteile und Ängste sind weiterhin manifest . Etwa zwei Drittel der etwa 80 000 HIV-Positiven gehen einem Beschäftigungsverhältnis nach, viele vollberuflich, einige im öffentlichen Dienst. Mehrfach nahmen die Kampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Bezug auf das Thema HIV und Arbeit. Im Rahmen der Weltaidstagskampagnen traten HIV-Positive offen auf, sprachen über sich und warben für einen offenen Umgang mit HIV auch am Arbeitsplatz. Auch die Deutsche AIDS-Hilfe e. V. bearbeitet das Thema auf vielfältige Weise, gibt Materialien dazu heraus, verweist aber auch immer auf die vielfach noch bestehende Diskriminierung von Menschen mit HIV im Arbeitsleben. Fakt ist, dass es keine Berufsverbote für Menschen mit HIV gibt und sie in allen Jobs weiter arbeiten können. In der aktuellen Broschüre der Deutschen Aidshilfe e. V. (DAH) heißt es: „Die Erfahrungen und eine Studie aus England zeigen, dass Menschen mit HIV im Schnitt genauso leistungsfähig sind wie ihre Kolleginnen und Kollegen […] AndeDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. rerseits gibt es auch HIV-Positive, die gesundheitliche Einschränkungen erleben – wie Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen auch. Was das für die Arbeitsfähigkeit bedeutet, muss im Einzelfall beurteilt werden“ (HIV und Arbeit, Infos für Arbeitgeber, DAH, Berlin, S. 9). Die Landesregierung NRW sieht für HIV-Positive keinerlei Gründe, die einer Einstellung oder gar Verbeamtung entgegenstünden (Ministerialblatt MBl. NRW, Ausgabe 2012, Nr. 30 vom 12. Dezember 2012, S. 711 bis 718). Drucksache 18/4070 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der öffentliche Dienst, insbesondere die Behörden des Bundes und der Länder, sollten eine Vorbildfunktion ausüben, um Diskriminierungen zu unterbinden und wirkliche Inklusion vorleben. Um die Beantwortung von Fragen zu ermöglichen , bei denen eine Abfrage bei den zuständigen Länderbehörden notwendig ist, erklären sich die Fragesteller mit einer Fristverlängerung zur Beantwortung der Kleinen Anfrage einverstanden. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Dienstherr und Arbeitgeber Bund beansprucht grundsätzlich keine Sonderstellung im Umgang mit HIV-positiver Menschen im Verhältnis zu Arbeitgebern in der Privatwirtschaft. Gleichwohl genießt der öffentliche Dienst im Allgemeinen ein recht hohes Ansehen als sozialer Arbeitgeber, der auf die individuellen Bedürfnisse und Lebenslagen Rücksicht nimmt. Sein Anspruch ist es, niemanden aufgrund von Krankheit oder Behinderung zu diskriminieren oder zu stigmatisieren . Auf Auswirkungen, die eine Krankheit auf die Arbeitsfähigkeit von Menschen hat, wird individuell Rücksicht genommen. Eine HIV-Infektion ist dabei nicht anders zu behandeln als andere Erkrankungen. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 11. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3130) Bezug genommen . Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zum Umgang mit HIV-positiven Menschen im Zuständigkeitsbereich der Länder vor. Soweit die Fragesteller gebeten haben, die Länder an der Abfrage zu beteiligen, wurde dieser Bitte mit Blick auf die föderale Zuständigkeitsverteilung nicht entsprochen. Der parlamentarische Informationsanspruch erstreckt sich nicht auf Gegenstände, die keinen Bezug zum Verantwortungsbereich der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag haben, insbesondere weil sie sich außerhalb der Zuständigkeit der Bundesregierung befinden. 1. Inwiefern ist es gesichert, dass der aktuelle Wissensstand zum Thema HIV und Arbeit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes vorhanden ist? Die Bundesregierung sieht es im Rahmen ihrer HIV-Strategie seit jeher als eine ihrer Hauptaufgaben an, die Bevölkerung umfassend über HIV und AIDS zu informieren und aufzuklären, auch mit dem Ziel, bestehende Ängste und Vorurteile abzubauen. Über diese an die gesamte Öffentlichkeit in Deutschland gerichtete Informationspolitik hinaus bieten die Bundesbehörden ihren Beschäftigten eine kostenlose und unmittelbar am Arbeitsplatz verfügbare ärztliche und soziale Beratung durch medizinisch geschultes Personal bzw. durch qualifizierte Psychologinnen und Psychologen sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Diese Beratungsleistungen des Ärztlichen und Sozialen Dienstes sind Ausdruck der besonderen Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn gegenüber seinen Beschäftigten. Sie stehen nicht nur den erkrankten Beschäftigten selbst zur Verfügung, sondern können auch von Kolleginnen und Kollegen in Anspruch genommen werden, die Fragen zum Umgang mit HIV-positiven Menschen haben. 2. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass keine Diskriminierung von Menschen mit HIV im öffentlichen Dienst stattfindet, und dass es bei Fällen von Diskriminierung kompetente Ansprechpartner gibt? Bei Diskriminierung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden die Personalverantwortlichen oder der Soziale Dienst im Rahmen der arbeitsrecht- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4070 lichen bzw. dienstrechtlichen Fürsorgepflicht tätig. Der Soziale Dienst bietet unter anderem psychosoziale Beratungen an oder erarbeitet mit Führungskräften Handlungshilfen. Darüber hinaus berät er die Betroffenen, stimmt das weitere Vorgehen ab und interveniert gegebenenfalls im Zusammenwirken mit den Personalverantwortlichen . Insofern wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zusätzlich können auch die Beratungsangebote der AIDS-Hilfen sowie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes genutzt werden (für HIV werden keine spezifischen Abläufe benötigt). 3. Sind den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes Materialien zum aktuellen Wissensstand zugänglich? Inwiefern haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst eine Fortbildung zu HIV und Arbeit besucht, bzw. ist dieses Thema Bestandteil in den Aus- oder Weiterbildungen (die Fragesteller bitten um eine Abfrage bei den Ländern)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. In der Bundesverwaltung werden keine krankheitsspezifischen Fortbildungen angeboten. Im Rahmen von Gesundheitstagen und Inhouse-Seminaren werden unter anderem auch Informationen zu chronischen Erkrankungen vermittelt. Die Eingliederung von chronisch gesundheitlich beeinträchtigten Personen war auch auf Grundlage von § 84 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) Schwerpunkt des Gesundheitsförderungsberichtes der Bundesregierung für das Jahr 2012. In den Ausbildungs- und Aufstiegsfortbildungsgängen der Bundesverwaltung erfolgt im Unterricht zu den Grundrechten und im öffentlichen Dienstrecht eine Wissensvermittlung zu Themen wie Gleichbehandlung und Diskriminierung. Unzulässige Differenzierungskriterien, die zu Verstößen gegen Gleichbehandlungsgrundsätze führen, werden dargestellt und die Absolventinnen und Absolventen in die Lage versetzt, ihr dienstliches Handeln an den rechtlichen Maßstäben auszurichten. Im Rahmen der als berufsbegleitender Fernstudiengang ausgestalteten Aufstiegsfortbildung in den höheren Verwaltungsdienst ist der Themenkomplex Bestandteil des Moduls „Personelles Verwaltungshandeln – Human Resources Management“ und wird dort in dem Studienbrief „Personalmanagement II“ gelehrt . Konkret wird die Thematik chronische Erkrankungen und Arbeit im Zusammenhang mit dem persönlichen und betrieblichen Gesundheitsmanagement behandelt. Zudem werden die Studierenden in den Präsenzveranstaltungen zu diesem Modul entsprechend sensibilisiert. 4. Falls es zu Fragen oder Problemen im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen kommt, an wen können sich Menschen mit HIV oder ihre Kolleginnen und Kollegen wenden? Gibt es an diesen Stellen geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Thema HIV (die Fragesteller bitten um eine Abfrage bei den Ländern)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 5. Inwiefern stellt die Bundesregierung sicher, dass Vorgesetzte in Bundesbehörden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit HIV adäquat unterstützen können und es nicht zu Fehleinschätzungen der Arbeitsfähigkeit kommt (z. B. einem Rat zur Verrentung bei symptomloser HIV-Infektion)? Drucksache 18/4070 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Das Informations- und Unterstützungsangebot des Ärztlichen und Sozialen Dienstes steht selbstverständlich auch den Vorgesetzten zur Verfügung. Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen es seitens der Vorgesetzten zu Fehleinschätzungen der Arbeitsfähigkeit gekommen ist. 6. Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass Amtsärzte über den aktuellen Wissensstand zu HIV informiert sind und wissen, dass HIV-Tests nicht Teil von arbeits- und betriebsmedizinischen Untersuchungen sind? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Ein HIV-Test ist weder bei Einstellungs - noch bei anderen betriebsmedizinischen Untersuchungen vorgesehen. Darüber hinaus wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 16 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 11. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3130) verwiesen. 7. Inwiefern kann gewährleistet werden, dass Bundesbehörden gegenüber HIV-Positiven, z. B. in Fragen der Verbeamtung oder auch der bloßen Befragung nach dem Serostatus (bei einer Einstellungsuntersuchung), ähnlich handeln wie in Nordrhein-Westfalen, wo dies durch einen Ministerialerlass aus dem Jahr 2012 gewährleistet ist, und plant die Bundesregierung gegebenenfalls einen ähnlichen Erlass für Bundesbehörden? Bewerberinnen und Bewerber, die sich um eine Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auszuwählen (Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes). Hierzu gehört auch ein notwendiges Maß an gesundheitlicher Eignung. Daher muss der Dienstherr durch eine ärztliche Untersuchung die gesundheitliche Eignung zum Zeitpunkt der Einstellung feststellen. Eine gesundheitliche Eignung ist nicht gegeben, wenn im Rahmen einer zu treffenden Prognose eine vorzeitige dauernde Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze überwiegend wahrscheinlich ist (siehe BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013, Az.: 2 C 12/11). Bei allen bei einer Einstellungsuntersuchung festgestellten Erkrankungen sind die Auswirkungen der Erkrankung unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der Wissenschaft einzelfallbezogen zu betrachten. Entsprechend hatte die Bundesregierung bereits in ihrer Antwort zu Frage 20 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 11. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3130) dargelegt, dass die Beurteilung der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit bei einer Bewerberin oder einem Bewerber mit HIV-Infektion wesentlich von dem individuellen Stand bzw. dem Verlauf der Krankheit sowie der sonstigen körperlichen Konstitution abhängt und eine HIV-Infektion angesichts der immer besser werdenden Therapiemethoden für sich allein eine Feststellung der gesundheitlichen Geeignetheit nicht ausschließt. Die Testung auf eine HIV-Infektion ist nicht Bestandteil der Einstellungsuntersuchung. Im Hinblick auf diesen bei den Untersuchungen für eine Einstellung in Bundesbehörden geltenden Standard sind weitere Vorgaben für die Bundesbehörden nicht vorgesehen. 8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Probleme und Lebenslagen von HIV-positiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4070 Der Bundesregierung liegen lediglich allgemeine, nicht nach Berufsgruppen unterscheidbare Erkenntnisse zu der sozialen Lage und Diskriminierung von HIVpositiven Menschen in Deutschland vor. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 11. November 2014 (Bundestagsdrucksache 18/3130) wird verwiesen. 9. Sieht die Bundesregierung die Bundesbehörden in einer Vorbildfunktion für die Integration HIV-positiver Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus dem sozialen Klima gegenüber den Betroffenen, so dass diese auch offen mit ihrer Infektion umgehen können (wir bitten um eine Abfrage bei den Ländern)? Die Bundesregierung widmet sich seit einigen Jahren intensiv dem Thema Gesundheitsförderung in der Bundesverwaltung. Auf der Grundlage „Gemeinsamen Initiative zur Förderung des Gesundheitsmanagements in der Bundesverwaltung “, die die Bundesregierung (vertreten durch das Bundesministerium des Innern) mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem dbb beamtenbund und tarifunion im Dezember 2009 vereinbart hat, wird das Gesundheitsmanagement in den Bundesbehörden kontinuierlich ausgebaut. Fester Bestandteil eines systematischen Gesundheitsmanagements ist es, gesundheitliche und soziale Faktoren miteinander zu verbinden. Schwerpunkte sind der Umgang mit chronischen Erkrankungen und die Eingliederung Betroffener. Dazu gehört auch die gesundheitliche Aufklärung sowohl der Betroffenen als auch des dienstlichen und sozialen Umfelds. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333