Deutscher Bundestag Drucksache 18/4291 18. Wahlperiode 12.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4077 – Stilllegung und Rückbau des Atomkraftwerks Isar 1/Ohu und Umgang mit hochradioaktiven Brennelementen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach der Katastrophe von Fukushima ist das Atomkraftwerk (AKW) Isar 1/ Ohu vom Typ Siedewasserreaktor per Atomgesetz abgeschaltet worden. Inzwischen ist der Rückbau des Atomkraftwerks geplant. Entsprechende Anträge hat der Betreiber bei der zuständigen Atomaufsicht in Bayern eingereicht (vgl. www. stmuv.bayern.de/umwelt/reaktorsicherheit/genehmigung/kki_1.htm). Noch immer befinden sich offenbar viele der hochradioaktiven Brennelemente aus dem Betrieb des Siedewasserreaktors entweder im Reaktorbehälter oder im Nasslager. Eine aus sicherheitstechnischen Gründen sinnvolle Auslagerung der Brennelemente konnte offenbar bislang nicht erfolgen, weil die dazu erforderlichen Castorbehälter für diesen Reaktortyp bislang entweder noch immer nicht genehmigt sind oder in der erforderlichen Stückzahl nicht zur Verfügung stehen. Nach Information der Fragesteller gehen die Behörden trotzdem davon aus, dass die Auslagerung etwa bis zum Jahr 2016 bzw. 2017 erfolgen soll. Solange hochradioaktive Kernbrennstoffe in der Anlage sind, müssen eine Vielzahl von Schutzeinrichtungen betrieben werden, die Kritikalitätsunfälle verhindern und die Kühlung gewährleisten. Baumaßnahmen stellen damit grundsätzlich erhöhte Risiken dar, solange hochradioaktive Brennstoffe in der Anlage sind. Der Rückbau sollte daher möglichst erst stattfinden, wenn die Anlage vollständig frei von hochradioaktiven Brennstoffen ist. 1. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand des Genehmigungsverfahrens zum Rückbau des Blocks 1 des AKW Isar/Ohu, und bis wann wird mit der Genehmigung gerechnet? Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 10. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Die für die Erteilung der Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen des Kernkraftwerks Isar I (KKI I) zuständige Behörde des Freistaates Bayern, das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (STMUV) berichtet regelmäßig über den Verlauf des Genehmigungsverfahrens. Wesentliche Verfahrens- Drucksache 18/4291 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode schritte sind hiernach erfolgt; insbesondere hat der in der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung vorgesehene Erörterungstermin zu den erhobenen Einwendungen stattgefunden. Die Genehmigungsbehörde strebt den Abschluss des Genehmigungsverfahrens für Ende 2015/Anfang 2016 an. 2. Sind die erforderlichen Castorbehältertypen inzwischen für Transport und Lagerung abschließend genehmigt? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht, und bis wann ist eine Genehmigung zu erwarten? Entsprechend der derzeitigen Genehmigungslage ist für die Aufnahme der bestrahlten Brennelemente des Siedewasserreaktors des KKI I der Transport- und Lagerbehälter der Bauart CASTOR® V/52 vorgesehen. Die verkehrsrechtliche Zulassung für die modifizierte Ausführung dieses Behälters liegt seit dem 5. September 2014 vor. Auf Antrag der E.ON Kernkraft GmbH (EKK) auf Einsatz des modifizierten CASTOR® V/52 im StandortZwischenlager Niederaichbach läuft beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gegenwärtig das entsprechende Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 6 des Atomgesetzes (AtG). Nach derzeitigem Stand ist mit einer Genehmigung im Laufe des Jahres 2016 zu rechnen. 3. Wie viele Brennelemente welchen Typs und welche anderen hochradioaktiven Materialien lagern nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit jeweils wo im Block 1, und in welche Castorbehälter (Typ) sollen diese jeweils verpackt und zwischengelagert werden? Die Lagerbelegung des Brennelementnasslagers im Reaktorgebäude von KKI I beträgt derzeit 1 734 Siedewasserreaktor-Brennelemente. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung hochradioaktive Kernbrennstoffe oder Komponenten, die derzeit im Block 1 gelagert sind und nicht per Castorbehälter ausgelagert werden sollen oder können? Wenn ja, um welche Stoffe handelt es sich, und warum ist das derzeit nicht möglich? Nach Aussage des STMUV ist dies nicht der Fall. 5. Wie viele Castorbehälter welcher Bauart werden nach Kenntnis der Bundesregierung für den Block 1 insgesamt benötigt, um alle Kernbrennstoffe und hochradioaktiven Komponenten in das Zwischenlager zu bringen? Zur Zwischenlagerung von 1 734 Siedewasserreaktor-Brennelementen werden voraussichtlich 34 Behälter vom Typ CASTOR® V/52 benötigt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4291 6. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Herstellung dieser Behälter bereits in Auftrag gegeben, und bei welchem Unternehmen? Die Herstellung der Behälter wurde nach Auskunft der Betreiberin 2012 bei der Firma Gesellschaft für Nuklear-Service mbH (GNS) beauftragt. Die Fertigung und Auslieferung der Behälter wird auf Basis der noch zu erteilenden Änderungsgenehmigung für das Standort-Zwischenlager Niederaichbach erfolgen. 7. Wann werden nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils wie viele Behälter in den Jahren 2015, 2016 und 2017 am AKW Isar/Ohu angeliefert? Wann soll nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils die Beladung der Behälter erfolgen, und wann ist jeweils die Einlagerung im Zwischenlager geplant? Nach Aussage der Betreiberin haben die Energieversorgungsunternehmen (EVU) auf den Behälterhersteller GNS eingewirkt, die Behälterproduktion zu beschleunigen, um dem Bedarf gerecht zu werden. EKK beabsichtigt zeitnah nach Erteilung der Aufbewahrungsgenehmigung und der darauf aufbauenden aufsichtlichen Zustimmung zu der Beladekampagne mit dem Antransport, Beladen und Einlagern der Behälter zu beginnen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 8. Bis wann wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Atomreaktor Isar 1/ Ohu „kernbrennstofffrei“ sein? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 9. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass der Rückbau erst beginnen sollte, wenn die Anlage frei von Kernbrennstoffen ist, damit Risiken von Unfällen mit Freisetzung von Radioaktivität aus den hochradioaktiven Brennelementen sicher vermieden werden können? Wenn ja, in welcher Weise wird nach Kenntnis der Bundesregierung dieses Ziel sichergestellt? Wenn nein, warum nicht, und in welcher Weise wird nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass es während der Abbrucharbeiten nicht zu Ereignissen kommt, die die Kühlung der Brennelemente gefährdet oder durch Unfälle oder Beschädigungen an Komponenten Kritikalitätsunfälle ausgelöst werden können? Nein. Die Stilllegung und der Abbau eines Kernkraftwerkes ist ein komplexes Vorhaben, das in mehreren Phasen abläuft. Diese Phasen müssen in den einzelnen Genehmigungsschritten vom Betreiber in den zugehörigen Antragsunterlagen dargelegt werden. Hierbei sind auch mögliche Auswirkungen zu untersuchen , die Einhaltung der Schutzziele nachzuweisen und entsprechende Vorkehrungen zur Verhinderung negativer Einwirkungen darzulegen. Erst nach erfolgter Prüfung und Erteilung der jeweiligen Genehmigung können die einzelnen Schritte umgesetzt werden. Die Umsetzung unterliegt der staatlichen Kontrolle durch die zuständige Behörde. Durch dieses Verfahren ist sichergestellt, dass die erforderliche Schadensvorsorge zur Verhinderung der von den Fragestellern angesprochenen Szenarien gewährleistet wird. Drucksache 18/4291 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung vorgesehen, im Rahmen der Stilllegung und des Rückbaus der Anlage Isar 1/Ohu, ein zusätzliches Lager für leicht- und mittelradioaktive Abrissabfälle neu zu errichten? Wenn ja, aus welchen Gründen wird nach Kenntnis der Bundesregierung dieses Lager erforderlich, und wie lange müssten diese leicht- und mittelradioaktiven Abfälle nach derzeitiger Kenntnis auf dem Gelände des Atomkraftwerks bis zu ihrem Abtransport zwischengelagert werden? Wenn nein, wo verbleiben nach Kenntnis der Bundesregierung die leichtund mittelradioaktiven Abrissabfälle sonst? 11. Welche Mengen welcher Art von radioaktiven Stoffen fallen nach Kenntnis der Bundesregierung beim Rückbau an, die in dieser Halle eingelagert werden sollen, und wo werden diese konditioniert? Die Fragen 10 und 11 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Stilllegungsabfälle – im Mittel werden ca. 5 000 m3 radioaktiver Abfall je Leichtwasserreaktor erwartet – sollen konditioniert und die Abfallgebinde anschließend zwischengelagert werden. Neben der EVU-Lagerhalle in Mitterteich stehen hierfür für KKI 1 prinzipiell auch Lagerkapazitäten in anderen deutschen Zwischenlagern zur Verfügung. Die Kapazitäten in diesen Zwischenlagern sind nach gegenwärtigem Stand ausreichend, sodass die Errichtung eines neuen Lagers nicht vorgesehen ist. 12. Bis wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Standort-Zwischenlager in Isar 1 genehmigt? Das Standort-Zwischenlager Niederaichbach wurde für die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen in Form von bestrahlten Brennelementen sowohl aus dem Kernkraftwerk Isar 1 (im CASTOR® V/52) als auch aus dem Kernkraftwerk Isar 2 (im CASTOR® V/19) für 40 Jahre ab dem Zeitpunkt der Einlagerung des ersten Behälters genehmigt. Da die erste Einlagerung eines Behälters in das Standort-Zwischenlager Niederaichbach im März 2007 erfolgte, erlischt die Aufbewahrungsgenehmigung entsprechend im Jahr 2047. 13. Wie viele Castoren mit wie vielen Brennelementen aus welchen der beiden Reaktorblöcke befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in welchen Behältertypen im Zwischenlager? Im Standort-Zwischenlager Niederaichbach sind derzeit 9 Behälter des Typs CASTOR® V/52 mit 468 Brennelementen des KKI I sowie 25 Behälter des Typs CASTOR® V/19 mit 475 Brennelementen des KKI II eingelagert. 14. Wie viele Behälter welchen Typs und aus welchem Block dürfen nach Kenntnis der Bundesregierung maximal eingelagert werden? Maximal 152 Transport- und Lagerbehälter der Bauarten CASTOR® V/19 und CASTOR® V/52 dürfen in das Standort-Zwischenlager Niederaichbach eingelagert werden. Eine Begrenzung für die Anzahl der Behälter einer bestimmten Bauart besteht nicht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4291 15. In welcher Weise sind nach Kenntnis der Bundesregierung seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sicherheitserhöhende Maßnahmen zum Schutz des Zwischenlagers vor „Einwirkungen von außen“ erfolgt? Welcher Art waren diese Maßnahmen nach Kenntnis der Bundesregierung , und wann wurden sie jeweils durch welche Stelle genehmigt bzw. angeordnet? Im Folgenden wird unterstellt, dass in der Fragestellung unter der Begrifflichkeit „Einwirkungen von außen“ der Schutz von Zwischenlagern gegen Störmaßnahmen oder sonstiger Einwirkungen Dritter (SEWD) zu verstehen ist. Kerntechnische Anlagen verfügen über ein umfassendes Sicherungs- und Schutzkonzept. Die in diesem Zusammenhang zu unterstellenden Einwirkungen Dritter sowie die dagegen zu ergreifenden Sicherungsmaßnahmen werden regelmäßig überprüft – so auch nach dem 11. September 2001. Um die Wirksamkeit der Sicherungsmaßnahmen zu gewährleisten, können weitergehende Einzelheiten hier jedoch nicht dargelegt werden. Einzelheiten zu den Erkenntnissen und den Sicherungsmaßnahmen unterliegen der Geheimhaltung, um ihre Wirksamkeit nicht zu gefährden. 16. Welche Maßnahmen hinsichtlich „Einwirkungen von außen“ bzw. auch sonstige Genehmigungsanträge zu diesem Handlungsbereich mit welchen wesentlichen Inhalten und Zielen sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell bei welchen Behörden anhängig? Es wird wie in der Antwort zu Frage 15 unterstellt, dass in der Fragestellung unter der Begrifflichkeit „Einwirkungen von außen“ der Schutz von Zwischenlagern gegen Störmaßnahmen oder sonstiger Einwirkungen Dritter (SEWD) zu verstehen ist. Der Betreiber muss durch Sicherungsmaßnahmen gewährleisten, dass die Schutzziele (Verhinderung einer Freisetzung sowie von Entwendung von Kernbrennstoff ) erfüllt werden. EKK hat beim BfS einen Antrag auf Änderung der Aufbewahrungsgenehmigung nach § 6 AtG für das Standort-Zwischenlager Isar hinsichtlich einer Nachrüstung des Lagergebäudes gestellt. Die Notwendigkeit der Nachrüstung des Zwischenlagers ergab sich aus einer veränderten Bewertung und Erkenntnislage zu bestimmten Angriffsszenarien im Nahbereich der Transport- und Lagerbehälter. Unter Leitung des Bundesumweltministeriums haben sich die zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder mit Zwischenlagern, das BfS als Genehmigungsbehörde sowie Vertreter der Innenbehörden der Länder mit den Betreibern auf ein gemeinsames generisches Sicherungskonzept zur Nachrüstung aller Zwischenlager verständigt . Die Anforderungen an die Nachrüstung wurden von den zuständigen Gremien gebilligt. Dazu sind bauliche Maßnahmen und – bis zu deren Umsetzung – temporäre Maßnahmen durchzuführen. Einzelheiten zu den Erkenntnissen und den Sicherungsmaßnahmen unterliegen der Geheimhaltung, um ihre Wirksamkeit nicht zu gefährden. Drucksache 18/4291 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Inwiefern hat das so genannte Brunsbüttel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Januar 2015 nach Einschätzung der Bundesregierung Konsequenzen für andere deutsche Zwischenlager, das heißt, wird es aus Sicht der Bundesregierung an den Standortlagern zu neuen sicherheitstechnischen Überprüfungen hinsichtlich möglicher terroristischer Angriffe oder Flugzeugabstürzen kommen müssen? Wenn ja, an welchen, und wenn nein, warum nicht? 18. In welcher Weise sollen nach Kenntnis der Bundesregierung die im so genannten Brunsbüttel-Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig vom 19. Juni 2013 festgestellten Sicherheitsdefizite, insbesondere der Schutz gegen Terrorangriffe, bei den Sicherheitsnachweisen für das Standortlager in Isar 1/Ohu nachgeholt werden? Wenn das nicht vorgesehen ist, warum nicht (bitte detailliert darstellen)? Die Fragen 17 und 18 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das nunmehr rechtskräftige Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig hat nur für das Zwischenlager Brunsbüttel unmittelbare rechtliche Auswirkung. Bei der Genehmigungserteilung im Jahr 2003 für das Standortzwischenlager Brunsbüttel gab es aus Sicht des Gerichts ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit in Bezug auf Einwirkungen Dritter, insbesondere Terrorangriffe; das Gericht hat aber keine Sicherheitsdefizite des Zwischenlagers Brunsbüttel festgestellt. Bund und Länder sind gemeinsam der Auffassung, dass keine Erkenntnisse vorliegen, die die rechtskräftigen Genehmigungen an anderen zentralen und dezentralen Zwischenlagern infrage stellen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333