Deutscher Bundestag Drucksache 18/4195 18. Wahlperiode 04.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Nicole Maisch, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/3944 – Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkassen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit einigen Jahren lösen Bausparkassen die Bausparverträge ihrer Kundinnen und Kunden, deren Sparguthaben die Bausparsumme erreicht hat, einseitig auf. Nunmehr sprechen 13 der 20 deutschen Bausparkassen ihren Kundinnen und Kunden selbst dann die Kündigung aus, wenn die vertraglich vereinbarte Bausparsumme noch nicht vollständig angespart wurde (vgl. DIE WELT vom 26. Januar 2015, Seite 13). Bausparkassen berufen sich darauf, dass ihnen ein ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehe, wenn Kundinnen und Kunden das angebotene Darlehen zehn Jahre nach Zuteilungsreife nicht in Anspruch genommen haben. Diese Rechtsauffassung ist indes umstritten. Bei den Bausparverträgen handelt es sich um solche, die vor vielen Jahren abgeschlossen wurden und hohe Zinssätze von bis zu 4 Prozent bieten. Als Grund und Rechtfertigung für die Kündigung dieser Verträge führen Bausparkassen die Niedrigzinsphase an, die alle Finanzdienstleister und damit auch sie zum Handeln zwinge. 1. In welcher Weise hat sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit der Kündigung von zuteilungsreifen Bausparverträgen , bei denen die Bausparsumme noch nicht vollständig angespart wurde, durch Bausparkassen befasst? Die BaFin beobachtet die Entwicklung der Bausparkassen auch mit Blick auf die Auswirkungen von Kündigungen von Bausparverträgen durch die Bausparkasse . Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 2. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. 2. Liegen der BaFin Erkenntnisse darüber vor, dass die Kündigung zuteilungsreifer Bausparverträge durch Bausparkassen zur Sicherung ihrer Solvenz notwendig ist, angesichts der Tatsache, dass 13 der 20 deutschen Bausparkassen Verträge von Bausparerinnen und Bausparer, die das Darlehen zehn Drucksache 18/4195 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Jahre nach Zuteilung nicht in Anspruch genommen haben, kündigen (vgl. DIE WELT vom 26. Januar 2015, Seite 13)? Bei der Kündigung zuteilungsreifer Bausparverträge handelt es sich um eine geschäftspolitische Entscheidung einzelner Bausparkassen. Die Reduzierung des Zinsaufwandes wirkt sich grundsätzlich positiv auf die Solvenz einer Bausparkasse aus. Grundsätzlich gilt, dass Verträge, die vor langer Zeit geschlossen wurden und die hoch verzinst sind, den Ertrag belasten, wenn dauerhaft kein Darlehen in Anspruch genommen wird. Im Rahmen der Bausparkassenaufsicht beobachtet die BaFin laufend die Solvenzentwicklung und Effekte solvenzverbessernder Maßnahmen. 3. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Lage der Bausparkassen angesichts der Niedrigzinsphase? Die aktuelle Niedrigzinsphase stellt die Branche wie andere Finanzmarktakteure vor Herausforderungen. Die Bausparkassen reagieren darauf, indem sie etwa ihre neuen Tarife an das aktuelle Zinsniveau anpassen. Die Bundesregierung hat die zuständige Aufsicht gebeten, die Entwicklung der Risikosituation und Solvenz unter besonderer Berücksichtigung der Niedrigzinsphase zu überwachen und ggf. Maßnahmen zu ergreifen. 4. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden seitens der BaFin ergriffen, um die Solvenz der Bausparkassen in der Niedrigzinsphase sicherzustellen? Die BaFin beobachtet im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben die Entwicklung der Risikosituation und der Solvenz der Bausparkassen. Sie steht hierzu in einem engen Dialog mit den einzelnen Bausparkassen und ggf. deren Eigentümern . Nach dem Bausparkassengesetz müssen Bausparkassen die Einführung von Neutarifen und die Änderung bestehender Tarife von der BaFin genehmigen lassen. Die BaFin bemüht sich, diese meist aufwendigen Genehmigungsverfahren jeweils schnellstmöglich abzuschließen. 5. Plant die BaFin, deutsche Bausparkassen einem Stresstest zu unterziehen, und wenn ja, welche Annahmen sollten einem solchen Stresstest zugrunde gelegt werden? Die BaFin hat im Herbst 2014 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank ein Auskunftsersuchen an die deutschen Bausparkassen gerichtet, um zusätzliche Erkenntnisse zu der Risikosituation der einzelnen Bausparkassen im Rahmen der ihr obliegenden Bausparkassenaufsicht zu erhalten. 6. In welchem Umfang (Anzahl, Einlagensummen) haben welche Bausparkassen nach Kenntnis der BaFin Bausparverträge seit dem Jahr 2013 gekündigt, und welche Muster bzw. Rechtsgrundlagen lagen diesen Kündigungen zugrunde? Der BaFin liegen keine Zahlen zu Anzahl und Einlagensummen von Bausparverträgen , die die einzelnen Bausparkassen seit 2013 gekündigt haben, vor. Nach den Beobachtungen der BaFin stützen sich Bausparkassen im Wesentlichen auf folgende Kündigungsgründe: 1. Seit einigen Jahren sind Kündigungen von sog. übersparten Bausparverträgen, d. h. Bausparverträgen, bei denen die Gewährung des Darlehens grundsätzlich nicht mehr möglich ist, weil die Bausparsumme vollständig angespart wurde, zu beobachten. 2. Seit Ende letzten Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4195 Jahres beobachtet die BaFin auch die Kündigung von seit zehn Jahren zuteilungsreifen , noch nicht „übersparten“ Bausparverträgen, bei denen der Bausparer das Recht auf ein Bauspardarlehen bislang nicht geltend gemacht hat. 7. Inwieweit führt die Bundesregierung und/oder die BaFin die hohe Anzahl der Kündigungen auf Managemententscheidungen der Bausparkassen im Hinblick auf die zurückliegenden Tarifgestaltungen und den Vertrieb zurück ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine belastbaren Erkenntnisse vor. 8. Inwieweit unterscheiden sich nach Ansicht der Bundesregierung und/oder der BaFin die Fälle der Kündigung von Bausparverträgen durch Bausparkassen vor dem Zeitpunkt der Vollbesparung von den Fällen der Kündigung überzahlter Bausparverträge im Hinblick auf die Rechtsgrundlage der Kündigung? Bei einem „übersparten“ Bausparvertrag ist die Gewährung des Bauspardarlehens grundsätzlich nicht mehr möglich. Wurde die Bausparsumme noch nicht vollständig durch den Bausparer erbracht, kann das Bauspardarlehen noch ausgereicht werden. Kündigungsrechte der Bausparkassen können sich aus vertraglichen Regelungen oder den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergeben. 9. Teilt die Bundesregierung und/oder die BaFin die Rechtsauffassung, dass es sich bei der Sparphase eines Bausparvertrages um ein Darlehen im Sinne des § 488 des Bürgerlichen Gesetzbuches handele, und dass Bausparkassen ein ordentliches Kündigungsrecht nach § 489 Absatz 1 Nummer 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehe, wenn seit Eintritt der Zuteilungsreife zehn Jahre vergangen sind? Inwiefern ist danach zu differenzieren, ob der Vertrag weiter bespart oder nicht weiter bespart wird? Die zivilrechtliche Würdigung dieser Frage ist Aufgabe der Gerichte. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, zivilrechtlichen Entscheidungen vorzugreifen oder diese zu kommentieren. 10. Teilt die Bundesregierung und/oder die BaFin die einhellige Rechtsauffassung der Verbraucherzentralen (vgl. statt vieler Verbraucherzentrale Bremen, www.verbraucherzentrale-bremen.de/bausparkassen-kuendigenbausparvertraege ), dass ein gesetzliches Kündigungsrecht zugunsten der Bausparkassen vor dem Zeitpunkt der Vollbesparung mangels Erreichens des Vertragszweck nicht gegeben sei und Bausparerinnen und Bausparer ein Recht auf Inanspruchnahme des Darlehens haben, solange die zu Vertragsbeginn vereinbarte Bausparsumme noch nicht erreicht ist? Falls ja, wäre nach Auffassung der Bundesregierung und/oder der BaFin ein insofern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbartes vertragliches Kündigungsrecht wirksam? Ob Bausparkassen ein gesetzliches Kündigungsrecht vor dem Zeitpunkt der Vollbesparung eines Bausparvertrags haben, ist eine zivilrechtliche Frage, deren Würdigung den Gerichten obliegt. Auch die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge können Kündigungsrechte enthalten. Drucksache 18/4195 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Bedarf es nach Ansicht der Bundesregierung und/oder der BaFin im Hinblick auf die Lage der Bausparkassen und die Anzahl zuteilungsreifer Bausparverträge, die vor vielen Jahren abgeschlossen wurden und hohe Zinssätze von bis zu 4 Prozent bieten, der Einführung eines gesetzlichen Kündigungsrechtes, und wird eine Änderung des Gesetzes über Bausparkassen beabsichtigt? Das Bausparkassengesetz stammt aus dem Jahr 1991. Anpassungen des Gesetzes an die seit 1991 erheblich veränderten Rahmenbedingungen werden geprüft. Die Einführung einer neuen gesetzlichen Kündigungsklausel steht derzeit nicht zur Debatte. 12. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkungen eines solchen gesetzlichen Kündigungsrechts auf das Konstrukt „Bausparvertrag“ aus der Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher und im Hinblick auf deren Vertrauen in teilweise staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte ein? Es wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333