Deutscher Bundestag Drucksache 18/4173 18. Wahlperiode 03.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Özcan Mutlu, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3870 – Antisemitismus in Deutschland Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In Deutschland sind wir täglich mit allen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit konfrontiert. Antisemitische Straftaten gehören zum traurigen Alltag. Jüdische Einrichtungen sind häufig auf einen dauerhaften Schutz durch die Polizei angewiesen. Nicht erst nach den Terroranschlägen von Paris leben viele Juden in Deutschland mit einer gewachsenen Sorge vor Anschlägen und Angriffen. Denn, wie der Sommer 2014 zeigte, werden Auseinandersetzungen im Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern auch mit Gewalt auf deutsche Straßen getragen, welche in teilweise antisemitischen und gewaltsamen Auseinandersetzungen endeten. Der Deutsche Bundestag hat mehrfach seine Entschlossenheit gegen Antisemitismus und sein Ja zum jüdischen Leben hier bekundet (beispielsweise auf Bundestagsdrucksache 17/13885, 16/10775 (neu), 16/10776). Zudem hat im Januar 2015 der Expertenkreis Antisemitismus erneut seine Arbeit aufgenommen . Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Nicht nur vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung Deutschlands ist die Bekämpfung von Antisemitismus ein zentrales Anliegen der Bunderegierung . Über jüdische Menschen und die die jüdischen Gemeinden hinaus bedroht Antisemitismus jeglicher Ausrichtung auch die demokratische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und in ihren Grundwerten. Für die Bundesregierung sind sowohl die Prävention als auch die entschiedene Bekämpfung von Antisemitismus und extremistischen Bestrebungen jeglicher Couleur von hoher politischer Priorität. Dass jüdische Menschen sich in Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 26. Februar 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutschland sicher und aufgehoben fühlen, ist für die Bundesregierung von großer Bedeutung. Darüber besteht ein umfassender gesellschaftlicher und politischer Konsens. Drucksache 18/4173 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wie definiert die Bundesregierung Antisemitismus? Eine allgemeingültige Definition des Antisemitismus existiert in sozialwissenschaftlichen oder anderen öffentlichen Zusammenhängen nicht. Die Bundesregierung versteht unter Antisemitismus die politisch, sozial, rassistisch oder religiös (Antijudaismus) grundierte Feindschaft gegenüber Juden (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2013, S. 124). a) Falls sich diese Definition von der Arbeitsdefinition Antisemitismus der EUMC (European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia) unterscheidet , wie begründet dies die Bundesregierung? Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) hat eine unverbindliche und nichtoffizielle Arbeitsdefinition vorgeschlagen deren Gebrauch und mediale Verbreitung von dort verantwortet wird: „Der Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“ Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten sind nicht an diese Definition gebunden und können Antisemitismus eigenständig definieren. Im Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus aus dem Jahr 2011 (Bundestagsdrucksache 17/7700 vom 10. November 2011) wird diese Arbeitsdefinition als eingeschränkt verwendbar eingestuft. Der Bericht des Expertenkreises Antisemitismus sieht – ähnlich zur o. g. Begriffsbestimmung der Bundesregierung – in der Feindschaft gegen Juden aufgrund der angeblichen oder tatsächlichen Zugehörigkeit der jeweiligen Individuen oder Institutionen zum Judentum einen wesentlichen definitorischen Kern. b) Weshalb ist die Arbeitsdefinition Antisemitismus der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) aus dem Jahr 2004, die über die Website der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte abrufbar war und die online nicht mehr verfügbar ist (www.fra.europa.eu/en/fra/material/pub/AS/AS-Working Definition-draft.pdf), nicht mehr online verfügbar? Zum 1. März 2007 wurde die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (Grundrechteagentur) als Nachfolgeeinrichtung der EUMC errichtet (vgl. Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates vom 15. Februar 2007 zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte). Ziel der Grundrechteagentur ist es, die Organe und Einrichtungen der Union und die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts in Grundrechtsfragen zu unterstützen und ihnen Fachkenntnisse bereitzustellen, um ihnen die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte zu erleichtern, wenn sie in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich Maßnahmen einleiten oder Aktionen festlegen (vgl. Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 168/2007). Das Mandat der Grundrechteagentur geht über das Mandat der EUMC hinaus. Derzeit arbeitet die Grundrechteagentur zu den Themenbereichen, die in Artikel 2 des Beschlusses Nr. 252/2013/EU des Rates vom 11. März 2013 zur Festlegung eines Mehrjahresrahmens (2013–2017) für die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (ABl. L 53 vom 21. März 2013, S. 1) festgelegt wurden. Neben dem Themenbereich Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und damit einhergehende Intoleranz erfasst der aktuelle Mehrjahresrahmen unter anderem Themenbereiche wie Zugang zum Recht, Opfer von Straftaten, Informationsgesellschaft , Integration von Roma, Rechte des Kindes sowie Diskriminierung . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4173 Weshalb die Arbeitsdefinition Antisemitismus der EUMC nicht mehr online auf der Seite der Grundrechteagentur verfügbar ist, ist der Bundesregierung nicht bekannt. c) Gilt diese vereinbarte Arbeitsdefinition noch für die Bundesregierung? Es wird auf die Antwort zu Frage 1a verwiesen. d) Wird sich die Bundesregierung für die Wiederveröffentlichung dieser Arbeitsdefinition einsetzen? Die Grundrechteagentur nimmt nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 168/2007 des Rates vom 15. Februar 2007 zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für Grundrechte ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahr. Die Bundesregierung respektiert die Eigenständigkeit der Grundrechteagentur . e) Welche Kriterien werden bei der Neudefinition antisemitischer Übergriffe für die Registrierung von Straftaten diskutiert, und wie findet diese Diskussion statt? Der Empfehlung des parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) entsprechend wurde die Bund-LänderArbeitsgruppe Kriminalpolizeilicher Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (BLAG „KPMD-PMK“) mit dem Auftrag eingerichtet, das Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität (PMK) zu überprüfen. Die Definition antisemitischer Straftaten im Definitionssystem – „antisemitisch ist der Teil der Hasskriminalität, der aus einer antijüdischen Haltung heraus begangen wird“ – bedarf aus Sicht der Bundesregierung keiner Modifizierung. Eine Neu-Definition des Begriffs „Antisemitismus“ wird daher im Rahmen der BLAG „KPMD-PMK“ derzeit nicht angestrebt. 2. Wäre aus Sicht der Bundesregierung ein jährlich erscheinender Antisemitismusbericht über antisemitische Straftaten, der parallel zu den Empfehlungen der Expertenkommission entsteht, sinnvoll, und wenn nein, warum nicht? Eine jährliche Veröffentlichung von Statistiken und Zahlen zur „politisch-motivierten Kriminalität“ – inkl. antisemitischer Gewalttaten und Volksverhetzungsdelikte – erfolgt bereits in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder. Darüber hinaus wird keine Berichterstattung angestrebt. 3. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Verbreitung des sogenannten Alltagsantisemitismus, der laut dem letzten Bericht des unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus (Bundestagsdrucksache 17/7700) der Bundesregierung „antisemitische Stereotype oder Zuschreibungen gleichwohl in die Alltagswelt“ (S. 65) einwebt, und welche Gegenmaßnahmen hat sie ergriffen? 4. Wie viele Menschen haben in Deutschland nach Kenntnis der Bundesregierung ein geschlossen antisemitisches Weltbild (Zahlen bitte begründen)? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die im o. g. Bericht des Expertenkreises Antisemitismus ausgewerteten demo- skopischen Untersuchungen geben übereinstimmend eine Größenordnung von etwa 20 Prozent latentem Antisemitismus an. Drucksache 18/4173 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Je nach Methode, erkenntnisleitendem Interesse und Fragebogendesign können solche Ergebnisse allerdings variieren. Wie viele Menschen in Deutschland ein geschlossen antisemitisches Weltbild haben, ist der Bundesregierung nicht bekannt . Gleichwohl nimmt die Bundesregierung diese Ergebnisse ernst und sieht sich fortwährend veranlasst, dem Antisemitismus in der Gesellschaft entgegenzutreten und ihn nachhaltig zu bekämpfen. Alle gemessenen Quantitäten antisemitischen Einstellungspotenzials in unterschiedlichsten Erscheinungen (z. B. antisemitische Ressentiments, Klischees, Verschwörungsideologien etc.) sind mit den Werten einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft nicht vereinbar. Maßnahmen zur Bekämpfung antisemitischer Einstellungen sind dauerhafter Bestandteil der Bildungsangebote der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). In diesem Zusammenhang sind auch die Angebote zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg sowie Maßnahmen zur Bekämpfung extremistischer Einstellungen und rassistischer Vorurteile zu sehen. Durch ein umfassendes Angebot an Print- und OnlineProdukten wie auch Veranstaltungen und Förderungen werden verschiedene Facetten des Antisemitismus aufgegriffen, kritisch reflektiert und Handreichungen entwickelt. Außerdem wird parallel zur argumentativen Auseinandersetzung mit antisemitischen Positionen und zur Rückbeziehung auf den Holocaust der Ansatz verfolgt, die integrativen Aspekte der Geschichte der Juden in Deutschland und Europa hervorzuheben. Die BpB hat immer wieder Angebote in ihrem Programm , die das Spektrum jüdischen Lebens in Deutschland und Europa darstellen . Ein zentrales Anliegen der BpB ist es, zivilgesellschaftliche Kräfte zu unterstützen , die sich gegen Extremismus und Antisemitismus einsetzen. Entsprechend fördert sie Maßnahmen zur Stärkung örtlicher und regionaler zivilgesellschaftlicher Strukturen. Die Bundesregierung sieht mit Sorge, dass antisemitische Stereotype und Hetze in zunehmendem Maße auf die Straße und in die Sozialen Netzwerke im Internet getragen werden. Deshalb befasst sich im vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) aufgelegten Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit “ ein Programmbereich ausdrücklich mit dem Schwerpunkt „aktueller Antisemitismus “. Hieraus gewonnene Erkenntnisse, innovative Ansätze und Arbeitsformen gegen aktuelle Formen des Antisemitismus sollen in die Fläche gebracht werden und insbesondere in den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe übertragbar sein. Auch im Bereich „Förderung zur Strukturentwicklung“ sind Mittel für Träger mit dem Arbeitsschwerpunkt „Antisemitismus“ bereitgestellt, um deren Arbeit in dem Themenfeld zu stärken und zu verstetigen. 5. Wie viele antisemitische Straftaten hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 gezählt (bitte nach Jahren aufführen)? a) Wie viele Straftaten ordnet die Bundesregierung dabei den Kategorien der politisch motivierten Kriminalität „Rechts“, „Links“ und „Ausländer “ zu? b) Welches Alter hatten die Täterinnen und Täter? c) Welches Geschlecht hatten die Täterinnern und Täter? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4173 Die Entwicklung der antisemitischen Straftaten im Zeitraum von 2001 bis 2013 stellt sich wie folgt dar: Die weiteren Angaben zum Alter und Geschlecht der Täter sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Ein aussagefähiger Vergleich mit den Zahlen des davor liegenden Zeitraums ist nicht möglich, da die Erfassungssystematik grundlegend geändert wurde. Mit den Ländern abgestimmte valide Zahlen für das Jahr 2014 liegen noch nicht vor. Jahr PMK-rechts PMK-links PMK-Ausländer PMK-sonstige Insgesamt 2001 1 629 2 31 29 1 691 2002 1 594 6 89 82 1 771 2003 1 226 6 53 59 1 344 2004 1 346 4 46 53 1 449 2005 1 682 7 33 26 1 748 2006 1 662 4 89 54 1 809 2007 1 561 1 59 36 1 657 2008 1 496 5 41 17 1 559 2009 1 520 4 101 65 1 690 2010 1 192 1 53 22 1 268 2011 1 188 6 24 21 1 239 2012 1 314 3 38 19 1 374 2013 1 218 0 31 26 1 275 Alter bis 13 14–17 18–20 21–24 25–30 über 30 m w m w m w m w m w m w 2001 22 3 262 33 210 20 134 9 82 3 146 19 2002 19 5 247 42 230 14 178 12 121 6 304 15 2003 9 0 216 20 191 13 176 1 112 8 331 31 2004 8 1 238 33 211 18 176 10 133 9 352 40 2005 10 3 227 23 213 12 191 9 149 4 394 21 2006 9 3 297 23 259 18 241 10 182 15 324 27 2007 11 4 197 29 181 28 150 6 145 2 332 24 2008 19 3 213 15 218 19 185 9 126 2 262 23 2009 14 2 204 20 233 19 174 9 137 8 276 39 2010 20 0 146 16 152 10 130 8 104 2 180 22 2011 11 5 126 10 121 5 108 6 103 5 275 33 2012 8 0 121 8 100 6 120 11 123 7 295 23 2013 6 1 129 18 104 6 133 10 137 3 301 25 Drucksache 18/4173 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Wie viele Opfer antisemitischer Straftaten zählt die Bundesregierung seit dem Jahr 2000? 7. Wie viele Opfer antisemitischer Gewalttaten zählt die Bundesregierung seit dem Jahr 2000? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. Im Rahmen der Fallzahlendatei Lagebild Politisch motivierter Straftaten (LAPOS) werden ausschließlich Geschädigte von Gewaltdelikten, also Verletzte , erfasst. Die entsprechenden Angaben sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Ein aussagefähiger Vergleich mit den Zahlen des davor liegenden Zeitraums ist nicht möglich, da die Erfassungssystematik grundlegend geändert wurde. Mit den Ländern abgestimmte valide Zahlen für das Jahr 2014 liegen noch nicht vor. 8. In wie vielen Fällen wurde das Opfer nach Kenntnis der Bundesregierung angegriffen, weil es sich durch das Tragen des Davidsterns, einer Kippa oder Ähnlichem öffentlich als jüdisch erkennbar machte (bitte nach Jahren und Bundesländern aufgliedern)? Die erbetenen Angaben, die insbesondere auf Detailinformationen zur Motivation des Täters von Straftaten gerichtet sind, sind im Rahmen der Kriminaltaktischen Anfrage politisch motivierte Kriminalität (KTA-PMK), mit welcher die Länder die Sachverhalte an das BKA übermitteln, nicht verpflichtend anzugeben . Neben der Einstufung einer Tat als antisemitisch motiviert können die zuständigen Landesbehörden die von ihnen als relevant bewerteten weitergehenden Informationen in fakultativ auszufüllenden Freitextfeldern übermitteln. Das BKA verfügt vor diesem Hintergrund nicht über belastbare Informationen, die eine vollständige und systematische Auswertung der vorliegenden KTA-PMK ermöglichen. Jahr Verletzte 2001 26 2002 23 2003 36 2004 26 2005 38 2006 62 2007 58 2008 47 2009 37 2010 41 2011 36 2012 41 2013 40 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4173 9. Teilt die Bundesregierung in Bezug auf die Frage 8 die Sorge von vielen Jüdinnen und Juden in Deutschland, sich öffentlich als jüdisch erkennbar zu zeigen? Die Bundesregierung kann diesbezügliche Sorgen von Jüdinnen und Juden in Deutschland nachvollziehen. Eine allgemeine Gefahr für Jüdinnen und Juden durch das öffentliche Erkennbarmachen ihres Glaubens sieht die Bundesregierung jedoch nicht. 10. Hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung vor dem Hintergrund der islamistischen Anschläge auf einen jüdischen Supermarkt in Paris am 9. Januar 2015 und auf das Jüdische Museum in Brüssel am 24. Mai 2014 auch die Anschlagsgefahr auf jüdische Einrichtungen in Deutschland erhöht, und wenn ja, in welchem Ausmaß? Israelische bzw. jüdische Interessen unterliegen weltweit – auch in der Bundesrepublik – einer hohen, besonderen Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus . Die genannten Anschläge belegen diese Bewertung nachdrücklich; eine weitere Erhöhung der Anschlagsgefahr ergibt sich dadurch nicht. 11. Auf welche Höhe beläuft sich der jährliche Sachschaden durch antisemitische Straftaten seit dem Jahr 2000 nach Kenntnis der Bundesregierung? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. 12. Wie viele jüdische Friedhöfe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 in Deutschland geschändet? Die Entwicklung der antisemitischen Straftaten, die im Zusammenhang mit jüdischen Friedhöfen stehen, stellt sich seit 2001 wie folgt dar: Gesamt davon PMK-links PMKrechts PMKAusländer PMKsonstige unbekannt 2001 52 0 49 2 0 1 2002 59 0 54 1 0 4 2003 61 0 57 0 1 3 2004 38 0 38 0 0 0 2005 58 0 58 0 0 0 2006 37 0 37 0 0 0 2007 42 0 42 0 0 0 2008 63 0 63 0 0 0 2009 38 0 35 1 2 0 2010 41 0 41 0 0 0 2011 33 0 32 0 1 0 2012 29 0 27 0 2 0 2013 36 0 32 0 4 0 Gesamt 587 0 565 4 10 8 Drucksache 18/4173 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Ein aussagefähiger Vergleich mit den Zahlen des davor liegenden Zeitraums ist nicht möglich, da die Erfassungssystematik grundlegend geändert wurde. Mit den Ländern abgestimmte valide Zahlen für das Jahr 2014 liegen noch nicht vor. 13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Gefährdung jüdischer Einrichtungen in Deutschland durch islamistische Terrororganisationen? Israel ist neben den USA seit jeher erklärtes Feindbild jihadistischer Täter und damit direktes operatives und propagandistisches Ziel. Trotz der permanent hohen polizeilichen und militärischen Sicherheitsmaßnahmen gelingt es verschiedenen Organisationen und Einzeltätern immer wieder, Anschläge gegen staatliche und zivile Einrichtungen weltweit durchzuführen. Die Negierung des Existenzrechts Israels, die Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und Israel sowie die „Befreiung Palästinas“ sind von jeher fester Bestandteil der jihadistischen Ideologie. Diese Faktoren sind besonders geeignet, die Emotionen und Sympathien vieler Muslime weltweit für die als ungerecht empfundene Situation der Palästinenser zu wecken und zu gewaltsamen Aktionen gegen Israel und mit Israel verbündete westliche Staaten aufzurufen. Die Gesamtschau macht deutlich, dass jüdische bzw. israelische Interessen weiterhin im unmittelbaren Zielspektrum jihadistischer Täter bzw. Tätergruppierungen stehen und somit einer hohen, besonderen Gefährdung weltweit unterliegen. Die Anschläge der jüngeren Vergangenheit zum Nachteil israelischer Interessen und Einrichtungen (z. B. der tödliche Angriff auf mehrere Personen vor einer jüdischen Schule am 19. März 2012 in Toulouse/FRA, der Schusswaffenanschlag im jüdischen Museum in Brüssel/BEL vom 24. Mai 2014, die Geiselnahme in einem Lebensmittelgeschäft am 9. Januar 2015 in Paris/Frau sowie der Anschlag auf eine jüdische Synagoge in Kopenhagen/DEN am 15. Februar 2015) zeigen, dass sich die Gefährdung weltweit und jederzeit, auch innerhalb der Europäischen Union, konkretisieren kann. Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass das hauptsächliche Gefahrenmoment für jüdische Einrichtungen und Interessen derzeit im Wesentlichen aus dem Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus resultiert und sich hieraus eine hohe, besondere Gefährdung ableiten lässt. Den Bundessicherheitsbehörden werden in diesem Zusammenhang immer wieder auch Hinweise auf eine Gefährdung israelischer/jüdischer Interessen und Einrichtungen/Organisationen bekannt. Gleichwohl liegen derzeit keine entsprechend substantiierten Hinweise vor, die auf eine konkrete Gefährdung jüdischer und israelischer Einrichtungen in Deutschland durch islamistische Gruppierungen hinweisen. 14. Wie arbeitet die Bundesregierung mit den EU-Partnern zusammen, um jüdische Einrichtungen nach den Terroranschlägen von Brüssel und Paris vor weiteren Anschlägen, auch in Deutschland, zu schützen? Die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden befinden sich im Hinblick auf den Schutz jüdischer Einrichtungen in einem intensiven Austausch. Seitens des Bundeskriminalamtes (BKA) werden jegliche Gefahrensachverhalte und somit auch Sachverhalte mit Bezug zur Gefährdung jüdischer Einrichtun- gen soweit sie andere europäische Länder betreffen auf den seit Jahren etablier- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4173 ten Meldewegen mit den EU-Partnern zeitnah ausgetauscht, bewertet und bearbeitet . Darüber hinaus finden anlassbezogen auch Besprechungen mit EU-Partnern über die Gefährdungssituation z. B. von jüdischen Einrichtungen statt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) arbeitet sowohl bilateral als auch multilateral sehr vertrauensvoll mit den europäischen Partnern bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus zusammen. Der Fokus der Zusammenarbeit liegt aber nicht nur auf dem Schutz jüdischer Einrichtungen. Vielmehr handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz im Kampf gegen den Terrorismus. Der Bundesnachrichtendienst (BND) arbeitet im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben eng mit den Nachrichtendiensten der EU-Partner zusammen, um Erkenntnisse hinsichtlich etwaiger bestehender Anschlagsplanungen oder Gefährdungssachverhalte zu erkennen. 15. Hat die Bundesregierung unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der sogenannten Pegida-Demonstrationen und ihren Ablegerinnen in anderen deutschen Städten antisemitische Tendenzen, Aussagen oder Slogans zur Kenntnis genommen, und wenn ja, welche (bitte einzeln aufzählen)? Antisemitische Aussagen/Tendenzen/Slogans im Rahmen des Demonstrationsgeschehens der Pegida-Bewegung sind der Bundesregierung nicht bekannt. Im Rahmen der von Pro NRW beeinflussten GIDA-Gruppierungen in Köln, Bonn und Düsseldorf sollen auch antisemitische Parolen gerufen worden sein. 16. Hat die Bundesregierung antisemitische Tendenzen, Aussagen oder Slogans unter Mitgliedern bzw. Funktionären der AfD zur Kenntnis genommen , und wenn ja, welche? Antisemitische Aussagen/Tendenzen/Slogans unter Mitgliedern bzw. Funktionären der AfD sind der Bundesregierung nicht bekannt. 17. Weshalb hat sich die Bundesregierung erst am 27. Oktober 2014 mit einem Schreiben an die Kultusministerkonferenz (KMK) gewandt, um diese über die in Punkt 4 beschlossenen Forderungen der interfraktionellen Resolution „Antisemitismus entschlossen bekämpfen, jüdisches Leben in Deutschland weiterhin nachhaltig fördern“ (Bundestagsdrucksache 17/13885) vom 11. Juni 2013 aufmerksam zu machen? Bereits im Vorfeld des genannten Schreibens auf Staatssekretärsebene bestanden Kontakte der Bundesregierung auf Arbeitsebene mit der KMK. Im Übrigen achtet die Bundesregierung das Verfassungsgebot der Zuständigkeit der Länder in Kultusangelegenheiten. a) Hat die Bundesregierung im Bereich der Bildung und/oder Jugendsozialarbeit konzeptionelle Pläne für den Kampf gegen Antisemitismus für diese Legislaturperiode, und wenn ja, welche? b) Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, damit die Bundesländer verstärkt den Kampf gegen Antisemitismus in ihre Bildungsprogramme einfließen lassen? Die Fragen 17a und 17b werden gemeinsam beantwortet. Die Verantwortung für die Gestaltung des allgemeinen Bildungsbereichs liegt aufgrund der föderativen Staatsstruktur bei den Ländern. Drucksache 18/4173 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Im Bereich der Jugendsozialarbeit fördert das BMFSFJ das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA) mit Sitz in Düsseldorf (im Jahr 2015 mit 199 180 Euro). IDA ist ein Dienstleistungszentrum, das in den Themenfeldern (Anti-)Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Interkulturelle Öffnung, Diversität, (Anti-)Diskriminierung und Migration informiert , dokumentiert, berät und qualifiziert. 27 Verbände sind Mitglied des IDA e. V., darunter Mitgliedsorganisationen des Deutschen Bundesjugendrings, des Rings politischer Jugend und die Deutsche Sportjugend. Auch die vom BMFSFJ geförderten Jugendverbände und die politische Jugendbildung beschäftigen sich in ihrer Bildungsarbeit seit langem häufig mit dem Themenspektrum des Antisemitismus. Zur grundsätzlichen konzeptionellen Bedeutung des Themas Antisemitismus in der politischen Bildungsarbeit wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. c) Inwieweit ist Antisemitismus nach Kenntnis der Bundesregierung Teil des Lehrcurriculums in der Lehreraus- und -fortbildung? Welche Koordinierungsmaßnahmen gegenüber den Bundesländern und der KMK ergreift die Bundesregierung dabei? Die Zuständigkeit für die Lehrerausbildung liegt bei den Kultusministerien der Länder. Die Ausbildung durch Studienordnungen und Prüfungsordnungen werden durch diese geregelt. Auch die Zuständigkeit für die fachliche Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals erfolgt im Rahmen der Zuständigkeit der Länder. Die Bundesregierung unterstützt in den kommenden Jahren mit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ die Länder in ihrem Bemühen, die Qualität der Lehreraus- und -weiterbildung zu verbessern. Dafür werden von Bundesseite in den kommenden Jahren bis zum Jahr 2023 bis zu 500 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. d) Hat die Bundesregierung in der 16., 17. und 18. Legislaturperiode Forschungsprojekte in Auftrag gegeben, die sich mit dem Thema Antisemitismus in Bildungsinstitutionen befassen, und liegen diesbezüglich Forschungsergebnisse vor? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert aber seit April 2012 das Zentrum Jüdische Studien (ZJS) Berlin-Brandenburg mit 7,8 Mio. Euro aus Projektfördermitteln über zunächst fünf Jahre. Im ZJS ist Antisemitismus - und Rechtsextremismusforschung eines der ausgewiesenen Forschungsfelder (www.zentrum-juedischestudien.de/forschungsfeld/antisemitismus-undrechtsextremismusforschung /). Die konkrete Forschungsvorhabenplanung obliegt dem ZJS. 18. Sieht die Bundesregierung in der formalen Änderung der so genannten Extremismusklausel durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) auch die Umsetzung der unter Punkt 2 im Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/13885) geforderten Beseitigung von Hindernissen, die der Bekämpfung des Antisemitismus entgegenstehen ? Die Bundesregierung sieht zwischen den beschriebenen Sachverhalten keinen Zusammenhang. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4173 19. In welcher Form und wann fand die Information von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie Nachrichtendiensten – auch im Zusammenwirken mit den Ländern – statt, um diese für das Thema Antisemitismus zu sensibilisieren, wie unter Punkt 5 auf Bundestagsdrucksache 17/13885 gefordert (bitte Kontaktaufnahmen einzeln aufzählen)? 20. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung entsprechend dem Antrag (Bundestagsdrucksache 17/13885), die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie die Nachrichtendienste effektiv für das Thema Antisemitismus zu sensibilisieren? Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung befindet sich mit den Sicherheitsbehörden in einem regelmäßigen Austausch, bei dem Antisemitismus dauerhaft ein zentrales Thema ist. Die Sicherheitsbehörden beobachten die Entwicklung antisemitische Straf- und Gewalttaten, die Gefährdung jüdischer Einrichtungen und Menschen jüdischen Glaubens, auch auf Grund der historischen Verantwortung Deutschlands, mit besonderer Aufmerksamkeit und berichten der Bunderegierung regelmäßig. Insbesondere im Hinblick auf konkrete Gefährdungen findet ein intensiver Austausch mit den Sicherheitsbehörden der Länder in den Gemeinsamen Extremismus - und Terrorabwehrzentren statt. Eine dauerhaft hohe Sensibilität im Hinblick auf Antisemitismus ist bei den Sicherheitsbehörden gewährleistet. Damit wird nach Auffassung der Bundesregierung dem oben genannten Antrag Rechnung getragen. Eine darüber hinausgehende appellatorische Sensibilisierung hält die Bundesregierung nicht für notwendig. Die hohe Sensibilität für Antisemitismus wird auch in diversen Maßnahmen und Facetten in der Ausbildung und Arbeit der Sicherheitsbehörden deutlich. Auch das Thema „Antisemitismus“ im Besonderen wurde im Bereich der Ausbildung des gehobenen und des höheren Kriminaldienstes des Bundes in den letzten Jahren auf mehreren Feldern noch deutlicher in den Fokus gerückt. Am 27. März 2013 wurde eine Kooperationsvereinbarung in Form einer Bildungspartnerschaft zwischen dem Bundeskriminalamt und dem Fritz-Bauer-Institut, Frankfurt am Main, geschlossen. Ziel dieses Kooperationsvertrages ist es, Wissen über die ambivalente und in weiten Teilen auch verbrecherische Verstrickung von Polizei in das NS-System, sowie die Entwicklung einer offenen Wahrnehmung von Minderheiten als integralem Teil der deutschen Gesellschaft und Geschichte zu vermitteln. Bestandteil des Vertrags wurde insbesondere die Planung und Durchführung von Veranstaltungen im Rahmen des jährlich stattfindenden Holocaustgedenktages im BKA am 27. Januar. Im BKA besteht ein allgemeiner Konsens, dass ein kritischer, offener Umgang mit der eigenen Geschichte vor dem Hintergrund des Holocausts und des „Dritten Reichs“ für deutsche Polizisten eine immer währende Verpflichtung bleibt. Die Erinnerung an den nationalsozialistischen Völkermord, an dem die damalige Schutz- und Kriminalpolizei verantwortlich mitwirkte, kennt keinen Schlussstrich. Vom Jahr 2007 an kam es vor diesem Hintergrund im Rahmen einer Kolloquienreihe und eines Forschungsprojektes unter externer Leitung zu einer intensiven Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Polizei und insbesondere des BKA. In den Veranstaltungen fand eine direkte Auseinandersetzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BKA mit den Themen Nationalsozialismus und Rassismus statt. Das BKA begleitet des Weiteren die Ausstellung der Deutschen Hochschule der Polizei mit dem Titel „Ordnung und Vernichtung“, die die Rolle der Polizei im NS-Staat zum Thema hat. Drucksache 18/4173 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Auch an der Akademie für Verfassungsschutz (AfV) wird das Thema Antisemitismus sowohl phänomenspezifisch als auch phänomenübergreifend behandelt. Antisemitismus im Islamismus ist zunächst im Hinblick auf seine historischen und theologischen Bezüge Thema der Laufbahnausbildung des mittleren und gehobenen Dienstes im Fach Ausländerextremismus/Islamismus sowie des Grundlehrgangs Islamismus. Dabei wird insbesondere auch auf eine differenzierte Betrachtung der moderat-islamischen sowie der islamistisch-jihadistischen Sicht auf die Juden in der heutigen Zeit Wert gelegt. Aktuelle Erscheinungsformen des Antisemitismus sind insbesondere Gegenstand der Länderkunde „Israel/Palästina und die Nachbarstaaten“, des Seminars „Feindbilder des Islamismus“ sowie aller Lehrgänge zur islamistischen und jihadistischen Ideologie und Programmatik. Im Rahmen des Fachs Ausländerextremismus in Aus- und Fortbildung ist in jüngster Zeit die Aufmerksamkeit für den türkischen (Ultra-)Nationalismus (Ülkücü-Bewegung) und den hier verorteten Antisemitismus deutlich gestiegen. Im Phänomenbereich Rechtsextremismus wird der Schwerpunkt in der Aus- und Fortbildung auf die Ideologieelemente Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus und Revisionismus gelegt. Aus Gründen der Sensibilisierung und Aktualisierung werden zahlreiche Lehrveranstaltungen im Fach Rechtsextremismus mit einer Wiederholung und Zusammenfassung, gerade zum Antisemitismus, eröffnet , um zu diesem Thema alle Teilnehmer einer Lehrveranstaltung auf eine gemeinsame Wissensgrundlage zu stellen. Im Rahmen der verfügbaren Zeit wird dabei der Bogen vom religiös begründeten Antisemitismus über den Antisemitismus des Mittelalters, der Gründerzeit und des historischen Nationalsozialismus bis zum Antisemitismus der Neuzeit geschlagen. Darüber hinaus wird der Antisemitismus im Rahmen der Laufbahnausbildung des gehobenen Dienstes phänomenübergreifend im Fach „Politische Ideengeschichte “ thematisiert. Im Bereich der Fortbildung erscheint Antisemitismus als Querschnittsthema insbesondere im regelmäßig stattfindenden Seminar „Antisemitismus – ideengeschichtliche Hintergründe und aktuelle Erscheinungsformen in Islamismus, Links- und Rechtsextremismus“, sowie als Teilbereich in Auswertungs- und Analyselehrgängen zum politischen Extremismus. Auch im Rahmen der täglichen Arbeit des BfV sind die Beobachtung und Auswertung antisemitische Bestrebungen ein wichtiger Bestandteil. Dem BfV ist gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) allgemein die Aufgabe der Beobachtung extremistischer Bestrebungen sowie solche, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, zugewiesen. Bei allen Phänomenbereichen – Rechtsextremismus, Linksextremismus , Ausländerextremismus und Islamismus – sind antisemitische Tendenzen in unterschiedlichster Ausprägung feststellbar. Als einem bedeutenden Basiselement der rechtsextremistischen Ideologie stellt die Bearbeitung und Analyse antisemitischer Sachverhalte seit jeher einen wichtigen Bestandteil in der Beobachtung rechtsextremistischer Bestrebungen dar. Der Antisemitismus ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil islamistischer Ideologie . Daher ist die Bearbeitung und Analyse antisemitischer Ausprägungen bei der Beobachtung islamistischer Bestrebungen ebenso ein wichtiger Bestandteil. Im deutschen Linksextremismus gibt es seit den 60er-Jahren immer wieder scharfe antizionistische Positionierungen, die teilweise als (latent) antisemitisch zu bewerten sind. Zwar gibt es keinen genuin linksextremistischen Antisemitismus , dennoch bleibt das Thema Antisemitismus und Linksextremismus für den Verfassungsschutz relevant, weil antizionistische Positionierungen zum Teil – mit Übergängen zum latenten Antisemitismus – Anknüpfungspunkte und Dis- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/4173 kursimpulse für andere Extremisten liefern können, etwa durch Wortwahl und Argumentationsmuster. Auch im Bereich des Ausländerextremismus sind bei linksextremistischen Gruppierungen antizionistische Tendenzen festzustellen. Der Staat Israel wird als „Erfüllungsgehilfe“ der als imperialistisch betrachteten USA gesehen. Bei den türkischen Nationalisten, gemeinhin auch als „Graue Wölfe“ bezeichnet, liegt in diesem Zusammenhang der Schwerpunkt auf antisemitischen Tendenzen . Antisemitismus ist ein Bestandteil der Ideologie türkischer Nationalisten, da die Anhängerschaft von einer Überlegenheit des Türkentums gegenüber anderen Völkern und Staaten ausgeht. Insgesamt spielen die Themen Antisemitismus bzw. Antisemitismus im Phänomenbereich des säkularen Ausländerextremismus eine untergeordnete Rolle. Das Phänomen Antisemitismus wird bei einer antizionistischen und antisemitischen Ausrichtung islamistischer und jihadistischer Gruppierungen auch in umfangreichen Aus- und Weiterbildungsangeboten des Bundesnachrichtendienstes (BND) sowohl mit den ideologischen Grundlagen innerhalb des Themenkomplexes Islamismus/Jihadismus, als auch im Hinblick auf etwaige tatsächliche Anschlagsgefährdungen gegen israelische und jüdische Ziele behandelt. An der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (Fachbereich Nachrichtendienste , Abteilung BND) wurde hierfür im Mai 2008 eine Professur für Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Islamismus/islamischer Extremismus geschaffen . 21. Welche Organisationen oder Einzelpersonen haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Al-Quds-Demonstrationen der vergangenen zehn Jahre in Berlin angemeldet? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde die Demonstration anlässlich des „Al-Quds-Tages“ im Jahr 2005 von einer Einzelperson mit iranischer Staatsangehörigkeit angemeldet, seit dem Jahr 2006 erfolgt die Anmeldung im Namen der sogenannten Quds-Arbeitsgruppe (Quds-AG). a) Sind Verbindungen den erfragten Personen und/oder Gruppen zu ausländischen Regierungen bekannt, und wenn ja, welche? In der „Quds-AG“ engagieren sich nach Kenntnis der Bundesregierung regimenahe Iraner und dem Regime gegenüber positiv eingestellte deutsche Staatsangehörige . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen. b) Welche Organisationen haben nach Kenntnis der Bundesregierung an den Demonstrationen teilgenommen? An der jährlichen Demonstration anlässlich des „Al-Quds-Tages“ in Berlin nehmen vor allem Anhänger der libanesischen „Hizb Allah“ und regimetreue Iraner, darüber hinaus Schiiten aus dem Irak und der Türkei sowie Palästinenser teil. c) Werden anmeldende oder teilnehmende Organisationen oder Einzelpersonen vom Bundesamt für Verfassungsschutz oder anderen staatlichen Stellen beobachtet, und wenn ja, welche? Das Teilnehmerspektrum, aber vor allem die von diesem intendierte Zielsetzung , erfüllen grundsätzlich die Beobachtungsvoraussetzungen nach § 3 Absatz 1 BVerfSchG. Einzelpersonen werden allein aufgrund ihrer Teilnahme an den Demonstratio- nen nicht beobachtet. Drucksache 18/4173 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 22. Gegen wie viele teilnehmende Personen wurde wegen des Verdachts auf welche Straftaten nach Kenntnis der Bundesregierung im Nachgang zu den Demonstrationen ermittelt, und in welchen Fällen kam es zu einer Verurteilung ? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Das Versammlungsrecht und die Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit Versammlungen ist Sache der Länder. 23. Welche Fahnen und Symbole von welchen politischen und/oder religiösen Organisationen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung auf den AlQuds -Demonstrationen mitgeführt? Während der Demonstrationen anlässlich des „Al-Quds-Tages“ werden regelmäßig iranische, libanesische und palästinensische Fahnen mitgeführt. Vereinzelt werden auch Fahnen der libanesischen „Hizb Allah“ sowie Porträts von Ayatollah Khomeini und Ayatollah Khamenei aus dem Iran gezeigt. 24. Wie beurteilt die Bundesregierung rechtlich das Tragen von Fahnen und Symbolen von Hamas und Hisbollah? Das Tragen und Zeigen von Symbolen der beiden genannten Organisationen sind nicht strafbar. Eine Strafbarkeit käme nur infolge eines Vereinsverbotes der beiden Organisationen in Betracht, da dieses ausdrücklich auch die Symbolik umfassen würde. Beide Organisationen sind in Deutschland nach dem Vereinsgesetz nicht verboten. Das Zeigen der Flaggen bei Demonstrationen kann jedoch als Ordnungswidrigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 15 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes (VersammlG) verfolgbar sein, soweit es durch eine vollziehbare Auflage untersagt wurde. 25. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung zum Islamischen Zentrum Hamburg e. V. (Schöne Aussicht 36, 22085 Hamburg) vor, bestehen Kontakte zu den Al-Quds-Marsch organisierenden oder teilnehmenden Personen oder Organisationen, und wenn ja, welche? Das „Islamische Zentrum Hamburg e. V.“ (IZH), Träger der „Imam Ali Moschee“, wurde im Jahr 1962 gegründet. Das IZH ist neben der Botschaft die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland und eines der wichtigsten Propagandazentren in Europa. So gilt der Leiter des IZH, der hochrangig in die iranischen Regimestrukturen eingebunden ist, als Vertreter des „Revolutionsführers“ der Islamischen Republik Iran – derzeit Ayatollah Seyyed Ali Khamenei. Mit Hilfe des IZH versucht das Regime der Islamischen Republik Iran, Schiiten verschiedener Nationalitäten an sich zu binden und die gesellschaftlichen , politischen und religiösen Grundwerte der „Islamischen Revolution “ in Europa zu verbreiten. Nach außen stellt sich das IZH als unpolitisch, kooperativ und moderat dar. Gleichwohl sind die Aktivitäten des IZH weiterhin darauf ausgerichtet, die islamische Lehre schiitisch-iranischer Prägung auf unterschiedlichste Art und Weise in Deutschland und Europa zu verbreiten. An den Quds-Demonstrationen der letzten Jahre nahmen Führungsfunktionäre des IZH teil. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/4173 26. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung iranischer Botschaftsangehöriger bei der Al-Quds-Demonstration im Jahr 2015? Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor. 27. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung einen veränderten Zulauf zu den nahestehenden Organisationen oder Gruppen der Hamas- oder Hisbollah seit Sommer 2014? Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor. 28. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Verbreitung antisemitischer Hasspropaganda in Moscheen und Moscheegemeinden (bitte Moscheen , Moscheegemeinden einzeln aufführen)? Vor dem Hintergrund der mehr als 4 Millionen in Deutschland lebenden Muslime verfügt die Bundesrepublik Deutschland über eine breite und konfessionell diversifizierte Landschaft von Moscheen und Moscheevereinen, die im Schutzbereich von Artikel 4 des Grundgesetzes (GG) wirken. Innerhalb dieses heterogenen Spektrums existieren allerdings auch Moscheevereine, bei denen in unterschiedlicher Dichte Erkenntnisse über extremistische Bestrebungen im Sinne des § 3 BVerfSchG vorliegen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder beobachten solche, auf Moscheevereine bezogenen extremistischen Aktivitäten insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt antisemitischer Tendenzen; Antisemitismus ist ein integraler Bestandteil islamistischer Ideologie. Die Feindschaft gegenüber dem Staat Israel wird dabei zum einen mit „klassischen“ Stereotypen der Judenfeindschaft wie „jüdische Finanzmacht“ oder „jüdische Weltverschwörung“ verbunden. Zum anderen wird der mit terroristischen Mitteln geführte Kampf gegen den Staat Israel als Ausdruck legitimen Widerstands propagiert. Ein gravierendes Beispiel für diese antisemitische Agitation ist die Predigt eines salafistischen Reisepredigers im Juli 2014 in der Berliner „Al-Nur-Moschee“. Darin wird die Vernichtung der „zionistischen Juden“ in die Form eines Bittgebetes gekleidet: „Oh Allah, rechne mit den zionistischen Juden ab, sie können nichts gegen Dich tun. Zähle sie, töte sie alle und lass niemanden von ihnen übrig.“ Predigten dieser Art durch religiöse Autoritäten schüren den Hass gegen den Staat Israel und seine Bürger; sie tragen maßgeblich zur Meinungsbildung des jeweiligen Publikums bei und verfestigen bereits vorhandene antisemitische Einstellungen. Drucksache 18/4173 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 29. Stuft die Bundesregierung die so genannte BDS-Kampagne gegen Israel (BDS – Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) als antisemitisch ein? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? a) Wie viele Anhängerinnen und Anhänger hat diese Kampagne nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland? b) Werden die BDS-Kampagne bzw. ihre Anhängerinnen und Anhänger nach Kenntnis der Bundesregierung vom Bundesamt für Verfassungsschutz oder einem Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 29, 29a und 29b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von Aktivitäten der oben genannten Kampagne, die nach § 3 BVerfSchG eine Beobachtung durch das BfV ermöglichen . Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor. Das BfV hat auch keine Kenntnis von der Beobachtung der Kampagne durch ein Landesamt für Verfassungsschutz. 30. Stuft die Bundesregierung die Pius Bruderschaft als antisemitisch ein? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? a) Wie viele Anhängerinnen und Anhänger hat die Pius Bruderschaft nach Kenntnis der Bundesregierung? b) Wie verteilen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anhängerinnen und Anhänger der Pius Bruderschaft auf Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland? Die Fragen 30, 30a und 30b werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von Aktivitäten der Pius Bruderschaft bzw. deren Anhänger, die nach § 3 BVerfSchG eine Beobachtung durch das BfV ermöglichen. Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor. 31. Welche Punkte der „Berliner Erklärung“ der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) gegen Antisemitismus aus dem Jahr 2004 hat die Bundesregierung konkret umgesetzt (bitte einzeln aufführen)? Als Ergebnis der OSZE-Antisemitismuskonferenz vom 28./29. April 2004 in Berlin haben die OSZE-Teilnehmerstaaten am 29. April 2004 ein umfassendes Aktionsprogramm gegen Antisemitismus, die sogenannte Berliner Erklärung, verabschiedet. Die Berliner Erklärung hat als Rahmendokument zur Bekämpfung von Antisemitismus bis heute Gültigkeit. Die Bundesregierung engagiert sich in Umsetzung der Berliner Erklärung seit 2004 umfassend für die Bekämpfung von Antisemitismus. So hat sich die Bundesregierung im Rahmen der OSZE für den Aufbau von Strukturen zur Umsetzung der Konferenzergebnisse eingesetzt. Zu diesen Strukturen gehört die Ernennung von insgesamt drei Per- sönlichen Beauftragten des OSZE-Vorsitzenden, die den Kampf gegen Intoleranz , Diskriminierung und Antisemitismus vorantreiben sollen. Im Zeitraum Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 17 – Drucksache 18/4173 von 2004 bis 2009 stellte Deutschland mit dem Bundestagsabgeordneten Gert Weisskirchen (SPD) den OSZE-Beauftragten für die Bekämpfung von Antisemitismus . Mit der Berliner Erklärung von 2004 haben sich die OSZE-Teilnehmerstaaten darüber hinaus dazu verpflichtet, das OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR, engl. Abkürzung: ODIHR) bei der Erfüllung seiner Aufgaben aus dem Maastrichter Ministerratsbeschluss über Toleranz und Nichtdiskriminierung zu unterstützen. Auch in diesem Bereich hat sich die Bundesregierung bei der Schaffung der erforderlichen institutionellen Strukturen eingebracht: Mit Unterstützung des Auswärtigen Amts wurde beim BDIMR eine Abteilung für Toleranz und Nichtdiskriminierung eingerichtet, die von der Bundesregierung seit deren Errichtung mit Mitteln in Höhe von über 275 000 Euro finanziell und durch die Sekundierung von Personal gefördert wurde. Derzeit finanziert Deutschland einen Sekundierten in der Abteilung für Toleranz und Nichtdiskriminierung. Seit Juli 2014 stellt die Bundesregierung mit dem Staatsminister a. D. Michael Georg Link den Direktor des BDIMR. Die Unterzeichnerstaaten der Berliner Erklärung von 2004 haben sich weiterhin dazu verpflichtet, die Bemühungen von internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen bei der Bekämpfung antisemitischer Gewalt und Diskriminierung zu ermutigen und zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung im Auswärtigen Amt die Stelle einer/eines Sonderbeauftragten für Beziehungen zu jüdischen Organisationen und Antisemitismusfragen eingerichtet. Die Bundesregierung hat sich zudem für die Einbeziehung der Zivilgesellschaft bei der Bekämpfung von Antisemitismus eingesetzt. Sichtbares Zeichen dieser Einbeziehung war die Einberufung eines aus Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengesetzten Forums im Rahmen der Festveranstaltung zum 10. Jahrestag der Berliner OSZE-Konferenz gegen Antisemitismus am 12. November 2014. Die Empfehlungen des Forums der Zivilgesellschaft sind den hochrangigen politischen Vertretern der OSZE Teilnehmerstaaten auf der Konferenz vorgestellt worden sowie in die am 13. November 2014 veröffentlichten Konferenz-Schlussfolgerungen des Schweizer OSZE-Vorsitzes eingegangen . Mit der Förderung verschiedener Maßnahmen trägt die Bundesregierung dem Beschluss Rechnung, die Zivilgesellschaft bei der Bekämpfung antisemitischer Gewalt und Diskriminierung zu ermutigen und zu unterstützen. Im Zuständigkeitsbereich des BMFSFJ werden im Kontext der Berliner Erklärung folgende Projekte zur Prävention von Antisemitismus gefördert: Lfd. Nr. Trägername Projekttitel Bundesland Beschreibung 1 Bildungsstätte Anne Frank (BAF) Wenn Anne ein rosa Pali-Tuch trägt. Ein Lernlabor zu Antisemitismus und Jugendkultur in der Migrationsgesellschaft . Hessen Einrichtung eines lokalen als auch virtuellen „Lernlabors“ für junge Menschen zur Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Diskriminierung. Die Jugendlichen sollen die gewonnenen Erkenntnisse im Alltag umsetzen. Drucksache 18/4173 – 18 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Lfd. Nr. Trägername Projekttitel Bundesland Beschreibung 2 BildungsBausteine e. V. Verknüpfungen. Antisemitismus in der pluralen Gesellschaft Berlin Entwicklung von innovativen, wirksamen Konzepten, Methoden und Materialien für bildungsbenachteiligte Jugendliche zu aktuellem Antisemitismus in seinen Verknüpfungen mit Rassismus in Geschichte und Gegenwart sensibilisiert 3 Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung e. V. an der Universität Duisburg -Essen Israelkritik und Jugendfeindschaft – Präventionsangebote gegen alle Formen von aktuellem Antisemitismus und GMF NordrheinWestfalen Entwicklung und Erprobung neuer, erlebnis- und lebensweltnaher Präventions- und Fortbildungsangebote , basierend auf den Ergebnissen einer empirischen Erhebung. Einbezogen werden sollen auch Religionskritiker , säkulare, links wie rechts orientierte Menschen. 4 Kreuzberger Initiative gegen AntisemitismusKIgA e. V. Anders Denken. Politische Bildung gegen Antisemitismus . Berlin Erstellen eines migrationssensiblen pädagogischen Konzepts, Entwicklung einer OnlinePlattform für pädagogische Fachkräfte. 5 Mideast Freedom Forum Berlin e. V. (MFFB) MFFB – Bildungsbausteine : Demokratie stärken – Antisemitismus bekämpfen Berlin Bundesweite Durchführung von Seminaren und Projekttagen an Schulen und Hochschulen zur Geschichte des Zionismus und des Nahostkonflikts. 6 Hatikva, Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e. V. Schlussstrich, Weltbank, Israel – Methoden für die Auseinandersetzung mit modernen Formen des Antisemitismus Sachsen Entwicklung, Erprobung und Bereitstellung kleinteiliger Module zu modernen Formen der Antisemitismus für Multiplikatoren der Erwachsenenund Jugendbildung, die im „normalen“ Unterricht eingesetzt werden können. 7 Netzwerk für Demokratie und Courage Sachsen-Anhalt e. V. Engagiert vor Ort- Gemeinsam gegen Diskriminierung und Menschenverachtung . Sachsen-Anhalt Bildungsveranstaltungen, um Zusammenhänge und Kontinuitäten zu durchleuchten. Es kommt dabei der Peer-to-peerAnsatz zur Anwendung (junge Erwachsene als Trainer und Multiplikatoren). 8 Amadeu Antonio Stiftung Praxisstelle antisemitismus - und rassismuskritische Jugendarbeit Berlin Fortbildung, Beratung und Begleitung von pädagogischen Fachkräften zu israelbezogenem und islamisierten Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 19 – Drucksache 18/4173 Die Gefahren des Antisemitismus betreffen neben den unmittelbaren Auswirkungen auf die jüdischen Gemeinden auch die demokratische Gesellschaft insgesamt. Im Handeln der Bundesregierung wurden und werden Aspekte, die sich auch in der Berliner Erklärung von 2004 widerspiegeln, auf verschiedenen Politikfeldern – wie z. B. im Bereich der Extremismusprävention, der Politischen Bildung sowie der gesonderten Erfassung von antisemitischen Straf- und Gewalttaten – umgesetzt. Diesbezüglich wird auch auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 32. In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 in Deutschland zur Anzeige wegen des Verdachts antisemitischer Straftaten im Internet, und in wie vielen Fällen kam es seitdem zur Verurteilung (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Vom Jahr 2001 an kam es in Deutschland in der nachfolgend aufgelisteten Anzahl von Fällen zu einer Anzeige im Sinne der Fragestellung: Ein aussagefähiger Vergleich mit den Zahlen des davor liegenden Zeitraums ist nicht möglich, da die Erfassungssystematik grundlegend geändert wurde. Mit den Ländern abgestimmte valide Zahlen für das Jahr 2014 liegen noch nicht Lfd. Nr. Trägername Projekttitel Bundesland Beschreibung 9 Multikulturelles Forum e. V. Kreativ und kompetent im Umgang mit Medien! – Versteckten Antisemitismus in den Medien erkennen NordrheinWestfalen Medienkritische Schulung von jungen Menschen, um eigene Einstellungen durch die Rezeption in- und ausländischer Medien zu hinterfragen, Begegnung und Austausch mit gleichaltrigen Jüdinnen und Juden. 10 Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (e. V.) Perspektivwechsel Plus Hessen Fortbildungen für Multiplikatoren aus dem Bereich Schule, Sozial- und Jugendarbeit sowie Verwaltung (Ausländerbehörden , Justiz). 11 Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e. V. Vorurteile abbauen, Antisemitische Ressentiments bekämpfen Berlin Schulworkshops, durchgeführt von einem interkulturell zusammen gesetzten Team. 12 IBIS - Interkulturelle Arbeitsstelle für Forschung , Dokumentation, Bildung und Beratung e. V. Meine Geschichte, deine Geschichte unsere Geschichte. Flucht, Migration und Shoa Niedersachsen Interkulturelle Auseinandersetzung mit der Geschichte von Anne Frank im Rahmen einer Theater-Produktion, Gedenkstättenfahrten und Zeitzeugengesprächen . 13 Förderverein für deutsch-jüdische Theatervorstellungen e. V. Shalom – Salam: wohin? Berlin Erlernen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden anhand einer jüdisch-muslimischen Theaterproduktion . Jahr 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Straftaten 132 112 163 148 285 228 193 158 228 212 202 239 268 vor. Drucksache 18/4173 – 20 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zum Ausgang eines Ermittlungsverfahrens bzw. einer Verurteilung erhalten die Ermittlungsbehörden nur in Ausnahmefällen Kenntnis. Die für Verurteilungen einschlägige, vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Statistik zur Strafverfolgung erfasst die Verurteilungen und Aburteilungen differenziert nach den gesetzlichen Straftatbeständen. Sie erlaubt somit keine Angaben zu den Tatmotiven und Tatmodalitäten, soweit diese nicht zum Tatbestand gehören. Angaben zu Verurteilungen wegen antisemitischer Straftaten im Internet liegen der Bundesregierung daher nicht vor. 33. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Zwischenbericht der Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission, die ein einseitiges Bild Israels in deutschen Schulbüchern attestieren? Die Bundesregierung nimmt die Arbeit der Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission (DISBK), die vom israelischen Erziehungsministerium und vom Auswärtigen Amt finanziell gefördert wird, sehr ernst. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel wird die DISBK die gemeinsam erarbeiteten endgültigen Befunde und Empfehlungen im Sommer 2015 vorstellen können. Danach kann eine gründliche Aus- und Bewertung erfolgen und beraten werden, wie ggf. Abhilfe geschaffen werden kann. Im Bereich der schulischen Bildung verfügt der Bund jedoch über keine Gesetzgebungskompetenz . Verwaltung und Gesetzgebung in diesem Bereich ist daher ausschließlich Angelegenheit der Länder. 34. Welche Konsequenzen und konkreten Umsetzungspläne zieht die Bundesregierung aus der „OSCE Berlin Conference on Anti-Semitism“ vom 12. November 2014 und des „OSCE Civil Society Forum“ vom 11. November 2014? Die Bundesregierung sieht nach wie vor Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Antisemitismus. Sie will daher weiterhin und in engem Schulterschluss mit ihren internationalen Partnern gegen jede Form von Antisemitismus eintreten und sich für die effektive Umsetzung der Berliner Erklärung von 2004 einsetzen. Das Forum der Zivilgesellschaft vom 12. November 2014 hat mit konkreten Empfehlungen einen wertvollen Beitrag zum Ergebnis der Antisemitismuskonferenz vom 13. November 2014 geleistet. Aus Sicht der Bundesregierung sollten Vertreter der Zivilgesellschaft bei der Entwicklung konkreter Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus daher auch in Zukunft aktiv einbezogen werden . 35. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen, den Vorschlag des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, nach einem europäischen „Ausschuss gegen Antisemitismus und Extremismus “ (Frankfurter Rundschau, 2. Juli 2014) umzusetzen? Die Einsetzung von Ausschüssen ist alleinige Sache des Europäischen Parlaments . Die Bundesregierung kann eine solche Idee nur anregen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 21 – Drucksache 18/4173 36. Welche finanziellen Summen hat die Bundesregierung der Bundeszentrale für politische Bildung für Bildungsarbeit gegen Antisemitismus seit dem Jahr 2005 zur Verfügung gestellt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Die zahlreichen Maßnahmen der BpB gegen Antisemitismus und antisemitische Einstellungen sind nur zum Teil explizit thematisch ausgerichtet, vielmehr werden sie aus didaktischen Überlegungen auch in Verbindung mit anderen Themen (Nationalsozialismus, Holocaust, Erinnerungskultur, Islamismus, jüdische Kultur und Leben, Israel etc.) bearbeitet. Maßnahmen etwa zur Prävention gegen Rechtsextremismus und Islamismus oder zur historisch-politischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust und dem Nationalsozialismus sind ebenso als Bildungsangebote zu betrachten, die mindestens im weiteren Sinne gegen antisemitische Vorurteile und Haltungen Wirkung entfalten sollen und können. Im Rahmen ihrer politischen Bildungsarbeit wurden der BpB bei Titel 532 02 unter Erläuterung 8 „Für die geistig-politische Auseinandersetzung mit Extremismus sowie anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und damit zusammenhängenden Gewaltphänomenen sowie zur Bekämpfung von Vorurteilen“ folgende Mittel bereitgestellt: Unter dieser Erläuterung sind auch die Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus zu subsumieren. 2005 3 019 T€ 2006 3 000 T€ 2007 3 000 T€ 2008 3 000 T€ 2009 3 000 T€ 2010 3 000 T€ 2011 3 000 T€ 2012 2 850 T€ 2013 3 769 T€ 2014 4 700 T€ 2015 5 500 T€ Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333