Deutscher Bundestag Drucksache 18/4154 18. Wahlperiode 27.02.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/3997 – Deutsche Zulieferungen an die Chemiewaffenprogramme in Irak und Syrien Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/750) schrieb das Auswärtige Amt, dass das Bekanntwerden von Namen von Unternehmen, die am Aufbau des Chemiewaffenprogramms in Syrien beteiligt waren, nicht hingenommen werden könne. Begründet wurde dies unter Punkt 2b der Vorbemerkung der Bundesregierung mit möglichen schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Firmen, falls deren Namen im Zusammenhang mit den syrischen Chemiewaffen bekannt würden. Nun hat das Magazin „DER SPIEGEL“ am 24. Januar 2015 („Was geht die das an?“) einen Bericht veröffentlicht, demzufolge in bereits publizierten Dokumenten des Auswärtigen Amts mehrere Firmennamen genannt werden, die am Aufbau des syrischen Chemiewaffenprogramms beteiligt gewesen sein sollen. Somit ist die ursprüngliche – von vornherein sehr fragwürdige – Begründung der Bundesregierung für die Nichtnennung der Namen beteiligter Firmen entfallen. Auch gab es keinerlei Reaktionen der Öffentlichkeit auf diese „SPIEGEL“-Publikation – ebensowenig wie auf das Bekanntwerden der am irakischen Chemiewaffenprogramm beteiligten Firmen vor 20 Jahren –, die Anlass für die von der Bundesregierung unter Punkt 2b geäußerte Sorge geben könnte, dass „die betroffenen Unternehmen Opfer von gezielten Kampagnen bis hin zu Anschlägen und Übergriffen Dritter werden“ könnten. In der Antwort zu den Fragen 8 bis 10 der genannten Kleinen Anfrage betont die Bundesregierung, dass die Auslieferung der deutschen Güter „überwiegend “ zu einem Zeitpunkt erfolgte, als hierfür noch keine Genehmigungspflichten bestanden. Die Bundesregierung gibt jedoch keinerlei Auskunft darüber , ob und wie viele Güter zu Zeitpunkten exportiert wurden, als noch keine Genehmigungspflicht, jedoch bereits eine Meldepflicht bestand. Da mittlerweile ein Jahr seit Beantwortung der Kleinen Anfrage auf BundestagsdruckDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 25. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. sache 18/750 vergangen ist, sollte der Bundesregierung mittlerweile bekannt sein, ob bei den später gelieferten Gütern jeweils eine Genehmigung oder eine Meldung vorlag. Drucksache 18/4154 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung hat ein hohes Interesse daran aufzuklären, ob deutsche Unternehmen rechtswidrig Güter nach Syrien, Irak oder andere Länder exportiert haben, die dort für die Herstellung chemischer Waffen verwendet wurden. Als nach dem Beitritt Syriens zum Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) neue Hinweise zu Lieferungen deutscher Unternehmen zum Syrischen Chemiewaffenprogramm vorlagen, hat die Bundesregierung deshalb die ihr von der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OVCW) übermittelten Informationen an den Generalbundesanwalt weitergeleitet, um eine umfassende Untersuchung strafrechtlich relevanter Sachverhalte sicherzustellen. Nach jetzigem Stand konnten durch die vom Zollkriminalamt im Auftrag der Bundesanwaltschaft durchgeführten Abklärungen keine der in Frage kommenden Lieferungen eindeutig identifiziert und den durch die OVCW übersandten Unterlagen zugeordnet werden. Erst recht ergeben sich bisher keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes – insbesondere vorsätzliches – Verhalten deutscher Beteiligter. Eine solche nachträgliche Überprüfung von Exporten ist aber umso schwieriger, je länger der Export zurückliegt. Sie ist für über und bis zu 30 Jahre zurückliegende Lieferungen nur sehr eingeschränkt möglich. Zum einen sind Dokumente und Unterlagen nicht mehr vorhanden, weil die Aufbewahrungsfristen sowohl seitens der Unternehmen als auch der Behörden ausgelaufen sind und damals keine automatisierten bzw. elektronischen Antragsverfahren existierten, anhand derer Lieferungen heute noch nachzuverfolgen wären. Zum anderen sind einzelne Unternehmen bzw. Unternehmensteile weiterverkauft bzw. mit anderen Unternehmen verschmolzen worden. Seit Mitte der 80er-Jahre wurden als Konsequenz der Erkenntnisse über Lieferungen deutscher Firmen an Staaten, die Chemiewaffenprogramme unterhielten, die Exportkontrollvorschriften und Genehmigungspflichten verstärkt und auch eine Strafbewehrung bei Verstößen eingeführt. Im Mai 1984 beschloss die Bundesregierung die Einführung der Genehmigungspflicht für die Ausfuhr wichtiger chemischer Produkte, die als Vorstufe zur Produktion chemischer Kampfstoffe dienen können, sowie im August 1984 die Einführung der Genehmigungspflicht für Anlagen, Anlagenteile und Ausrüstungsgegenstände für Chemieanlagen durch Schaffung eines neuen Abschnitts D der Ausfuhrliste. Für zehn westliche Staaten, unter ihnen die Bundesrepublik Deutschland, war der Einsatz von Chemiewaffen im irakisch-iranischen Krieg in den 80er-Jahren Anlass, die nationalen Exportkontrollen für Dual-Use-Chemikalien zu koordinieren , Informationen über Beschaffungsmethoden auszutauschen und über Möglichkeiten zur Eindämmung der Verbreitung von Chemiewaffen zu beraten. Die Australische Gruppe (AG), die im Jahr 1985 gegründet wurde, ist das internationale Exportkontrollregime für bestimmte Chemikalien und biologische Agenzien sowie Dual-Use-Güter und Dual-Use-Technologien, die zur Herstellung biologischer oder chemischer Waffen (BW- bzw. CW-Waffen) missbraucht werden können. Ab Juli 1989 bis 1990 wurde die nationale deutsche Genehmigungspflicht auf alle chemischen Vorprodukte der Warnliste der Australischen Gruppe ausgeweitet. Auch das CWÜ, das im Jahr 1993 unterzeichnet wurde und im Jahr 1997 in Kraft getreten ist, enthält als Anlagen die Listen von Chemikalien , für die besondere Deklarations- und Verifikationsvorschriften gelten. Für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern, die durch die AG auf ihre Güterlisten gesetzt wurden, gelten daher – anders als vor 30 Jahren – in Deutschland und den anderen Staaten der AG umfangreiche Kontrollen und Genehmigungspflichten. Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien im Jahr 2013 hat allerdings deutlich gemacht, dass die internationale Aufmerksamkeit hier nicht nachlassen darf. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom November 2013 haben sich daher die Koalitionsparteien darauf verständigt, Ausfuhren von Chemika- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4154 lien und Anlagen mit doppeltem Verwendungszweck in Staaten, die dem CWÜ nicht angehören, einer besonders strikten Kontrolle zu unterziehen. Diese wird in Deutschland durch die Vorlage der entsprechenden Ausfuhranträge und Voranfragen an den interministeriellen Ausfuhrausschuss sichergestellt, in dem die Ressorts gemeinsam über diese sensitive Exportvorhaben beraten und sie unter Einbeziehung aller verfügbaren, auch nachrichtendienstlichen Quellen kritisch bewerten. 1. Welche deutschen Zulieferer, Produzenten oder Händler werden in den Meldungen Syriens an die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) bzw. in Berichten von UN-/OPCW-Inspekteuren in Syrien über Chemiewaffenproduktionsstätten genannt (bitte unter Angabe der gelieferten Güter und der belieferten bzw. unterstützten Anlagen für chemische Waffen und Jahr)? Die syrische Erstdeklaration, die damit verbundenen weiteren Dokumente (z. B. Nachdeklarationen und die ursprünglichen Disclosures) und Fotos aus den Inspektionen in Syrien sind mit dem Geheimhaltungsgrad „OPCW-Protected“ eingestuft, dem zweithöchsten Geheimhaltungsgrad der OVCW. Er entspricht dem deutschen VS-Grad „VS-Vertraulich“. Eine Offenlegung hätte negative Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit der OVCW und den Vertragsstaaten des CWÜ, da der vertragsgemäße Informationsfluss auf Wahrung der vorgeschriebenen Vertraulichkeit beruht. Eine Veröffentlichung wäre daher für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädlich (vgl. hierzu Nummer 2a der Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/750). Deshalb ist die Antwort zu Frage 1 als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS-Vertraulich“ eingestuft und zur Einsichtnahme in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. 2. Werden in den Meldungen Syriens an die OPCW bzw. in Berichten von UN- bzw. OPCW-Inspekteuren in Syrien auch deutsche Firmen, Zulieferer, Produzenten oder Händler genannt, die Beiträge zum syrischen Chemiewaffenprogramm auch nach der Einführung einer Meldepflicht bzw. einer Genehmigungspflicht für die jeweiligen Güter in Deutschland geleistet haben ? a) Wenn ja, um welche Güter in welchem Jahr handelt es sich? b) Wenn ja, um welche Firmen, Zulieferer, Produzenten oder Händler handelt es sich? c) Wenn ja, lag in jedem Fall eine Meldung bzw. eine Genehmigung vor? d) Falls die Bundesregierung keine Informationen darüber hat, wieso hat sie in den vergangenen zwölf Monaten die vorliegenden Fakten und Akten nicht daraufhin untersucht? Die Lieferungen betreffen ganz überwiegend Ausfuhrvorgänge im Zeitraum von 1982 bis 1993. Sofern es sich bei diesen Lieferungen um zum damaligen Zeitpunkt ausfuhrgenehmigungspflichtige Güter gehandelt haben sollte, sind etwaige Antragsunterlagen im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nicht mehr vorhanden, da diese in der Regel nach zehn Jahren vernichtet werden. Ab dem Jahr 2000 weisen die Meldungen nur eine relevante Lieferung aus. Bei diesem Vorgang aus dem Jahr 2004 lässt sich aufgrund der vagen Güterbeschreibung in der syrischen Meldung nicht abschließend feststellen, ob die Güter ausfuhrgenehmigungspflichtig waren. Chemikalienlieferungen deut- scher Firmen, die im Rahmen der seit Inkrafttreten des CWÜ im Jahre 1997 bestehenden Melde- und Genehmigungspflichten gemacht wurden, wurden eben- Drucksache 18/4154 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode falls überprüft. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte für Zulieferungen zur Chemiewaffenproduktion in Syrien. 3. Welche eigenen Untersuchungen und/oder Recherchen hat die Bundesregierung seit Übermittlung der OPCW-Berichte mit welchem jeweiligen Ergebnis angestrengt? Die von Syrien über die OVCW übermittelten Daten wurden einer Prüfung unterzogen , ob zu den angegebenen Lieferzeiträumen Genehmigungspflichten für die beschriebenen Lieferungen bestanden. Bei den Chemikalienlieferungen steht fest, dass sie zu einem Zeitpunkt erfolgten, als die betreffenden Chemikalien noch nicht ausfuhrgenehmigungspflichtig waren. Eindeutige Feststellungen zur Genehmigungspflicht der gelieferten Ausrüstungsgüter konnten hingegen nicht getroffen werden, da die jeweiligen Güterbeschreibungen zu ungenau sind und keinerlei technische Parameter enthalten. 4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung (aus eigenen Quellen oder von Seiten Dritter, zum Beispiel auch durch Schreiben von anderen Regierungen oder Botschaften in Deutschland) darüber, ob die im „SPIEGEL“-Artikel genannten Firmen bzw. deren Tochterfirmen möglicherweise oder tatsächlich am Bau oder Betrieb von Anlagen zur Produktion von chemischen Waffen in Syrien beteiligt waren (bitte unter Angabe der verschiedenen Quellen und Hinweise)? Die Antwort zu Frage 4 kann aus Gründen des Staatswohls nicht offen erfolgen. Bei der Gewinnung von Erkenntnissen sind die Nachrichtendienste auf Nachrichtenzugänge angewiesen, die in besonderer Weise schutzwürdig sind. Sie stellen das wichtigste Instrument eines Nachrichtendienstes zur Informationsgewinnung dar und haben folglich eine überragende Bedeutung für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags. Dies betrifft sowohl die Zusammenarbeit mit menschlichen Quellen als auch mit anderen Nachrichtendiensten. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist dabei die Geschäftsgrundlage für jede Kooperation . Eine öffentliche Bekanntgabe von solch schutzwürdigen Informationen und ihrer Herkunft und damit einhergehend die Kenntnisnahme durch Unbefugte würde erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit haben. Würden in der Konsequenz eines Vertrauensverlustes solche Informationen entfallen oder wesentlich zurückgehen, entstünden signifikante Informationslücken mit negativen Folgewirkungen für die Genauigkeit der Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland sowie im Hinblick auf den Schutz deutscher Interessen im Ausland. Die künftige Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste des Bundes würde stark beeinträchtigt. Insofern könnte die Offenlegung der entsprechenden Informationen, auch wenn sie auf diplomatischen Kanälen übermittelt wurden, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen . Deshalb ist die Antwort auf die genannte Frage als Verschlusssache gemäß der Verschlusssachenanweisung mit dem Geheimhaltungsgrad „VS-Geheim“ eingestuft und zur Einsichtnahme in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. 5. Hat die Bundesregierung oder ihr nachgeordnete Behörden in den Jahren 1978 bis 1986 deutsche Firmen darüber informiert, dass die Möglichkeit bestünde , dass ihre Aktivitäten im Irak und/oder Syrien im Zusammenhang mit einem irakischen und/oder syrischen Chemiewaffenprogramm stehen könnten (wenn ja, bitte unter Angabe, welche Firmen wann, worüber, und von wem informiert wurden)? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4154 6. Wie waren die Reaktionen der jeweiligen Firmen auf die Warnungen der Bundesregierung? 7. Trifft es zu (s. DER SPIEGEL 5/2015, S. 33), dass die Bundesregierung Anfang der 80er-Jahre die Firma Karl Kolb GmbH & Co. KG bzw. Pilot Plant aufgefordert hat, sich aus Samarra zurückzuziehen, und wenn ja, warum ? 8. Welche Vertreter der Bundesregierung traten wann mit der Firma Karl Kolb bzw. Pilot Plant bezüglich dieser Angelegenheit in Kontakt? 9. Wurden die Aktivitäten der Firma Karl Kolb bzw. Pilot Plant in Samarra nach der Aufforderung der Bundesregierung gesondert beobachtet (ggf. unter Angabe der Dienststelle bzw. Dienststellen, Beobachtungszeitraum, Erkenntnisinteresse)? 10. Welche Firmen außer Karl Kolb bzw. Pilot Plant hat die Bundesregierung in den Jahren 1982 bis 1986 aufgefordert, sich aus Samarra oder von anderen Standorten im Irak zurückzuziehen, weil dort möglicherweise eine Chemiewaffenproduktion im Aufbau bzw. Ausbau war? 12. Trifft es zu (s. DER SPIEGEL 5/2015, S. 33), dass die Bundesregierung im Jahr 1984 Unternehmen in Irak zum Abzug ihrer Angestellten aus Samarra aufforderte, und wenn ja, welche Firmen wurden dazu warum, wann, in welcher Form und von wem aufgefordert? Die Fragen 5 bis 10 sowie 12 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Hinweisen auf eine Beteiligung deutscher Unternehmen an Projekten zur Herstellung von Chemiewaffen in Irak oder Syrien sind die damaligen Bundesregierungen , soweit sie ihr vorlagen, in jedem Fall unverzüglich nachgegangen und haben sich um Aufklärung bemüht. Sofern konkret auf Lieferungen bestimmter Güter durch einzelne deutsche Unternehmen Bezug genommen wurde, hat die damalige Bundesregierung die Firmen kontaktiert, über die Hinweise unterrichtet und – falls die Lieferung noch bevorstand – sie gebeten, davon Abstand zu nehmen. Zur Frage der Beteiligung deutscher Firmen an irakischen Projekten zur Herstellung chemischer Waffen lagen der Bundesregierung ab dem Jahr 1982 zunächst in allgemeiner Form Informationen über ein irakisches C-Waffen-Programm vor. Anfang Januar 1984 unterrichtete die US-Regierung die Bundesregierung darüber, dass ihr Informationen vorliegen, wonach der Irak ein C-Waffen-Programm betreibt und hierbei Ausrüstung für Versuchs- und Produktionsanlagen für Nervengas bei einer namentlich genannten Firma gekauft hat. Eine im März 1984 von der Bundesregierung veranlasste Außenwirtschaftsprüfung bestätigte die Hinweise zunächst nicht. Die Bundesregierung hat sich jedoch mehrfach gegenüber der Firma dafür eingesetzt, dass das Unternehmen von der weiteren Durchführung des Projekts Abstand nimmt. Nach Inkrafttreten des Abschnitts D in Teil I der Ausfuhrliste, mit dem die Ausfuhr von Anlagen oder Anlagenteilen, die für die Herstellung von Giftgas geeignet sind, unter Genehmigungspflicht gestellt wurde, erhielt die Firma für ausstehende und nunmehr genehmigungspflichtige Restlieferungen keine Ausfuhrgenehmigungen. Im Herbst 1986 verdichteten sich Informationen über die Beteiligung der betreffenden Firma am irakischen C-Waffen-Programm. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt leitete Anfang November 1987 ein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Firmengruppe sowie weiterer Unternehmen ein. Drucksache 18/4154 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Im Übrigen wird zu weiteren Einzelheiten auf den Bericht der Bundesregierung über legale und illegale Waffenexporte in den Irak und die Aufrüstung des Irak durch Firmen der Bundesrepublik Deutschland vom 8. Mai 1991 (Bundestagsdrucksache 12/487) verwiesen, aus dem sich auch Hinweise auf Ermittlungsverfahren in einem weiteren Fall ergeben. 11. Welche Firmen hat die Bundesregierung in den Jahren 1980 bis 1990 aufgefordert , sich aus Standorten in Syrien zurückzuziehen, weil dort möglicherweise eine Chemiewaffenproduktion im Aufbau bzw. Ausbau war? Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, dass deutsche Firmen im fraglichen Zeitraum in Syrien Standorte unterhielten, an denen eine Chemiewaffenproduktion im Aufbau war. 13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Drohungen eines Drittlandes gegenüber möglichen Standorten chemischer Waffen in Syrien in den 80er-Jahren oder später, und wurden entsprechend durch die Bundesregierung Firmen in Syrien zum Abzug ihrer Angestellten aufgefordert, und wenn ja, wer, in welcher Form, von wem, und wann? Im Rahmen der Recherchen zur Beantwortung dieser Kleinen Anfrage haben sich aus den gesichteten Akten keine Hinweise darauf ergeben, dass es einen der Fragestellung entsprechenden Sachverhalt gegeben haben könnte. 14. Plant die Bundesregierung angesichts der jüngsten Erkenntnisse über die deutsche Beteiligung auch am syrischen Chemiewaffenprogramm die Einrichtung einer Historiker-Kommission, um die deutsche Beteiligung an der Entwicklung und Produktion von Chemiewaffen weltweit in den letzten 100 Jahren – seit dem ersten großflächigen Einsatz von Chemiewaffen durch Deutschland am 22. April 1915 in Ypern – zu untersuchen und Handlungsempfehlungen für die Zukunft zu entwickeln? Die Bundesrepublik Deutschland hat lange vor Unterzeichnung des Chemiewaffen -Übereinkommens C-Waffen national geächtet und seit ihrem Bestehen keine chemischen Waffen besessen. Die Bundesregierung hat sich maßgeblich für das Zustandekommen des Chemiewaffen-Übereinkommens von 1993 eingesetzt. Es ächtet chemische Waffen vollständig und stellt die Vernichtung vorhandener Waffen und die Herstellung von Chemikalien, die sich für Waffenzwecke eignen , unter internationale Kontrolle durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW). Das Ausführungsgesetz zum Chemiewaffen-Übereinkommen und das Kriegswaffenkontrollgesetz haben das Totalverbot in deutsches Recht umgesetzt. Parallel dazu hat die Bundesregierung alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, um eine Mitwirkung und Hilfestellung deutscher Firmen oder von Einzelpersonen an der Herstellung dieser Waffen in anderen Ländern zu verhindern und sie für eine schon erfolgte Beteiligung zur Rechenschaft zu ziehen. Beginnend ab Mitte der 80er-Jahre wurden die Exportkontrollvorschriften und Genehmigungspflichten verstärkt und auch eine Strafbewehrung bei Verstößen eingeführt und sukzessive verschärft (auf die Ausführungen dazu in der Vorbemerkung wird verwiesen). Vor dem Hintergrund dieses umfassenden nationalen und internationalen Kontrollrahmens sieht die Bundesregierung keinen Bedarf, durch eine Historikerkommission Handlungsempfehlungen für die Zukunft entwickeln zu lassen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4154 15. Sind der Bundesregierung Straftaten bekannt, die seit dem Jahr 1980 in Deutschland im Zusammenhang mit Protesten gegen vermeintliche oder tatsächliche Zulieferungen für das irakische oder syrische Chemie- oder Biowaffenprogramm begangen wurden (bitte unter Nennung der Einzelfälle und Daten)? a) Wenn ja, wie viel Sachschaden ist bei diesen Straftaten insgesamt entstanden ? b) Wie viele Personen sind bei diesen Straftaten zu Schaden gekommen? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 16. Welche Fälle von „gezielten Kampagnen“ gegen Unternehmen oder Einzelpersonen im Zusammenhang mit den Protesten gegen deutsche Zulieferungen an das irakische und/oder syrische Chemie- und/oder Biowaffenprogramm sind der Bundesregierung bekannt? Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor. 17. Wie viele strafrechtliche Ermittlungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund dieser „gezielten Kampagnen“ aufgenommen, etwa wegen Rufschädigung etc.? 18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den rechtlichen Umgang vermeintlicher Opfer derartiger „gezielter Kampagnen“, und/oder steht sie im Austausch mit vermeintlichen oder tatsächlichen Opfern solcher Kampagnen zum Zwecke der Gefahrenabwehr? Die Fragen 17 und 18 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Strafverfolgung obliegt grundsätzlich den Staatsanwaltschaften der Länder. Zur Zahl von Ermittlungsverfahren, jeweiligen Tatvorwürfen und ihrer rechtlichen Bewertung im Zusammenhang mit Protesten gegen deutsche Zulieferungen an das irakische und/oder syrische Chemie- und/oder Biowaffenprogramm liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 19. Welche Abteilungen und welche ministeriellen Strukturen waren an der Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/750 beteiligt ? Das Verfahren zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen und die diesbezügliche Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem Deutschen Bundestag ergeben sich aus der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Die Bearbeitung erfolgte durch die jeweils fachlich zuständigen Abteilungen der beteiligten Ressorts. 20. Waren den mit der Beantwortung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Dokumente des Auswärtigen Amts bekannt, aus denen „DER SPIEGEL“ (24. Januar 2015) die Namen der beteiligten Unternehmen zitiert ? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage wurden diese Dokumente bei der Beantwortung verschwiegen? Drucksache 18/4154 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Wenn ja, welche weiteren einschlägigen Dokumente wurden bei der Beantwortung darüber hinaus nicht erwähnt? Den im Jahr 2014 mit der Beantwortung befassten Arbeitseinheiten war der Vermerk des Auswärtigen Amts vom 11. Dezember 1984 zum Zeitpunkt der Beantwortung der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 18/750) nicht bekannt. Das Dokument wurde erst im Jahr 2015 durch die wissenschaftliche Forschung nach Ablauf der 30-Jahresfrist gemäß § 5 des Bundesarchivgesetzes in Band II der „Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1984“ veröffentlicht . Gesamtherstellung: H. 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