Deutscher Bundestag Drucksache 18/4309 18. Wahlperiode 12.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4065 – Atomforschungsreaktor Berlin BER II – Hochfeldmagnet des Helmholtz-Zentrums Berlin Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) ist dabei, einen Hochfeldmagneten (HFM) in Verbindung mit dem Atomreaktor BER II in Betrieb zu nehmen. Die Planungen für diesen HFM gehen nach Informationen der Fragesteller mindestens auf das Jahr 2002 zurück. Geplant war, den HFM mit einer Leistung von 30 Tesla innerhalb von drei Jahren am BER II in Betrieb zu nehmen. Der Wissenschaftsrat ging damals von 48,5 Mio. Euro Investitionskosten und weiteren 4,3 Mio. Euro jährlichen Personal- und Betriebskosten aus (vgl. Wissenschaftsrat : Stellungnahme zu neun Großgeräten der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung und zur Weiterentwicklung der Investitionsplanung von Großgeräten , Drucksache 5363/02, 12. Juli 2002, Berlin, www.wissenschaftsrat.de). Der Aufbau des für Neutronenexperimente weltweit stärksten Hochfeldmagneten wurde vor ca. sieben Jahre genehmigt. Er ist offenbar bis heute immer noch nicht in Betrieb. Inzwischen ist die Stilllegung des BER II für das Jahr 2019 geplant . Derzeitig ist der Reaktor wegen eines Risses abgeschaltet. Dieser Riss ist Zeugnis der allgemeinen Materialermüdung des 41-jährigen Reaktors aufgrund der starken Neutronenstahlung (vgl. www.maz-online.de/Brandenburg/WannseeReaktor -soll-erst-2015-wieder-laufen). Damit hat sich die Prognose des ehemaligen Technischen Leiters bezüglich der Entwicklung des Risses bewahrheitet. Das HZB und die Atomaufsicht hatten diese technische Einschätzung zu Unrecht ignoriert und öffentlich diskreditiert (vgl. Thilo Scholz: Gutachten für die Anhörung im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin am 7. März 2012, www.atomreaktor-wannseedichtmachen .de). Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 9. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/4309 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wann wurde der Antrag zur Installation des Hochfeldmagneten durch wen, und bei wem gestellt? 4. Durch welche Gremien bzw. Gutachter wurde der Antrag geprüft? 6. Durch welche Institution wurde der Antrag beschieden? Die Fragen 1, 4 und 6 werden im Zusammenhang beantwortet. Im Jahr 2002 hat der Wissenschaftsrat eine Stellungnahme zu einer erste Machbarkeitsstudie zur Erzeugung hoher Magnetfelder in der Neutronenstreuung des Hahn-Meitner-Instituts (HMI), das am 1. Januar 2009 mit der Berliner Elektronen -Speicherring Gesellschaft für Synchrotronstrahlung (BESSY) zum Helmholtz -Zentrum Berlin (HZB) fusioniert ist, abgegeben. In seinem Votum bescheinigt der Wissenschaftsrat dieser Idee ein großes wissenschaftliches Potential und empfiehlt, das Projekt weiter auszuarbeiten. Der Antrag zum Bau des Hochfeldmagneten wurde im Jahr 2006 durch das HMI an die Helmholtz-Gemeinschaft gestellt und vom Helmholtz-Senat auf Empfehlung der internationalen Gutachter genehmigt. 2. Welchen Umfang (bitte Seitenzahl angeben) hatte der Antrag, und welchen Umfang (bitte Seitenzahl angeben) hatte die Darstellung der geplanten wissenschaftlichen Zielstellungen? Der Gesamtumfang der Antragsunterlagen (inkl. mehrerer technischer Unterlagen zum Magneten sowie einem Anhang zur technischen Infrastruktur) beträgt 173 Seiten. Die Darstellung der wissenschaftlichen Zielstellung hat einen Umfang von 34 Seiten. 3. Welche wissenschaftlichen Themen wurden damals als Zielstellung angegeben (bitte vollständige Auflistung)? Quantum Magnets and Quantum Phase Transitions, Magnetic Multilayers, Magnetic Anisotropy Studies, Structure and Dynamics of Magnetic Liquids and Glasses, Superconducting Materials, High-TC-Superconductors, Magnetism of Intermetallic Compounds, Heavy Fermions, Molecular Magnets und Organic Conductors. Die Zielstellung wird vor dem Hintergrund der aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen permanent fortentwickelt. 5. Wurde eine Standort-Abwägung zwischen dem Münchner Reaktor FRM II, der einen höheren Neutronenfluss und bessere Sicherheitstechnik besitzt, und dem BER II vorgenommen? Wenn ja, wann, und welche Gründe sprachen am Ende für den BER II? Wenn nein, warum nicht? Das HZB hat weltweit anerkannte Kompetenzen im Bereich der Neutronenstreuung bei hohen Magnetfeldern aufgebaut. Seit den 1990er-Jahren gilt das frühere HMI als führend beim Schaffen von extremen Probenumgebungen im Zusammenwirken mit Neutronenstreuung. Es wurden zwei Magnete (VM-1 und VM-1B der Firma Oxford Instruments) betrieben, mit denen Feldstärken von 15 bis 17 Tesla erreicht werden konnten. Insgesamt verfügt das HZB über neun Kryomagnete unterschiedlichen Typs und unterschiedlicher Feldstärke. Dieses Know-how am Standort Berlin war erforderlich und somit ausschlaggebend für den Aufbau des HFM am Forschungsreaktor BER II. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4309 7. Wie hoch sind bislang die Kosten für a) die baulichen Vorbereitungsmaßnahmen am HZB, b) die Beschaffung und c) den Aufbau des HFM? Die Gesamtinvestitionskosten betragen 20,8 Mio. Euro. Davon entfallen 8,8 Mio. Euro auf die Entwicklung und den Bau des Magneten und 12 Mio. Euro auf den Bau des Gebäudes und die technische Infrastruktur. 8. Wann wird der HFM in Betrieb gehen, und wann werden die ersten Experimente durchgeführt? Im Oktober 2014 erfolgte die erfolgreiche Inbetriebnahme des Hochfeldmagneten . Mit einem Maximalfeld von 26 Tesla wurden die geplanten 25 Tesla sogar überschritten. Im Moment sind letzte Installationen für den Routinebetrieb am Neutroneninstrument im Gange. Erste Experimente von externen Nutzern finden voraussichtlich im Mai 2015 statt. 9. Ist es zutreffend, dass der BER II im Jahr 2019 endgültig stillgelegt wird? Wenn nein, was ist dann zutreffend? Für den BER II ist eine Betriebszeit bis zum 31. Dezember 2019 geplant. 10. Wie hoch sind die jährlichen Personal- und Betriebskosten im Zusammenhang mit der Einrichtung (Aufbau, Vorbereitung Inbetriebnahme) des HFM im Jahr 2014, und wie hoch sind diese für das Jahr 2015 und in den Folgejahren jeweils angesetzt? 11. Wie hoch sind die geplanten Unterhaltskosten für den Betrieb des HFM (Wartung, Reparaturen, Stromkosten etc.) pro Jahr jeweils bis zur Stilllegung des BER II? Die Fragen 10 und 11 werden im Zusammenhang beantwortet. Im Jahr 2014 betrugen die Personalkosten 450 000 Euro. Von den Gesamtinvestitionskosten wurden im gleichen Jahr 800 000 Euro verausgabt. Ab 2015 sind jährliche Personalkosten in Höhe von 150 000 Euro und Betriebskosten in Höhe von 700 000 bis 800 000 Euro vorgesehen. Für Wartung und Instandhaltung des Magneten und der technischen Infrastruktur sind jährlich weitere 100 000 bis 150 000 Euro veranschlagt. 12. Wurde nach Bekanntwerden der Materialermüdungserscheinungen am BER II bzw. nach dem Bericht der RSK (vgl. RSK-Stellungnahme: Anlagenspezifische Sicherheitsüberprüfung (RSK-SÜ) deutscher Forschungsreaktoren unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima-I (Japan), 447. Sitzung am 3. Mai 2012; www.rskonline.de), der dem BER II bescheinigte , keinen der Schutzgrade bezüglich des Absturzes eines Verkehrs - oder eines schnellfliegenden Militärflugzeugs zu erfüllen, jedoch Drucksache 18/4309 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode noch vor der Lieferung des Hochfeldmagneten in Erwägung gezogen, den Hochfeldmagneten an einem anderen Standort zu installieren? Wenn ja, wie sahen diese Überlegungen aus und welche Gründe führten zur Entscheidung, den Hochfeldmagneten dennoch am BER II zu errichten ? Wenn nein, warum nicht? Die Frage stellte sich nicht. Weder nach Ansicht der Aufsichtsbehörde des Landes Berlin noch nach Ansicht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz , Bau und Reaktorsicherheit wurde der sichere Betrieb des BER II durch den angesprochenen Riss infrage gestellt. Nach Auskunft der Aufsichtsbehörde des Landes Berlin wurde allen Effekten der Materialermüdung seitens des Betreibers unter begleitender Prüfung durch die Berliner Aufsichtsbehörde und ihrer Sachverständigen planmäßig und frühzeitig durch angepasste Maßnahmen Rechnung getragen. In der Stellungnahme der Reaktor-Sicherheitskommission dienen die für die Forschungsreaktoren ausgewiesenen Bewertungskriterien allein einer Differenzierung hinsichtlich der vorhandenen Reserven jenseits der Auslegung der Anlagen. 13. Wie viele Messtage sind am Hochfeldmagneten bis zur Stilllegung des BER II möglich? Es gibt laut dem Betriebsplan des BER II 220 Experimentiertage pro Jahr. Diese stehen nach gegenwärtiger Planung vollständig zur Verfügung. 14. Gibt es einen Forschungsplan für diesen verbleibenden Zeitraum bis zur Stilllegung? Welches sind die fünf Hauptschwerpunkte für die Forschung am Hochfeldmagneten (bitte detailliert und nachvollziehbar darstellen)? 15. Mit welchen Kooperationspartnern für die Neutronenexperimente am HFM sind bis jetzt Verträge abgeschlossen, und mit welchen Partnern wird derzeit über die Nutzung verhandelt (bitte alle einzeln auflisten)? Die Fragen 14 und 15 werden im Zusammenhang beantwortet. Der Forschungsplan ergibt sich aus der wissenschaftlichen Zielsetzung. Die fünf Hauptschwerpunkte sind: ● die Untersuchung topologischer Phasen an Quantenmagneten, ● die Aufklärung der Ladungs- und Spinordnung in Cuprat- und unkonven- tionellen Supraleitern, ● Messungen magnetfeldinduzierter Supraleitung, ● die Aufklärung sogenannter verdeckter Ordnungszustände in schweren Fer- mionen und Actinidmagneten, ● die Kontrolle elektrischer Eigenschaften in multiferroischen Substanzen mit- hilfe magnetischer Felder. Wichtige Forschungsbeiträge kommen außerdem aus der Organisation des wissenschaftlichen Nutzerbetriebs am HZB. Entsprechend der gültigen Nutzungsordnung für die Nutzung der Großgeräte BESSY II und BER II stehen diese Einrichtungen deutschen sowie internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für Experimente zur Verfügung. Die Vergabe von Forschungszeit an BESSY II und BER II ist durch ein Gutachtergremium geregelt, welches mit internationalen , nicht dem HZB angehörenden, Experten besetzt ist. Dieses Gut- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4309 achtergremium (Scientific Selection Panel, SSP) erarbeitet eine Prioritätenliste zur Zuteilung der verfügbaren Forschungszeit. Einziges Kriterium ist dabei die wissenschaftliche Qualität der eingereichten Projektanträge. Auch die Experimentierzeit am HFM wird nach diesem Procedere vergeben. 16. Welchen Bezug gibt es zwischen den (geplanten) Forschungsarbeiten mit dem HFM am BER II und der Entwicklung von Materialien für Fusionsreaktoren ? Nach gegenwärtigem Planungsstand besteht kein Bezug. 17. Welche Planungen existieren für den HFM nach Stilllegung des BER II? Zu welchem Forschungsstandort soll er unter welchen vertraglichen Bedingungen umgesetzt werden? 18. Welche Kosten sind für die Umsetzung des Hochfeldmagneten an einen neuen Standort geplant, und wer wird diese Kosten tragen? Die Fragen 17 und 18 werden im Zusammenhang beantwortet. Gegenwärtig werden verschiedene Möglichkeiten der Nachnutzung in den Gremien des HZB diskutiert. Grundsätzlich ist eine Verwendung für andere Forschungsvorhaben am HZB oder eine Weiternutzung an einer anderen Neutronenquelle möglich. Vertragliche Bindungen bestehen bislang nicht. Es gibt daher auch keine konkrete Kostenplanung. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333