Deutscher Bundestag Drucksache 18/4287 18. Wahlperiode 11.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4066 – Beteiligung am Pilotprojekt „Intelligente Grenzen“ Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich darauf geeinigt, das seit dem Jahr 2008 geplante System „Intelligente Grenzen“ im Jahr 2015 in einem Pilotprojekt zu testen (Ratsdok. 17060/14). Bei allen Einreisen an den Außengrenzen sollen in einem „Ein/Ausreiseystem“ (EES) zukünftig bis zu zehn Fingerabdrücke abgenommen werden. Dies beträfe sämtliche Angehörigen von „Drittstaaten“. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob diese aus geschäftlichen , touristischen oder schutzbedürftigen Gründen einreisen. Das System „Intelligente Grenzen“ besteht aus einem weiteren Programm zur Bevorzugung von „vertrauenswürdigen Vielreisenden“. Für eine Gebühr können vorab biometrische Daten auf einer Chipkarte hinterlegt werden. Damit könnten die Reisenden dann elektronische Kontrollgates nutzen, wie sie derzeit an mehreren deutschen Flughäfen installiert werden. Das gesamte „Maßnahmenpaket intelligente Grenzen“ soll nach gegenwärtigem Stand 1,35 Mrd. Euro kosten. Die Europäische Kommission hat noch keine Übersicht über ihre Verteilung auf den EU-Haushalt bzw. die Haushalte der Mitgliedstaaten vorgelegt. Das Ziel des Projekts „Intelligente Grenzen“ war zunächst, so genannte OverStayer aufzuspüren. Vielen Mitgliedstaaten schienen die Investitionen jedoch unverhältnismäßig hoch. Jedoch führte dies nicht zum Abbruch des Projekts: Vielmehr soll das System nun auch Polizeibehörden zur Nutzung offenstehen. Die Bundesregierung schlägt sich auf die Seite der Befürworter einer polizeilichen Nutzung der neuen Vorratsdatenspeicherung und erklärt, „dass bessere statistische Erkenntnisse zur Zahl der overstayer allein die Einführung eines EES nicht rechtfertigen können“ (Bundestagsdrucksache 18/455). Der frühere Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, plante die Ausweitung des Systems auf weitere Datenbestände („Zu prüfen wäre, ob der Datenabgleich auf weitere Datenbestände der Mitgliedstaaten, insbesondere der Sicherheitsbehörden, ausgedehnt werden sollte“, DER TAGESSPIEGEL vom 6. September 2013 „Innenminister Friedrich schlägt EU Online-EinreiseDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 9. März 2015 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. system vor“). Möglich wäre etwa die biometrische Datenbank Eurodac, das Visa-Informationssystem oder das Schengener Informationsystem (SIS II). Im Herbst 2014 legte die Europäische Kommission Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie für das System „Intelligente Grenzen“ vor, die technische Konzepte untersucht und bewertet hat (www.statewatch.org/news/2014/oct/eu-smart- Drucksache 18/4287 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode borders-report.pdf). Die dort genannten Möglichkeiten für die Verarbeitung biometrischer Daten werden nun ab März 2015 in der Pilotstudie ausprobiert. Zuständig ist die im Dezember 2012 in Estland eingerichtete Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen (eu-LISA). Die Kosten der Studie werden mit 3,5 Mio. Euro angegeben. Getestet werden verschiedene Verfahren. Immer wird das Gesichtsbild verarbeitet, das jedoch entweder mit vier, acht oder allen zehn Fingerabdrücken kombiniert wird. Auch bei der Abnahme der daktyloskopischen Daten kommen verschiedene Geräte zur Anwendung. So soll zum einen die an den Außengrenzen bereits existierende Technologie eingesetzt werden. Versuche werden aber auch mit der „neuesten Generation von Fingerabdruckscannern“ unternommen. Hierzu gehören tragbare Geräte, die sowohl mit oder ohne direktem Kontakt der Finger funktionieren sollen. Auch die elektronischen Kontrollgates an Flughäfen und die damit womöglich verkürzten Wartezeiten werden einer Eignungsprüfung unterzogen. Ergebnisse der Pilotstudie sollen im September 2015 vorliegen, im November 2015 werden diese nach jetzigem Stand in einem Bericht veröffentlicht. Dann soll sich das Europäische Parlament damit befassen, damit das System „Intelligente Grenzen“ zügig eingeführt werden kann. Das Ratsdokument nennt als Zeitpunkt hierfür „Mitte 2016“. Bei dem System „Intelligente Grenzen“ handelt es sich, wie bei der Fluggastdatensammlung EU-PNR, um eine Vorratsdatenspeicherung von Reisenden. Der Plan, Polizeibehörden ebenfalls Zugriff zu gewähren, lässt auf eine Nutzung zum Profiling (auch in Echtzeit) schließen. Aus Sicht der Fragesteller handelt es sich dabei um eine Art alltäglicher Rasterfahndung. 1. Welche aktuelle Kostenschätzung für das gesamte „Maßnahmenpaket intelligente Grenzen“ ist der Bundesregierung bekannt? Im Oktober 2014 hat die Europäische Kommission den Kostenteil des Abschlussberichts zu der in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnten technischen Studie vorgelegt. Darin beleuchtet die Europäische Kommission die Kostenfolgen der verschiedenen in der technischen Studie untersuchten Optionen für ein Entry/Exit-System (EES) und ein Registered Traveller Programme (RTP). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das im Internet veröffentlichte Dokument der Europäischen Kommission verwiesen (http://ec.europa.eu/dgs/ home-affairs/what-we-do/policies/borders-and-visas/smart-borders/docs/smart_ borders_costs_study_en.pdf). 2. Welche Gebühren für eine Chipkarte oder einen Token mit dort hinterlegten biometrischen Daten hält die Bundesregierung in einem Programm zur Bevorzugung von „vertrauenswürdigen Vielreisenden“ für realistisch? Anhang III zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Registrierungsprogramm für Reisende (COM(2013) 97 final) sieht eine an den Verwaltungskosten ausgerichtete und ggf. anzupassende Antragsgebühr von zunächst 20 Euro vor. Nachdem die Ausgabe eines separaten Token von der Mehrheit der Mitgliedstaaten kritisch betrachtet wurde, hat die Europäische Kommission die TokenLösung nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen verworfen. 3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen einer im Oktober 2014 von der Europäischen Kommission vorgelegten Machbarkeitsstudie zum „Maßnahmenpaket intelligente Grenzen“? Die Bundesregierung begrüßt den mit der technischen Studie verfolgten Ansatz, verschiedene Optionen für ein EES und RTP auf ihre technische Machbarkeit, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4287 ihre Auswirkungen auf den Grenzkontrollprozess und ihre datenschutzrechtlichen Implikationen hin zu untersuchen, bevor entsprechende rechtliche Festlegungen getroffen werden. Insoweit bleiben noch die Ergebnisse der nun anstehenden Pilotierung abzuwarten. 4. Für wie realistisch hält die Bundesregierung die bisherige Kostenkalkulation in Bezug auf das EES, auf welche Summe beläuft sich diese derzeit (bitte inhaltlich so differenziert wie möglich auflisten, EU- bzw. nationale Anteile sowie einmalige Investitionen und laufende Kosten getrennt ausweisen und zudem bitte im Zeitverlauf darstellen), und welche Kostenrisiken sieht die Bundesregierung mittlerweile? Die von der Europäischen Kommission in der vorgenannten Studie vorgenommenen Kostenkalkulationen umfassen die Kosten für das Zentralsystem und die einheitliche nationale Schnittstelle (National Uniform Interface, NUI). Die Kostenkalkulation erscheint aus Sicht der Bundesregierung realistisch. Für die Berechnung der jeweiligen nationalen Implementierungskosten hat die Europäische Kommission eine sog. Toolbox erarbeitet, anhand derer die Mitgliedstaaten ihre Kosten jeweils selbst berechnen können sollen. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, eine entsprechende Berechnung der nationalen Umsetzungskosten erst nach Abschluss der von März bis September 2015 geplanten Pilotierung vorzunehmen, wenn sich abzeichnet, welche der verschiedenen Optionen für ein EES und RTP näher in Betracht gezogen werden. Im Übrigen wird auf den im Internet veröffentlichten Kostenteil des Abschlussberichts der Europäischen Kommission zu der in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnten technischen Studie verwiesen (http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/ what-we-do/policies/borders-and-visas/smart-borders/docs/smart_borders_costs_ study_en.pdf). 5. Inwiefern kam nach Kenntnis der Bundesregierung die Europäische Kommission mittlerweile den Bitten von Mitgliedstaaten nach einer detaillierten Darstellung der Kosten des „Maßnahmenpakets intelligente Grenzen“ und ihrer Verteilung auf den EU-Haushalt nach, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Schätzung? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 4 verwiesen. 6. Inwieweit ist für die Bundesregierung mittlerweile absehbar, ob Kosten und Nutzen eines „Maßnahmenpakets intelligente Grenzen“ in einem angemessenen Verhältnis stehen? Diese Frage kann frühestens nach Abschluss der Pilotierung und Vorlage der von der Europäischen Kommission für Ende 2015/Anfang 2016 angekündigten neuen Verordnungsvorschläge beantwortet werden. 7. Mit welcher Begründung haben nach Kenntnis der Bundesregierung einzelne Mitgliedstaaten im Rahmen der Verhandlungen auf EU-Ebene Zweifel am Mehrwert des EES geäußert, wenn dieses nicht auch von Strafverfolgungsbehörden genutzt werden könne, und wie ist die Position der Bundesregierung hierzu (bitte ausführen)? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 21. Januar 2014, Bundestagsdrucksache 18/455, verwiesen. Drucksache 18/4287 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Inwiefern ist die Meinungsbildung der Bundesregierung zur Frage, ob das im „Maßnahmenpaket intelligente Grenzen“ vorgesehene EES auch zur Abwehr und Verfolgung „terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten“ genutzt werden könnte, inzwischen abgeschlossen, bzw. welche Überlegungen werden hierzu derzeit angestellt? Die Meinungsbildung der Bundesregierung zu dieser Frage ist noch nicht abgeschlossen . 9. Inwieweit ist ein Zugang von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden zum „Maßnahmenpaket intelligente Grenzen“, das auf eine biometrische Erfassung aller kurzfristig einreisenden Drittstaatsangehörigen hinausläuft, aus Sicht der Bundesregierung mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bzw. des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie mit datenschutzrechtlichen Grundsätzen, wie der Zweckbindung, der Datensparsamkeit und der Erforderlichkeit vereinbar? Die Vereinbarkeit eines solchen Zugangs mit den in der Fragestellung genannten Vorgaben hängt entscheidend von der Ausgestaltung eines solchen Zugangs im Einzelnen ab. Die Frage lässt sich daher nicht abstrakt, sondern nur anhand eines konkreten Regelungsvorschlags beantworten, der bislang nicht vorliegt. 10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung diesbezüglich aus der Machbarkeitsstudie der Europäischen Kommission? Die Studie der Europäischen Kommission benennt lediglich abstrakt einige datenschutzrechtliche Vorkehrungen, die getroffen werden sollten, falls ein Zugang zu Zwecken der Verhütung und Verfolgung von Straftaten vorgesehen werden sollte (vgl. S. 247 der im Internet veröffentlichten Studie: www.europarl. europa.eu/meetdocs/2014_2019/documents/libe/dv/smart_borders_report_/smart_ borders_report_en.pdf). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 11. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu den in der Machbarkeitsstudie untersuchten technischen Konsequenzen des Zugangs von Polizeibehörden zum EES und dem Schluss, „dass der Umfang beträchtlich wäre“, was die Europäische Kommission unter anderem mit „Bedarf an Zugangskontrollmechanismen für die Überprüfung der Identität und der Zugangsrechte der Bediensteten und an angemessenen technischen Garantien gegen Missbrauch“ angibt (www.tinyurl.com/o75qrm7)? Die Aufwände für eine Implementierung von entsprechenden Maßnahmen bzw. Zugangsmöglichkeiten hängen von der spezifischen Ausgestaltung eines solchen Zugangs ab. Da ein konkreter Regelungsvorschlag hierzu noch nicht vorliegt , lässt sich die Frage nach den technischen Konsequenzen gegenwärtig noch nicht beantworten. 12. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu dem gegenwärtigen Vorschlag der Europäischen Kommission für das EES, das keinen Zugang für Strafverfolgungsbehörden vorsieht, aber festlegt, „dass diese Frage zwei Jahre nach Inbetriebnahme des Systems geprüft werden soll“? Die Meinungsbildung der Bundesregierung zu dieser Frage ist noch nicht abgeschlossen . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4287 13. Auf welche Weise könnten aus Sicht der Bundesregierung, wie von der Europäischen Kommission gefordert, „von den Rechtsetzungsorganen klare Regeln für den Datenzugang und die Datenverarbeitung durch Strafverfolgungsbehörden und wirksame Datenschutzgarantien vereinbart werden“? Die erforderlichen Datenschutzregeln bei Eröffnung des Zugangs von Strafverfolgungsbehörden zum EES richten sich spezifisch nach der noch von der Kommission ggf. zu bestimmenden Ausgestaltung des Zugangs. Abstrakt ist darauf zu verweisen, dass die Datenschutzregeln die Anforderungen der Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte zu beachten haben. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 8 und 12 verwiesen. 14. Inwiefern hat sich die Bundesregierung mittlerweile eine (abschließende) Meinung zu einer Ausweitung des „Entry/Exit-Systems“ auch auf längerfristige Aufenthalte von Drittstaatsangehörigen gebildet, bzw. wie hat sie sich in Diskussionen hierzu positioniert? Die Meinungsbildung der Bundesregierung zu dieser Frage ist noch nicht abgeschlossen . Die Bundesregierung hat sich zu dieser Frage daher bislang noch nicht positioniert. 15. Mit welchen Auswirkungen auf die Wartezeiten bei Grenzkontrollen infolge des „Maßnahmenpakets intelligente Grenzen“ ist aus Sicht der Bundesregierung mittlerweile zu rechnen, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Angaben der Machbarkeitsstudie? Ein Ziel des Pilotprojektes ist es, Wartezeiten, die durch die verschiedenen Maßnahmen in der Grenzkontrolle entstehen könnten, zu ermitteln. Die Bundesregierung hat hierzu noch keine eigenen Erkenntnisse. Es bleibt abzuwarten, ob die Schätzungen in der technischen Studie durch die Messung in dem Pilotprojekt bestätigt werden. 16. Welche „außenpolitische Erwägungen“ spielen bei der Meinungsbildung der Bundesregierung zur Frage, ob auch die bisher von der Visumpflicht befreiten Drittstaatsangehörigen im Zuge der Errichtung des „Maßnahmenpakets intelligente Grenzen“ künftig biometrische Daten (Fingerabdrücke ) abgeben sollen, eine Rolle? Die Bundesregierung berücksichtigt bei ihrer Meinungsbildung zu Rechtsetzungsvorhaben wie dem Smart Borders Paket stets auch außenpolitische Erwägungen. Hierbei bezieht sie die Auswirkungen der Datenspeicherung auf ihre Beziehungen zu Drittstaaten mit ein, insbesondere zu solchen, deren Staatsangehörige visumbefreit sind. 17. Inwiefern ist die Meinungsbildung der Bundesregierung hierzu inzwischen abgeschlossen, bzw. wie hat sie sich in Diskussionen hierzu positioniert ? Es wird auf die Antwort zu Frage 16 verwiesen. 18. Inwiefern ist der geplante Umzug von Eurodac von Räumlichkeiten der Europäischen Kommission in Luxemburg und Brüssel nach Strasbourg mittlerweile wie vorgesehen am 21. Juni 2014 umgesetzt worden, bzw. Drucksache 18/4287 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode welche weiteren Schritte sind der Bundesregierung hierzu bekannt (Bundestagsdrucksache 18/1832)? Der Umzug ist planmäßig und termingerecht erfolgt. Seit dem 21. Juni 2014 wird das Eurodac Zentralsystem im Rechenzentrum der eu-LISA in Straßburg betrieben und administriert. Zudem wurde zur Kompensation möglicher Systemausfälle ein „Backup-System“ mit synchronem Datenbestand in Österreich eingerichtet. 19. Inwiefern ist die Meinungsbildung der Bundesregierung zur Frage, inwiefern eu-LISA weitere Datenbanken (insbesondere ein „Maßnahmenpaket intelligente Grenzen“) verwalten könnte und um welche es sich dabei handeln könnte, inzwischen abgeschlossen (Bundestagsdrucksache 18/1832)? Die Beratungen in den Gremien des Rates und im Europäischen Parlament sowie die Meinungsbildung der Bundesregierung zu den Kommissionsvorschlägen sind noch nicht abgeschlossen. Insoweit wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 24. Juni 2014, Bundestagsdrucksache 18/1832, verwiesen. 20. Was ist der Bundesregierung zu Überlegungen oder Warnungen ausländischer Sicherheitsbehörden bekannt, dass ihre verdeckt agierenden Agenten oder Ermittler durch das „Maßnahmenpaket intelligente Grenzen“ wegen dort verarbeiteter biometrischer Daten bei der Einreise in die EU auffliegen könnten (www.wikileaks.org/cia-travel/press-release.html)? 21. Inwiefern haben US-Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung dies bereits in bilateralen Gesprächen oder auf EU-Ebene thematisiert, und welche Verabredungen wurden hierzu getroffen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 22. Auf welche Weise wird sich die Bundesregierung an Tests des Systems „Intelligente Grenzen“ im Rahmen eines Pilotprojekts beteiligen (Ratsdok . 17060/14)? Die Bundesregierung hat sich bereiterklärt, verschiedene vorgegebene Testszenarien des von eu-LISA verantworteten Pilotprojekts an einer Grenzkontrollstelle in Deutschland durchzuführen und prüft derzeit die Durchführung ergänzender Testszenarien. Darüber hinaus hat sich Deutschland bereiterklärt, mit nationalen Experten an einzelnen Fragestellungen des Pilotprojektes mitzuwirken . 23. Wann und wo sollen Tests in Deutschland stattfinden, und wen hat das Bundesministerium des Innern als Projektmanager benannt? Die Tests im Rahmen des von eu-LISA verantworteten Pilotprojekts sollen voraussichtlich vom 22. Juni bis zum 6. September 2015 an einer Grenzkontrollstelle am Flughafen Frankfurt/Main stattfinden. Ein Mitarbeiter des Bundespolizeipräsidiums wurde als Projektmanager gegenüber eu-LISA, als von der Europäischen Kommission mit der Durchführung des Pilotprojektes beauftragter Agentur, benannt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4287 24. Welche Tests werden durchgeführt, und welche technischen Anlagen welcher Hersteller werden hierfür genutzt bzw. installiert? Am Flughafen Frankfurt/Main wird im Rahmen des von eu-LISA verantworteten Pilotprojekts ● die Erfassung von 4 Fingerabdrücken, ● die Erfassung von 8 Fingerabdrücken, ● die Erfassung von 10 Fingerabdrücken sowie ● die Ausreise durch ein automatisiertes Grenzkontrollsystem getestet. Hierbei kommen voraussichtlich vorhandene Fingerabdruckscanner der Firma Crossmatch bzw. neu zur Verfügung gestellte kontaktlose Fingerabdruckscanner der Firma Morpho zum Einsatz. Darüber hinaus soll ein bestehendes automatisiertes Grenzkontrollsystem (EasyPass) für den Test ertüchtigt werden. 25. Welche Kosten entstehen für die Tests (bitte aufschlüsseln)? Die deutsche Projektleitung hat gegenüber eu-LISA Kosten in Höhe von insgesamt 700 000 Euro geschätzt. In diesen Kosten sind enthalten: ● die Entwicklung einer EES-PC-Anwendung für die Grenzkontrolle (Soft- ware Tool; einschließlich Integration), ● der Integrationsaufwand für neue Hardware (kontaktlose Fingerabdruckscan- ner), ● der Anpassungsaufwand für ein automatisiertes Grenzkontrollsystem, ● der Implementationsaufwand für die vorgeschriebenen biometrischen Qualitätssicherungsalgorithmen, ● der Implementationsaufwand für eine testspezifische technische Protokollierung, ● die Kosten für Informationsmaßnahmen. 26. Wie viele Reisende werden nach derzeitiger Schätzung in Deutschland am Pilotprojekt teilnehmen? Aus statistischen Gründen sollten an den Test insgesamt mindestens 4 000 Personen teilnehmen. Die Teilnahme ist freiwillig. 27. Welche deutschen Firmen werden an den Tests beteiligt, und aufgrund welcher „geltenden Vorschriften“ wurden diese ausgewählt (www. tinyurl.com/o75qrm7)? An dem Test werden voraussichtlich die Firmen secunet Security Networks AG, Bundesdruckerei GmbH, Capgemini und MSG Systems AG aus laufenden Rahmenverträgen beteiligt. 28. Welche EU-Agenturen oder weiteren Partner (auch Firmen) sind nach Kenntnis der Bundesregierung am EU-weiten Pilotprojekt beteiligt, und welche Beiträge werden von ihnen jeweils erbracht (bitte sofern bekannt, Drucksache 18/4287 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nicht nur für eu-LISA, sondern auch nach den Mitgliedstaaten aufschlüsseln )? Nach Kenntnis der Bundesregierung wird in das Pilotprojekt als EU-Agentur neben eu-Lisa auch FRONTEX einbezogen. Darüber hinaus sind die EU-finanzierten Forschungsprojekte „Fast Pass“ und „ABC4EU“ beteiligt. Das Beratungsunternehmen PWC unterstützt eu-LISA bei der Konzeption, Koordinierung und Durchführung des Pilotprojekts. Das Unternehmen Morpho stellt kontaktlose Fingerabdruckscanner zur Verfügung. 29. Inwiefern wird die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission die Übernahme von Kosten für die Tests geltend machen, und welche Schritte hat sie hierfür unternommen? 30. Sofern keine Kosten geltend gemacht werden, welche Gründe sind hierfür maßgeblich? Die Bundesregierung beabsichtigt, gegenüber eu-LISA Kosten geltend zu machen und hat bereits eine entsprechende Kostenschätzung abgegeben (vgl. Antwort zu Frage 25). Die eu-LISA prüft gegenwärtig das hierbei zu beachtende Verwaltungsverfahren. 31. Welchen Beitrag haben der Vizepräsident beim Bundeskriminalamt, Peter Henzler, und M. W. vom Bundesministerium des Innern am 4. Februar 2015 als „nationale Experten“ vor dem EU-Parlament zur Notwendigkeit bzw. Nichtnotwendigkeit einer EU-Vorratsdatenspeicherung von Passagierdaten (EU-PNR) gehalten (bitte die Kernaussagen kurz erläutern )? Der Vizepräsident des BKA, Peter Henzler, hat bei dem sog. Briefing vor ausgewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments (Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, LIBE) (Koordinatoren, PNR-Berichterstatter und -Schattenberichterstatter) dargelegt, welchen Mehrwert die Nutzung von PNRDaten im Rahmen eines EU-PNR-Systems für das BKA hätte. Dabei hat er beispielhaft den Mehrwert von PNR-Daten für die Terrorismusbekämpfung, insbesondere die Abwehr von Anschlägen durch zurückgekehrte sog. ausländische Kämpfer, erläutert, aber auch den Nutzen von PNR-Daten für die Bekämpfung des Drogen- und Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung. Ohne die Möglichkeit der Nutzung der PNR-Daten bestünden, trotz weiterer Fahndungs- und Informationssysteme konkret beschreibbare Lücken, durch die islamistische Gewalttäter nach Deutschland gelangen könnten. Aber nicht nur Einreiseabsichten, auch Ausreiseabsichten in Jihadgebiete, ggf. über Zwischenstationen , könnten mit PNR-Daten erkannt werden – die Grundvoraussetzung dafür, weitere Maßnahmen ergreifen zu können. Darüber hinaus seien PNR-Daten im Zuge von Ermittlungen von großem Wert, um potenzielle Menschenhandelsopfer und Rauschgiftkuriere im Luftverkehr vor ihrem Eintreffen in Europa und Deutschland zu erkennen und Profiteure und Netzwerke, die den Nachschub organisierten und die Profite einstrichen, zu enttarnen . Die Vertreterin des Bundesministeriums des Innern hat den Vizepräsidenten Peter Henzler begleitet, aber keinen eigenen Betrag eingebracht, da es bei dem Termin um die Einschätzung von Praktikern der TE- und OK-Bekämpfung zur Nutzung von PNR-Daten ging. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4287 32. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur zügigen Weiterverfolgung des geplanten und nunmehr verzögerten „Roll out“ des Visa-Informationssystems VIS in der Ukraine und in Russland (www.statewatch.org/ news/2015/feb/eu-council-vis-roll-out-final-compromise-5731-15.pdf)? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass der Zeitplan im EU-Dokument 5731/15 für den VIS-Rollout in der Ukraine und in Russland sowie auch darüber hinaus eingehalten und der VIS-Rollout noch 2015 wie vorgesehen abgeschlossen wird. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333